Es scheint mir ein Buch aus der Reihe der Untergangspropheten zu sein, diesesmal aber nicht von einem Richter, sondern von einem Autor der SZ.
Zu den immer und immer wieder vorgetragenen Argumenten:
1. Pflichtverteidigung für alle:
Was gewinnt der Arme denn bitte mit einem Pflichtverteidiger in irgendeiner Diebstahlskiste? Kriegt er statt 90 Tagessätze am Ende 60 (alles Spekulation) zu je 10 €, spart also 300 € Geldstrafe, darf aber wegen des Tenors zu 2. schön die 800 € Pflichtverteidigerrechnung bezahlen. Was für ein Gewinn für den Rechtsstaat.
2.
Das Argument (wie das im Buch ausgebreitet ist, weiß ich wie gesagt nicht, deswegen geht meine Stellungnahme hier nicht gegen den Autor sondern gegen einen Strohmann, der dieses Argument vorbächte) kommt mir komisch vor. Ich habe das bei noch keinem Gericht erlebt. Eher das Gegenteil: "Na hammer wieder Schnaps geklaut?" Und Entschuldigung aber wenn ich 10 verschiedene Parfüms bei einem H4 empfänger finde, liegt es nahe, dass die nicht alle für den Eigengebrauch geklaut worden. Das würde man auch bei Ulli Höneß nicht anders sehen.Auch vielen Strafurteilen attestiert Steinke eine soziale Schieflage. So werden tendenziell höhere Strafen verhängt, wenn jemand in problematischen Verhältnissen lebt. Der Trinker, der Schnaps klaut, wird härter bestraft als andere Diebe. Bei Armen werde oft auch ein strafverschärfendes gewerbliches Motiv für den Diebstahl unterstellt. Wer als Hartz-IV-Empfänger:in teure Parfüms stiehlt, muss sich schnell vorhalten lassen, dass hier ein Weiterverkauf intendiert war. "Wer arm ist, gilt eher als Berufsverbrecher", schreibt Steinke.
Auch gilt nicht eher als "Berufsverbrecher" wer arm ist. Allenfalls als Berufsvergeher und wäre das so in dem Buch tatsächlich dargestellt, würde ich das als böswillige Unterstellung sehen. Ob jemand "Berufsverbrecher" ist oder nicht folgt nicht aus dem Lohnzettel sondern """""""""allenfalls""""""""" aus dem BZR. Davon m.E. streng zu trennen ist die Frage, in welchen Gesellschaftsschichten Kriminalität gehäuft vorkommt und wenn ich mich an den Amts- und Landgerichten umschaue sind das faktisch in der überwiegenden Zahl sozial Schwache. Diese Tatsache allein berechtigt weder zu Vorverurteilungen noch bietet sie Anlass zu Reformen (ich kann das bei Bedarf gerne ausführen). Die Tatsache, dass 9 von 10 Gefängnisinsassen männlich sind, lockt auch niemanden hinterm Ofen vor, man könnte mit dieser Tatsache aber das selbe argumentative Spiel betreiben.
3.
Habe ich auch shcon häufiger gehört. Works as intended. Die Sozialprognose ist bei sozial Schwachen nicht schlecht, weil sie sozial Schwach sind sondern weil sie in der Regel eine schlechte Sozialprognose haben. Man müsste das ganze Merkmal streichen, wollte man hier etwas verändern, weil das Merkmal in dieser Lesart(!) einfach tatbestandlich sozial erfolgreich/sozial nicht erfolgreich erfasst. Tatsächlich spielt es für die Entscheidung auch hier nur eine untergeordnete Rolle, ob jemand in Arbeit ist und wie viel Geld er hat etc. Die meisten Bewährungen werden doch abgelehnt, weil die Leute sich schlicht hängen lassen, ihnen alles egal ist, Absprachen nicht eingehalten werden etc etc etc. Das sind natürlich auch gleichzeitig die Faktoren, die für die schlechte soziale Lage der Betroffenen verantwortlich sind, quelle surprise.Je besser die Sozialprognose, um so größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Wer dagegen arbeitslos und geschieden ist, muss eher ins Gefängnis.
4. Die Geldstrafe ist sozial ungerecht. Naja, wie mans nimmt. Das Problem scheint mir hier nicht bei den Armen zu liegen, sondern bei den Reichen, deren Einkommen sich nur mit ganz erheblichen Aufwand ermitteln lässt.
5. U-Haft trifft Reiche weniger. Kommt auch wieder drauf an: Jan Marsalek dürfte kaum mit einer Außervollzugsetzung rechnen. Sonst scheint mir das ebenfalls wie gedacht zu funktionieren. Aufgabe ist die Sicherstellung des Verfahrens. Wenn Zweifel ausgeräumt sind, dass der Betroffene sich dem Verfahren entzieht, warum sollte man ihn dann in die U-Haft stecken? Man darf auch nicht vergessen, dass mir kein Fall aus der "Reichenszene" bekannt ist, wo ein außer Vollzug gesetzter Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt werden musste, weil derjenige den Auflagen nicht nachgekommen ist.
6. Die Deals der Reichen sind besser, weil die Anwälte die Gerichte sonst zuschütten.
Stimmt, aber so zu tun als wäre das was für Reiche, wäre einfach unseriös. Die "Deals" an den Amtsgerichten bei den Allerweltsdelikten mögen nicht auf 120g Papier daherkommen, dürften aber die Wirtschaftsdeals zahlenmäßig bei weitem in den Schatten stellen.
7. Geldstrafe für H4 auf 7 - 10 € deckeln.
Da gehen die Meinungen ja in der Republik massiv auseinander. Bei mir gibts i.d.R. 20 € mit dem Argument, dass die Wohnkosten nicht in Abzug zu bringen sind, weil sie beim Beschäftigten auch nicht in Abzug gebracht werden. Mir ist schon klar, dass 1 € für einen Armen wesentlich mehr sind, als für einen "Reichen". Das rechtfertigt aber nicht, dem einen die Anrechnung der Wohnkosten als Ausgaben zu gewähren und dem anderen nicht.
8. Ersatzfreiheitsstrafe nach Gespräch mit dem Richter. Na klar. Das Gespräch bei der Verhandlung war ja nicht genug.
. Das lasse ich einfach unkommentiert. Sollte es so im Buch stehen, bedarf es keiner Auseinandersetzung, sollte es da anders gemeint sein, dann auch nicht.Nach schwedischem Vorbild könnte hier herausgefunden werden, ob jemand die Geldstrafe nicht zahlen will oder nicht zahlen kann, weil er oder sie in einer "Sackgasse des Elends" steckt. In letzterem Fall könnte dann nach Alternativen gesucht werden oder Gnade vor Recht ergehen.
Die sich daran anschließende Kritik von Rath ist m.E. sehr ausgewogen und hat die Justiz viel eher im Blick.
Sollte die Rezension den Inhalt des Buches treffen, spiegelt es m.E. das Weltbild der reichen Linken auf die Armen wieder, dass deren Probleme eher vergrößert, als sie tatsächlich zu bekämpfen. Man hat das Gefühl, dass der Gedanke, der Arme könnte arm sein, weil es Gründe in ihm selbst gibt, die seine Lage bedingen, nicht gedacht wird. Die meisten Leute landen in der Strafjustiz, weil sie antriebslos sind, keine soziale Kontrolle kennen, sich lieber an ihre Regeln halten wollen etc. Sie landen nicht hier, weil sie arm sind, sondern sie sind meist wegen der zuvor aufgezählten Dinge auch arm.