Gezielter Rechtsbruch bei § 127 Abs. 2 StPO

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

Antworten
Benutzeravatar
pHr3d
Power User
Power User
Beiträge: 710
Registriert: Mittwoch 11. Februar 2004, 18:20
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Gezielter Rechtsbruch bei § 127 Abs. 2 StPO

Beitrag von pHr3d »

Ich hätte mal eine Frage zu BGH, Urt. v. 28.6.2018 − 3 StR 23/18

Sachverhalt: Die Polizei hat für einen Raub mit Todesfolge fünf Verdächtige, allerdings waren wohl nur vier im Haus des Opfers. Nach mehrmonatigen Ermittlungen werden für alle fünf Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt. Geplant ist alle fünf festzunehmen und dann polizeilich zu vernehmen, so geschieht es dann auch. Erst am Nachmittag nach der Festnahme werden sie dem Haftrichter vorgeführt, der Haftbefehl erlässt.

§ 127 Abs. 2 StPO verlangt für eine solche Festnahme nun, dass die Voraussetzungen eines HB vorliegen. Die Polizei beruft sich aber ausdrücklich darauf, dass man vor den Durchsuchungen noch keinen HB beantragen konnte, da man ja die einzelnen Tatbeiträge nicht kannte. Der BGH löst das "elegant" mit dem Argument, dass ja möglicherweise im Rahmen der Durchsuchungen neue Erkenntnisse gewonnen wurden, die den dringenden Tatverdacht begründen konnten. Nur, solche gab es wohl nicht und wurden auch nicht erwartet. Ziel war vielmehr von Anfang an die Verdächtigen festzunehmen und dann durch die parallele Vernehmung und gegenseitige Vorhalte Geständnisse zu bekommen (Hollywood lässt grüßen).

Meine Frage: Wisst Ihr, ob dieses Vorgehen üblich ist und, falls ja, wie lässt sich das unter § 127 Abs. 2 StPO rechtfertigen? Entweder ich habe die Vss eines HB, dann muss ich ihn beantragen, oder ich habe sie nicht, dann darf ich nicht festnehmen. Etwas anderes könnte eben nur gelten, wenn wirklich bei der Durchsuchung was Spannendes gefunden wird. Das müsste man dann aber mE auch ausdrücklich benennen, um die Festnahmen zu rechtfertigen.
I'm not happy till you're not happy.
Antworten