[LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschneidung

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Swann
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Swann »

AdamCarter hat geschrieben:
Es geht hier nicht um "Religion - Ja, oder Nein", es geht hier um religiösen Fanatismus. Wenn Kinder aufgrund von religiösen Vorstellungen sexuell misshandelt werden (...)
Wie kommst du auf den Unsinn der sexuellen Misshandlung? Man mag Beschneidungen ablehnen, sie auch als strafbar erachten - wer sie aber als "sexuelle Misshandlung" bezeichnet, desavouiert sein Anliegen und macht sich lächerlich.
Und die Aussage, Juden könnten ihre Religion nicht mehr praktizieren wenn die religiös motivierte Kindesmisshandlung strafbar wäre und müssten dann das Land verlassen, ist schlicht absurd. Es wäre problemfrei möglich, die Beschneidung beim 8 Tage alten Säugling zunächst durch ein nicht verletzendes Ritual zu ersetzen und beispielsweise im Rahmen der Bar Mitzvah dann die Beschneidung aus freien Stücken zu vollziehen.
Davon ab lässt sich das Judentum nicht auf die Beschneidung reduzieren, der Kern des Judentums dürften gewisse Werte und Moralvorstellungen sein, aber mit Sicherheit nicht die Beschneidung. Eine Religion deren unabänderlicher Kern die sexuelle Misshandlung von Säuglingen ist, wäre auch eher als gefährliche Sekte zu bezeichnen - genau das ist das Judentum aber nicht und es gibt auch viele moderne Juden, die die Beschneidung ablehnen. Ein Angriff auf eine einzelne archaische Praktik ist eben kein Angriff auf die Religion in der Gesamtheit.
Du stellst der Praxis zumindest eines Teils des Judentums ein anderes, nämlich dein eigenes, Verständnis von der jüdischen Religion gegenüber. Die Relevanz dieses Vorgehens erschließt sich mir nicht. Eine Praxis verliert nicht deshalb den Schutz der Religionsfreiheit, weil andere Angehörige der religiösen Gruppe oder gar Außenstehende der Auffassung sind, dass sie nicht religiös geboten sei. Insofern sind diese Ausführungen unerquicklich.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Scaevola »

Ara hat geschrieben:
Ich weiß natürlich nicht was Putzke damit ausdrücken wollte und ich kenne auch die Originalquelle nicht. Ich wollte nur aufzeigen, dass der Satz von Putzke nicht per se so rassistisch verstanden werden muss, wie es Bahner wohl getan hat. Das siehst du ja anscheinend genauso.
Von Rassismus hat in Bezug auf diesen Satz niemand etwas gesagt. Er zeugt allerdings von einer gewissen Geschichtsvergessenheit, die bei einem Hochschullehrer des Rechts überrascht.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Chefreferendar »

Was Elielezra gesagt hat, trifft in rechtlicher Hinsicht größtenteils zu, er berücksichtigt aber den Umstand, dass die Entscheidung der Eltern für das Kind eine vorgezogene Entscheidung des religiösmündigen Kindes ist, so dass man nicht weiter rechtlich prüfen kann, ob die Entscheidung dem Kind im Alter von 14 den Eltern zu überlassen ist, sondern diese dürfen sofort rechtsgültig entscheiden, wobei man das Kindeswohl hypothetisch prüft(so wie das Kind entschieden hätte) wenn dies dem Kind oder noch besser dem Kindeswohl dient. Das ist dann die Tatfrage, weil nur Vorteile oder Nachteile gegeneinander abzuwägen sind. Es gibt außer Schmerz aber nur Vorteile. Ich habe Foren in verschiedenen Sprachen und von User, die verschiedenen Religionen angehören, verglichen. Die Beschneidungen, die bis zum 2. Monat durchgeführt werden, haben zur Folge, dass das Kind an dem Beschneidungstag weint und morgen Probleme mit Verdauung hat, bis zum 5. Lebensjahr haben sie eine Woche Verbände zu tragen, im späteren Alter bis zu 2 Wochen. Vor allem berichten die Christen, dass die sexuellen Verhältnisse intensiver geworden sind, und dass sie bereuen, die nicht früher gemacht zu haben. Die meisten Probleme bekommen Mamas. Das ist absolut unbedenklich. Nach der jetzigen Lage würden die Juden und Muslime siegen(man hätte nur länger gestritten).

