Privilegien für Geimpfte
Moderator: Verwaltung
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Privilegien für Geimpfte
Mich würde mal interessieren, wie das hier im Forum die Teilnehmer sehen.
Ganz herrschend (wenn nicht unwidersprochen, hier fehlt mir aber ein vollständiger Überblick) scheint zu sein, dass eine Unterscheidung Privater danach, ob jemand gegen das SARS-CoV2-Virus geimpft ist oder nicht, beim Zugang zu ihren Läden etc. rechtlich zulässig, also kein Problem etwa des AGG oder der Drittwirkung der Grundrechte sei.
Auch der Staat dürfe Geimpfte "bevorzugen", da er hier nicht Gleiches ungleich, sondern eben Ungleiches ungleich behandele, es also einen rechtfertigenden Grund für die Differenzierung gebe.
Prima vista leuchtet mir das sowohl nach GG als auch AGG vollkommen ein.
Ohne es rechtlich bereits abschließend einordnen zu könne, meine ich aber, dass auch berücksichtigt werden müsste, dass
a) die Chancen, die Impfung zu erhalten z.Zt. noch vollkommen ungleich verteilt sind, und zwar auf Grundlage einer Entscheidung, die der Priorisierung nach Gesundheitsgefahr folgte, ohne dass also eine (Mit-) Abwägung der Freiheitsgrundrechte stattfand;
b) selbst aus Perspektive derer, die ein Impfangebot haben, ein enormer faktischer Impfzwang aufgebaut wird, den ich ob der geringen Aussagekraft der Forschungsergebnisse für die Möglichkeit langzeitiger Impfschäden als erhebliche Last ansehe; zumal nicht ganz ausgeschlossen ist, dass viele Anbieter in einer überschießenden Vorsicht selbst bei stark abnehmenden Infektionszahlen im (späteren) Frühjahr oder gar über den Sommer hinweg an entsprechenden Differenzierungen festhalten könnten, soweit das für sie betriebswirtschaftlich vertretbar ist (was es mit zunehmenden Zahlen geimpfter werden könnte). In diesem Fall stünden die Nichtgeimpften schlechter da als im Vorjahr, als mit der Aufhebung der Lockdownmaßnahmen wieder Zugangsfreiheit für alle herrschte.
Ganz herrschend (wenn nicht unwidersprochen, hier fehlt mir aber ein vollständiger Überblick) scheint zu sein, dass eine Unterscheidung Privater danach, ob jemand gegen das SARS-CoV2-Virus geimpft ist oder nicht, beim Zugang zu ihren Läden etc. rechtlich zulässig, also kein Problem etwa des AGG oder der Drittwirkung der Grundrechte sei.
Auch der Staat dürfe Geimpfte "bevorzugen", da er hier nicht Gleiches ungleich, sondern eben Ungleiches ungleich behandele, es also einen rechtfertigenden Grund für die Differenzierung gebe.
Prima vista leuchtet mir das sowohl nach GG als auch AGG vollkommen ein.
Ohne es rechtlich bereits abschließend einordnen zu könne, meine ich aber, dass auch berücksichtigt werden müsste, dass
a) die Chancen, die Impfung zu erhalten z.Zt. noch vollkommen ungleich verteilt sind, und zwar auf Grundlage einer Entscheidung, die der Priorisierung nach Gesundheitsgefahr folgte, ohne dass also eine (Mit-) Abwägung der Freiheitsgrundrechte stattfand;
b) selbst aus Perspektive derer, die ein Impfangebot haben, ein enormer faktischer Impfzwang aufgebaut wird, den ich ob der geringen Aussagekraft der Forschungsergebnisse für die Möglichkeit langzeitiger Impfschäden als erhebliche Last ansehe; zumal nicht ganz ausgeschlossen ist, dass viele Anbieter in einer überschießenden Vorsicht selbst bei stark abnehmenden Infektionszahlen im (späteren) Frühjahr oder gar über den Sommer hinweg an entsprechenden Differenzierungen festhalten könnten, soweit das für sie betriebswirtschaftlich vertretbar ist (was es mit zunehmenden Zahlen geimpfter werden könnte). In diesem Fall stünden die Nichtgeimpften schlechter da als im Vorjahr, als mit der Aufhebung der Lockdownmaßnahmen wieder Zugangsfreiheit für alle herrschte.
