Gesetzesänderung nötig oder nicht?

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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Thomas54
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Gesetzesänderung nötig oder nicht?

Beitrag von Thomas54 »

Hallo liebe Mitglieder,

ich hänge im Rahmen eines Projekts gerade an einer Frage, die folgende Gesetzespassage (§ 27 IV StandAG) betrifft:

"(4) Solange die maximalen physikalisch möglichen Temperaturen in den jeweiligen Wirtsgesteinen aufgrund ausstehender Forschungsarbeiten noch nicht festgelegt worden sind, wird aus Vorsorgegründen von einer Grenztemperatur von 100 Grad Celsius an der Außenfläche der Behälter ausgegangen."

Meine Problem damit geht dahin, dass ich mir unsicher bin, ob hier eine Gesetzesänderung nötig ist, wenn man diese Grenztemperatur von 100 Grad aufheben will? Oder ist es so zu verstehen, dass dann auf die Forschungsarbeiten verwiesen wird und diese dann maßgeblich sind? Das würde aber doch in Konflikt mit dem Demokratiegrundsatz treten, da diese Regelung ja dann durch einen Gutachter bestimmt wurde und nicht durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber festgesetzt wurde.

Meine These wäre also, dass eine Gesetzesänderung nötig ist, wenn man die Grenztemperatur von 100 Grad Celsius aufheben will. Seht ihr das gleich oder sprechen eurer Meinung nach Argumente gegen diese These?

Vielen Dank!

Thomas
Brainiac
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Re: Gesetzesänderung nötig oder nicht?

Beitrag von Brainiac »

Wie räudig ist die Norm denn formuliert? Schönes Beispiel für den Niedergang der Regelungstechnik: fremdsprachliche Wendungen mitsamt einer - zumindest dem Wortlaut nach - gesetzesauflösenden Bedingung? :eeeek:

Vorab: Ich habe keine Ahnung (jedenfalls nicht auf diesem Gebiet), kann daher nur aus der Hüfte schießen, möchte das aus Langeweile aber gerne tun:

Ohne Blick in die Gesetzgebungsmaterialien würde ich sagen: Mit "maximalen physikalisch möglichen Temperaturen" wird wohl auf einen naturgesetzlichen Wärmehöchstwert in Wirtsgestein verwiesen. Aus Sicht des Gesetzgebers scheint dieser bisher noch nicht (hinreichend) wissenschaftlich festgestellt worden zu sein; wenn ein hinreichend gesicherter Wert vorliegt, tritt dieser jedoch an die Stelle der 100 Grad Celsius. Da mE auf reine Naturgesetzlichkeit verwiesen wird, sehe ich weniger ein Problem mit Blick auf die demokratische Legitimation als vielmehr hinsichtlich der Bestimmtheit der Norm: Wann ist der hinreichende wissenschaftliche Nachweis der in Bezug genommenen Naturgesetzlichkeit erbracht?

Wenn es irgendwann eine h.M. in der Wissenschaft zur o.g. Höchsttemperatur gibt: ME spricht intuitiv nichts dagegen, diese in der Verordnung nach Abs. 6 festzustellen (und ggf. Abs. 4 lediglich deklaratorisch zu streichen).
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Tibor
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Re: Gesetzesänderung nötig oder nicht?

Beitrag von Tibor »

Systematik?

Die vorläufigen Untersuchungen der potentiellen Endlagerorte führen nach dem Verfahren (§§ 13-20) zu einer finalen Entscheidung in Gesetzeskraft. Damit wird mE deutlich, dass natürlich die vorläufige Annahme ohnehin nur bis zur Entscheidung selbst relevant wird („Über die Annahme des Standortvorschlags wird durch Bundesgesetz entschieden.“). Damit besteht auch kein Problem, wir haben nur eine schlechte Formulierung.
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