Hallo!
Ich bin an folgendem Rep-Fall dran (Auszug); vielleicht hat ja einer von euch eine zündende Idee.
Apfelbauer A produziert Apfelsaft in der Stadt F und beliefert damit überregional Einzelhändler in großem Stil, die jeweils exlusiv den Saft von A anbieten. Bei einer Stichprobe bei einem dieser Händler (Händlerin H) in der Stadt U finden sich Spuren von Spritzmitteln in gesundheitlich besorgniserregendem Maße. Die entsprechende Behörde schlägt Alarm, kann aber in F niemanden erreichen (es ist Freitag). Daher ruft sie zunächst bei H an und verbietet den Verkauf. Danach folgt ein Anruf bei A und verbietet diesem für fünf Monate, Saft zu verkaufen. Was danach passiere, sei dann Sache der Behörde in F.
A klagt jetzt.
Probleme sehe ich bei der örtlichen Zuständigkeit (§ 3 Abs. 4 VwVfG), Angemessenheit usw. Aber was soll denn dieser Anruf vorab? Ist das als eigener VA konzipiert, um da eine Klagehäufung einzubauen? Oder soll das ein Wink auf eine etwaige öffentliche Bekanntgabe sein? Finde ich alles undurchsichtig und bestenfalls unglücklich konstruiert.
Rep-Fall VerwR: VA und Anruf
Moderator: Verwaltung
-
- Noch selten hier
- Beiträge: 15
- Registriert: Freitag 12. Juni 2020, 10:02
-
- Fleissige(r) Schreiber(in)
- Beiträge: 263
- Registriert: Mittwoch 26. September 2018, 20:42
- Ausbildungslevel: Ass. iur.
Re: Rep-Fall VerwR: VA und Anruf
A dürfte nicht klagebefugt sein, das gegen H ausgesprochene Verkaufsverbot anzugreifen.
Ich würde ja vor allem an die Erforderlichkeit denken: Ist ein Verkaufsverbot gg. A auf der Großhandelsebene noch erforderlich, wenn die Behörde gleichzeitig Verkaufsverbote an die Einzelhändler verhängen kann (und dies jedenfalls in einem Fall auch getan hat).
Ich würde ja vor allem an die Erforderlichkeit denken: Ist ein Verkaufsverbot gg. A auf der Großhandelsebene noch erforderlich, wenn die Behörde gleichzeitig Verkaufsverbote an die Einzelhändler verhängen kann (und dies jedenfalls in einem Fall auch getan hat).
-
- Noch selten hier
- Beiträge: 15
- Registriert: Freitag 12. Juni 2020, 10:02
Re: Rep-Fall VerwR: VA und Anruf
Danke für die Antwort erstmal.Omnimodofacturus hat geschrieben: ↑Sonntag 14. März 2021, 14:59 A dürfte nicht klagebefugt sein, das gegen H ausgesprochene Verkaufsverbot anzugreifen.
Ich würde ja vor allem an die Erforderlichkeit denken: Ist ein Verkaufsverbot gg. A auf der Großhandelsebene noch erforderlich, wenn die Behörde gleichzeitig Verkaufsverbote an die Einzelhändler verhängen kann (und dies jedenfalls in einem Fall auch getan hat).
Ja, das mit der Klagebefugnis ist ja der Punkt. In Bezug auf A ist die Maßnahme ggü. dem Einzelhändler ja schnurz und er begehrt auch nur die Klage wegen der Maßnahme, die an ihn adressiert sind. Was soll das überhaupt kommunizieren (außer klarzumachen, dass die Behörde eben parallel mehrere VAs erlassen hat)?
Was die Erforderlichkeit betrifft: Das ist keine Allgemeinverf. gegen mehrere Großhändler, sondern nur gegen einen. Deshalb ist das schon das mildere Mittel gegenüber einer AllgVerf, meine ich.
- thh
- Super Mega Power User
- Beiträge: 5292
- Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
- Ausbildungslevel: Interessierter Laie
Re: Rep-Fall VerwR: VA und Anruf
Aber genau das ist doch lebensnah - man kann sich lebhaft vorstellen, dass die für U zuständige Behörde in F anruft und erst einmal (im Vorgriff auf Maßnahmen der örtlich zuständige Behörde) ein Verkaufsverbot anordnet, um sofort weitere Gefahren für die Bevölkerung zu verhindern, und ohne sich groß Gedanken um die Rechtslage zu machen, zumal gerade in Sonderordnungsbehörden nicht primär Juristen tätig sind. Wie dieses Vorgehen dann rechtlich einzuordnen ist, ist dann gerade die Frage, die sich auch realiter stellen kann. Insofern ist das ein schön gebildeter Fall, weil eben gerade nicht lebensfremd-künstlich erfunden.BarbieMitPalandt hat geschrieben: ↑Samstag 13. März 2021, 17:22Finde ich alles undurchsichtig und bestenfalls unglücklich konstruiert.
