Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

Moderator: Verwaltung

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Tyberius
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Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Beitrag von Tyberius »

Ich stehe gerade bei der Nacharbeit einer Examensprobeklausur etwas auf dem Schlauch.

Es geht um den Prüfungspunkt der statthaften Klageart. Der Kläger begehrt eine Maßnahme des OB der Stadt X in NRW. Ich habe geschrieben, dass eine Verpflichtungsklage in Betracht käme und die Maßnahme des OB dafür einen VA nach § 35 S. 1 VwVfG Bund darstellen müsste.
Der Korrektor hat mir dazu an den Rand geschrieben, dass dies falsch sei. Man müsse bei einer Maßnahme eines Oberbürgermeisters auf das VwVfG des Landes abstellen.

Kann denn das VwVfG des Landes als Maßstab für die VwGO als Bundesrecht herhalten? Inhaltlich macht es natürlich keinen Unterschied. Ich frage mich nur, ob das systematisch so richtig sein kann.
Swann
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Re: Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Beitrag von Swann »

Das ist eine umstrittene Frage. Nach der hM stellt § 40 VwGO ausschließlich auf das anwendbare Verfahrensrecht ab und somit kann auch das Landesverwaltungsverfahrensrecht maßgeblich sein (BeckOK VwGO/Schmidt-Kötters, 53. Ed. 1.10.2019, VwGO § 42 Rn. 11). Die Gegenauffassung will wie du nur den bundesrechtlichen Begriff des Verwaltungsaktes gelten lassen ((NK-VwGO/Helge Sodan, 5. Aufl. 2018 Rn. 99, VwGO § 42 Rn. 99).
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Re: Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Beitrag von Sektnase »

Einer der ganz wichtigen Streits..
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Re: Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich habe bislang in jeder Klausur, die ich jemals geschrieben habe, immer und überall nur "VwVfG" geschrieben, hat nie jemanden gejuckt.
Tyberius
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Re: Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Beitrag von Tyberius »

Sektnase hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 19:48 Einer der ganz wichtigen Streits..
Natürlich nicht, aber man wundert sich halt wenn etwas, was in über 50 Klausuren noch niemals bemängelt wurde, plötzlich explizit als falsch angestrichen wird.
Ich werde dann ab sofort die Länderbezeichnung weglassen und gut ist...
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Re: Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Beitrag von Sektnase »

Ich würde sie dran machen ;) Mir wurde es in Probeklausuren auch schon angestrichen. Viele Lösungen schreiben ja auch (L)VwVfg, im Examen wirds hoffentlich so oder so keiner bemängeln.
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Re: Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Beitrag von Strich »

Ich halte die Gegenauffassung (LVwVfGe seien maßgeblich) mit dem Argument, der Bund habe nach Art 74 Abs. 1 Nr. 1 GG die konkurrierende Gesetzgebung für das Prozessrecht, für sehr wenig überzeugend. Ich schreibs den Leuten an den Rand, gibt dafür aber natürlich keine Abzüge, auch keine irgendwie gedachten oder eingebildeten, dafür ist der Streit so unglaublich unwichtigt, wie die Frage, ob § 40 VwGO nun eine Sachurteilsvoraussetzung oder eine Zulässigkeitsfrage (klar Letzterer, aber hey womit verdient Hemmer sonst Geld) ist.
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Re: Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Beitrag von Brainiac »

Strich hat geschrieben: Montag 25. Mai 2020, 19:39wie die Frage, ob § 40 VwGO nun eine Sachurteilsvoraussetzung oder eine Zulässigkeitsfrage (klar Letzterer, aber hey womit verdient Hemmer sonst Geld) ist.
Der Fairness wegen: Zumindest an meinem Standort war die Sensibilisierung für diese Frage dadurch bedingt, dass ein Prof., der fleißiger Klausurersteller und - zumindest seinerzeit - überobligatorisch oft Prüfer in der Mündlichen war, durchaus vehement ersteres vertrat (mE iÜ überzeugend).
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Re: Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Beitrag von Strich »

Das Argument, wenn § 40 VwGO nicht einschlägig ist, wird die Klage verwiesen und nicht als unzulässig abgewiesen, kann es ja nicht sein, da bei einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit eine Verweisung an die Verfassungsgerichtsbarkeit mangels "Rechtsweg" zu denselben nicht möglich ist und die Klage dann als unzulässig abgewiesen wird.
Ferner werden auch bei fehlen anderer "unstreitiger" Zulässigkeitsvoraussetzungen Klagen nicht als Unzulässig abgewiesen, sondern per Beschluss verwiesen, wie eben beim fehlend der örtlichen Zuständigkeit.

