Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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Urs Blank
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Urs Blank »

So, Sache erledigt, das Ablehnungsgesuch ist (erwartungsgemäß) zurückgewiesen:

https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 78121.html

Ich fasse kurz zusammen: Der Harbarth war ein treuer Parteisoldat, ist ohne jede Karenzzeit von der Hinterbank an den Richtertisch befördert worden, hat über die von seinem Parteifreund ersonnene "Bundesnotbremse" zu entscheiden, trifft sich wenige Wochen vor der Entscheidung mit Regierungsmitgliedern, von denen eines ein von ihm erbetenes Referat zum nämlichen Thema hält, klandestin, ohne Öffentlichkeit, es kommt erst raus, weil es jemand durchgestochen hat: Wenn das nicht die Besorgnis der Befangenheit begründet: Was täte es?
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Theopa
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Theopa »

Tibor hat geschrieben: Montag 18. Oktober 2021, 23:15 Soll das Gericht seine Überzeugung nun allein im stillen Kämmerlein in Karlsruhe bilden oder im Austausch mit anderen Verfassungsorganen?
Zentrale Kriterien an der Grenze zwischen sinnvoller Kommunikation und bedenklicher Verwässerung der Grenzen zwischen den Gewalten sind bewusste Öffentlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Transparenz. Daran fehlt es hier offenbar, sei es aus Nachlässigkeit oder ganz bewusst.
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Seeker »

Urs Blank hat geschrieben: Montag 18. Oktober 2021, 22:05 So, Sache erledigt, das Ablehnungsgesuch ist (erwartungsgemäß) zurückgewiesen:

https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 78121.html

Ich fasse kurz zusammen: Der Harbarth war ein treuer Parteisoldat, ist ohne jede Karenzzeit von der Hinterbank an den Richtertisch befördert worden, hat über die von seinem Parteifreund ersonnene "Bundesnotbremse" zu entscheiden, trifft sich wenige Wochen vor der Entscheidung mit Regierungsmitgliedern, von denen eines ein von ihm erbetenes Referat zum nämlichen Thema hält, klandestin, ohne Öffentlichkeit, es kommt erst raus, weil es jemand durchgestochen hat: Wenn das nicht die Besorgnis der Befangenheit begründet: Was täte es?
Lustig ist auch, dass es im ursprünglichen Ablehnungsgesuch noch hieß:

"Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass allein die zeitliche Nähe des Treffens ohne irgendeinen inhaltlichen Bezug zur mündlichen Verhandlung dazu führen könnte, dass die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr über die innere Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigt, über die Gegenstände der vorliegenden Organstreitverfahren unvoreingenommen und objektiv zu entscheiden."
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Sektnase »

Traurig.
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Liz »

Theopa hat geschrieben:
Tibor hat geschrieben: Montag 18. Oktober 2021, 23:15 Soll das Gericht seine Überzeugung nun allein im stillen Kämmerlein in Karlsruhe bilden oder im Austausch mit anderen Verfassungsorganen?
Zentrale Kriterien an der Grenze zwischen sinnvoller Kommunikation und bedenklicher Verwässerung der Grenzen zwischen den Gewalten sind bewusste Öffentlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Transparenz. Daran fehlt es hier offenbar, sei es aus Nachlässigkeit oder ganz bewusst.
Schwierig. Wenn jedes gesprochene Wort eines solchen Austausches öffentlich ist, entfällt doch ein bisschen von der Sinnhaftigkeit einer solchen Kommunikation, weil dann jeder Satz für künftige bzw. laufende Verfahren auf die Goldwaage gelegt werden muss, unter welchem Gesichtspunkt man ihn möglicherweise missverstehen könnte.
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Herr Schraeg »

