[LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschneidung

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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julée
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von julée »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:"Konstellation" = der beim LG Köln anhängig gewese Sachverhalt. Bei Rechtswegerschöpfung: Verfassungsbeschwerde des Arztes?
Mit dem Argument, dass es ihn in seiner Berufsfreiheit verletzt, wenn die Einwilligung der Eltern nicht wirksam ist?! Ein Recht des Arztes auf eine wirksame Einwilligung würde ich spontan verneinen ;)
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Einwendungsduschgriff
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Ich würde auch vielmehr die allgemeine Handlungsfreiheit prüfen und davon ausgehen, dass eine Grundrechtseinschränkung durch ein strafgerichtliches Urteil nur dann mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar ist, wenn die Verurteilung ihrerseits die Vorgaben der Verfassung in zutreffender Weise berücksichtigt.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
julée
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von julée »

Warum Art. 2 Abs. 1 GG und nicht Art. 12 GG? Ich würde hier schon eine enge Verknüpfung mit der Berufsausübung sehen?

edit: Keine berufsregelnde Tendenz der Einwilligungs- bzw. Körperverletzungsvorschriften? Gut, dann bin ich ganz bei Dir und Art. 2 Abs. 1 GG ;)
Habe ich schon erwähnt, dass ich Art. 12 GG nicht mag? :D
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Urs Blank
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Urs Blank »

julée hat geschrieben:
Urs Blank hat geschrieben: Erstens wird das medizinische Für und Wider einer Beschneidung durchaus kontrovers diskutiert. Ein eindeutiges "richtig" oder "falsch" gibt es nicht, so dass Raum für eine Einschätzung der Eltern bleibt. (Damit ist der nicht seltene Fall von "riskanten" Operationen vergleichbar. Auch hier ist es Recht und Aufgabe der Eltern, die Entscheidung zu treffen.)
Der wesentlich Unterschied dürfte allerdings die Aufschiebbarkeit der Behandlung sein. Schaffe ich bereits in jungen Jahren "vollendete Tatsachen" oder warte ich bis das Kind alt genug ist, selbst zu entscheiden?

Ähnliche Problematik: Geschlechtsumwandlungen
Ein Zuwarten mit einer Beschneidung mag den Vorteil haben, dass das Kind später selbst entscheiden kann. Sie mag den Nachteil haben, dass eine Eingliederung in das soziale Umfeld des Kindes nicht reibungslos gelingt. Diese Abwägung zu treffen, sollte m. E. den Eltern vorbehalten bleiben.

("Vollendete Tatsachen" werden übrigens durch jede Art von Erziehung geschaffen. Wer sein Kind beispielsweise streng katholisch oder gemäß den Lehren Rudolf Steiners oder betont antiautoritär erzieht, setzt damit Marken, die den weiteren Lebensweg womöglich weit tiefer beeinflussen, als eine Beschneidung es je könnte. Der Gedanke "ich warte, bis mein Kind selbst entscheiden kann" ist ehrenwert, aber m. E. im Allgemeinen illusorisch, da die Prägung des Kindes durch die Eltern weder vermeidbar noch irreversibel ist. Man kann ein Kind nicht als "weißes Blatt" in die Religionsmündigkeit oder Volljährigkeit entlassen.)
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Scaevola »

Ich will noch eine andere Frage aufwerfen, und zwar ausgehend von der Annahme (ich gehe jede Wette ein), dass der Gesetzgeber des StGB die Zirkumzision bei nicht Einwilligungsfähigen bestimmt nicht unter Strafe stellen wollte. Das LG Köln (wenn ich es richtig vertstehe) kommt nun über den Weg des später eingeführten § 1631 II BGB zu einer Strafbarkeit (und billigt dem Arzt einen "Verbotsirrtum" zu, wobei man darüber streiten kann, ob es bisher wirklich ein "Verbot" gab). Wie auch immer, die Sache erfordert meiner Meinung nach eine Klarstellung durch den Gesetzgeber, und da wird es eigentlich interessant, denn einerseits kann man die ganzen Abwägungsüberlegungen von der (gedachten) Urteilsverfassungsbeschwerde ja mitnehmen, aber man muß sich schon (wie immer) fragen , ob und welche Vorgaben das GG dem Gesetzgeber macht. Die Frage lautet also:

