EGL für kirchliche öffentlich-rechtliche Äußerungen?

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

Moderator: Verwaltung

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Gelöschter Nutzer

EGL für kirchliche öffentlich-rechtliche Äußerungen?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich habe eine Frage zum Verhältnis von kirchlichen Äußerungen und Grundrechten.

Bsp.: Pfarrer P beleidigt A in seiner Predigt.

Hierin liegt ein öffentlich-rechtliches Verhalten (Ausübung des klassischen kirchlichen Wirkens, vgl. Art. 140 GG, Art. 137 V WRV). Zugleich wird dadurch in das APR des A eingegriffen. Nun gilt aber grundsätzlich, dass ein Eingriff nur im Falle des Bestehens einer einfachgesetzlichen EGL gerechtfertigt werden kann. Eine solche liegt hier aber evident nicht vor.

Ich kenne natürlich die Rechtsprechung zu sonstigen Äußerungen von Hoheitsträgern: bei nur mittelbar-faktischen Beeinträchtigungen durch Warnungen o.Ä. genügt eine Aufgabenzuweisungsnorm, soweit die Äußerung i.Ü. richtig, verhältnismäßig und ihrer Form nach angemessen ist. Allerdings wird diese Rspr. auf die vorliegenden Fälle wohl nicht angewandt; ihre Vss. dürften auch i.Ü. nicht erfüllt sein.

Stattdessen scheint die Rspr. einfach darauf abzustellen, dass sich die Kirche eben auf Art. 4 I GG berufen kann und wägt sodann APR und Art. 4 I GG gegeneinander ab. Das erscheint mir insoweit etwas schief: sicherlich kann sich die Kirche trotz Art. 1 III GG (Konfusionsargument) auf GR berufen. Indessen begründen GR doch trotzdem keine EGL für den Eingriff in fremde Grundrechte -- ein solcher öffentlich-rechtlicher Eingriff liegt aber ja gerade vor (s.o.).

Freilich ergibt es angesichts der "Doppelrolle" der Kirche i.E. schon Sinn, dass die Kirche sich nicht an den hohen Eingriffs-Vss. messen lassen muss. Dennoch bedürfte das m.E. doch eines gewissen Begründungsaufwandes, oder? Einen solchen kann ich aber in der Rspr. nicht wirklich erkennen.

Übersehe ich etwas?

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Klausurfall (nach JuS 2013, 1117):

Bsp.: Pfarrer P beleidigt A in seiner Predigt.

A will Unterlassung via ö-r Unterlassungsanspruch. Materielle Prüfung:

1. Hoheitliches Handeln (+), Predigt s.o.
2. Eingriff in subjektives Recht des A (+), APR
3. Rechtfertigung?

a) EGL (-)
b) Erforderlichkeit einer EGL bei ö-r Äußerungen? -> nach Rspr. (-) bei ö-r Warnungen; fraglich, ob übertragbar auf Kirchen, jedenfalls Vss. (Aufgabenzuweisungsnorm?!) (-)

c) Keine EGL erforderlich, sondern Berufen auf GR hier trotz ö-r Eingriffs ausnahmsweise zulässig (?), da Kirche sich trotz Art. 1 III GG selbst auf Grundrechte berufen darf und hier, trotz des ö-r Sachzusammenhangs, gleich einem Privaten agiert (?)

d) --> Art. 4 I GG vs APR, Abwägung


(Schritt c) müsste mE vorgenommen werden, fehlt aber etwa in der o.g. Lösung)
Gelöschter Nutzer

Re: EGL für kirchliche öffentlich-rechtliche Äußerungen?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Die Lösung, die mich durch eine freundliche Nachricht erreicht hat:

"Eine mangelnde Befugnis für die angegriffenen Äußerungen ergibt sich nicht bereits daraus, daß für die Kirche keine gesetzliche Grundlage besteht, die es ihr erlaubte, sich mit anderen konkurrierenden Religionsgemeinschaften auseinanderzusetzen und diese dabei zu kritisieren. Es ist zwar anerkannt, daß der Staat für gleichartiges Verhalten einer Ermächtigungsgrundlage bedarf (...). Obwohl die Kirche eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, gilt dieses Erfordernis aber für sie nicht (BVerfG, DVBl 1993, 1204). Aufgrund der Sonderstellung der Kirchen auch in ihrer Eigenschaft als Körperschaften des öffentlichen Rechts handelt es sich bei solcher Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht um Ausübung staatlicher Gewalt, für die allein das Erfordernis nach einer Ermächtigungsgrundlage gilt (BVerfG, NJW 1989, 3269).

Das Recht der Ag. zu 1 zu kritischen Äußerungen gegenüber anderen Glaubens- und Heilslehren und solchen Gemeinschaften ergibt sich grundsätzlich aus dem ihr zustehenden Recht aus Art. 4 I und II GG zur Wahrnehmung der Freiheit ihres Glaubens. (...)"

VGH München, Beschl. v. 28.03.1994 - 7 CE 93.2403, NVwZ 1994, 787, 789
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