Liz hat geschrieben: Dienstag 19. Oktober 2021, 20:19
Theopa hat geschrieben:
Tibor hat geschrieben: Montag 18. Oktober 2021, 23:15 Soll das Gericht seine Überzeugung nun allein im stillen Kämmerlein in Karlsruhe bilden oder im Austausch mit anderen Verfassungsorganen?
Zentrale Kriterien an der Grenze zwischen sinnvoller Kommunikation und bedenklicher Verwässerung der Grenzen zwischen den Gewalten sind bewusste Öffentlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Transparenz. Daran fehlt es hier offenbar, sei es aus Nachlässigkeit oder ganz bewusst.
Schwierig. Wenn jedes gesprochene Wort eines solchen Austausches öffentlich ist, entfällt doch ein bisschen von der Sinnhaftigkeit einer solchen Kommunikation, weil dann jeder Satz für künftige bzw. laufende Verfahren auf die Goldwaage gelegt werden muss, unter welchem Gesichtspunkt man ihn möglicherweise missverstehen könnte.
Hier ging es aber nicht um einen üblichen Meinungsaustausch unter Verfassungsorganen, sondern um eine Kommunikation zwischen dem Gericht und einem absehbaren Verfahrensbeteiligten über ein Thema, das Gegenstand des Verfahrens war bzw. absehbar sein würde. Wenn der für "Dieselverfahren" zuständige Senat sich mit einer der GKs, die für die Industrie die Dieselverfahren führt, zu einem kleinen Symposium mit Diskussion dieser Rechtsprechung träfe, wäre das dann auch nur ein fachlicher Austausch, bei dem nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden dürfe?
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Tibor
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Tibor »

Und wenn nun auf einer Baurechtstagung VRiVG einer Baurechtskammer, der ORR aus dem örtlichen Bauamt des LRA sowie der für BauR bekannte RA sowieso sehen würden, wohlweislich dass sie ständig zu Dritt Verfahren haben und wieder haben werden, begründet es dann die Besorgnis der Befangenheit, wenn der Richter mit einem der beiden anderen (egal wer) am Tisch steht, angeregt sich über die BauO / das BauGB etc unterhält und sobald der Dritte dazu stößt zum Wetter / Fußball etc als Thema wechseln?

Soll dann der Dritte schon den bösen Schein der Unbefangenheit aus der Schublade ziehen, weil er schon 13x in der Kammer gewonnen/verloren hat, noch 3 Sachen anhängig/terminiert sind bzw noch 3 Sachen mit hoher Wahrscheinlichkeit anhängig werden?
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Liz »

Herr Schraeg hat geschrieben:
Liz hat geschrieben: Dienstag 19. Oktober 2021, 20:19
Theopa hat geschrieben:
Tibor hat geschrieben: Montag 18. Oktober 2021, 23:15 Soll das Gericht seine Überzeugung nun allein im stillen Kämmerlein in Karlsruhe bilden oder im Austausch mit anderen Verfassungsorganen?
Zentrale Kriterien an der Grenze zwischen sinnvoller Kommunikation und bedenklicher Verwässerung der Grenzen zwischen den Gewalten sind bewusste Öffentlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Transparenz. Daran fehlt es hier offenbar, sei es aus Nachlässigkeit oder ganz bewusst.
Schwierig. Wenn jedes gesprochene Wort eines solchen Austausches öffentlich ist, entfällt doch ein bisschen von der Sinnhaftigkeit einer solchen Kommunikation, weil dann jeder Satz für künftige bzw. laufende Verfahren auf die Goldwaage gelegt werden muss, unter welchem Gesichtspunkt man ihn möglicherweise missverstehen könnte.
Hier ging es aber nicht um einen üblichen Meinungsaustausch unter Verfassungsorganen, sondern um eine Kommunikation zwischen dem Gericht und einem absehbaren Verfahrensbeteiligten über ein Thema, das Gegenstand des Verfahrens war bzw. absehbar sein würde. Wenn der für "Dieselverfahren" zuständige Senat sich mit einer der GKs, die für die Industrie die Dieselverfahren führt, zu einem kleinen Symposium mit Diskussion dieser Rechtsprechung träfe, wäre das dann auch nur ein fachlicher Austausch, bei dem nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden dürfe?
Aber gibt es denn überhaupt Themen, über die man sich so ganz unbefangen bei einem gemeinsamen Abendessen von BVerfG und Bundesregierung unterhalten könnte, ohne dass später jemand daherkommt und „Besorgnis der Befangenheit“ schreit?
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Tibor
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Tibor »

