Berufung im Verwaltungsprozess

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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Rudelfuchs
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Berufung im Verwaltungsprozess

Beitrag von Rudelfuchs »

Hallo Forumsmitglieder,

ich habe eine Frage zur Berufung im Verwaltungsprozess.

Dazu folgenden Fall: Der Kläger A verliert in der ersten Instanz vor dem VG. In dem Urteil fehlt eine Zulassung zur Berufung. Das Urteil wird A am 12.2.2019 zugestellt. A stellt einen Antrag auf Zulassung der Berufung am 12.3.19, jedoch beim Oberverwaltungsgericht. Das Oberverwaltungsgericht leitet den Antrag dem nach § 124 a IV 2 VwGO zuständigen Verwaltungsgericht weiter und erfüllt damit seine Fürsorgepflicht. Der Antrag geht dem zuständigen Verwaltungsgericht am 13.3.19 ein. Ist der Antrag unzulässig, weil die Frist des § 124 a IV 1 VwGO nicht eingehalten wurde?

Beachte: Es handelt sich hier nicht um einen Fall aus der Realität, von dem ich persönlich betroffen bin. Dieser Mini-Fall dient nur der Veranschaulichung. Es ist auch keine Hausarbeit. Eine rein abstrakte Frage wäre meiner Ansicht nach nicht verständlich gewesen. Ihr könnt die Frage aber gerne komplett abstrakt beantworten.

Meine Auffassung: Der Antrag wurde gem § 124 a IV 2 VwGO bei dem falschen Gericht gestellt. Aus dem Gebot des fairen Verfahrens ergibt sich jedoch nach st Rspr eine Pflicht des Gerichts zur Weiterleitung des Antrags an das zuständige Gericht. Das ist am 13.3.19 geschehen. Diese Weiterleitung heilt die fehlende Stellung des Antrags durch den A beim VG (Stimmt das? Oder ist § 124 a IV 2 VwGO keine eigenständige Zulässigkeitsvoraussetzung und bestimmt nur die Rechtzeitigkeit des Antrags?).
Die Monatsfrist begann am 13.2.19, § 57 II VwGO, § 222 I ZPO, § 187 I BGB. Die Monatsfrist ist gem § 57 II VwGO, § 222 I ZPO, § 188 II BGB am 12.3.19 um 24 Uhr geendet. Der Antrag ging dem VG erst am 13.3.19 zu und damit nicht rechtzeitig. Folglich ist der Antrag unzulässig, weil die Frist des § 124 a IV 1 VwGO nicht eingehalten wurde.

Zusätzliche Frage: Der A könnte nun einen Antrag auf Wiedereinsetzung gem § 60 VwGO beantragen. Dieser hat jedoch nach der st Rspr keinen Aussicht auf Erfolg, weil er bei dem falschen Gericht so rechtzeitig hätte eingehen müssen, dass der Antrag noch fristgerecht bis zum Ende der Frist an das richtige Gericht hätte weitergeleitet werden können. Stimmt das? Wenn ja, welche Voraussetzung liegt für die Wiedereinsetzung hier nicht vor? Ein Verschulden iSd § 60 I VwGO ist ihm bei falscher Adressierung doch immer vorzuwerfen.

Vielen Dank für eure Antworten!
stilzchenrumpel
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Re: Berufung im Verwaltungsprozess

Beitrag von stilzchenrumpel »

Beschluss vom 30.01.2018 - BVerwG 9 B 20.17
BVerwG hat geschrieben:Die Einreichung eines Rechtsmittels bei einem unzuständigen Gericht wahrt nicht die Fristen im Rechtsmittelverfahren. [...]
Einen hinreichenden zeitlichen Abstand zwischen der Einlegung des Rechtsmittels und dem Ablauf der Rechtsmittelfrist vorausgesetzt, darf die Partei nicht nur auf die Weiterleitung des Schriftsatzes, sondern auch darauf vertrauen, dass dieser noch fristgerecht beim zuständigen Gericht eingeht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1995 - 1 BvR 166/93 - BVerfGE 93, 99 <115>; Kammerbeschlüsse vom 3. Januar 2001 - 1 BvR 2147/00 - NJW 2001, 1343 und vom 17. März 2005 - 1 BvR 950/04 - NJW 2005, 2137 <2138>).
Das ist in deinem Fall offensichtlich nicht der Fall, weil der Antrag am Tag des Fristablaufs gestellt wurde und an demselben Tag nicht mehr mit einem Eingang beim VG über den Geschäftsgang zu rechnen ist.

Bliebe eben die Wiedereinsetzung grundsätzlich ;)
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
Rudelfuchs
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Re: Berufung im Verwaltungsprozess

Beitrag von Rudelfuchs »

Hey stilzchenrumpel,
danke für die Antwort. Ich glaube eine Wiedereinsetzung ist nicht mehr möglich. Siehe meine zusätzliche Frage oben. Vielleicht kannst du zur zusätzlichen Antwort auch was sagen. Das wäre echt super!
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Tibor
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Re: Berufung im Verwaltungsprozess

Beitrag von Tibor »

Eine WE scheitert bei Einlegung beim falschen Gericht idR daran, dass die NZB zwar beim VG, aber mit Vertretungszwang durch RA eingelegt werden muss (§ 67 Abs 4 Satz 2 VwGO); ein RA muss aber das Recht kennen; Rechtsirrtum ist idR schuldhaft, gerade im Kernprozessrecht. Eine WE gibt es idR nur dann, wenn die NZB zwar an das VG adressiert war, die gut ausgebildete und dauernd überwachte Mitarbeiterin dann aber dennoch OVG auf das Couvert schrieb.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
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