„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
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Re: Privilegien für Geimpfte
Ich halte es verfassungsmäßig für geradezu geboten, bei Bürgern, die nachweislich (!) nicht gesundheitsgefährdend sind, auf eben jener Gesundheitsgefährdung basierende Grundrechtseinschränkungen wieder aufzuheben. Was wäre sonst der legitime Zweck, etwa dass es allen gleich schlecht geht und niemand neidisch zu werden braucht? Letzteres als "gesellschaftlicher Friede" o.ä. zu verbrämen geht m.E. nicht an.
In der Praxis wird man sich freilich mit dem Argument retten können, dass eben nicht klar ist, dass von Geimpften keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht. Dazu kommt, dass Privilegien faktisch nur nach Möglichkeit genutzt werden können: Was hilft es den Geimpften 80jährigen, dass sie theoretisch ins Café dürfen, die aber alle nicht auf haben, weil die Belegschaft aus lauter noch nicht Geimpften 30jährigen besteht?
In der Praxis wird man sich freilich mit dem Argument retten können, dass eben nicht klar ist, dass von Geimpften keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht. Dazu kommt, dass Privilegien faktisch nur nach Möglichkeit genutzt werden können: Was hilft es den Geimpften 80jährigen, dass sie theoretisch ins Café dürfen, die aber alle nicht auf haben, weil die Belegschaft aus lauter noch nicht Geimpften 30jährigen besteht?
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Re: Privilegien für Geimpfte
Ich weiß nicht, ob du das schon gesehen hast, aber es gibt seit kurzem erste Studien, welche darauf hindeuten, dass Geimpfte jedenfalls deutlich weniger ansteckend sind (https://www.faz.net/aktuell/politik/aus ... 79526.html).OJ1988 hat geschrieben: ↑Donnerstag 4. Februar 2021, 21:17 Ich halte es verfassungsmäßig für geradezu geboten, bei Bürgern, die nachweislich (!) nicht gesundheitsgefährdend sind, auf eben jener Gesundheitsgefährdung basierende Grundrechtseinschränkungen wieder aufzuheben. Was wäre sonst der legitime Zweck, etwa dass es allen gleich schlecht geht und niemand neidisch zu werden braucht? Letzteres als "gesellschaftlicher Friede" o.ä. zu verbrämen geht m.E. nicht an.
In der Praxis wird man sich freilich mit dem Argument retten können, dass eben nicht klar ist, dass von Geimpften keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht. Dazu kommt, dass Privilegien faktisch nur nach Möglichkeit genutzt werden können: Was hilft es den Geimpften 80jährigen, dass sie theoretisch ins Café dürfen, die aber alle nicht auf haben, weil die Belegschaft aus lauter noch nicht Geimpften 30jährigen besteht?
Ich hoffe ja, dass es in diese Richtung absehbar noch mehr und eindeutigere Informationen geben wird. Denn rechtlich sehe ich es wie du und bin gespannt, wie die Politik reagieren wird, wenn sie sich nicht mehr hinter dem Feigenblatt der potenziellen Ansteckungsgefahr verstecken kann.
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Re: Privilegien für Geimpfte
Einmal ein nicht-juristischer Gedanke dazu:
Ich habe die Befürchtung, dass die Politik es dann länger bei einem "gespaltenen Lockdown" lassen wird als zwingend erforderlich Also: Cafes usw. dürfen öffnen, aber nur für Geimpfte. Damit würde dann auch seitens der Politik die Impfpflicht durch die Hintertür kommen. I.E. schlimmstensfalls ein Dauer-Lockdown für Nicht-Geimpfte (denen man ja- irgendwann im 3. Quartal, wenn ggf. viele/alle ein Impfangebot haben - zurufen kann: "Nicht der Lockdown ist an der Beschneidung eurer Freiheitsrechte schuld, sondern eure Impfunwilligkeit").
