Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

Moderator: Verwaltung

Antworten
gren
Newbie
Newbie
Beiträge: 8
Registriert: Freitag 5. März 2021, 09:11

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von gren »

Das BVerfG hat den EU-Wiederaufbaufond vorerst gestoppt
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 54721.html

Mich wundert, dass der EU-Wiederaufbaufond in Deutschland beschlossen wurde, obwohl dies in Hinblick auf die Haushaltssouveränität des Parlaments und Schuldenunion nicht geht.

Herdegen, Die EU wird zur neuen Verteilungsmacht
https://www.nzz.ch/meinung/die-eu-wird- ... ld.1608007
Windscheid
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 167
Registriert: Donnerstag 28. März 2019, 21:31
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Windscheid »

Lesenswert ist dazu das Interview mit einem der Antragsteller, Bernd Lucke, beim Cicero: https://www.cicero.de/innenpolitik/euro ... bertolpeln

Offensichtlich hat man in Berlin versucht, das Ganze durchzumogeln.
Benutzeravatar
famulus
Fossil
Fossil
Beiträge: 10256
Registriert: Freitag 12. März 2004, 12:55
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von famulus »

Wie sehen hier eigentlich die Meinungen zum Hängebeschluss des VG Köln vom 05.03.2021 (13 L 105/21) aus, mit dem das Gericht dem Bund einstweilen nicht nur verbietet, die Einordnung der AfD als Verdachtsfall bekannt zu geben (vor dem Hintergrund der gebrochenen Stillhaltezusage soweit klar), sondern sie ganz und gar als Verdachtsfall einzuordnen, zu beobachten, zu behandeln und zu prüfen? Ich finde das als Trotzreaktion des Gerichts zwar emotional nachvollziehbar, aber ist das nicht eine (in Gesamtbetrachtung überschießende und u. U. gefährliche) bloße Sanktion? Gibt es dafür überhaupt eine belastbare Rechtsgrundlage?
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
stilzchenrumpel
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1759
Registriert: Montag 12. Januar 2015, 13:40
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von stilzchenrumpel »

Die Stillhaltezusagen gingen ja darüber hinaus, dass Vertrauen ist zurecht futsch, RGL ist unmittelbar Art. 19 IV GG.
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
Omnimodofacturus
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 263
Registriert: Mittwoch 26. September 2018, 20:42
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Omnimodofacturus »

Ich habe den Sinn dieser Stillhaltezusagen nie verstanden. Wieso erlässt das Gericht noch von Anfang eine eine einstweilige Anordnung?
Liz
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 3246
Registriert: Sonntag 22. Oktober 2017, 17:03
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Liz »

Omnimodofacturus hat geschrieben:Ich habe den Sinn dieser Stillhaltezusagen nie verstanden. Wieso erlässt das Gericht noch von Anfang eine eine einstweilige Anordnung?
Dann überlege Dir einfach mal, wie es prozessual nach Erlass der einstweiligen Anordnung weitergeht und wer die einstweilige Anordnung ggf wieder aufheben kann.

In der Situation, in der der Eilantrag eingeht, braucht das Gericht eigentlich einen "Pause-Knopf", bis es allen Beteiligten rechtliches Gehör gewähren konnte, um dann auf dieser Grundlage eine begründete Entscheidung treffen zu können. Das ist am einfachsten dadurch umsetzbar, dass ein als zuverlässig anzusehender Antragsgegner erklärt, er werde bis zur gerichtlichen Entscheidung nichts machen. Ansonsten müsste man auf unzuverlässiger Sachverhaltsgrundlage im Zweifelsfall die einstweilige Anordnung erlassen und sie dann anschließend wieder kassieren, was aber prozessual eben mitunter nicht so einfach ist.
Windscheid
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 167
Registriert: Donnerstag 28. März 2019, 21:31
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Windscheid »

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-massnahmen-bundesverfassungsgericht-100.html#xtor=CS5-62 (Verwaister Link automatisch entfernt)

