Nichtverfassungsrechtlicher Art

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

Moderator: Verwaltung

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Enoch
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Nichtverfassungsrechtlicher Art

Beitrag von Enoch »

Hallo Welt!

Bei einem belastenden Verwaltungsakt ist immer das Grundrecht aus Art. 2 I GG (allg. Handlungsfreiheit) betroffen. Wie kann dann trotzdem gem. § 40 I VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein, wenn bei einer Verletzung von Grundrechten gemäß Art. 93 I Nr.4a GG das Bundesverfassungsgericht zuständig wäre? Liegt das daran, dass der Rechtsweg zunächst immer erschöpft sein muss, bevor das BVerfG zuständig ist? Wenn ja, wie begründet man dann die Zuständigkeit im Sinne des § 40 I VwGO, wenn es sich doch um eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art handelt? Denn gemäß § 40 I VwGO muss eine Streitigkeit NICHTVERFASSUNGSRECHTLICHER Art vorliegen.

Danke im Voraus!
surcam
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Re: NICHTVERFASSUNGSRECHTLICHER Art

Beitrag von surcam »

Wie lautet die übliche Definition für "Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art"? Durch welche Formel wird dies üblicherweise abgegrenzt?
Enoch
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Re: Nichtverfassungsrechtlicher Art

Beitrag von Enoch »

Es gilt das Merkmal der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit. Danach ist eine Streitigkeit „verfassungsrechtlicher Art“, wenn beide Parteien unmittelbar am Verfassungsleben beteiligt sind und sich die Streitigkeit zugleich auf Rechte oder Pflichten bezieht, die sich unmittelbar aus der Verfassung ergeben.
Eine natürliche Person kann eine Verfassungsbeschwerde gem. Art. 93 I Nr.4a GG erheben, damit ist sie am Verfassungsleben beteiligt. In Hamburg klagt man gegen das Land, dies ist auch am Verfassungsleben beteiligt. Die obige Definition zu keiner Abgrenzung, wenn der Kläger sowohl die Rechtswidrigkeit des VA( Anfechtungsklage) als auch (hilfsweise) die Verletzung von Grundrechte rügt.
Wie kann man in dieser Konstellation § 40 VwGO bejahen ? Oder besser gesagt, wie kann man das Merkmal " nichtverfassungsrechtlicher Art" verneinen ??
Arva
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Re: Nichtverfassungsrechtlicher Art

Beitrag von Arva »

Die Definition war richtig, die Subsumtion falsch: Der Kern des Streitstoffs muss verfassungsrechtlicher Natur sein. Vor diesem Hintergrund ist aber ein Streit zwischen Bürger und Verwaltung (unabhängig davon, ob der Sonderfall eines Stadtstaates besteht) immer nichtverfassungsrechtlicher Art. Es kommt auf die Unmittelbarkeit an: Der Bürger ist kein unmittelbares Verfassungsorgan, weil nicht unmittelbar am Verfassungsleben beteiligt. Der Bürger wehrt sich in erster Linie in Deinem Beispiel gegen einen Verwaltungsakt und rügt primär dessen Rechtswidrigkeit, die sich im Ergebnis auch nur mittelbar aus Verfassungsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) ergibt. (vgl. Martini, S. 19; Hufen § 11, Rn. 49 ff.; aus der Rspr. BVerwGE 51, 71; 80, 358. Wie üblich abweichend und klüger Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 2015 (sorry, neuer habe ich gerade nicht zur Hand), § 40 Rn. 31 ff.).
Enoch
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Re: Nichtverfassungsrechtlicher Art

Beitrag von Enoch »

Arva hat geschrieben: Montag 9. August 2021, 14:00 Die Definition war richtig, die Subsumtion falsch: Der Kern des Streitstoffs muss verfassungsrechtlicher Natur sein. Vor diesem Hintergrund ist aber ein Streit zwischen Bürger und Verwaltung (unabhängig davon, ob der Sonderfall eines Stadtstaates besteht) immer nichtverfassungsrechtlicher Art. Es kommt auf die Unmittelbarkeit an: Der Bürger ist kein unmittelbares Verfassungsorgan, weil nicht unmittelbar am Verfassungsleben beteiligt. Der Bürger wehrt sich in erster Linie in Deinem Beispiel gegen einen Verwaltungsakt und rügt primär dessen Rechtswidrigkeit, die sich im Ergebnis auch nur mittelbar aus Verfassungsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) ergibt. (vgl. Martini, S. 19; Hufen § 11, Rn. 49 ff.; aus der Rspr. BVerwGE 51, 71; 80, 358. Wie üblich abweichend und klüger Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 2015 (sorry, neuer habe ich gerade nicht zur Hand), § 40 Rn. 31 ff.).
Danke!
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