Muss oder darf der Gesetztgeber die Zirkumzision bei Jungen unter Strafe stellen?
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Herr Schraeg »

Asche hat geschrieben:
Tikka hat geschrieben:1. Disclaimer: Ich bin im Ö-Rechts Bereich nur aus Versehen gelandet, weil der Duschgriff (ohne Kenntlichmachung!) hierher verlinkt hat. Ich möchte nur für das Protokoll erklären, dass ich nicht aus eigener Motivation im Ö-Rechts Bereich gelandet bin.
Dito. Heimtückisch!
Tikka hat geschrieben:
@ Asche und Tikka: [-X Anstatt froh darüber zu sein, nun auch ins Allerheiligste des Rechts vorgedrungen zu sein und sich mit dem ÖR, dem König der Rechtsgebiete, zu messen und anzufreunden....

Zur Sache: Die Argumentation des LG, wonach die Beschneidung dem erwachsenen Mann später den Wechsel in eine andere Religionsgemeinschaft erschwert, überzeugt mich nicht. Ich kenne keine Religion, die beschnittene Männer ausschliesst. Umgekehrt hat das LG die von Urs Blank angezogene medizinische Rechtfertigung der Beschneidung nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens ausgeschlossen.

Übrig bleibt also m.E. nur die verfassungsrechtliche Abwägung zwischen dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und seine allgemeine Handlungsfreiheit auf der einen Seite und dem Recht der Eltern nach Art. 6 I GG und ihre Religionsfreiheitauf der anderen Seite. Hier kann man die relative Geringfügigkeit des körperlichen Eingriffs der identitätsstiftenden und gemeinschaftsbegründenden Bedeutung dieses jahrtausende alten Aktes gegenüberstellen und die Einwilligung der Eltern für wirksam halten. Oder man gibt trotz dieser Aspekte dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrheit den Vorzug, wozu ich neige.

So oder so, ich halte beide Auffassungen juristisch für vertretbar, so dass ich den "Schaum vor dem Mund", mit dem sich die Vertreter beider Auffassungen sowohl in der öffentlichen Diskussion aber auch ansatzweise im Treffpunkt artikulieren, nicht nachvollziehen kann. Diese Vehemenz und Radikalität in den Formulierungen scheint aber immer aufzutreten, wenn es um Religionsfreiheit geht.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von julée »

Herr Schraeg hat geschrieben:Übrig bleibt also m.E. nur die verfassungsrechtliche Abwägung zwischen dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und seine allgemeine Handlungsfreiheit auf der einen Seite und dem Recht der Eltern nach Art. 6 I GG und ihre Religionsfreiheitauf der anderen Seite. Hier kann man die relative Geringfügigkeit des körperlichen Eingriffs der identitätsstiftenden und gemeinschaftsbegründenden Bedeutung dieses jahrtausende alten Aktes gegenüberstellen und die Einwilligung der Eltern für wirksam halten. Oder man gibt trotz dieser Aspekte dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrheit den Vorzug, wozu ich neige.
Letzterem würde ich gleichfalls zuneigen, insbesondere aus der Erwägung heraus, dass eine Verschiebung des Eingriffs auf ein Alter, in dem das Kind zumindest "mitentscheiden" (den (natürlichen) Willen des Kindes haben die Eltern ja bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen) kann, ja durchaus möglich ist.