Was Adam C. sagt, ist richtig, soweit er sich gegen die Ausführungen von
von Schreeg wendet, weil dieser in keinster Weise Recht erwähnt, wobei ich gerade gegen solche "Diskutanten" im Vorposting gewarnt habe. Diese nutzen das alles als Vorwand und reden von Risiken, Talmud, WW2, sexuelle Gewalt gegen die Kinder, und so weiter, ohne es im Entferntesten zu wissen, worauf es ankommt.

Aber auch im Übrigen sind seine Ausführungen richtig, soweit er meint, dass man die ritualen Beschneidungen nicht erlauben darf, soweit (das würde ich einfügen) nicht gewährleistet ist, wenn diese nicht medizinisch oder präziser klinisch fachgerecht durchgeführt werden. Es ist ach nicht vorgeschrieben, dass der Knabe in der Synagoge beschnitten wird, sondern lediglich, dass er beschnitten wird. Der Rabbi kann das Kind auch im Krankenhaus segnen. Die Rabbis, die sich damit beschäftigen, kämpfen aber um ihr Wohl oder um ihren Job, soweit sie verlangen, falls sie es verlangen (weil ich das genau genommen auch nicht weiß), dass gerade sie das machen. Das ist so nicht vorgeschrieben. Man kann die Religion auch ausüben, wenn man das im Krankenhaus oder in einer vergleichbaren Anstalt macht. Es wird aber ein totales Verbot der Beschneidung bis zur Religionsmündigkeit verlangt, weil es nicht dem Wohl des Kindes diene.

Nur noch zu meinem Vorposting: es sollte statt "zugeneigt" gewogen stehen.
Übrigens ist zeitlich ganz kurz vor der Post von Sceavola geschickt worden, so dass es von seiner Post - die auch teils mit meiner Post übereinstimmt- gedeckt wurde. Das nur, weil H. Schreeg von "vorblidlichem Ignorieren" geschrieben hat. Man kann sein Posting im übrigen nicht genügend verachten.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Herr Schraeg »

Mr_Black hat geschrieben:Ich bin weiterhin etwas skeptisch, wenn es eine Religion für unverzichtbar hält Kinder bereits im Säuglingsalter dauerhaft als zu ihr zugehörig körperlich zu "markieren".
Aber steht es uns zu, das zu hinterfragen? Oder sind wir als Juristen bei der Prüfung der Strafbarkeit darauf beschränkt, die Sinnhaftigkeit des religiösen Rituals hinzunehmen und "nur" gegen die Intensität des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit des Kindes abzuwägen?
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von julée »

Herr Schraeg hat geschrieben:
Mr_Black hat geschrieben:Ich bin weiterhin etwas skeptisch, wenn es eine Religion für unverzichtbar hält Kinder bereits im Säuglingsalter dauerhaft als zu ihr zugehörig körperlich zu "markieren".
Aber steht es uns zu, das zu hinterfragen? Oder sind wir als Juristen bei der Prüfung der Strafbarkeit darauf beschränkt, die Sinnhaftigkeit des religiösen Rituals hinzunehmen und "nur" gegen die Intensität des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit des Kindes abzuwägen?
Keine Wertung hinsichtlich der Sinnhaftigkeit religiös geprägten Verhaltens im Rahmen juristischer Prüfungen vorzunehmen scheint mir zwingend zu sein*. Aber kann man beides voneinander trennen? Das sinnhafteste religiöse Ritual kann kein (unfreiwilliges) Menschenopfer rechtfertigen (wohl unstrittig).
Wenn ich an den Punkt gelange, dass ich sage "ab hier überwiegt das Recht auf körperliche Unversehrtheit / Leben / was auch immer", dann gewichte ich damit gleichzeitig das religiöse Ritual als "verfassungswidrig". Ist die Anerkennung als "religiös sinnhaft" dann nicht nur bloße Rhetorik?


