Hallo,
ich lese mir hier gerade "Das Recht der Verfassungsbeschwerde" von Rüdiger Zuck durch und verstehe einen Punkt nicht. Zum Annahmeverfahren heißt es dort auf S. 324:
"Eine lange Verfahrensdauer - bis zu zwei Jahren - indiziert aber keineswegs Erfolgsaussichten, sondern besagt nur, dass für das (ablehnende) Votum größerer Aufwand erforderlich ist oder dass andere Gründe für die Verzögerung vorgelegen haben. Der wichtigste positive Hinweis für den Beschwerdeführer ergibt sich eigentlich nur aus der Zustellung der Verfassungsbeschwerde - mit oder ohne Vorbehalt -, weil damit feststeht, dass die Verfassungsbeschwerde jedenfalls etwas verfassungsrechtliche Aufmerksamkeit hervorgerufen hat."
Dazu habe ich gleich mehrere Verständnisfragen:
1. Was ist eine Zustellung einer VB unter Vorbehalt? Ich kenn nur die Vorschrift des § 23 BVerfGG, nach dem bei Annahme der VB diese an die anderen Verfahrensbeteiligten zugestellt wird.
2. Muß es eigentlich immer eine Zustellung geben (eine Annahme voraus gesetzt)? Es kann ja Verfahren geben, in denen keine anderen Verfahrensbeteiligten vorhanden sind (z. B. Anhörungsrüge im Strafprozess durch einen nicht am Verfahren beteiligten, aber betroffenen Dritten)? Wer soll dann noch eine Zustellung bekommen?
Thx für jede Erleuchtung...
Zustellung der Verfassungsbeschwerde
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Re: Zustellung der Verfassungsbeschwerde
Nun ja, Gegner der Verfassungsbeschwerde ist ja immer derjenige Träger öffentlicher Gewalt, dessen Organe oder Stellen behauptetermaßen eines der Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte des Beschwerdeführers verletzt haben soll. Im zu Ziff. 2 geschilderten Fall also das Land, zu dem das Gericht, in dem der Strafprozess geführt wurde, gehört.
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Re: Zustellung der Verfassungsbeschwerde
Die Adressaten der Zustellung ergeben sich aus § 93c Abs. 2 und § 94 BVerfGG. Es gibt immer einen Adressaten, auch wenn die VB kein kontradiktorisches Verfahren ist und es einen prozessualen Gegner ieS nicht gibt.
In der Praxis wird nur zugestellt, wenn eine Senatsentscheidung oder eine Stattgabe in der Kammer zumindest ernsthaft erwogen werden. Das BVerfG geht davon aus, dass vor einer Nichtannahme zumindest in der Kammer eine Zustellung nicht erforderlich ist (arg. § 93c Abs. 2 BVerfGG e contrario).
Eine selbstständige positive Annahmeentscheidung gibt es in der Praxis nicht. Die Annahme erfolgt ausdrücklich oder sogar nur konkludent mit der Sachentscheidung. Nur die Nichtannahme ergeht durch eigenen Beschluss. Die Zustellung bedeutet also nicht, dass die VB angenommen wäre, sondern nur, dass eine Annahme in Betracht kommt.
Was mit Zustellung unter Vorbehalt gemeint ist, ist mir nicht klar. In den Zustellungsbenachrichtigungen steht mW immer drin, dass eine Entscheidung über die Annahme noch nicht getroffen ist. Sollte das mit Vorbehalt gemeint sein, habe ich jedenfalls noch nie eine Zustellung ohne Vorbehalt gesehen.
In der Praxis wird nur zugestellt, wenn eine Senatsentscheidung oder eine Stattgabe in der Kammer zumindest ernsthaft erwogen werden. Das BVerfG geht davon aus, dass vor einer Nichtannahme zumindest in der Kammer eine Zustellung nicht erforderlich ist (arg. § 93c Abs. 2 BVerfGG e contrario).
Eine selbstständige positive Annahmeentscheidung gibt es in der Praxis nicht. Die Annahme erfolgt ausdrücklich oder sogar nur konkludent mit der Sachentscheidung. Nur die Nichtannahme ergeht durch eigenen Beschluss. Die Zustellung bedeutet also nicht, dass die VB angenommen wäre, sondern nur, dass eine Annahme in Betracht kommt.
Was mit Zustellung unter Vorbehalt gemeint ist, ist mir nicht klar. In den Zustellungsbenachrichtigungen steht mW immer drin, dass eine Entscheidung über die Annahme noch nicht getroffen ist. Sollte das mit Vorbehalt gemeint sein, habe ich jedenfalls noch nie eine Zustellung ohne Vorbehalt gesehen.
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Re: Zustellung der Verfassungsbeschwerde
Erst mal danke für die Antworten; sie haben weiter geholfen....
Ich hab mal eine Führung am BVerfG mitgemacht; die Richterin aus der Öffentlichkeitsarbeit meinte, in einfachen Verfassungsbeschwerden hört der Antragsteller bis zum Ergebnis erst mal gar nix.
Daher eine Nachfrage: was genau ist eine Zustellungsbenachrichtigung? Wird da der Antragsteller informiert, dass Antragsgegner oder Sachverständiger X zu dem Antrag zur Stellungnahme aufgefordert worden ist? Wenn ja, wo sind die Benachrichtigungen geregelt? In der GOBVerfG und im BVerfGG hab ich dazu auf die Schnelle nix gefunden....
Ich (Laie!) hab sowas bislang weder in der einen noch in der anderen Form gesehen. Mal einen kompletten Verfahrensgang zu einer einfachen (!) VB zu sehen, fände ich interessant....Flanke hat geschrieben: ↑Sonntag 5. Juli 2020, 16:27 Was mit Zustellung unter Vorbehalt gemeint ist, ist mir nicht klar. In den Zustellungsbenachrichtigungen steht mW immer drin, dass eine Entscheidung über die Annahme noch nicht getroffen ist. Sollte das mit Vorbehalt gemeint sein, habe ich jedenfalls noch nie eine Zustellung ohne Vorbehalt gesehen.
Ich hab mal eine Führung am BVerfG mitgemacht; die Richterin aus der Öffentlichkeitsarbeit meinte, in einfachen Verfassungsbeschwerden hört der Antragsteller bis zum Ergebnis erst mal gar nix.
Daher eine Nachfrage: was genau ist eine Zustellungsbenachrichtigung? Wird da der Antragsteller informiert, dass Antragsgegner oder Sachverständiger X zu dem Antrag zur Stellungnahme aufgefordert worden ist? Wenn ja, wo sind die Benachrichtigungen geregelt? In der GOBVerfG und im BVerfGG hab ich dazu auf die Schnelle nix gefunden....
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Re: Zustellung der Verfassungsbeschwerde
Ich vermute, in der Zustellungsbenachrichtigung wird einfach formlos mitgeteilt, dass die VB nun xy mit der Gelegenheit zur Stellungnahme binnen x Wochen/Monaten zustellt worden ist. Für eine derartige Mitteilung bedarf es keiner gesetzlichen Regelung; vielmehr dürfte es allgemein anerkannten prozessualen Grundsätzen entsprechen, alle Beteiligte über derartige wesentliche Vorgänge in Kenntnis zu setzen.