Ich habe die Befürchtung, dass die Politik es dann länger bei einem "gespaltenen Lockdown" lassen wird als zwingend erforderlich Also: Cafes usw. dürfen öffnen, aber nur für Geimpfte. Damit würde dann auch seitens der Politik die Impfpflicht durch die Hintertür kommen. I.E. schlimmstensfalls ein Dauer-Lockdown für Nicht-Geimpfte (denen man ja- irgendwann im 3. Quartal, wenn ggf. viele/alle ein Impfangebot haben - zurufen kann: "Nicht der Lockdown ist an der Beschneidung eurer Freiheitsrechte schuld, sondern eure Impfunwilligkeit").
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Egon Bahr 2013
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Re: Privilegien für Geimpfte
Ja, das ist mir bekannt, aber "deutlich weniger ansteckend" heißt eben nicht "gar nicht ansteckend", außerdem sind es keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern nur "erste Studien" und letztlich billigt die Verfassungsrechtsprechung dem Gesetzgeber bei solchen Fragen eine Einschätzungsprärogative zu.Seeker hat geschrieben: ↑Donnerstag 4. Februar 2021, 21:21Ich weiß nicht, ob du das schon gesehen hast, aber es gibt seit kurzem erste Studien, welche darauf hindeuten, dass Geimpfte jedenfalls deutlich weniger ansteckend sind (https://www.faz.net/aktuell/politik/aus ... 79526.html).OJ1988 hat geschrieben: ↑Donnerstag 4. Februar 2021, 21:17 Ich halte es verfassungsmäßig für geradezu geboten, bei Bürgern, die nachweislich (!) nicht gesundheitsgefährdend sind, auf eben jener Gesundheitsgefährdung basierende Grundrechtseinschränkungen wieder aufzuheben. Was wäre sonst der legitime Zweck, etwa dass es allen gleich schlecht geht und niemand neidisch zu werden braucht? Letzteres als "gesellschaftlicher Friede" o.ä. zu verbrämen geht m.E. nicht an.
In der Praxis wird man sich freilich mit dem Argument retten können, dass eben nicht klar ist, dass von Geimpften keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht. Dazu kommt, dass Privilegien faktisch nur nach Möglichkeit genutzt werden können: Was hilft es den Geimpften 80jährigen, dass sie theoretisch ins Café dürfen, die aber alle nicht auf haben, weil die Belegschaft aus lauter noch nicht Geimpften 30jährigen besteht?
Ich hoffe ja, dass es in diese Richtung absehbar noch mehr und eindeutigere Informationen geben wird. Denn rechtlich sehe ich es wie du und bin gespannt, wie die Politik reagieren wird, wenn sie sich nicht mehr hinter dem Feigenblatt der potenziellen Ansteckungsgefahr verstecken kann.
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Re: Privilegien für Geimpfte
Jo, deshalb hoffe ich auf weitere Studien.
- Tibor
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Re: Privilegien für Geimpfte
Wir werden den Israelis noch einiges verdanken!
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Re: Privilegien für Geimpfte
Ich sehe es wie OJ 1988: wenn sicher feststeht, dass von Geimpften keine Gefahr mehr ausgeht, fehlt es an einer Rechtfertigung für den Eingriff in die Grundrechte der Geimpften. Dann müssen die Einschränkungen aufgehoben werden.
Aus dem Neid der Nicht-Geimpfen lässt sich kein Rechtfertigungsgrund für die Aufrechterhaltung der Einschränkungen konstruieren. Über die "Sicherung des sozialen Friedens" bei nur teilweiser Aufhebung als Rechtfertigungsgrund könnte man nur dann nachdenken, wenn der gespaltene Zustand Jahre andauern würde, aber nicht bei einigen Monaten mit gleichzeitigem permanenten Anstieg der Geimpften. Ähnliches gilt für die Überlegung, dass die "Privilegien", die nichts als eine Aufhebung der Beschränkung der Freiheitsrechte sind, dazu führen könnten, dass die Nicht-Geimpften aus Neid massenhaft plötzlich alle Beschränkungen ignorieren.
Für schlichtweg unvertretbar halte ich schliesslich den Ansatz, dass die Aufhebung der Beschränkung für Geimpfte faktisch zu einem unzulässigen - warum eigentlich unzulässig? - Impfzwang führte. Wenn ich aus religiösen Gründen, Faulheit, Dummheit oder sonstigen Gründen eine Grippeschutzimpfung ablehne, kann ich nicht verlangen, dass niemand sich impfen lassen darf, weil er sich sonst einen Vorteil verschafft, der mich zum Impfen zwingt.
