(Unzulässige) normkonkretisierende VV?

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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slavedbylaw
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(Unzulässige) normkonkretisierende VV?

Beitrag von slavedbylaw »

Hallo! :-)

Was meint Ihr? Liegt mit der Nr. 1 (bes. Satz 3!) der VV zu Art. 48 BayHO eine (unzulässige) normkonkretisierende VV in Bezug auf die Einengung auf das erhebliche dienstliche Interesse vor?

Nr. 1 der VV zu Art. 48 BayHO:
Hauptzweck des Art. 48 ist es, den Staat vor unbilligen Versorgungslasten zu schützen. Soweit
nichts Anderes bestimmt ist, ist die Einwilligung des für Finanzen zuständigen Staatsministeriums
deshalb im Einzelfall erforderlich. Sie kann grundsätzlich nur zur Gewinnung von qualifizierten
Spezialkräften erteilt werden, wenn bei einem außerordentlichen Mangel an geeigneten jüngeren
Bewerbern unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch der entstehenden
Versorgungslasten, die Übernahme offensichtlich einen erheblichen Vorteil für den Staat bedeutet
oder die Ablehnung der Übernahme zu einer erheblichen Schädigung der Staatsinteressen führen
könnte.


Art. 48 BayHO: Einstellung und Versetzung von Beamten
Einstellung und Versetzung von Beamten in den Staatsdienst bedürfen der Einwilligung des für Finanzen
zuständigen Staatsministeriums, wenn der Bewerber bereits das 45., bei Hochschullehrern das 52.
Lebensjahr vollendet hat.


Dazu auch: https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb5/ ... berger.pdf , S. 4.
Aber auch: https://www.hlnug.de/fileadmin/dokument ... g_2008.pdf , S. 7.

Normalerweise müsste sich das doch auch aus einem Erstrecht-Schluss ergeben: Wenn eine normkonkretisierende VV vorliegt, sobald unbestimmte Rechtsbegriffe eben "verbindlich konkretisiert" werden, muss dies doch erst recht für die Konkretisierung kompletter Tatbestände gelten!
Oder? :-k

ebl :twevil
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Re: (Unzulässige) normkonkretisierende VV?

Beitrag von slavedbylaw »

Also: Wir haben im Art. 48 BayHO (BayHO: Gesetz im formellen Sinne, wenn nicht rein förmliches Gesetz) die Aussage vorliegen dass u. a. bei staatlichen Beamtenlaufbahnen ab dem 45. Lebensjahr eine Einvernahme mit dem Finanzministerium herzustellen ist, da u. a. sicher hinsichtlich der finanziellen Lasten dessen Interessen berührt werden. Aus der Tatsache des Erfordernisses der Einvernahme und aus dem relativ hohen Ansatz der Altersgrenze muss zunächst eine rigide Handhabung dieser Einvernahme entnommen werden. Deshalb sind sicher nur enge Anwendungsbereiche (wie z. B. selbstverständlich und ev. überwiegend das erhebliche dienstliche Interesse) vorstellbar.

In der Ermessensnorm Art. 48 BayHO erfolgt aber keinerlei derartige Einschränkung auf den alleinigen Tatbestand des erheblichen dienstlichen Interesses bzw. irgendeinen konkreten Tatbestand. Dies ist immerhin ein Parlamentsgesetz!

Nun kommt die Exekutive daher und präzisiert die Ermessensnorm auf ihrer Tatbestandseite (!!!), indem sie per VV (!!!) als alleinig zulässigen Tatbestand der positiven Ermessensausübung das erhebliche dienstliche Interesse einführt.

Damit sollte doch eine unzulässige Normkonkretisierung vorliegen!? Die Tabestandsseite ist doch bei der Ermessensausübung, egal ob "händisch" oder gestützt auf eine VV tabu!?

Keiner eine Idee?

ebl :twevil
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guardini
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Re: (Unzulässige) normkonkretisierende VV?