*Man könnte es auch einen allgemeinen Rechtsgedanken nennen: Wenn sich jemand auf ein sonstiges Freiheitsrecht beruft, fragt ja auch keiner danach, ob das jetzt irgendwie sinnhaft ist. Es besteht eben auch die Freiheit, unsinnhafte Dinge zu tun. Dies dürfte ebenso für religiöse Überzeugungen und rituelle Handlungen gelten.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Scaevola »

julée hat geschrieben: Ist die Anerkennung als "religiös sinnhaft" dann nicht nur bloße Rhetorik?
Ich verstehe die Frage gerade vor dem Hintergrund Deiner eigenen Ausführungen nicht. Auf die Sinnhaftigkeit kommt es danach ja nicht an, also bedarf es diesbezüglich auch keiner staatlichen Feststellungen.
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AdamCarter
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Re: AW: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Besc

Beitrag von AdamCarter »

Flanke hat geschrieben:
Scaevola hat geschrieben:Dass die Kritik an der Beschneidung aber zumindest auch antisemitisch und xenophob motiviert ist, lässt sich aber m.E. nicht bestreiten.
AdamCarter hat geschrieben: Wenn Kinder aufgrund von religiösen Vorstellungen sexuell misshandelt werden...

Beispiele wohin es führen kann die eigene Religion/Ideologie/Hautfarbe/Politik/Nation über grundlegende Menschenrechte anderer zu stellen gibt es aktuell in der Welt und in unserer Geschichte zu genüge; es besorgt mich zutiefst dass soetwas (gerade in Deutschland!) immer noch salonfähig ist.
- Unterstellung sexueller Abartigkeit: check

- Nazivergleich: check

q.e.d.

100% Zustimmung zu EliElezra, übrigens.
Falsch. Die Beschneidung ist "sexuelle Misshandlung" weil sie stark in das Recht des Kindes auf sexuelle Selbstbestimmung eingreift, nicht weil sie sexuell motiviert wäre (das ist sie nicht). Und zum "Nazivergleich": Wir haben in Deutschland nunmal sehr schlechte Erfahrungen mit Fanatismus gemacht und sollten dahingehend auch eine gewisse Sensibilität aufweisen. Und die unterschwellige Unterstellung von Xenophobie/Antisemitismus brauche ich mir definitiv nicht gefallen zu lassen, ich wiederhole mich nochmal: Es geht darum eine einzelne überholte Praktik abzuschaffen, in keinster Weise geht es um die Religionsgemeinschaft als ganzes.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von julée »

Scaevola hat geschrieben:
julée hat geschrieben: Ist die Anerkennung als "religiös sinnhaft" dann nicht nur bloße Rhetorik?
Ich verstehe die Frage gerade vor dem Hintergrund Deiner eigenen Ausführungen nicht. Auf die Sinnhaftigkeit kommt es danach ja nicht an, also bedarf es diesbezüglich auch keiner staatlichen Feststellungen.
Ist es hilfreich, wenn das Fazit lautet "Verfassungswidrig, aber natürlich erkennen wir das Ganze als religiös möglicherweise höchst sinnhaft an"? Erlaubt ist es dennoch nicht.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Scaevola »

julée hat geschrieben:
Ist es hilfreich, wenn das Fazit lautet "Verfassungswidrig, aber natürlich erkennen wir das Ganze als religiös möglicherweise höchst sinnhaft an"? Erlaubt ist es dennoch nicht.
Der Staat (etwa in Gestalt des BVerfG) würde sich doch einer solchen Feststellung bzgl. der "Sinnhaftigkeit" enthalten; nach seinem Selbstverständnis ist er dazu schließlich weder berufen noch in der Lage.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von julée »