Constantin van Lijnden von der FAZ fasst das auf Twitter recht gut zusammen: "Weil die insoweit fast vollständige Untätigkeit seines Gerichts wohl noch nicht deutlich genug signalisiert hat, wie tippi-toppi in Ordnung der eben erst dem Bundestag entstiegene Präsident des BVerfG die Corona-Politik d Regierung findet, sagt ers noch mal im Interview. Oh Mann" :D
Benutzeravatar
famulus
Fossil
Fossil
Beiträge: 10256
Registriert: Freitag 12. März 2004, 12:55
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von famulus »

Womit sorgt Harbarth denn für die "Untätigkeit seines Gerichts"?
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
Omnimodofacturus
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 263
Registriert: Mittwoch 26. September 2018, 20:42
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Omnimodofacturus »

Liz hat geschrieben: Freitag 2. April 2021, 13:30
Omnimodofacturus hat geschrieben:Ich habe den Sinn dieser Stillhaltezusagen nie verstanden. Wieso erlässt das Gericht noch von Anfang eine eine einstweilige Anordnung?
Dann überlege Dir einfach mal, wie es prozessual nach Erlass der einstweiligen Anordnung weitergeht und wer die einstweilige Anordnung ggf wieder aufheben kann.

In der Situation, in der der Eilantrag eingeht, braucht das Gericht eigentlich einen "Pause-Knopf", bis es allen Beteiligten rechtliches Gehör gewähren konnte, um dann auf dieser Grundlage eine begründete Entscheidung treffen zu können. Das ist am einfachsten dadurch umsetzbar, dass ein als zuverlässig anzusehender Antragsgegner erklärt, er werde bis zur gerichtlichen Entscheidung nichts machen. Ansonsten müsste man auf unzuverlässiger Sachverhaltsgrundlage im Zweifelsfall die einstweilige Anordnung erlassen und sie dann anschließend wieder kassieren, was aber prozessual eben mitunter nicht so einfach ist.
Wer entscheidet denn, welche Antragsgegner als zuverlässig anzusehen sind?

Das war hier offensichtlich ja nicht der Fall.

Im Übrigen erwachsen einstweilige Anordnungen nicht in Rechtskraft und können im Verwaltungsprozess jederzeit auch von Amts wegen geändert werden, weil auf § 927 ZPO nicht verwiesen wird.
Liz
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 3246
Registriert: Sonntag 22. Oktober 2017, 17:03
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Liz »

Omnimodofacturus hat geschrieben: Samstag 3. April 2021, 22:26
Liz hat geschrieben: Freitag 2. April 2021, 13:30
Omnimodofacturus hat geschrieben:Ich habe den Sinn dieser Stillhaltezusagen nie verstanden. Wieso erlässt das Gericht noch von Anfang eine eine einstweilige Anordnung?
Dann überlege Dir einfach mal, wie es prozessual nach Erlass der einstweiligen Anordnung weitergeht und wer die einstweilige Anordnung ggf wieder aufheben kann.

In der Situation, in der der Eilantrag eingeht, braucht das Gericht eigentlich einen "Pause-Knopf", bis es allen Beteiligten rechtliches Gehör gewähren konnte, um dann auf dieser Grundlage eine begründete Entscheidung treffen zu können. Das ist am einfachsten dadurch umsetzbar, dass ein als zuverlässig anzusehender Antragsgegner erklärt, er werde bis zur gerichtlichen Entscheidung nichts machen. Ansonsten müsste man auf unzuverlässiger Sachverhaltsgrundlage im Zweifelsfall die einstweilige Anordnung erlassen und sie dann anschließend wieder kassieren, was aber prozessual eben mitunter nicht so einfach ist.
Wer entscheidet denn, welche Antragsgegner als zuverlässig anzusehen sind?

