Urteilsverfassungsbeschwerde

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

Moderator: Verwaltung

Antworten
Rudelfuchs
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 182
Registriert: Donnerstag 10. Januar 2019, 09:52

Urteilsverfassungsbeschwerde

Beitrag von Rudelfuchs »

Hallo Forenmitglieder,

ich habe zwei Fragen zum Aufbau der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines Eingriffs im Falle der Urteilsverfassungsbeschwerde. Die Fragen befinden sich im folgenden Aufbau.

Für mich wäre folgender Aufbau logisch:
III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Eingriffe
1. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des eingreifenden Gesetzes
(Das Gesetz, dass die Judikative zu Eingriffen ermächtigt, greift selbst in das Grundrecht ein (sog 2-stufiger Eingriff). Daher muss auch die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für dieses Gesetz geprüft werden)
a) Schranke (zb: "durch Gesetz")
b) Schranken-Schranke (= das gesamte sonstige Verfassungsrecht)
aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit
bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit
2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des eingreifenden Urteils
a) Schranke
(mE muss auch an dieser Stelle kurz festgestellt werden, dass das Grundrecht durch Urteil eingeschränkt werden kann. Dies kann man mE idR durch einen kurzen Verweis auf den Wortlaut "aufgrund eines Gesetzes" durchführen. In Falllösungen findet sich der Prüfungspunkt "Schranke" aber an dieser Stelle nicht. Vielmehr wird sofort das "spezifische Verfassungsrecht" geprüft. Mache ich hier also einen Fehler?)
b) Schranken-Schranke
Hier erläutert man mE, dass der Prüfungsmaßstab auf das spezifische Verfassungsrecht beschränkt ist und prüft dann nur dieses spezifische Verfassungsrecht. Meines Erachtens ist das spezifische Verfassungsrecht eine Schranken-Schranke. In Falllösungen wird das spezifische Verfassungsrecht aber nie als "Schranken-Schranke" dargestellt. Habe ich also auch hier einen Denkfehler? Oder ist das spezifische Verfassungsrecht tatsächlich eine Schranken-Schranke?

Nach meinem Aufbau hat die verfassungsrechtliche Rechtfertigung also immer den gleichen Aufbau für jeden einzelnen eingreifenden Hoheitsakt, nämlich 1. Schranke 2. Schranken-Schranke. Die Falllösungen haben diesen Aufbau aber nur bzgl eingreifenden Gesetzen. Das verstehe ich nicht (siehe Fragen oben).

Danke für eure Antworten!
Brainiac
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1559
Registriert: Montag 10. März 2014, 08:03

Re: Urteilsverfassungsbeschwerde

Beitrag von Brainiac »

Vielleicht einmal den Blick weg von Falllösungen hin zu irgendeinem Lehrbuch wenden. Dort steht, was nach herkömmlicher Auffassung stattdessen mit "Schranke" und "Schranken-Schranke" gemeint ist.
"In a real sense, we are what we quote." - Geoffrey O'Brien
Rudelfuchs
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 182
Registriert: Donnerstag 10. Januar 2019, 09:52

Re: Urteilsverfassungsbeschwerde

Beitrag von Rudelfuchs »

Die Bedeutung von Schranke und Schranken-Schranke habe ich mir bereits mit einem Lehrbuch angeeignet.

Schranke = Beschränkungsmöglichkeit eines Grundrechts
Schranken-Schranke = Grenzen der Beschränkungsmöglichkeit eines Grundrechts

Was soll ich hier jetzt nicht verstanden haben?

Könntest du etwas genauer auf meine Fragen eingehen?
Brainiac
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1559
Registriert: Montag 10. März 2014, 08:03

Re: Urteilsverfassungsbeschwerde

Beitrag von Brainiac »

Mich verwunderte nur, dass du Urteile als Schranken und das spezifische Verfassungsrecht per se als Schranken-Schranke ansehen wolltest (also ohne auf konkrete Inhakte, zB Vss. eines qualifizierten Gesetzesvorbehalts, Bestimmtheitsgebot, Verhältnismäßigkeitsprinzip abzustellen).
"In a real sense, we are what we quote." - Geoffrey O'Brien
Rudelfuchs
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 182
Registriert: Donnerstag 10. Januar 2019, 09:52

Re: Urteilsverfassungsbeschwerde

Beitrag von Rudelfuchs »

Brainiac hat geschrieben: Freitag 17. April 2020, 10:02 Mich verwunderte nur, dass du Urteile als Schranken und das spezifische Verfassungsrecht per se als Schranken-Schranke ansehen wolltest (also ohne auf konkrete Inhakte, zB Vss. eines qualifizierten Gesetzesvorbehalts, Bestimmtheitsgebot, Verhältnismäßigkeitsprinzip abzustellen).
Ich habe das Urteil nicht als Schranke bezeichnet. Die Schranke ist die Beschränkungsmöglichkeit des Grundrechts. Das Urteil muss sich auf diese Beschränkungsmöglichkeit stützen lassen.