Beitrag von guardini »

Ich verstehe nicht, was du mit "Tatbestandsseite" in diesem Fall meinst. In meinen Augen ist der Tatbestand des Art. 48 BayHO das Erreichen eines bestimmten Lebensalters eines Beamtenkandidaten (ein klassischer "Wenn-Satz"). Rechtsfolge ist, dass Einstellung und Versetzung der Einwilligung des Finanzministers bedürfen (der Sache nach ein "Dann-Satz"). Das scheint mir - wenn sich aus der Gesetzgebungsgeschichte nicht etwas Anderes ergibt - das Einräumen von Ermessen zu sein. Dann ist die VV zu Art. 48 BayHO eine bloß ermessenslenkende VV und als solche unter Gesichtspunkten der Gewaltenteilung unproblematisch.
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Re: (Unzulässige) normkonkretisierende VV?

Beitrag von slavedbylaw »

@guardini: Hallo und danke für den ersten Beitrag zur Diskussion!

Bezgl. der der Analyse bzw. Exegese des Art. 48 BayHO (isoliert) kann ich Dir zustimmen. Im weiteren Verlauf hat Du aber eben wahrscheinlich das Prinzip der Normkonkretisierung nicht richtig bzw. etwas anderes darunter verstanden.

Ja, es ist richtig, dass im Art. 48 BayHO sogar als Ist-Bestimmung (Ich muss mich da - s. o. - korrigieren.) determiniert ist, dass bei einem Beamtenanwärteraspiranten, welcher das 45. Lebensjahr überschritten hat (= Tatbestand original) ein Einvernahmeverfahren beim BayStMFLH durchzuführen ist (= Rechtsfolge). Dabei wird im Originalzustand eben kein bestimmter Tatbestand für eine erfolgreiche bzw. verpflichtende Einvernahme auf der Rechtsfolgeseite verknüpft.

Dabei ist sicher auch im Detail interessant, wie man darauf kommt, dass dabei ein Ermessen bezgl. der Art der Entscheidung (Einvernahme + oder Einvernahme -) vorliegt, wenn man bedenkt, dass man der Norm ja nur den Ist-Charakter der Notwendigkeit der Einvernahme überhaupt entnehmen kann. (Das ist nun mal so.) Wahrscheinlich ergibt sich das so aus dem sachlichen Kontext: Man ist verpflichtet, ein Einvernahmeverfahren durchzuführen, welches naturgemäß nur zwei denkbare Ausgänge haben kann: Zum einen kann die Einvernahme erteilt werden und zum anderen eben nicht. Da sich nun im Art. 48 BayHO eben kein konkreter Tatbestand / keine konkreten Tatbestände für einen positiven Ausgang des Einvernahmeverfahrens findet bzw. finden lassen (s. o.) und die Willkür (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG) sich verbietet, muss das praktisch mit dem pflichtgemäßen Ermessen gelöst werden. Vielleicht kann ja jemand etwas Ergänzendes oder Alternatives beitragen.

Nun kommt die Exekutive daher und präzisiert (= konkretisiert) mit der Nr. 1 der VV zu Art. 48 BayHO die Norm (= Art. 48 BayHO) dahingehend weiter, dass nun in der Kombination der Texte nicht mehr nur vorgeschrieben sein soll, dass ein Einvernahmeverfahren durchzuführen durchzuführen ist, sondern auch unter welchem alleinigen Umstand (das erhebliche dienstliche Interesse = Tatbestand) dieses nur positiv ausgehen kann.

Damit findet selbstverständlich eine durch die Exekutive durchgeführte weitere Ausgestaltung (= Konkretisierung) auf der Tatbestandsseite statt, weil nun zusätzlich zu dem bereits in der Norm festgelegten Umstand, dass bei Aspiranten ab dem 45. Lebensjahr ein Einvernahmeverfahren durchzuführen ist, festgelegt wird, dass nur beim Vorliegen eines erheblichen dienstlichen Interesses das Einvernahmeverfahren positiv ausgeht. Alle anderen denkbaren Ausnahmetatbestände bleiben nun außen vor.

In der Kombination des Art. 48 BayHO mit der Nr. 1 der VV zu Art. 48 BayHO (bzw. faktisch auch noch dem Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayBG als Erlaubnisvorbehalt zum Verbot des Satzes 1) erhält man quasi eine Wirkung wie beim § 14 Abs. 10 Nr. 1 LBG NRW, welche bei diesem aber durch ein Gesetz im formellen (Parlamentsgesetz) und materiellen Sinne durch die zuständige und alleinig befugte Legislative herbeigeführt wurde. Beim Art. 48 BayHO reichte die "Ermächtigung" durch den Gesetzgeber aber eben nur bis zur Formulierung der Bedingung, dass ein Einvernahmeverfahren durchzuführen ist und eben nicht, wann dieses (alleinig) positiv ausgeht. Dies geschieht eben - wie erwähnt - unzulässigerweise durch die Exekutive und - wie ebenso bereits angeführt - auf der Tatbestandsseite, auf welcher sich der ausführende Part (= Exekutive) nicht zu vergreifen hat.