Scaevola hat geschrieben:
julée hat geschrieben:
Ist es hilfreich, wenn das Fazit lautet "Verfassungswidrig, aber natürlich erkennen wir das Ganze als religiös möglicherweise höchst sinnhaft an"? Erlaubt ist es dennoch nicht.
Der Staat (etwa in Gestalt des BVerfG) würde sich doch einer solchen Feststellung bzgl. der "Sinnhaftigkeit" enthalten; nach seinem Selbstverständnis ist er dazu schließlich weder berufen noch in der Lage.
Das sicherlich. Aber wird es auch so verstanden?
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Re: AW: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Besc

Beitrag von EliElezra »

AdamCarter hat geschrieben:Wir haben in Deutschland nunmal sehr schlechte Erfahrungen mit Fanatismus gemacht und sollten dahingehend auch eine gewisse Sensibilität aufweisen.
Na zum Glück ist Dir jede Form des Fanatismus fremd, was Du durch Deine ausgewogenen und besonnenen Beiträge eindrucksvoll zur Schau stellst.

Es ist in der Tat sehr müßig mit Dir zu diskutieren, weil Du Dich in die Vorstellung versteift hast, die Knabenbeschneidung sei eine durch religiösen Fanatismus motivierte sexuelle Misshandlung des Kindes. Ausgehend von dieser Prämisse mag Deine ablehnende Haltung konsequent sein, bloß: die Prämisse ist schlicht Unsinn. Mit Deinen historischen Vergleichen ist ebenfalls nicht viel zu gewinnen; genauso gut ließe sich argumentieren, dass es wesentlicher Bestandteil gerade der totalitären Diktaturen des 20. Jahrhunderts war, massiv in das elterliche Erziehungsrecht einzugreifen. Ganz abgesehen von Eingriffen in die Religionsfreiheit.

Dass Du Dir darüber hinaus anmaßt, Juden ihre Religion erklären zu wollen, deutet darauf hin, dass Du die Grundidee der Grundrechte offenbar nicht hinreichend erfasst hast. Es ist das Wesen der Religionsfreiheit, dass jeder Mensch selbst darüber entscheiden kann, wie und auf welche Weise er seine Religion auslebt oder an welcher religiösen Lehre er sich orientiert. Hält der Staat eine religiöse Praxis für mit der übrigen Rechtsordnung unvereinbar, mag er in den Grenzen des GG dagegen vorgehen. Das impliziert aber selbstverständlich einen Eingriff in die Religionsfreiheit, dessen Intensität sich nicht mit Hinweis leugnen lässt, den Anhänger der Religion stünde es doch frei, von ihrer Praxis abzusehen. Wer die Knabenbeschneidung in Deutschland verbietet will, erschwert es Juden ganz erheblich, hier nach ihrer Religion zu leben oder macht es ihnen sogar unmöglich. Das mag man für gerechtfertigt halten, leugnen aber lässt sich das nicht.

julée hat geschrieben:Keine Wertung hinsichtlich der Sinnhaftigkeit religiös geprägten Verhaltens im Rahmen juristischer Prüfungen vorzunehmen scheint mir zwingend zu sein*. Aber kann man beides voneinander trennen? Das sinnhafteste religiöse Ritual kann kein (unfreiwilliges) Menschenopfer rechtfertigen (wohl unstrittig).
Wenn ich an den Punkt gelange, dass ich sage "ab hier überwiegt das Recht auf körperliche Unversehrtheit / Leben / was auch immer", dann gewichte ich damit gleichzeitig das religiöse Ritual als "verfassungswidrig". Ist die Anerkennung als "religiös sinnhaft" dann nicht nur bloße Rhetorik?
Keine Wertung vorzunehmen bedeutet ja sich sowohl des Urteils der Sinnhaftigkeit wie der Nicht-Sinnhaftigkeit zu enthalten. Ich würde deshalb auch nicht sagen, dass wir die Sinnhaftigkeit hinzunehmen haben (des entpuppt sich spätestens dann, wenn wir eine Praxis rechtlich nicht mehr dulden, in der Tat als Rhetorik). Das Menschenopfer ist deshalb von der Verfassung nicht gedeckt, weil das Rechtsgut Leben Eingriffe aufgrund der Glaubens- und Religionsfreiheit ausschließt. Ob es im theologischen Sinne sinnhaft ist, ein Menschenopfer zu fordern, spielt dagegen keine Rolle. Genauso wenig wie es eine Rolle spielt, ob wir die Knabenbeschneidung für sinnhaft halten.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Herr Schraeg »

