Beweisverwertungsverbote in der Revisionsklausur

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Sektnase
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Beweisverwertungsverbote in der Revisionsklausur

Beitrag von Sektnase »

Mahlzeit,

ich beschäftige mich grade mit den Beweisverwertungsverboten in der Revisionsklausur im Assessorexamen. Ich frage mich nun, wie und wo diese einzuordnen sind.

Machen wir mal folgende Beispiele:

1) Zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge wird im Ermittlungsverfahren ohne Belehrung vernommen; Tatrichter hört dazu den Polizisten an und verwendet dessen Aussage.

-> Verstoß gegen §§ 252 StPO

2) Zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge wird in der Hauptverhandlung ohne Belehrung vernommen, Tatrichter verwendet die Aussage.

-> Verstoß gegen § 52 III 1 StPO

Wie sind diese Verstöße nun geltend zu machen?

Lt. Russack muss man beide Verstöße mit einer Verfahrensrüge geltend machen. Den Verstoß gegen § 52 III 1 StPO würde man (aus welchem Grund?) als Verstoß gegen § 261 StPO rügen, bei § 252 nennt er den § 261 StPO aber nicht mehr. M/G sagt dazu, dass bzgl. sich aus den Urteilsgründen ergebender Beweisverbote die Sachrüge einschlägig sei (M/G, § 261 Rn. 38).

Steckt da eine (allgemein anerkannte) Logik dahinter oder ist das einfach umstritten und wie löst man das am Besten in der Klausur?
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Urs Blank
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Re: Beweisverwertungsverbote in der Revisionsklausur

Beitrag von Urs Blank »

Zu empfehlen ist ein Blick in BGH, Urteil vom 8. August 2018 – 2 StR 131/18, das die Problematik verständlich aufarbeitet.
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Sektnase
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Re: Beweisverwertungsverbote in der Revisionsklausur

Beitrag von Sektnase »

Urs Blank hat geschrieben: Freitag 23. Juli 2021, 15:05 Zu empfehlen ist ein Blick in BGH, Urteil vom 8. August 2018 – 2 StR 131/18, das die Problematik verständlich aufarbeitet.
Danke, das hatte ich schonmal überflogen, aber habe es mir jetzt nochmal genauer angeschaut. Letztlich ist die Frage, ob BVV aufgrund einer Sachrüge geprüft werden können, also umstritten. Der 5. Senat steht mit seinem Urteil aber, soweit ich das überblicke, ziemlich allein, weshalb ich dem in der Klausur nicht folgen würde - zumindest, wenn auch eine Verfahrensrüge möglich ist, bzw. es sich um ein vorbereitendes Gutachten handelt.

Edit: mein Beitrag oben ist etwas wirr und teilweise falsch, ich versuchs nochmal, wenn ich meine Gedanken geordnet hab ;)
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Re: Beweisverwertungsverbote in der Revisionsklausur

Beitrag von Seeker »

Kurzfassung (ist schon eine Weile her, dass ich mich damit befasst habe):

1. Nach der hM (der würde ich in der Klausur ohne Begründung einfach folgen) sind Beweisverwertungsverbote stets mit der Verfahrensrüge geltend zu machen, da sie den Weg zum Urteil (=das Verfahren) betreffen. Selbst wenn in den Gründen des Urteils ausnahmsweise Informationen zu Verfahrensfehlern enthalten sind, steht nicht fest, dass diese vollständig sind. Deshalb ist die Sachrüge ungeeignet (str., hM).

2. Bezüglich § 261 StPO: das hängt damit zusammen, dass man in der Revision letztlich nur Fehler des Gerichts rügen kann. Nur auf diesen "beruht" das Urteil. Fehler im Ermittlungsverfahren (etwa, wenn der Zeuge oder Angeklagte damals [!] nicht belehrt wurde) können zwar ein Beweisverwertungsverbot (BVV) begründen. Ein revisibler Fehler des Gerichts wird daraus aber erst, wenn trotz des BVV das Beweismittel im Urteil berücksichtigt wird -- darin liegt dann ein Verstoß des Gerichts (!) gegen § 261 StPO. Denn § 261 StPO besagt u.a., dass das Gericht keine Beweismittel verwenden darf, wenn ein BVV besteht.