Aus dem Neid der Nicht-Geimpfen lässt sich kein Rechtfertigungsgrund für die Aufrechterhaltung der Einschränkungen konstruieren. Über die "Sicherung des sozialen Friedens" bei nur teilweiser Aufhebung als Rechtfertigungsgrund könnte man nur dann nachdenken, wenn der gespaltene Zustand Jahre andauern würde, aber nicht bei einigen Monaten mit gleichzeitigem permanenten Anstieg der Geimpften. Ähnliches gilt für die Überlegung, dass die "Privilegien", die nichts als eine Aufhebung der Beschränkung der Freiheitsrechte sind, dazu führen könnten, dass die Nicht-Geimpften aus Neid massenhaft plötzlich alle Beschränkungen ignorieren.
Für schlichtweg unvertretbar halte ich schliesslich den Ansatz, dass die Aufhebung der Beschränkung für Geimpfte faktisch zu einem unzulässigen - warum eigentlich unzulässig? - Impfzwang führte. Wenn ich aus religiösen Gründen, Faulheit, Dummheit oder sonstigen Gründen eine Grippeschutzimpfung ablehne, kann ich nicht verlangen, dass niemand sich impfen lassen darf, weil er sich sonst einen Vorteil verschafft, der mich zum Impfen zwingt.
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Re: Privilegien für Geimpfte
+1 zu Herrn Schraeg.
Zumal man eben nicht vergessen darf, dass sogar eine direkt Impfpflicht nach dem BVerwG(Az./Datum hatte ich hier schon irgenwo gepostet) in den 70ern als mit dem GG vereinbar bewertet wurde, soweit die Impfung dem Geimpften selbst durch Schutz vor der Krankheit helfen soll. Das wäre hier zweifellos gegeben, selbst sehr junge Menschen sind rein statistisch geimpft besser dran als ungeimpft, auch wenn wir dabei jeweils sehr geringe Risiken gegeneinander abwägen. Damals gab es ebenfalls schon den informed consent.
Diese ganze "keine Impfpflicht" Diskussion ist mE schlicht ein Zugeständnis an die wissenschaftlich unhaltbare Blödsinn-Bewegung aus den USA und hysterisch kreischende Panikmacher. Ja, vielleicht stellt sich in 30 Jahren raus, dass die Impfung Nebenwirkungen hat. Vielleicht stellt sich aber auch in 30 Jahren raus, dass Sojamilch langfristig krebserregend ist, Quinoa in Kombination mit Hirse dafür sorgt, dass der Nachwuchs zu Kleinwüchsigkeit neigt und jedem der mehr als 30 Jahre lang Smartphones nutzt mit 70 die Ohren abfallen.
Der Punkt, dass aktuell nicht jeder Zugang zu Impfungen hat kann mE auch nicht verfangen, sofern die Einschränkungen an Ungeimpften keine elementaren Aspekte des Lebens, sondern "nur" Luxus betreffen. Kritisch ist dabei z.B. die Frage, wie mit "ungleichen" Berufsveboten umzugehen ist, wobei wir durch Impfung der Risikogruppen große Testkapazitäten freischaufeln würden und z.B. die Kellner im Rentner-Restaurant dann eben täglich getestet werden.
Zumal man eben nicht vergessen darf, dass sogar eine direkt Impfpflicht nach dem BVerwG(Az./Datum hatte ich hier schon irgenwo gepostet) in den 70ern als mit dem GG vereinbar bewertet wurde, soweit die Impfung dem Geimpften selbst durch Schutz vor der Krankheit helfen soll. Das wäre hier zweifellos gegeben, selbst sehr junge Menschen sind rein statistisch geimpft besser dran als ungeimpft, auch wenn wir dabei jeweils sehr geringe Risiken gegeneinander abwägen. Damals gab es ebenfalls schon den informed consent.
