Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Omnimodofacturus
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Omnimodofacturus »

OrangensaftEddy hat geschrieben: Sonntag 21. Februar 2021, 22:37 2000 Personen wurden identifiziert und gegen sieben wird ermittelt. Mehr sagt der Artikel auch nicht.
Es fehlen Details um darüber zu diskutieren, ob es bei denen "gerechtfertigter" ist als bei den SS-Leuten.
Wer weiss, was diese sieben "unbeheligt gebliebenen alten Jahrgänge" da angestellt haben. Vielleicht habe ich etwas falsch verstanden, dann bitte um Aufklärung.

Abgesehen davon, finde ich es bei dem ganzen Thema schwer eine Grenze zu ziehen. Berücksichtig man die eigentliche Rolle des damaligen Volkes (Hingeschaut und weggesehen. Hitler und sein Volk) fällt es eigentlich schwer, jemanden zu finden der nicht zur Verantwortung gezogen werden sollte oder zumindest gezogen werden könnte - Stichwort Tätergeneration.

Natürlich wird keiner als Straftäter geboren, böse Gene gibt es nicht, das wissen wir. Insofern sind die damaligen Umstände entscheidend gewesen.

Die damalige juristische Gesetzmäßigkeit und Gerechtigkeit kann man dabei getrost vergessen. Die heutige ist da auch kaum in der Lage das zu handeln, wie man sieht. Aus heutiger Sicht aber war der Großteil, meiner Meinung nach, schuldig. Nicht nur im rechtlichen Sinne, sondern auch im religiösen und im moralischen Sinne.
Wir sind natürlich auch im Jahre 2020 alle Mitschuld an dem Großteil was um uns herum passiert, zumindest in dem Sinne, dass wir von vielen Krisen und Leid profitieren. Da kann sich kaum einer freireden. Insofen unterscheidet uns nur die Schwere unserer Taten.
Darum, sollte es ein jüngstes Gericht geben, landet der Großteil sowieso in der Hölle.
Ich selbstverständlich auch.

Das Problem an solchen Überlegungen ist ja immer: Wenn alle an allem Schuld sind, dann ist es letztlich keiner.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Windscheid »

OrangensaftEddy hat geschrieben: Sonntag 21. Februar 2021, 22:37 2000 Personen wurden identifiziert und gegen sieben wird ermittelt. Mehr sagt der Artikel auch nicht.
Es fehlen Details um darüber zu diskutieren, ob es bei denen "gerechtfertigter" ist als bei den SS-Leuten.
Wer weiss, was diese sieben "unbeheligt gebliebenen alten Jahrgänge" da angestellt haben. Vielleicht habe ich etwas falsch verstanden, dann bitte um Aufklärung.
Der Link ist leider nur ein Stumpf, in der WamS gab es einen längeren Artikel dazu.
Sektnase hat geschrieben: Montag 22. Februar 2021, 09:28
Bist wohl noch nicht ganz wach. Sippenhaft gibt es nicht, Schuld im rechtlichen Sinne knüpft an ein vorwerfbares (tatbestandlich zum Zeitpunkt der Begehung gesetzlich) festgelegtes Unrecht an. Dass "die gesamte Generation" der Wehrmachtssoldaten gemordet hätte, ist mir auch nicht bekannt. Der überragende Großteil der Soldaten wird die ein KZ aus der Nähe gesehen haben. Von der damaligen Rechtslage mal ganz abgesehen.
OrangensaftEddy hat geschrieben: Montag 22. Februar 2021, 14:29 Kann man sehen wie man will.
Die Erzählung von der sauberen Wehrmacht ist schon seit Jahrzehnten widerlegt, aber wie Sektnase schon richtig sagt, ist die heute auf dem Vormarsch befindliche Sicht auf die Wehrmacht als Kollektiv "blutrünstiger deutschen Landser" ebenso wenig wahr. Die meisten waren schlicht Wehrpflichtige, die irgendwie nur diesen Krieg überleben wollten. Und wenn man die Gelegenheit hatte, als Wach- oder Besatzungssoldat irgendwo eingesetzt zu werden, war man wohl vor allem dankbar, nicht an der Ostfront verheizt zu werden. Dass es den Leuten, die nach Osten deportiert wurden, dort nicht gut erging, wusste auch jeder, aber das ganze Ausmaß der Geschehnisse wurde auch erst vielen nach dem Krieg bekannt.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von batman »