Das Argument verstehe ich nicht. Nach dem Sachverhalt ist A der Erzeuger und (damit auch einzige) Großhändler, dem der weitere Verkauf an alle Einzelhändler untersagt wurde. Welche "mehreren" Großhändler sollten denn bei diesem Sachverhalt als Adressaten eines Verbots auch nur theoretisch in Betracht kommen?BarbieMitPalandt hat geschrieben: ↑Montag 15. März 2021, 12:36Was die Erforderlichkeit betrifft: Das ist keine Allgemeinverf. gegen mehrere Großhändler, sondern nur gegen einen. Deshalb ist das schon das mildere Mittel gegenüber einer AllgVerf, meine ich.Omnimodofacturus hat geschrieben: ↑Sonntag 14. März 2021, 14:59 Ich würde ja vor allem an die Erforderlichkeit denken: Ist ein Verkaufsverbot gg. A auf der Großhandelsebene noch erforderlich, wenn die Behörde gleichzeitig Verkaufsverbote an die Einzelhändler verhängen kann (und dies jedenfalls in einem Fall auch getan hat).
-
- Noch selten hier
- Beiträge: 15
- Registriert: Freitag 12. Juni 2020, 10:02
Re: Rep-Fall VerwR: VA und Anruf
Lebensnah sicher, "unglücklich" aber insofern, als dass nur Wesentliches im SV stehen sollte. Wenn aber hier nur "Wirklichkeitsnähe" erzeugt werden sollte, wäre das womöglich auch anders gegangen.thh hat geschrieben: ↑Montag 15. März 2021, 12:52Aber genau das ist doch lebensnah - man kann sich lebhaft vorstellen, dass die für U zuständige Behörde in F anruft und erst einmal (im Vorgriff auf Maßnahmen der örtlich zuständige Behörde) ein Verkaufsverbot anordnet, um sofort weitere Gefahren für die Bevölkerung zu verhindern, und ohne sich groß Gedanken um die Rechtslage zu machen, zumal gerade in Sonderordnungsbehörden nicht primär Juristen tätig sind. Wie dieses Vorgehen dann rechtlich einzuordnen ist, ist dann gerade die Frage, die sich auch realiter stellen kann. Insofern ist das ein schön gebildeter Fall, weil eben gerade nicht lebensfremd-künstlich erfunden.BarbieMitPalandt hat geschrieben: ↑Samstag 13. März 2021, 17:22Finde ich alles undurchsichtig und bestenfalls unglücklich konstruiert.
Ja, eben. Ich bezog mich nur zur Klarstellung dieses Umstands auf die Einschätzung des Kollegen Omnimodo, der eine Verfügung ggü. den Einzelhändlern für erforderlicher hielt.thh hat geschrieben: ↑Montag 15. März 2021, 12:52Das Argument verstehe ich nicht. Nach dem Sachverhalt ist A der Erzeuger und (damit auch einzige) Großhändler, dem der weitere Verkauf an alle Einzelhändler untersagt wurde. Welche "mehreren" Großhändler sollten denn bei diesem Sachverhalt als Adressaten eines Verbots auch nur theoretisch in Betracht kommen?BarbieMitPalandt hat geschrieben: ↑Montag 15. März 2021, 12:36Was die Erforderlichkeit betrifft: Das ist keine Allgemeinverf. gegen mehrere Großhändler, sondern nur gegen einen. Deshalb ist das schon das mildere Mittel gegenüber einer AllgVerf, meine ich.Omnimodofacturus hat geschrieben: ↑Sonntag 14. März 2021, 14:59 Ich würde ja vor allem an die Erforderlichkeit denken: Ist ein Verkaufsverbot gg. A auf der Großhandelsebene noch erforderlich, wenn die Behörde gleichzeitig Verkaufsverbote an die Einzelhändler verhängen kann (und dies jedenfalls in einem Fall auch getan hat).
-
- Mega Power User
- Beiträge: 2811
- Registriert: Montag 15. März 2010, 10:35
- Ausbildungslevel: RA
Re: Rep-Fall VerwR: VA und Anruf
Ich sehe da bislang nichts Unwesentliches und Verschleierndes im Sachverhalt. Sezieren wir doch mal - so weit das in Unkenntnis der materiellen Untersagungsnorm möglich ist - die Probleme:
1.
2.
