Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

Jodler112
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 12
Registriert: Samstag 8. April 2017, 16:18

Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von Jodler112 »

Hallo,

ein guter Freund von mir hat einen Strafbefehl erhalten und da ich eh Strafverteidiger werden will, habe ich einen Antrag auf (Laien)-Verteidigung beim Gericht gestellt, welcher auch angenommen wurde. Vorwurf beizeht sich vor allem auf § 201a StGB.
Akteneinsicht habe ich vorgenommen. Ich werde den Fall auch eher nicht skizzieren, sondern es geht eher grundsätzliche prozessuale Hinweise.

Jetzt meine Bitte an euch mir zu helfen. Das ist mein erster Strafprozess und mir ist wichtig, dass ich alles gebe. Ich gehe davon aus, dass der Richter und der Staatsanwalt bereits von der Schuld des Angeklaten überzeugt sind und dass das für die ein möglichst kurzer Termin werden soll, der ihre Mittagspause nicht unnötig hinauszögert. Ich denke mal man wird versuchen mein Einfluss so niedrig wie möglich zu halten und auszunutzen, dass ich unerfahren bin. Stellt euch jetzt einfach bitte vor, ich wäre die Ukraine und ihr könnt Solidarität gegenüber einem gutherzigen Jura-Studenten zeigen, indem ihr mir Panzerabwehrwaffen bzw. Tipps gebt.

Ich habe mir jetzt eine Liste erstellt von Dingen, die ich bis zur Hauptverhandlung abarbeiten will:
- Liste mit allen Fragen an die Zeugen erstellen
- Mögliche Einwendung des § 68a StPO antizipieren
- Einarbeitung in die Strafzumessung
- Aussagenpsychologische Grundlagen aneignen (Fragetechniken, Reihenfolge der Fragen, mögliche Repliken bei Intervention durch StA oder Richter)
- Vereidigung der Zeugen beantragen (BGH-Urteil und Begründung vorbereiten)
- In Erfahrung bringen, ob die Zeugen/Opfer überhaupt die Bildaufnahmen gesehen haben bei der polizeilichen Vernehmung (geht nicht aus der Akte hervor)
- Teile der Zeugenaussagen in der polizeilichen Vernehmung als Lügen aufdecken.
- Rechtliche Ausführungen zum Tatbestand vorbereiten

1. Wie viel Gegenwind wird der Antrag auf Vereidigung der Zeugen bewirken? Ist das einem Richter idR egal? Ich teile die Auffassung in dem Fall, dass eine Vereidigung geboten ist, weil die Beweislage praktisch mit den Aussagen steht und fällt. Auch kann ich bereits einige Aussagen aus der polizeilichen Vernehmung, die allerdings nicht für die Strafbarkeit direkt entscheidend sind, widerlegen. Auch werden meine Fragen ziemlich ungemütlich und auf die Intimspähre der Zeugen gerichtet sein.

2. Was sollte ich allgemein beachten?

Danke schon mal!
JuraPunk
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 36
Registriert: Samstag 20. Juli 2013, 12:10
Ausbildungslevel: RA

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von JuraPunk »

Der beste Tipp für den gutherzigen Jurastudenten: Lass es! Wenn du noch nie mit einem Strafprozess zu tun hattest (z.B. als Sitzungsvertreter der StA) und auch sonst Lücken im Verfahrensrecht hast, kann die Verteidigung nur nach Hinten losgehen.

Warum sollen die Zeugen vereidigt werden? Willst du deren Aussage ohne Not verstärken? Ich habe in mehr als 10 Jahren Strafprozessen noch keinen Zeugen vereidigt. Glaubt das Gericht dem Zeugen nicht, ist dessen mögliche Falschaussage auch ohne Eid strafbar. Glaubt das Gericht dem Zeugen, ist der Eid ebenfalls egal. Hat das Gericht Restzweifel, kann der Eid das Zünglein an der Waage sein („Ich hatte ja Restzweifel, aber der Zeuge hat sogar einen Eid auf seine Aussage geschworen, was mit einer erhöhten Strafbarkeit einhergeht. Das räumt meine Restzweifel aus, denn niemand, der noch halbwegs bei Trost ist, wird sich angesichts der Belehrungen diesem Risiko aussetzen.“)

Fragen an Zeugen vorformulieren mag helfen, jedoch kommt es in der Hauptverhandlung meist eh anders. Da muss man spontan auf Aussagen und dort enthaltene Widersprüche reagieren. Grundsätzlich dürfen Fragen auch nur ein Mal gestellt werden. Einige Vorsitzende handhaben das strenger als andere.

Im Ergebnis kannst du als Laie zu viel kaputt machen, sodass ich von einer Laienverteidigung dringend abrate.
Jodler112
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 12
Registriert: Samstag 8. April 2017, 16:18

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von Jodler112 »

Danke für die Antwort.
Was genau macht man, wenn einem ein Strafbefehl zugestellt wird und man sich keinen Verteidiger leisten kann? Einfach abnicken?
Warum sollen die Zeugen vereidigt werden? Willst du deren Aussage ohne Not verstärken? Ich habe in mehr als 10 Jahren Strafprozessen noch keinen Zeugen vereidigt. Glaubt das Gericht dem Zeugen nicht, ist dessen mögliche Falschaussage auch ohne Eid strafbar. Glaubt das Gericht dem Zeugen, ist der Eid ebenfalls egal. Hat das Gericht Restzweifel, kann der Eid das Zünglein an der Waage sein („Ich hatte ja Restzweifel, aber der Zeuge hat sogar einen Eid auf seine Aussage geschworen, was mit einer erhöhten Strafbarkeit einhergeht. Das räumt meine Restzweifel aus, denn niemand, der noch halbwegs bei Trost ist, wird sich angesichts der Belehrungen diesem Risiko aussetzen.“)
Ja ok geschenkt.