Wenn dagegen § 252 StPO oder § 52 in der Hauptverhandlung (!) verletzt werden, bedarf es des Rückgriffs auf § 261 StPO nicht (man könnte höchstens streng technisch überlegen, ob sowohl ein Verstoß gegen § 252 als auch ein Verstoß gegen § 261 StPO vorliegt - das würde ich mir aber sparen und, um Komplikationen und Verwirrungen vermeiden, § 261 StPO nur dann zitieren, wenn du ihn zwingend brauchst, d.h. bei Fehlern im Ermittlungsverfahren).
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Re: Beweisverwertungsverbote in der Revisionsklausur

Beitrag von Sektnase »

So hatte ich das jetzt auch verstanden, danke.

Ich glaube, mein Problem besteht v.a. mit Russacks Beispiel zu § 52 StPO. In welchem Fall ergäbe sich denn überhaupt ein Beweisverwertungsverbot aus § 52 StPO wegen Fehlern im Ermittlungsverfahren, der NICHT unter § 252 fällt?

- Zeuge wird im Ermittlungsverfahren nicht belehrt, aber in der HV und sagt nichts mehr -> Einführung nur über Ermittlungsbeamte oÄ möglich, dann § 252 StPO (wie du schreibst wohl i.d.R. ohne § 261 StPO zitiert)

- Zeuge wird gar nie belehrt -> dann hätten wir ja auch einen Verstoß gegen die Belehrungspflicht in der HV, brauchen § 261 also nicht
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Re: Beweisverwertungsverbote in der Revisionsklausur

Beitrag von Seeker »

Sektnase hat geschrieben: Montag 26. Juli 2021, 11:20
Ich glaube, mein Problem besteht v.a. mit Russacks Beispiel zu § 52 StPO. In welchem Fall ergäbe sich denn überhaupt ein Beweisverwertungsverbot aus § 52 StPO wegen Fehlern im Ermittlungsverfahren, der NICHT unter § 252 fällt?

- Zeuge wird im Ermittlungsverfahren nicht belehrt, aber in der HV und sagt nichts mehr -> Einführung nur über Ermittlungsbeamte oÄ möglich, dann § 252 StPO (wie du schreibst wohl i.d.R. ohne § 261 StPO zitiert)

- Zeuge wird gar nie belehrt -> dann hätten wir ja auch einen Verstoß gegen die Belehrungspflicht in der HV, brauchen § 261 also nicht
Entscheidend ist, wo der maßgebliche Fehler stattfindet:

Wenn etwa im Ermittlungsverfahren gegen § 52 III verstoßen wurde (z.B. keine Belehrung) und später die Aussage über § 251 oder einen Zeugen vom Hörensagen eingeführt wird, dann liegt der maßgebliche Fehler beim Verstoß gegen § 52 III StPO (d.h. im Ermittlungsverfahren). Dann würde ich entsprechend in der Revision zitieren: "Es könnte hier gegen § 52 III 1 i.V.m. § 261 StPO verstoßen worden sein, indem die Aussage des Zeugen ... trotz der fehlenden Belehrung im Ermittlungsverfahren im Urteil berücksichtigt wurde...".

Einen Verstoß gegen § 251 StPO oder § 252 StPO würde ich dann annehmen, wenn DEREN spezifische Voraussetzungen nicht erfüllt sind. D.h. z.B., wenn der Zeuge in der HV die Aussage verweigert und trotzdem seine Aussage eingeführt wird (=Verstoß gegen § 252 StPO).

Wenn du die typische "kombinierte" Situation hast, dass zunächst der Zeuge ohne Belehrung durch einen Ermittlungsrichter vernommen wird (entgegen § 52 III 1) und später die Aussage entgegen § 252 StPO trotz Zeugnisverweigerung in der HV verweigert wird, würde ich ebenfalls nur § 252 StPO prüfen und § 52 StPO inzident ansprechen:

"Könnte hier entgegen § 252 StPO... Es wäre zwar grundsätzlich möglich, die Aussage des Ermittlungsrichters zu berücksichtigen... dem steht aber hier entgegen, dass keine Belehrung gem. § 52 III 1 StPO erfolgte..."
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