EliElezra hat geschrieben:Keine Wertung vorzunehmen bedeutet ja sich sowohl des Urteils der Sinnhaftigkeit wie der Nicht-Sinnhaftigkeit zu enthalten. Ich würde deshalb auch nicht sagen, dass wir die Sinnhaftigkeit hinzunehmen haben (des entpuppt sich spätestens dann, wenn wir eine Praxis rechtlich nicht mehr dulden, in der Tat als Rhetorik).
Das überzeugt mich. Ich korrigiere also mein "hinzunehmen" aus dem obigen post in "sich einer Wertung zu enthalten".

@ julée: Ja, ich meine, Verfassungswidrigkeit eines Rituals und religiöse Sinnhaftigkeit lässt sich trennen, weil selbst das harsche Verdikt "verfassungswidrig" keine Aussage über die (aus Sicht der Religion) innere Schlüssigkeit und Sinnhaftigkeit des Rituals enthält und enthalten darf. Ich versuche mit dieser Unterscheidung, den in der Diskussion gelegentlich vorkommenden und sicherlich manchmal gutgemeinten Alternativvorschlägen zur Beschneidung ("Sehr merkwürdig, das. Warum macht Ihr keine nur symbolische Beschneidung? Oder verschiebt das auf den 16. Geburtstag des Kindes?") entgegenzutreten. Der Richter hat im Rahmen seiner Zuständigkeit, das Recht die Verfassungsmässigkeit auch eines religiösen Rituals zu beurteilen. Er hat aber nicht das Recht, den Gläubigen zu erklären, wie sie ihre Religion besser ausgestalten und organisieren sollten.
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Re: AW: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Besc

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Flanke hat geschrieben:100% Zustimmung zu EliElezra, übrigens.
+1 Äußerst differenziert und klug.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Chefreferendar »

Ich habe nicht gesehen, wobei ich die Postings nur selten durchlese, dass AC von "sexueller Mißhandlungen" spricht, wobei er dies wohl aus dem Arzt- bzw. "100 Ärzteappelation" an die BK oder wen immer, die in der FAZ veröffentlicht worden ist, abgeschrieben hat. Diese haben nämlich den Begriff in das Spiel bringen wollen. Das ist wiederum gerade aus dam Wörterbuch der Judenhasser abgelesen.

Die Frage selbst, ob die Beschneidung nur auf Krankenhäuser oder hochspezialisierte (religiös) anerkannte Beschneider zu beschränken wäre, würde ich nicht zu beantworten wissen, aber rein nach dem Wortlaut der Bibel würde ich sagen, dass das ausreichend wäre (wahrscheinlich denkt auch so die Mehrheit der "Betroffenen" oder der "Beschnittenen". Soviel ich den Talmud - der sich mit der Bibelauslegung beschäftigt-, gelesen und hoffentlich verstanden habe, ginge das unproblematisch, weil dieses Buch praktische Lebensregeln aufstellt. Es gibt keine fantastischen oder magischen Religionserklärungen. Aber selbst wenn eine Beschneidung nach jüdischer Auffassung gerade ritual durchgeführt werden sollen, würde ich das nicht abändern lassen, weil sich um ihre Kinder geht, wobei sie auch Verantwortung, auch strafrechtliche, dafür tragen. Es hat angeblich ein Todesfall in Schweden und auch in den NYC- wie hier gepostet wurde- gehabt, was den Anlass dort zur Diskussion gab. Ich bin natürlich gegen solche Beschneidungen, die das Leben des Kindes gefährden können, aber hier ging es nicht darum, weil bekanntlich das Kind den chirurgischen Eingriff überlebt hat. Trotz des medizinisch richtig durchgeführten Eingriffs wurde der Chirurg in dem Fall zur Verantwortung gezogen und nur wegen mangels Schuld freigesprochen, weil die "wohlherrschende Meinung" in Deutschland der Ansicht ist, die Beschneidung diene nicht dem Wohl des Kindes. Dieses Verhalten stellt aber keine rechtswidrige KV dar, verletzt aber das Recht. Daher ging die Diskussion immer in die Richtung, die chirurgisch durchgeführten Beschneidungen, bzw. ein totales Verbot- und Strafgesetz ist bekanntlich ein Verbotsgesetz-, zu verbieten.
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Re: AW: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Besc