Deshalb ist die unzulässige Normkonkretisierung zu konstatieren!

Und, um auf die Einleitung Deines Beitrages zurückzukommen: Gerade weil eben im Art. 48 BayHO tatbestandseitig nur das das Lebensalter zu entnehmen ist, ab welchem rechtsfolgeseitig eine Einvernahme stattzufinden hat und eben keine Determinierung erfolgt, wann diese positiv geschieht, handelt es sich in Kombination mit der Nr. 1 der VV zu Art. 48 BayHO um eine unzulässige Normkonkretisierung.

ebl ::evil:
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Re: (Unzulässige) normkonkretisierende VV?

Beitrag von surcam »

Mal nur so: Warum ist es denn wichtig, ob die VV unzulässig ist? Welche Konsequenzen hätte das deines Erachtens für einen Bewerber, der auf das Einvernehmen des FM nach Art. 48 BayHO angewiesen ist?
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Re: (Unzulässige) normkonkretisierende VV?

Beitrag von guardini »

slavedbylaw hat geschrieben: Dienstag 30. April 2019, 01:41 @guardini: Hallo und danke für den ersten Beitrag zur Diskussion!

Bezgl. der der Analyse bzw. Exegese des Art. 48 BayHO (isoliert) kann ich Dir zustimmen. Im weiteren Verlauf hat Du aber eben wahrscheinlich das Prinzip der Normkonkretisierung nicht richtig bzw. etwas anderes darunter verstanden.

Ja, es ist richtig, dass im Art. 48 BayHO sogar als Ist-Bestimmung (Ich muss mich da - s. o. - korrigieren.) determiniert ist, dass bei einem Beamtenanwärteraspiranten, welcher das 45. Lebensjahr überschritten hat (= Tatbestand original) ein Einvernahmeverfahren beim BayStMFLH durchzuführen ist (= Rechtsfolge). Dabei wird im Originalzustand eben kein bestimmter Tatbestand für eine erfolgreiche bzw. verpflichtende Einvernahme auf der Rechtsfolgeseite verknüpft.

Dabei ist sicher auch im Detail interessant, wie man darauf kommt, dass dabei ein Ermessen bezgl. der Art der Entscheidung (Einvernahme + oder Einvernahme -) vorliegt, wenn man bedenkt, dass man der Norm ja nur den Ist-Charakter der Notwendigkeit der Einvernahme überhaupt entnehmen kann. (Das ist nun mal so.) Wahrscheinlich ergibt sich das so aus dem sachlichen Kontext: Man ist verpflichtet, ein Einvernahmeverfahren durchzuführen, welches naturgemäß nur zwei denkbare Ausgänge haben kann: Zum einen kann die Einvernahme erteilt werden und zum anderen eben nicht. Da sich nun im Art. 48 BayHO eben kein konkreter Tatbestand / keine konkreten Tatbestände für einen positiven Ausgang des Einvernahmeverfahrens findet bzw. finden lassen (s. o.) und die Willkür (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG) sich verbietet, muss das praktisch mit dem pflichtgemäßen Ermessen gelöst werden. Vielleicht kann ja jemand etwas Ergänzendes oder Alternatives beitragen.

Nun kommt die Exekutive daher und präzisiert (= konkretisiert) mit der Nr. 1 der VV zu Art. 48 BayHO die Norm (= Art. 48 BayHO) dahingehend weiter, dass nun in der Kombination der Texte nicht mehr nur vorgeschrieben sein soll, dass ein Einvernahmeverfahren durchzuführen durchzuführen ist, sondern auch unter welchem alleinigen Umstand (das erhebliche dienstliche Interesse = Tatbestand) dieses nur positiv ausgehen kann.