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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Ara »

batman hat geschrieben: Freitag 26. März 2021, 17:45 Bitter: https://www.lto.de/recht/justiz/j/bgh-1 ... richterin/
Machen wir uns nichts vor, das war ganz sicher nicht der wahre Grund, warum das Urteil aufgehoben wurde... Wie weit soll die Unterschrift vom Vermerk entfernt gewesen sein, dass man nicht mehr hätte konstruieren können, dass die Unterschrift für beide gilt?
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von thh »


Ara hat geschrieben:
batman hat geschrieben: Freitag 26. März 2021, 17:45 Bitter: https://www.lto.de/recht/justiz/j/bgh-1 ... richterin/
Machen wir uns nichts vor, das war ganz sicher nicht der wahre Grund, warum das Urteil aufgehoben wurde... Wie weit soll die Unterschrift vom Vermerk entfernt gewesen sein, dass man nicht mehr hätte konstruieren können, dass die Unterschrift für beide gilt?
Wenn es für zwei Richter nur eine Unterschrift gibt, fehlt eine Unterschrift, oder? Das ist Mathematik ...
Deutsches Bundesrecht? https://www.buzer.de/ - tagesaktuell, samt Änderungsgesetzen und Synopsen
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Ara »

thh hat geschrieben: Samstag 27. März 2021, 09:20
Ara hat geschrieben:
batman hat geschrieben: Freitag 26. März 2021, 17:45 Bitter: https://www.lto.de/recht/justiz/j/bgh-1 ... richterin/
Machen wir uns nichts vor, das war ganz sicher nicht der wahre Grund, warum das Urteil aufgehoben wurde... Wie weit soll die Unterschrift vom Vermerk entfernt gewesen sein, dass man nicht mehr hätte konstruieren können, dass die Unterschrift für beide gilt?
Wenn es für zwei Richter nur eine Unterschrift gibt, fehlt eine Unterschrift, oder? Das ist Mathematik ...
Für den BGH nicht:
Mit der Verfahrensrüge, das Urteil sei nicht ordnungsgemäß unterschrieben, beanstandet der Bf. zwar zu Recht, daß der Vorsitzende das Urteil nur einmal unterschrieben hat, während an sich der Vermerk über die Verhinderung des einen beisitzenden Richters und das Urteil durch den Vorsitzenden hätten unterschrieben werden müssen (vgl. KK-Engelhardt, 2. Aufl., § 275 Rn 35; Meyer-Goßner, NStZ 1988, 529, 537). Daraus, daß sich der Verhinderungsvermerk unmittelbar über der Unterschrift des Vorsitzenden Richters befindet, ist hier aber zweifelsfrei zu entnehmen, daß sich die Unterschrift des Vorsitzenden auch auf den Verhinderungsvermerk bezog.
Beschl. v. 14. 9. 1989 - 4 StR 386/89
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Liz »

thh hat geschrieben:
Ara hat geschrieben:
batman hat geschrieben: Freitag 26. März 2021, 17:45 Bitter: https://www.lto.de/recht/justiz/j/bgh-1 ... richterin/
Machen wir uns nichts vor, das war ganz sicher nicht der wahre Grund, warum das Urteil aufgehoben wurde... Wie weit soll die Unterschrift vom Vermerk entfernt gewesen sein, dass man nicht mehr hätte konstruieren können, dass die Unterschrift für beide gilt?
Wenn es für zwei Richter nur eine Unterschrift gibt, fehlt eine Unterschrift, oder? Das ist Mathematik ...
Aber sind denn wirklich 2 Unterschriften erforderlich? Wenn ich den Gesetzestext lese steht da nur etwas von Verhinderungsvermerk, nichts davon, dass dieser Vermerk gesondert unterschieben werden muss, so dass es dann entscheidend darauf ankommt, ob die Unterschrift des verbleibenden Richters links oder rechts von dem Verhinderungsvermerk steht oder irgendwie zentral mittig unter das Urteil und den Vermerk gesetzt ist.
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Tibor
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Tibor »

Dann problematisch, wenn der/die Vorsitzende als BE zuerst unterschreibt, dann der Beisitzer 1 und dann ergibt sich die Abwesenheit von Beisitzer 2 und es erfolgt nur ein Vermerk ggf sogar am Folgetag.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Urs Blank »

Heute, 1. Juni 2021: Die Europäische Staatsanwaltschaft nimmt ihren Betrieb auf.
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Urs Blank
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Urs Blank »