Da A sich nur gegen das ihm gegenüber telefonisch verhängte Verkaufsverbot wendet, ist die Klagebefugnis kein Problem.
3.
Die Behörde in U ist für das Verkaufsverbot gegenüber A in F nicht örtlich zuständig (genau genommen ist es teilweise durchaus, so weit sich das Verbot auch auf den Verkauf in U bezieht). Aber da greift § 3 IV VwVfG, wie Du selbst gesehen hattest.
4.
Steht dem Verkaufsverbot gegenüber A entgegen, dass die Behörde schon gegenüber einem Einzelhändler in U ein Verkaufsverbot verhängt hatte? Hätte die Handlungsalternative der Behörde in U in einem Verkaufsverbot gegenüber allen Einzelhändlern (in U und anderswo) bestanden, stellte sich die Frage nach der Störerauswahl. Ist es zulässig, zur Sicherheit sowohl dem gefahrverursachenden Großhändler als auch den Einzelhändlern den Verkauf zu untersagen? Aber tatsächlich konnte die Behörde den anderen Einzelhändlern ausserhalb von U den Verkauf nicht untersagen, weil sie schlicht nicht wusste, wer diese Einzelhändler sind (oder aber zumindest das Risiko bestand, am Freitag nicht alle zu erreichen). Also war das Verbot gegenüber A das effektivste Mittel zur Gefahrenabwehr.
5.
Bleibt noch die Befristung des Verbots. Sie erscheint mir ad hoc unverhältnismäßig und rechtswidrig, weil A die Gefahr ja auch in zwei Wochen beseitigen kann.
Edit nach nochmaligem Nachdenken: Die Prüfung der Frist im Rahmen der Verhältnismässigkeit ist zwar abstrakt richtig. Im konkreten Fall wird das aber besser beim Tatbestandsmerkmal "Unaufschiebbarkeit der Massnahme" behandelt.
1.
Warum "vorab"? Nach Deinem Sachverhalt beschränkt sich das Handeln der Behörde gegenüber A auf den Anruf. Also geht es um die Frage, ob der Anruf ein anfechtbarer Verwaltungsakt ist, so dass § 37 VwVfG zu prüfen ist. Hierbei oder bei der späteren Prüfung der Handlungsalternativen den Begriff "Allgemeinverfügung" anzusprechen wäre ein grober Fehler, denn für eine Allgemeinverfügung liegen nicht die geringsten Anhaltspunkte vor. Auch Omnimodo sprach nicht davon, sondern meinte mehrere Verkaufsverbote gegenüber den (namentlich bekannten) Einzelhändlern. Das ist etwas anderes als eine Allgemeinverfügung.BarbieMitPalandt hat geschrieben: ↑Samstag 13. März 2021, 17:22 Aber was soll denn dieser Anruf vorab?
2.
Da A sich nur gegen das ihm gegenüber telefonisch verhängte Verkaufsverbot wendet, ist die Klagebefugnis kein Problem.
3.
Die Behörde in U ist für das Verkaufsverbot gegenüber A in F nicht örtlich zuständig (genau genommen ist es teilweise durchaus, so weit sich das Verbot auch auf den Verkauf in U bezieht). Aber da greift § 3 IV VwVfG, wie Du selbst gesehen hattest.
4.
Steht dem Verkaufsverbot gegenüber A entgegen, dass die Behörde schon gegenüber einem Einzelhändler in U ein Verkaufsverbot verhängt hatte? Hätte die Handlungsalternative der Behörde in U in einem Verkaufsverbot gegenüber allen Einzelhändlern (in U und anderswo) bestanden, stellte sich die Frage nach der Störerauswahl. Ist es zulässig, zur Sicherheit sowohl dem gefahrverursachenden Großhändler als auch den Einzelhändlern den Verkauf zu untersagen? Aber tatsächlich konnte die Behörde den anderen Einzelhändlern ausserhalb von U den Verkauf nicht untersagen, weil sie schlicht nicht wusste, wer diese Einzelhändler sind (oder aber zumindest das Risiko bestand, am Freitag nicht alle zu erreichen). Also war das Verbot gegenüber A das effektivste Mittel zur Gefahrenabwehr.
5.
Bleibt noch die Befristung des Verbots. Sie erscheint mir ad hoc unverhältnismäßig und rechtswidrig, weil A die Gefahr ja auch in zwei Wochen beseitigen kann.
Edit nach nochmaligem Nachdenken: Die Prüfung der Frist im Rahmen der Verhältnismässigkeit ist zwar abstrakt richtig. Im konkreten Fall wird das aber besser beim Tatbestandsmerkmal "Unaufschiebbarkeit der Massnahme" behandelt.