Das war hier offensichtlich ja nicht der Fall.
Grds. wird man bei Behörden, die an Recht und Gesetz gebunden sind, davon ausgehen können, dass sie sich an eine Stillhaltezusage halten werden, wenn sie eine solche abgegeben haben (und diese aus Sicht der Kammer auch inhaltlich ausreichend ist). Die Ausnahmen von der Regel dürften dann der zuständigen Kammer durchaus bekannt sein. Ich nehme etwa an, sowas wird der zuständigen Kammer nicht mehr so schnell passieren: https://www.tagesspiegel.de/berlin/rich ... 47514.html
Im Übrigen erwachsen einstweilige Anordnungen nicht in Rechtskraft und können im Verwaltungsprozess jederzeit auch von Amts wegen geändert werden, weil auf § 927 ZPO nicht verwiesen wird.
Rein praktisch wird die Behörde gegen eine einstweilige Anordnung, die das VG vorschnell erlassen hat, allerdings Beschwerde zum OVG / VGH einlegen (dort wird man sich bestimmt freuen, wenn man dann quasi die Arbeit des VG übernehmen darf). Das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO (analog) ist dagegen ein gesondertes Verfahren, auf das man aber - ebenso wie auf ein etwaig unnötiges Beschwerdeverfahren - verzichten kann, wenn das VG den Sachverhalt vor seiner ersten Entscheidung umfassend aufbereitet hat.
Windscheid
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 167
Registriert: Donnerstag 28. März 2019, 21:31
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Windscheid »

Harbarth scheint aktuell etwas mitteilsam zu sein...
https://www.deutschlandfunk.de/bundestagswahlen-verfassungsgerichts-praesident-harbarth.1939.de.html?drn:news_id=1245136 (Verwaister Link automatisch entfernt)
Benutzeravatar
Urs Blank
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1741
Registriert: Samstag 31. Januar 2009, 12:38
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Urs Blank »

Berliner Mietendeckel verfassungswidrig.
"Cats exit the room in a hurry when oysters are opened."
Benutzeravatar
Blaumann
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1154
Registriert: Donnerstag 20. März 2014, 04:28
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Blaumann »

Ausführliche PM hier: https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 1-028.html
Beschluss hier: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/03/fs20210325_2bvf000120.html (Verwaister Link automatisch entfernt)

Keine Übergangsregelung.

Man beachte, dass das Gericht in Abkehr von den üblichen Gepflogenheiten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat.

Harakiri mit Ansage, was der Berliner Gesetzgeber da fabriziert hat.
Benutzeravatar
thh
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5293
Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von thh »

Blaumann hat geschrieben: Donnerstag 15. April 2021, 10:25Keine Übergangsregelung.
Wie sollte man sich denn auch eine Übergangsregelung vorstellen, wenn dem Gesetzgeber die Gesetzgebungskomnpetenz fehlt? Die verfassungswidrige Vorschrift bleibt in Kraft, bis das Land Berlin die Materie - ebenfalls verfassungswidrig - neu regelt?
Benutzeravatar
Blaumann
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1154
Registriert: Donnerstag 20. März 2014, 04:28
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Aktuelles aus dem Öffentlichen Recht

Beitrag von Blaumann »

thh hat geschrieben: Donnerstag 15. April 2021, 19:12
Blaumann hat geschrieben: Donnerstag 15. April 2021, 10:25Keine Übergangsregelung.
Wie sollte man sich denn auch eine Übergangsregelung vorstellen, wenn dem Gesetzgeber die Gesetzgebungskomnpetenz fehlt? Die verfassungswidrige Vorschrift bleibt in Kraft, bis das Land Berlin die Materie - ebenfalls verfassungswidrig - neu regelt?
Zum Beispiel hätte es die Verfassungswidrigkeit nur ex nunc feststellen können, um die Härten für die betroffenen Mieter abzumildern.

Will das aber gar nicht kritisieren. Ich halte diese Tendenz des BVerfG, verfassungswidrigem Recht aus politischen Gründen zur zeitweiligen Geltung zu verhelfen, ohnehin für ein Unding. Es war mir nur aufgefallen, zumal es das BVerfG sogar ohne Anlass noch extra betont hat.
Antworten