Beitrag von AdamCarter »

EliElezra hat geschrieben:Dass Du Dir darüber hinaus anmaßt, Juden ihre Religion erklären zu wollen, deutet darauf hin, dass Du die Grundidee der Grundrechte offenbar nicht hinreichend erfasst hast. Es ist das Wesen der Religionsfreiheit, dass jeder Mensch selbst darüber entscheiden kann, wie und auf welche Weise er seine Religion auslebt oder an welcher religiösen Lehre er sich orientiert. Hält der Staat eine religiöse Praxis für mit der übrigen Rechtsordnung unvereinbar, mag er in den Grenzen des GG dagegen vorgehen. Das impliziert aber selbstverständlich einen Eingriff in die Religionsfreiheit, dessen Intensität sich nicht mit Hinweis leugnen lässt, den Anhänger der Religion stünde es doch frei, von ihrer Praxis abzusehen. Wer die Knabenbeschneidung in Deutschland verbietet will, erschwert es Juden ganz erheblich, hier nach ihrer Religion zu leben oder macht es ihnen sogar unmöglich. Das mag man für gerechtfertigt halten, leugnen aber lässt sich das nicht.
Wenn du meinen Beitrag nocheinmal liest wird dir auffallen, dass ich den Juden keineswegs ihre Religion erklären möchte. Und natürlich ist es ein Eingriff in die Religionsfreiheit, jedes Verbot religiös motivierten Handelns ist das. Ich bezog mich nur auf die Aussagen, die in den letzten Wochen durch die Medien geisterten, wie "Wenn die Beschneidung verboten wird ist jüdisches Leben in Deutschland unmöglich, dann müssten wir gehen." (aus dem Gedächtnis zitiert), denn das ist definitiv absurd. Ja, ein Aspekt der Religionsausübung könnte nicht mehr praktiziert werden (wie gesagt, der Eingriff ist unstreitig), aber ich bezweifle nunmal ganz stark dass es zu einer Massenauswanderung der deutschen Juden käme, auch ist in den anderen Ländern, in denen die Beschneidung verboten ist, ist meines Wissens nichts dergleichen geschehen. Vielmehr gehe ich davon aus, dass eine Alternative gefunden würde, ein Beispiel wie das aussehen könnte habe ich genannt.
Und ja, ich stehe zu der Behauptung die Beschneidung sei nicht unabänderlicher Kern des Judentums ohne den es nicht existieren könne. Das Judentum besteht aus einer großen Vielfalt von Traditionen, Werten und Praktiken, das würde nicht einfach verschwinden nur weil eine Beschneidung nicht mehr möglich ist (was ist denn eigentlich mit den weiblichen Juden?).

Ich habe auch bisher noch kein überzeugendes Argument gehört, was die Problematik angeht, dass bei einer positiven Erlaubnis von Knabenbeschneidung zwangsläufig auch "milde" Formen der weiblichen Beschneidung (Entfernung der Klitorisvorhaut) und andere (teils fiktive) religiöse Körperverletzungen wie Tattoos oder Brandzeichen erlaubt werden müssten. Ich habe dahingehend das Gefühl dass viele Beschneidungsbefürworter das schlicht ausblenden und das Unrecht der Beschneidung nicht sehen wollen, weil "Das haben wir schon immer so gemacht.", man muss aber auch die anderen beiden goldenen Regelen "Wo kämen wir denn da hin?" und "Da könnt ja jeder kommen" im Blick haben. Und wo zieht man die Grenze wieviel religiöse Gewalt zulässig ist?
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