Diese ganze "keine Impfpflicht" Diskussion ist mE schlicht ein Zugeständnis an die wissenschaftlich unhaltbare Blödsinn-Bewegung aus den USA und hysterisch kreischende Panikmacher. Ja, vielleicht stellt sich in 30 Jahren raus, dass die Impfung Nebenwirkungen hat. Vielleicht stellt sich aber auch in 30 Jahren raus, dass Sojamilch langfristig krebserregend ist, Quinoa in Kombination mit Hirse dafür sorgt, dass der Nachwuchs zu Kleinwüchsigkeit neigt und jedem der mehr als 30 Jahre lang Smartphones nutzt mit 70 die Ohren abfallen.
Der Punkt, dass aktuell nicht jeder Zugang zu Impfungen hat kann mE auch nicht verfangen, sofern die Einschränkungen an Ungeimpften keine elementaren Aspekte des Lebens, sondern "nur" Luxus betreffen. Kritisch ist dabei z.B. die Frage, wie mit "ungleichen" Berufsveboten umzugehen ist, wobei wir durch Impfung der Risikogruppen große Testkapazitäten freischaufeln würden und z.B. die Kellner im Rentner-Restaurant dann eben täglich getestet werden.
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Re: Privilegien für Geimpfte
Dieser Bedingungseintritt ist freilich ausgeschlossen. Selbst wenn eine erfolgreiche Impfung dazu führt, dass man selbst nicht mehr erkranken und auch keine Dritte mehr anstecken kann, ist immer noch die Impfwirksamkeit, die ja irgendwo zwischen ca. 70 und 95 % pendelt, zu beachten. Bestenfalls kann damit nur zu 95 % feststehen, dass von einem Geimpften keine Gefahr mehr ausgeht. Sicher (iSv 100 %) wird das nie sein.Herr Schraeg hat geschrieben: ↑Freitag 5. Februar 2021, 09:37 Ich sehe es wie OJ 1988: wenn sicher feststeht, dass von Geimpften keine Gefahr mehr ausgeht, fehlt es an einer Rechtfertigung für den Eingriff in die Grundrechte der Geimpften.
Ergo: Grundrechtsdogmatisch wird selbst bei flächendeckender Impfung noch ein legitimer Zweck infolge Einschätzungsprärogative für Verbote bestehen. Es kommt also auch unter Zugrundelegung dieses Impfszenarios auf eine Abwägung an.
Bei der bisherigen Abwägungsdurchführung des Gesetzgebers und der Exekutive würde ich hier keinen großen Verdacht hegen, dass da eine schnelle Abkehr von der bisherigen Vorgehensweise erfolgt (die natürlich gerichtlich angegriffen werden kann, für uns aber zunächst einmal maßgeblich sein wird). Im ersten Lockdown und auch jetzt wurden und werden ja auch andere Verhaltensweisen verboten, bei denen eine Ansteckungsgefahr praktisch zu fast 100 % ausgeschlossen ist (verschiedene Beispiele hatte ich im allgemeinen Corona-Thread schon im Frühjahr/Sommer mal gepostet).
"In a real sense, we are what we quote." - Geoffrey O'Brien
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Re: Privilegien für Geimpfte
Erst Lockdown, um die Risikogruppen zu schützen, dann Impfung der Risikogruppe unter Ausschluss aller anderen, dann Teillockdown für den Rest, der nicht geimpft wurde und keine Risikogruppe ist. Also ich wäre dann sehr angepisst.
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Re: Privilegien für Geimpfte
Ein legitimer Zweck (Gesundheitsschutz) liegt so oder so vor. Fraglich ist die Geeignetheit von Maßnahmen, die "Ungefährlichen" etwas verbietet. Hier hat der Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative.Brainiac hat geschrieben: ↑Freitag 5. Februar 2021, 14:02Dieser Bedingungseintritt ist freilich ausgeschlossen. Selbst wenn eine erfolgreiche Impfung dazu führt, dass man selbst nicht mehr erkranken und auch keine Dritte mehr anstecken kann, ist immer noch die Impfwirksamkeit, die ja irgendwo zwischen ca. 70 und 95 % pendelt, zu beachten. Bestenfalls kann damit nur zu 95 % feststehen, dass von einem Geimpften keine Gefahr mehr ausgeht. Sicher (iSv 100 %) wird das nie sein.Herr Schraeg hat geschrieben: ↑Freitag 5. Februar 2021, 09:37 Ich sehe es wie OJ 1988: wenn sicher feststeht, dass von Geimpften keine Gefahr mehr ausgeht, fehlt es an einer Rechtfertigung für den Eingriff in die Grundrechte der Geimpften.