Die Voraussetzungen eines qualifizierten Gesetzesvorbehaltes sind kein spezifisches Verfassungsrecht. Für das eingreifende Gesetz gibt es keinen beschränkten Prüfungsmaßstab. Nur Urteile werden auf ihre Vereinbarkeit mit dem spezifischen Verfassungsrecht geprüft. Denn würde auch hier der uneingeschränkte Prüfungsmaßstab gelten, müsste das BVerfG auch die Vereinbarkeit mit Art 20 III GG prüfen und würde damit zur Superrevisionsinstanz werden. Ich glaube dir ist nicht ganz klar, welches Verfassungsrecht nach dem BVerfG spezifisches Verfassungsrecht ist. Spezifisches Verfassungsrecht ist nach umstrittener Ansicht des BVerfG: Art 3 I GG (Willkür), Verfahrensgrundrechte und der Einfluss der Grundrechte auf das einfache Recht.

Vielleicht kannst du zu meiner Frage konkreter Stellung nehmen (wenn du möchtest), indem du sagst, warum meine Denkweise falsch ist.
Brainiac
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1559
Registriert: Montag 10. März 2014, 08:03

Re: Urteilsverfassungsbeschwerde

Beitrag von Brainiac »

Ok:
Rudelfuchs hat geschrieben: Donnerstag 16. April 2020, 00:44 a) Schranke
(mE muss auch an dieser Stelle kurz festgestellt werden, dass das Grundrecht durch Urteil eingeschränkt werden kann. Dies kann man mE idR durch einen kurzen Verweis auf den Wortlaut "aufgrund eines Gesetzes" durchführen. In Falllösungen findet sich der Prüfungspunkt "Schranke" aber an dieser Stelle nicht. Vielmehr wird sofort das "spezifische Verfassungsrecht" geprüft. Mache ich hier also einen Fehler?)
An dieser Stelle muss - je nach Grundrecht darauf eingegangen werden - durch welche Art von Schranke es beschränkt werden kann. Grundsätzlich unterschieden werden verassungsunmittelbare Schranken (Bsp.: Art. 8 GG: Friedlichkeit), Gesetzesvorbehalt, verfassungsimmanente Schranken (kollidierendes Verfassungsrecht - vielleicht war das in der Falllösung mit "spezifischem Verfassungsrecht" gemeint?).
Rudelfuchs hat geschrieben: Donnerstag 16. April 2020, 00:44 b) Schranken-Schranke
Hier erläutert man mE, dass der Prüfungsmaßstab auf das spezifische Verfassungsrecht beschränkt ist und prüft dann nur dieses spezifische Verfassungsrecht. Meines Erachtens ist das spezifische Verfassungsrecht eine Schranken-Schranke. In Falllösungen wird das spezifische Verfassungsrecht aber nie als "Schranken-Schranke" dargestellt. Habe ich also auch hier einen Denkfehler? Oder ist das spezifische Verfassungsrecht tatsächlich eine Schranken-Schranke?
An dieser Stelle prüft man die Schranken-Schranken, d.h. die Inhalte der Verfassung, die die zuvor genannten Beschränkungsmöglichkeiten ihrerseits begrenzen. Bezugspunkt ist die zuvor ausgemachte Schranke. Also z. B. ob dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG durch das zugrunde liegende Gesetz Genüge getan wurde, das Gesetz das Zitier- oder Bestimmtheitsgebot einhält oder die Entscheidung dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht.

Den Prüfungsmaßstab, also dass das BVerfG nur eine Überprüfung des spezifischen Verfassungsrechts vornimmt, mithin nicht das Erfüllen der Voraussetzungen der einfachrechtlichen Norm (Schranke) prüft (keine Superrevisionsinstanz), stellt man sinnvollerweise bereits ganz zu Begrinn der Begründetheitsprüfung heraus - eben bevor man die Verletzung des spezifischen Verfassungsrechts (bei Grundrechten: durch Schutzbereichseröffnung, Eingriff, fehlende Rechtfertigung) prüft.
"In a real sense, we are what we quote." - Geoffrey O'Brien
Brainiac
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1559
Registriert: Montag 10. März 2014, 08:03

Re: Urteilsverfassungsbeschwerde

Beitrag von Brainiac »

Nachtrag: So auch in jeder brauchbaren Falllösung, auf die Schnelle zB gefunden: https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb5/ ... ndfall.pdf
"In a real sense, we are what we quote." - Geoffrey O'Brien
Antworten