Damit findet selbstverständlich eine durch die Exekutive durchgeführte weitere Ausgestaltung (= Konkretisierung) auf der Tatbestandsseite statt, weil nun zusätzlich zu dem bereits in der Norm festgelegten Umstand, dass bei Aspiranten ab dem 45. Lebensjahr ein Einvernahmeverfahren durchzuführen ist, festgelegt wird, dass nur beim Vorliegen eines erheblichen dienstlichen Interesses das Einvernahmeverfahren positiv ausgeht. Alle anderen denkbaren Ausnahmetatbestände bleiben nun außen vor.

In der Kombination des Art. 48 BayHO mit der Nr. 1 der VV zu Art. 48 BayHO (bzw. faktisch auch noch dem Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayBG als Erlaubnisvorbehalt zum Verbot des Satzes 1) erhält man quasi eine Wirkung wie beim § 14 Abs. 10 Nr. 1 LBG NRW, welche bei diesem aber durch ein Gesetz im formellen (Parlamentsgesetz) und materiellen Sinne durch die zuständige und alleinig befugte Legislative herbeigeführt wurde. Beim Art. 48 BayHO reichte die "Ermächtigung" durch den Gesetzgeber aber eben nur bis zur Formulierung der Bedingung, dass ein Einvernahmeverfahren durchzuführen ist und eben nicht, wann dieses (alleinig) positiv ausgeht. Dies geschieht eben - wie erwähnt - unzulässigerweise durch die Exekutive und - wie ebenso bereits angeführt - auf der Tatbestandsseite, auf welcher sich der ausführende Part (= Exekutive) nicht zu vergreifen hat.

Deshalb ist die unzulässige Normkonkretisierung zu konstatieren!

Und, um auf die Einleitung Deines Beitrages zurückzukommen: Gerade weil eben im Art. 48 BayHO tatbestandseitig nur das das Lebensalter zu entnehmen ist, ab welchem rechtsfolgeseitig eine Einvernahme stattzufinden hat und eben keine Determinierung erfolgt, wann diese positiv geschieht, handelt es sich in Kombination mit der Nr. 1 der VV zu Art. 48 BayHO um eine unzulässige Normkonkretisierung.

ebl ::evil:
Ich kann dir leider überhaupt nicht folgen. In meinen Augen ist die Verwaltungsvorschrift völlig unproblematisch. Art. 48 BayHO sieht vor, dass die Einvernahme des Finanzministeriums vorliegen muss. Wenn es sich dabei um eine gebundene Entscheidung des Finanzministeriums handeln würde, ergäbe das Erfordernis der Einvernahme keinen Sinn. Also muss dem Finanzministerium ein Entscheidungsspielraum zukommen. Das ist das Ermessen. Dieses Ermessen wird nun durch die Verwaltungsvorschrift allgemein in dem Sinne ausgeübt, dass nur in besonderen Ausnahmefällen eine Verbeamtung erfolgen kann. Das entspricht dem Zweck des Art. 48 BayHO, der ja den Staat vor übermäßigen Versorgungsansprüchen schützen soll.

Anders gefragt: Was ist deiner Meinung nach der Sinn der Altersgrenze des Art. 48 BayHO, wenn der Finanzminister bei älteren Kandidaten trotzdem seine Zustimmung erteilen müsste?
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Re: (Unzulässige) normkonkretisierende VV?

Beitrag von slavedbylaw »

@surcam:
Na das dürfte doch leicht nachvollziehbar sein, für welche Fälle das eine Relevanz entwickelt / entwickeln kann:

Ausgehend von der Tatsache, dass der Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayBG als Erlaubnisvorbehalt und eigentliche Dispensnorm zum Verbot des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 BayBG ziemlich allgemein gehalten ist (= z. B. keine Formulierungen konkreter Ausnahmetatbestände, wie z. B. Verzögerungen aufgrund eines Wehr- oder Ersatzdienstes, von Kindererziehungszeiten etc. pp.) kämen wohl zunächst derartige Ausnahmekandidaten in Frage! (Solche Ausnahmesituationen sind im Übrigen im § 14 LBG NRW sehr gut geregelt und mit jeweiligen individuellen Altersgrenzen versehen.) Gleichzeitig muss man aber anerkennend konstatieren, dass die Altersgrenze lt. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 BayBG mit 45 Jahren doch schon derart relativ hoch angesetzt ist, sodass es möglich ist, dass mit diesem hohen Ansatz bereits derartigen Konstellationen Rechnung getragen wurde und deshalb bei Sondergeschichten, welche alleinig im Bereich des Bewerbers liegen prinzipiell nichts mehr zu verlangen ist. Durch die Nr. 1 der VV zu Art. 48 BayHO wären sie nun (vorerst, s. u. "grundsätzlich") endgültig raus, da die Anwendung dieses Textes in Hinsicht bzw. in mittelbarer Wirkung auf Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayBG nur noch das erhebliche dienstliche Interesse als Dispensierungsgrund zulässt. Die Nr. 1 der VV zu Art. 48 BayHO versucht quasi über die allgemeinen Aussagen des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayBG hinauszuwirken, diesen einzuschränken. Deshalb sehe ich auch im Hinblick auf diesen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayBG eine Normkonkretisierung.