Also, mit welchem Argument lässt sich diese Aufteilung aufrechterhalten?
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Re: Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Beitrag von Brainiac »

Strich hat geschrieben: Dienstag 26. Mai 2020, 15:06 Also, mit welchem Argument lässt sich diese Aufteilung aufrechterhalten?
Das ist ja gerade die Stoßrichtung der Kritik: Wenn das Nichtvorliegen einiger "Zulässigkeitsvoraussetzungen" weder zur Unzulässigkeit noch zur Unbegründetheit führt, kann an der bisherigen Aufteilung zwischen ZLK und Begründetheit nicht festgehalten werden, sondern muss entweder in drei Kategorien Sachentscheidungsvoraussetzungen/ZLK/Begründetheit gedacht oder eben nur noch von Sachentscheidungsvoraussetzungen (quasi i.S.e. Oberbegriffs - so unser Prof) und Begründetheit gesprochen werden, wobei dann eben die Rechtsfolgen beim Nichtvorliegen ersterer unterschiedlich sein können.
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Re: Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Beitrag von Strich »

Ja ... Nein. Wenn man es in SUV/Z/B aufteilt, frage ich mich wie das aussehen soll:

A. SUV
1. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges aber ohne Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art
2. Statthafte Klageart (weil hier kein Normenkontrollverfahren statthaft sein darf, dann nämlich auch Verweisung zum OVG)
3. sachliche/örtliche Zuständigkeit des Gerichts
B. Zulässigkeit
1. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges aber nur Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art
2. Statthafte Klageart im Übrigen
3. ...

Merkste selber, ist Quatsch.

Also nur Sachurteilsvoraussetzung? Was ist anderes als die "Umbenennung" der "Zulässigkeit" gewonnen?

-> Daher Streit um Kaisers Bart, wobei die Leute, die den Streit anfangen auf ganz dünnem Eis stehen udn stets einfach behaupten, Zulässigkeit sei zu definieren als Prüfung, bei deren Nichtvorliegen eine Klageabweisung als Unzulässig zu erfolgen hätte. Das stimmt aber einfach nicht und wird von der Gegenansicht auch nie behauptet. Zulässigkeit meint alle Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ich als Richter des Altenburger Skaatgerichts ein Urteil in der Sache erlassen kann. Oder mit anderen Worten: Die Zulässigkeit beantwortet die Fragen, die sich jeder gute Jurist stellt, wenn er eine Akte aufschlägt: Warum ich? Warum jetzt, Warum in dieser Form?
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Re: Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Beitrag von Brainiac »

Strich hat geschrieben: Dienstag 26. Mai 2020, 16:53 Merkste selber, ist Quatsch.
Jo.
Strich hat geschrieben: Dienstag 26. Mai 2020, 16:53 Also nur Sachurteilsvoraussetzung? Was ist anderes als die "Umbenennung" der "Zulässigkeit" gewonnen?
Terminologische Genauigkeit, die der geänderten Rechtslage Rechnung trägt. Aber klar, zwingend ist es nicht, dass man das Kind beim Namen nennt.
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Re: Bundesrecht oder Landesrecht bei statthafter Klageart

Beitrag von adem_b »

Strich hat geschrieben: Dienstag 26. Mai 2020, 16:53 (...)

A. SUV
1. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges aber ohne Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art
2. Statthafte Klageart (weil hier kein Normenkontrollverfahren statthaft sein darf, dann nämlich auch Verweisung zum OVG)
3. sachliche/örtliche Zuständigkeit des Gerichts
B. Zulässigkeit
1. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges aber nur Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art
2. Statthafte Klageart im Übrigen
3. ...

Bei uns an der Uni will es leider auch jeder Prof anders. Manche beharren auf die Überschrift "Sachentscheidungsvoraussetzungen", einige kreiden es sogar als gänzlich falsch an. Hinzu kommt noch die Verortung der Passivlegitimation/"richtiger Beklagter"

Was anderes: Seht ihr es als (heutzutage noch(?)) vertretbar an, im Baurecht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des B-Plans die Abwägungsfehlerlehre komplett in die materielle Rechtmäßigkeit zu schieben? Mein Prof im Rep meinte, dies gehöre zwingend unter "Formelle RMK -> Verfahren"
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