Eine irgendwie geartete Prägung des Kindes durch die Eltern kann natürlich nicht ausgeschlossen werden und dies wird ja durch die Erteilung des Erziehungauftrags nicht nur in Kauf genommen, sondern ist auch erwünscht. Allerdings muss auch der sich entwickelnden Persönlichkeit des Kindes Raum gegeben werden. Hierzu gehört es m. E. auch eine solche zukünftige Entwicklung zu ermöglichen und das Kind nicht in den eigenen Wertvorstellungen derart einzuweben, dass es sich hieraus nur schwer befreien kann. Zu behaupten, etwas sei Teil der "Erziehung" ist insofern noch kein Freibrief für die Eltern.
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Urs Blank
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Urs Blank »

Herr Schraeg hat geschrieben:

Umgekehrt hat das LG die von Urs Blank angezogene medizinische Rechtfertigung der Beschneidung nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens ausgeschlossen.
Aber möglicherweise hat das Landgericht in seiner nur kursorischen Begründung die Reichweite des elterlichen Einwilligungsrechts verkannt. Eine recht gut lesbare Aufarbeitung des Problemkreises findet sich hier:

http://www.rechtswissenschaft.nomos.de/?id=523
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Swann »

Scaevola hat geschrieben:Ich will noch eine andere Frage aufwerfen, und zwar ausgehend von der Annahme (ich gehe jede Wette ein), dass der Gesetzgeber des StGB die Zirkumzision bei nicht Einwilligungsfähigen bestimmt nicht unter Strafe stellen wollte. Das LG Köln (wenn ich es richtig vertstehe) kommt nun über den Weg des später eingeführten § 1631 II BGB zu einer Strafbarkeit (und billigt dem Arzt einen "Verbotsirrtum" zu, wobei man darüber streiten kann, ob es bisher wirklich ein "Verbot" gab).
Diese Überlegung halte ich für unerquicklich, denn der Gesetzgeber nimmt es jedenfalls hin, dass die str. Rspr jeden ärztlichen Eingriff als tatbestandliche vorsätzliche Körperverletzung behandelt. Dass dann aber die Strafbarkeit des Arztes von ggf. dynamischen Rechtfertigungsgründen abhängig ist, versteht sich von selbst. Insofern ist verfängt deine Argumentation nicht.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Scaevola »

@Swann
Es ging mir vor allem darum zu zeigen, dass zur Entscheidung über die grundsätzliche Strafbarkeit der Gesetzgeber berufen sein sollte und die Frage dann natürlich ist, welche Vorgaben man dann dem Grundrechtsteil des GG entnimmt. Ich gebe zu, dass das beredte Schweigen des Gesetzgebers bisher die Konstruktion seitens des LG gewissermaßen provoziert hat. Diese mag mit den Worten Herrn Schraegs vertretbar sein, doch die weiterführende Frage: wie sollte, wie kann, wie muss die Stafbarkeit in dieser Frage generell geregelt sein, interessiert mich mehr.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Swann »

Scaevola hat geschrieben:@Swann
Es ging mir vor allem darum zu zeigen, dass zur Entscheidung über die grundsätzliche Strafbarkeit der Gesetzgeber berufen sein sollte ...
Aha, und mit welcher Begründung sollen die Gerichte bis zu dieser Aussage § 223 StGB unangewendet lassen? Nur weil eine rechtliche Frage schwierig zu beantworten ist, heißt das nicht, dass sie nur der Gesetzgeber entscheiden darf.

Unser gegenwärtiges Strafrecht sieht vor, dass die Rechtswidrigkeit aller körperlichen Eingriffe indiziert ist (Indizwirkung des Tatbestandes). Wer meint, dass diese Indizwirkung in einem bestimmten Fall widerlegt ist, sollte hierfür Gründe liefern können. Gibt die gegenwärtige Rechtslage eine Rechtfertigung der Beschneidung nicht her, hat o. g. Wertung die Frage der Strafbarkeit entschieden.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Urs Blank »

Prof. Putzke hat's auf die Seite der Washington Post geschafft. Doch zu welchem Preis:
Charles Lane hat geschrieben: Many Germans have criticized this sickening court decision; I doubt it will be allowed to determine national law over the long term.