Weiterhin gibt es aber auch Leute, welche durch unbewusstes respektive bewusstes jeweilig normal oder grob fahrlässiges bzw. sogar vorsätzliches rechtswidriges Handeln der Verwaltung und ggfs. noch einmal nachfolgend - wie gerade charakterisiert - der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum Überschreiten der Altersgrenze gebracht wurden. Diese sollten, jedenfalls in jedem Bundesland mit intakter bzw. von vornherein vollständig ausgeprägter (3 und nicht 2 oder gar eine) Gewaltenteilung mit einem Folgenbeseitigungsanspruch ausgestattet sein. Deshalb wäre zunächst zwar weitergehende Betrachtungen im Hinblick auf die Nr. 1 der VV zu Art. 48 BayHO überflüssig, da in dieser in repetierender bzw. redundanter Weise das Wörtchen "grundsätzlich" angeführt wird, welches eine abermalige Möglichkeit des Dispenses (hier vom Erfordernis des erheblichen dienstlichen Interesses) einräumt. Dazu: http://www.lexexakt.de/index.php/glossa ... tzlich.php . Im Rahmen der Folgenbeseitigung ist die Verwaltung bereits gehalten, diesen Umstand in ihre Ermessensausübung einzubeziehen und von allen zur Verfügung stehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um die Folgen ihres insbesondere grundrechtswidrigen Handelns zu revidieren. Dazu gehören selbstredend auch die Ausnahmen. Die Exekutive ist also da auch nicht frei in ihrer Entscheidung; sie muss sich dieser Ausnahmen bedienen! Deshalb wäre ironischerweise gerade für diese Personengruppe die Einschränkung der Nr. 1 der VV zu Art. 48 BayHO irrelevant. Da man sich aber nicht nur auf hoher See nicht sicher sein kann, sollte man aber auch diesen einschränkenden Text, obwohl er lediglich eine VV darstellt angreifen können. Und da bietet sich doch die normkonkonkretisierende Wirkung, da diese den Text unzulässig werden lässt, geradezu an.

Um den Bogen aus Abs. 2 zu schließen: Selbstverständlich könnte das "grundsätzlich" auch in den eingangs bzw. oben beschriebenen Fällen zur Anwendung kommen. Da diese Ausnahmetatbestände aber alleinig im Bereich der Bewerber liegen und keine Verpflichtungen aus einem Folgenbeseitigungsanspruch existieren, hängt die Dispensierung aber in den eingangs genannten Fällen aber gänzlich vom Wohlwollen des BayStMFLH ab. (Gerade erfolgte Schilderungen setzen aber eine von mir aufgrund der Normkonkretisierung in Abrede gestellte Zulässigkeit der Regelung in dieser VV voraus; ansonsten wäre sie ja nichtig.)

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Re: (Unzulässige) normkonkretisierende VV?

Beitrag von slavedbylaw »

@guardini:
Danke zunächst für Deinen Beitrag!


Zuerst zur Herleitung des Ermessens: Also leitest Du die Existenz des Ermessens ebenso aus dem sachlichen Kontext ab?! Ich musste mir da auch bisher nie Gedanken darüber machen bzw. kenne eben eigentlich nur die (profane) Ermessensnorm (= kann). Und hier (Art. 48 BayHO) liegt ja nun einmal unstrittig eine Ist-Bestimmung vor!