Ergo: Grundrechtsdogmatisch wird selbst bei flächendeckender Impfung noch ein legitimer Zweck infolge Einschätzungsprärogative für Verbote bestehen. Es kommt also auch unter Zugrundelegung dieses Impfszenarios auf eine Abwägung an.
Bei der bisherigen Abwägungsdurchführung des Gesetzgebers und der Exekutive würde ich hier keinen großen Verdacht hegen, dass da eine schnelle Abkehr von der bisherigen Vorgehensweise erfolgt (die natürlich gerichtlich angegriffen werden kann, für uns aber zunächst einmal maßgeblich sein wird). Im ersten Lockdown und auch jetzt wurden und werden ja auch andere Verhaltensweisen verboten, bei denen eine Ansteckungsgefahr praktisch zu fast 100 % ausgeschlossen ist (verschiedene Beispiele hatte ich im allgemeinen Corona-Thread schon im Frühjahr/Sommer mal gepostet).
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Re: Privilegien für Geimpfte
Zudem ist Datenschutz ein Thema - auch wenn Private danach fragen, wer geimpft ist, weil damit ein personenbezogenes Datum erhoben werden könnte.
S. hier:
S. hier:
Quelle: https://verfassungsblog.de/bald-wird-geimpft/Eine Norm, die die Abfrage des Impfstatus ausdrücklich erlaubt, gibt es für den Fall solcher „Alltagsgeschäfte“ nicht. Einem solchen Vorgehen könnte deswegen die DSGVO entgegenstehen, denn der Impfstatus einer Person stellt ein personenbezogenes Datum nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO dar, das mit einer Abfrage verarbeitet wird. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Betroffenen lediglich nach ihrem Impfstatus gefragt werden oder ihn auch mittels Vorlage eines Impfpasses belegen müssen. Der Schutzbereich des Datenschutzrechts ist lediglich dort nicht eröffnet, wo der Wirt der Eckkneipe den Impfstatus einer Person ohne die Nutzung automatisierter Verfahren – etwa bei Stammgästen – erfahren und sich gemerkt hat.
„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
- thh
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Re: Privilegien für Geimpfte
Damit "könnte" nicht nur ein personenbezogenes Datum erhoben werden, es wird ganz offenkundig erhoben. Relevant ist das allerdings nur, wenn die Datenverarbeitung automatisiert erfolgt oder die Daten in einer nicht-automatischen Datei (vulgo "Kartei") gespeichert werden. Die bloße Abfrage - auch die Kontrolle eines Ausweises - unterliegt nicht der DGSVO.
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Re: Privilegien für Geimpfte
Artikel 4 Begriffsbestimmungenthh hat geschrieben: ↑Freitag 5. Februar 2021, 16:13 Relevant ist das allerdings nur, wenn die Datenverarbeitung automatisiert erfolgt oder die Daten in einer nicht-automatischen Datei (vulgo "Kartei") gespeichert werden. Die bloße Abfrage - auch die Kontrolle eines Ausweises - unterliegt nicht der DGSVO.
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
2.„Verarbeitung” jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung
Dazu der Kommentar:
Wer also einen Impfnachweis fordert, "erhebt" damit das betreffende Datum.Erheben (collection) ist das Beschaffen von Daten über den Betroffenen (vgl. § 3 Abs. 3 BDSG aF). Solange die Beschaffung gezielt erfolgt (zufällige Kenntnisnahme wird bei einer Verwendung zB im Wege der Niederschrift zum Erfassen oder zur Speicherung), spielt die Art und Weise keine Rolle. Der Verarbeiter kann Daten elektronisch abrufen, Unterlagen anfordern oder Personen befragen.
(Paal/Pauly/Ernst, 3. Aufl. 2021 Rn. 23, DS-GVO Art. 4 Rn. 23)
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Egon Bahr 2013