Das Aus für das Verbandssanktionengesetz aka Unternehmensstrafrecht - zumindest in dieser Legislaturperiode:

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ ... 81080.html

Ärgerlich, wenn du schon einen Kommentar dazu verfasst hast:

https://www.beck-shop.de/eggers-schmitt ... t/31957874
https://www.beck-shop.de/busch-ll-m-hug ... gJv4vD_BwE
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Urs Blank
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Urs Blank »

Das OLG Frankfurt meint, die cum-ex-Geschäfte seien nicht nur als Steuerhinterziehung, sondern auch als gewerbsmäßiger Bandenbetrug anzusehen - entgegen der langjährigen Rechtsprechung des BGH zum Verhältnis der Tatbestände; danach schließt Steuerhinterziehung Betrug aus. Mutmaßlich geht es dem OLG darum, auf diese Weise die Auslieferung des in der Schweiz befindlichen Angeklagten zu befördern.

Dafür gibt es jetzt Ärger in der NJW (2021, 1916, RiBGH Mosbacher):
Angesichts einer fast 100 Jahre alten gefestigten und in der Literatur unbestrittenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die auch der Gesetzgeber seinem Regelungsregime zugrunde legt, erwartet man von einem OLG-Senat mindestens eine argumentative Auseinandersetzung mit der bisher abweichenden Rechtspraxis und eine eingehende Begründung des eigenen Standpunkts. Dazu findet sich indes in der ganzen Entscheidung kein einziges Wort! Dass dies weder inhaltlich noch in der Form überzeugt, liegt auf der Hand. (...) Eine solche Entscheidung hätte man eher einem vor Wut schäumenden Amtsrichter als einem honorigen OLG-Senat zugetraut. Auch wenn das OLG im Haftbeschwerdeverfahren formal keine Divergenzvorlagepflicht nach § 121 II GVG trifft, entbindet dies nach unserer Rechtskultur, auf die wir zu Recht stolz sind, nicht davon, eine von allen anderen bisher vertretenen Meinungen und der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Auffassung zu begründen. Nur damit entgeht man auch dem Vorwurf der Willkür, wenn man eine Rechtsauslegung wählt, die – nach bislang unbestrittener Meinung aller anderen – der gesetzlichen Systematik offensichtlich widerspricht.
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Tibor
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Tibor »

Liest sich nachvollziehbar. Rüttelurteile sind ja ok, aber gut begründen sollte man das dann.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Urs Blank »

Tibor hat geschrieben: Freitag 2. Juli 2021, 21:23 Liest sich nachvollziehbar. Rüttelurteile sind ja ok, aber gut begründen sollte man das dann.
Rüttelurteil, okay, den Ausdruck kannte ich bislang nicht. Inspiriert mich dazu, "meiner" Kammer gleich am Montag mal ein solches anzusinnen. Ich denke, die Kollegen werden begeistert sein.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von batman »

Solange Du nur an der 100 Jahre alten Rechtsprechung Deiner Kammer rütteln willst...
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Sektnase »

Urs Blank hat geschrieben: Freitag 2. Juli 2021, 21:19
Angesichts einer fast 100 Jahre alten gefestigten und in der Literatur unbestrittenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die auch der Gesetzgeber seinem Regelungsregime zugrunde legt, erwartet man von einem OLG-Senat mindestens eine argumentative Auseinandersetzung mit der bisher abweichenden Rechtspraxis und eine eingehende Begründung des eigenen Standpunkts. Dazu findet sich indes in der ganzen Entscheidung kein einziges Wort! Dass dies weder inhaltlich noch in der Form überzeugt, liegt auf der Hand. (...) Eine solche Entscheidung hätte man eher einem vor Wut schäumenden Amtsrichter als einem honorigen OLG-Senat zugetraut. Auch wenn das OLG im Haftbeschwerdeverfahren formal keine Divergenzvorlagepflicht nach § 121 II GVG trifft, entbindet dies nach unserer Rechtskultur, auf die wir zu Recht stolz sind, nicht davon, eine von allen anderen bisher vertretenen Meinungen und der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Auffassung zu begründen. Nur damit entgeht man auch dem Vorwurf der Willkür, wenn man eine Rechtsauslegung wählt, die – nach bislang unbestrittener Meinung aller anderen – der gesetzlichen Systematik offensichtlich widerspricht.
Schön formuliert, man hat also den Anschluss ans Fußvolk nicht verloren! :D
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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