Bei Deinem Grundproblem mit der erfolgten Abrede der normkonkretisierenden Wirkung kann ich Dir hoffentlich helfen! Dazu Dein Zitat: "Dieses Ermessen wird nun durch die Verwaltungsvorschrift allgemein in dem Sinne ausgeübt, dass nur in besonderen Ausnahmefällen eine Verbeamtung erfolgen kann." Lies das doch noch mal ganz ruhig. Fällt Dir da wirklich nichts auf?

Es ist doch eindeutig erkennbar, dass Du von einer Bedingung (= Tatbestand, hier: das erhebliche dienstliche Interesse) redest, welches von der Verwaltung (= Exekutive) statt der einzig befugten Legislative auf eben der Tatbestandsseite hinzugefügt wird. Vorher (Art. 48 BayHO isoliert) musste die Verwaltung bei Bewerbern, welche das 45. Lebensjahr überschritten (Tatbestand) hatten, ein Einvernahmeverfahren durchführen (Rechtsfolge), in welchem sie innerhalb des pflichtgemäßen Ermessens eine relativ ungebundene Entscheidung treffen konnte. D. h., sie konnten unter der Berücksichtigung der wichtigsten Hauptmotivationen (Vermeidung unbilliger Versorgungslasten, Aufrechterhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur) dennoch dem einen oder anderen Bewerber mit einer Verzögerung (Wehrdienst, Kindererziehung ...) eine Einstellung ermöglichen.

Nach der "Emission" bzw. Addition der Nr. 1 der VV zu Art. 48 BayHO zum Art. 48 BayHO haben wir immer noch das Erfordernis der Einvernahme (= Rechtsfolge) vorliegen, ein Tatbestand (Überschreitung der Altersgrenze von 45 Jahren) liegt ebenso immer noch vor. Es kommt nun aber ein zusätzlicher Tatbestand hinzu (Fähigkeiten, Erfahrungen und Kenntnisse, welche ein erhebliches dienstliches Interesse generieren), unter dem die Einvernahme einzig und allein positiv erteilt werden darf.

Eine "wahre" ermessensleitende VV muss man sich doch so vorstellen, dass die Tabestandsseite, welche von der Legislative quasi festgezurrt wurde, nicht angetastet werden darf und nur der ebenso von der Legislative bereits vorgegebene Ermessensspielraum auf eine dann konstante geübte Praxis innerhalb der erwähnten Grenzen des Ermessens fixiert wird. Beispiel: Es gibt eine Sozialleistung im Bereich von 60,- - 90,- Euro / mntl. (Rechtsfolge und Ermessensgrenzen) für Familien mit 3 oder mehr Kindern (Tatbestand). Die Ausübung dieses Ermessens regelt nun der zuständige Landkreis i. S. d. Gleichbehandlung bzw. des Willkürverbots (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG) mit einer ermessensleitenden VV, in welcher er einheitlich vorschreibt, dass der Maximalbeitrag von 90,- / mntl. auszuzahlen ist, wenn eben 3 oder mehr Kinder existieren. Also: Mit der ermessensleitenden VV präzisiert man lediglich den gewünschten Punkt in den ebenso bereits von der Legislative vorgegebenen Ermessensgrenzen, die erst recht von der Legislative vorgegebene Tatbestandsseite darf ebenso wie die Ermessensgrenzen nicht angetastet werden. Der Landkreis kann also nicht per VV die gesetzlich festgelegte Anzahl der Kinder (z. B. schon ab 2 oder erst ab 4 Kinder = Tatbestand) ändern, ab welcher überhaupt die Zahlung erfolgt.

Das die Konstruktion unzulässig ist, solltest Du übrigens auch erkennen, wenn Du Dir den Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG anschaust - und dies auch bei Gewährleistung durch den Art. 33 Abs. 2 GG. Wenn Du dort liest, was benötigt wird (Gesetz bzw. gesetzliche Grundlage) und womit (Text, nicht mal eine Verordnung auf Basis der Wesentlichkeitstheorie bzw. Verordnung, Norm überhaupt) hier aber bei dem betroffenen Personenkreis in die Berufswahl (2. Stufe i. S. d. Dreistufentheorie des BVerfGs) eingegriffen wird, sollte Dir nun spätestens klar werden, dass es so nicht geht. Kompetenzüberschreitung der Verwaltung, Verstoß gegen die Gewaltenteilung - wie gut, dass das - wie so vieles - der arme Montesquieu nicht mehr erleben muss ...

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