But in the comments of those in Germany who did celebrate the ruling, there is a whiff of something very ugly indeed. Law professor Holm Putzke hailed the court for “not letting itself be frightened by the concern of being criticized as anti-Semitic or anti-religious.” Putzke added: “After the reflexive outrage has faded, hopefully a discussion will begin about how much religiously motivated violence against children a society is ready to tolerate.”

Did you get that? Jews and Muslims appease their gods by doing violence to their children. I almost prefer the older version of blood libel.

Instead of declaring the Jews untermenschen, maybe Hitler should have charged them all as accessories to religiously motivated violence against children, put them on trial in Cologne, and then packed themoff to prison. People like Prof. Putzke would have stood and cheered.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von AdamCarter »

War die WP nicht irgendwann mal ein seriöses Blatt?

edit: Ok, ist kein Artikel sondern nur ein Blogpost.
Better call Saul.
Scaevola
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von Scaevola »

Swann hat geschrieben:
Scaevola hat geschrieben:@Swann
Es ging mir vor allem darum zu zeigen, dass zur Entscheidung über die grundsätzliche Strafbarkeit der Gesetzgeber berufen sein sollte ...
Aha, und mit welcher Begründung sollen die Gerichte bis zu dieser Aussage § 223 StGB unangewendet lassen? Nur weil eine rechtliche Frage schwierig zu beantworten ist, heißt das nicht, dass sie nur der Gesetzgeber entscheiden darf.

Unser gegenwärtiges Strafrecht sieht vor, dass die Rechtswidrigkeit aller körperlichen Eingriffe indiziert ist (Indizwirkung des Tatbestandes). Wer meint, dass diese Indizwirkung in einem bestimmten Fall widerlegt ist, sollte hierfür Gründe liefern können. Gibt die gegenwärtige Rechtslage eine Rechtfertigung der Beschneidung nicht her, hat o. g. Wertung die Frage der Strafbarkeit entschieden.
Weder habe ich gesagt, dass der Gesetzgeber die Frage entscheiden soll, weil sie "schwierig" ist, noch, dass die Gerichte bis dahin § 223 StGB unangewendet lassen sollen.
Ich habe aber Zweifel, dass der Gesetzgeber mit dem § 1631 II BGB die Rechtfertigungsmöglichkeit in diesen Fällen abschneiden wollte. Wenn die Gerichte nun aber zu genau diesem Ergebnis gelangen, so ist er eben aufgerufen, die Rechtfertigungsmöglichkeit wiederherzusellen oder klar zu sagen, dass Deutschland das wohl erste und einzige Land ist, das Zirkumzision unter Strafe stellen will.
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Re: [LG Köln] Strafbarkeit der religiös motivierten Beschnei

Beitrag von julée »

Scaevola hat geschrieben: Ich habe aber Zweifel, dass der Gesetzgeber mit dem § 1631 II BGB die Rechtfertigungsmöglichkeit in diesen Fällen abschneiden wollte. Wenn die Gerichte nun aber zu genau diesem Ergebnis gelangen, so ist er eben aufgerufen, die Rechtfertigungsmöglichkeit wiederherzusellen oder klar zu sagen, dass Deutschland das wohl erste und einzige Land ist, das Zirkumzision unter Strafe stellen will.
Aber die Begründung fußt doch nicht allein auf § 1631 II BGB. Wenn ich es recht sehe, scheint § 1631 II 1 BGB nur ein zusätzliches Argument zu sein (so legt es jedenfalls die Zusammenfassung hier nahe: http://www.lto.de/recht/hintergruende/h ... -verboten/), was m. E. auch nicht besonders überzeugend ist.

Auch geht es nur um die Frage, ob solche Eingriffe bei Minderjährigen, die noch nicht selbst einwilligen können, vorgenommen werden können sollen oder ob man die Einwilligungsfähigkeit abwarten muss (bei einem so überschaubaren Eingriff sicherlich bereits im Alter von 12 Jahren ohne Weiteres gegeben) oder zumindest ein Alter, in dem das Kind wirklich einen entsprechenden Willen unterhalb der Schwelle der Einwilligungsfähigkeit artikulieren kann.
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