Wetter, Fußball, Urlaubspläne?
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Urs Blank
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Urs Blank »

Tibor hat geschrieben:Und wenn nun auf einer Baurechtstagung VRiVG einer Baurechtskammer, der ORR aus dem örtlichen Bauamt des LRA sowie der für BauR bekannte RA sowieso sehen würden, wohlweislich dass sie ständig zu Dritt Verfahren haben und wieder haben werden, begründet es dann die Besorgnis der Befangenheit, wenn der Richter mit einem der beiden anderen (egal wer) am Tisch steht, angeregt sich über die BauO / das BauGB etc unterhält und sobald der Dritte dazu stößt zum Wetter / Fußball etc als Thema wechseln?

Soll dann der Dritte schon den bösen Schein der Unbefangenheit aus der Schublade ziehen, weil er schon 13x in der Kammer gewonnen/verloren hat, noch 3 Sachen anhängig/terminiert sind bzw noch 3 Sachen mit hoher Wahrscheinlichkeit anhängig werden?
Du verschiebst ein bisschen die Torpfosten, denn so ein zufälliges Treffen ist ja schon etwas anderes als diese bewusst herbeigeführte und inhaltlich orchestrierte Zusammenkunft im Bundeskanzleramt…
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Tibor »

Das Landratsamt hat natürlich die Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem lokalen Anwaltsverein veranstaltet: „Bauen in Zeiten der Ungewissheit - Corona, Landflucht, Nachverdichtung“
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Herr Schraeg »

Tibor hat geschrieben: Donnerstag 21. Oktober 2021, 13:09 Und wenn nun auf einer Baurechtstagung VRiVG einer Baurechtskammer, der ORR aus dem örtlichen Bauamt des LRA sowie der für BauR bekannte RA sowieso sehen würden, wohlweislich dass sie ständig zu Dritt Verfahren haben und wieder haben werden, begründet es dann die Besorgnis der Befangenheit, wenn der Richter mit einem der beiden anderen (egal wer) am Tisch steht, angeregt sich über die BauO / das BauGB etc unterhält und sobald der Dritte dazu stößt zum Wetter / Fußball etc als Thema wechseln?
Kein Problem.
Aber es sähe anders aus, wenn ich als im Öff. Baurecht tätiger RA zwei Verfahren um Nachverdichtungsgenehmigungen beim VG führe und dann bei einer Fortbildungsveranstaltung des VG (Teilnehmer nur Richter und ich als Referent) der VRiVG und ich über "Chancen und Grenzen der Nachverdichtung im Städtbaurecht" referierten und diskutierten.
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Seeker »

Gerade wenn die Treffen so wichtig sind, müsste es doch sehr viele mögliche Gesprächsthemen geben.

Es sollte nicht schwer fallen, darunter 1-2 zu finden, die keinerlei signifikanten Bezug zu aktuellen, insbesondere politisch höchst bedeutsamen Verfahren aufweisen.
Liz
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Liz »

Mit Blick auf die Vielzahl an Verfahren beim BVerfG wird es letztlich immer zu jedem aktuell relevanten Thema (das fragliche Thema ist ja zB immer noch hochaktuell, weil wir alle nicht wissen, wie z. B. der nächste Winter wird) auch Verfahren beim BVerfG geben.
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Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Seeker »

Das Argument ist albern. Hier besteht ein offensichtlicher enger Bezug zu Corona: die Pandemie taucht sogar ausdrücklich in der Rede auf.

Wenn die Treffen so wichtig sind, dürfte es auch eine Vielzahl an anderen relevanten Themen geben, über die man sprechen könnte. Außer es geht darum, aktuell Relevantes (wie Corona) zu besprechen - aber einen Bezug zu aktuellen Verfahren soll und darf es ja gerade nicht geben.

Jedenfalls ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, ausgerechnet dieses Thema zu wählen.
Zuletzt geändert von Seeker am Freitag 22. Oktober 2021, 19:04, insgesamt 1-mal geändert.
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