Rechtfertigung von Rettungshandlungen bei Suizidversuch

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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ben25
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Rechtfertigung von Rettungshandlungen bei Suizidversuch

Beitrag von ben25 »

Hallo,

EIn Beispiel: Jemand unternimmt einen Suizidversuch und seine Intention ist auch eindeutig objektiv erkennbar durch einen Abschiedsbrief, entsprechende selbst beigebrachte Verletzungen etc. Er wird zufällig vor seinem Tod, aber bewusstlos aufgefunden. Der herbeigerufene Rettungsdienst unternimmt dann Rettungshandlungen, die den Tatbestand des §223 I StGB erfüllen. Wie lassen sich diese rechtfertigen? Ich bin mir sicher, dass das nicht rechtswidrig sein kann, aber irgendwie fallen alle denkbaren Rechtfertigungsgründe bei meinen Überlegungen raus.

1. Notwehr: Angriff auf das Leben des Betroffenen durch sich selbst liegt vor, über die Gegenwärtigkeit lässt sich streiten, aber auf jeden Fall liegt hier eine aufgedrängte Nothilfe (das Suizidopfer will sich ja offensichtlich das Leben nehmen und nicht gerettet werden) vor, die nach hM nicht zulässig ist.

2. Rechtfertigender Notstand: Hier verzichtet der Betroffene offensichtlich auf den Schutz des Erhaltungsguts (= sein Leben), was laut den Kommentaren in denen ich nachgeschaut habe trotz der fehlenden Disponibilität des Lebens möglich ist, es ist somit unzulässig, sich auf den Notstand zu berufen bzw. die Güterabwägung fällt negativ aus.

3. Mutmaßliche Einwilligung: Der hypothetische Wille des Betroffenen ist ja (erkennbar) nicht die Rettung, sondern sein Tod, in irgendwelche medizinischen Maßnahmen hätte er also wohl nicht eingewilligt. Somit fällt auch dieser Rechtfertigungsgrund weg.

Habe ich einen Denkfehler gemacht oder etwas übersehen? Vielleicht kann mir ja jemand helfen :) Danke im Voraus!
Theopa
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Re: Rechtfertigung von Rettungshandlungen bei Suizidversuch

Beitrag von Theopa »

Ich würde davon ausgehen, dass weiterhin die These aufgestellt wird, wonach ein Suizid kein freier Willensentschluss sein kann. Das ist natürlich in der Pauschalität blödsinnig, dürfte aber aus der maßgeblichen ex ante Sicht des Rettenden ausreichen, um sich auf die mutmaßliche Einwilligung zu berufen ("das ist doch nur ein Schrei nach Hilfe, der war sicher in einer Ausnahmesituation") und dann im Erlaubnistatbestandsirrtum zu landen.

Sofern letzteres definitiv ausscheidet (der eintreffende Notfallsanitäter ist zufällig ein guter Freund des Verletzten, kennt dessen schwere Erkrankung und weiß, dass der Suizid zweifellos wohl überlegt ist) würde ich die Strafbarkeit annehmen. Interessant würde es dann aber wohl, wenn sich der Rettende wiederum darauf beruft, dass er aus Angst vor einer Unterlassensstrafbarkeit gehandelt hat.
ben25
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Re: Rechtfertigung von Rettungshandlungen bei Suizidversuch

Beitrag von ben25 »

Danke für die interessanten Gedanken, das klingt schlüssig!
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