Wahrscheinlich läufts darauf hinaus, dass ich da sitze, die Vernehmungsprotokolle kenne und den Zeugen Fragen stelle. Was genau kann ich denn kaputtmachen?
Theopa
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1328
Registriert: Mittwoch 9. Juli 2014, 18:09
Ausbildungslevel: RA

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von Theopa »

Jodler112 hat geschrieben: Dienstag 1. März 2022, 00:40 Was genau kann ich denn kaputtmachen?
Das kann man natürlich nicht so leicht beantworten wie es bei anderen Bereichen möglich wäre: Wenn du noch niemals als Klempner tätig warst, ein guter Freund kein Geld hat und du ihm anbietest seinen tropfenden Heizkörper zu tauschen da du ja Maschinenbau studiert hast kann das klappen. Oder es läuft wie bei "Werner - Beinhart".

Die Probleme die man schaffen kann sind eher subtil. Wenn ein Zeuge etwas nicht mehr genau weiß ist es teilweise wichtig nachzufragen, teilweise will man aber auf keinen Fall eine genauere Antwort um vielleicht doch noch Restzweifel bestehen zu lassen. Immerhin hast du nicht vor etwas zu verschriftlichen (damit kann man richtig böse auf die Nase fallen), dennoch würde ich die Finger davon lassen. Vielleicht wäre er mit einem weinenden Geständnis über die Mitleidstour noch gut weggekommen, durch den nervigen Jurastudenten daneben der alles anzweifelt und das nun fehlende Geständnis wird die Strafe nun aber nochmal erhöht (Stichwort Geständnisfiktion). Die Tatsache, dass du dir die Frage stellen musst was schief gehen könnte, da du das eben ohne allerwenigstens das Ref nicht wissen kannst sollte ein Warnzeichen sein.

Wenn du es nicht lassen kannst kurz zu ein paar deiner anderen Fragen:
- Sobald ein Strafbefehl ankommt, sind natürlich StA und Gericht von der Verurteilung weitgehend (StA) bis überwiegend (Gericht) überzeugt. Anderenfalls gäbe es diesen nicht, die StA hätte dann - wie in den allermeisten Fällen, die auf dem Tisch landen - eingestellt.
- Oftmals gibt es daher nur einen Punkt bei welchem man relativ gut etwas machen kann, namentlich die Höhe der Tagessätze, die im absoluten Regelfall bisher nur grob geschätzt wurden. Auch hier gilt aber: Erst gut überlegen ob man etwas sagt, manchmal sind sie zu niedrig geschätzt.
- Rechtliche Ausführungen sind zu 99,9% irrelevant und unnötig. Vor dem Amtsgericht wirst du diese praktisch niemals hören, keiner hat Interesse daran, es geht um Tatsachen.
Jodler112
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 12
Registriert: Samstag 8. April 2017, 16:18

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von Jodler112 »

Der Grund, warum ich die Verteidigung übernehmen wollte war, dass es im Strafrecht unterhalb der Pflichtverteidigung keinerlei Rechtsschutz für Personen ohne finanzielle Mittel gibt. Ist jetzt auch egal. Die Verhandlung ist schon bald.

Da es so schlecht steht, werde ich ein bisschen konkreter. Tatvorwurf ist das Erstellen und Versenden von Bildaufnahmen zweier Zeugen an eine weitere dritte Person per WhatsApp in zwei unterschiedlichen Fällen. Die Bildaufnahmen sind eher harmlos, in einem Fall, wird das Opfer von hinten sitzend in einer Wohnung fotografiert, jedoch normal bekleidet, in dem anderen Fall wird eine sexuelle Handlung angedeutet, ohne dass man Intimbereich oder das vollständige Gesicht der Person erkennbar ist. Beweismittel sind Whatsapp-Screenshots und Zeugenaussagen. Es geht vor allem um § 201a I Nr.4 StGB.
Beide Zeugen/Opfer behaupten nichts von den Fotos zu wissen und kein Einverständnis erteilt zu haben. Das Foto mit der sexuellen Handlung, welches maßgeblich ist, ist derartig aufgenommen, dass eine fehlende Kennitnisnahme quasi sehr unwahrscheinlich ist. In der polizeilichen Vernehmung spielen die Zeugen jeweils das Verhältnis zum Angeklagten massiv runter, vermutlich aus Scham. Ein Zeuge behauptet kein sexuelles Verhältnis gehabt zu haben, obwohl hier das Gegenteil beweisbar wäre.

Hatte jetzt vor eine Einlassung vorzubereiten bei dem der Angeklagte plausibel erklären kann, dass das Foto befugt erstellt worden ist.
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2252
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von Strich »

Bandbreite bei diesen Verfahren: Guter Anwalt § 153 StPO (das übersteigt deine Fähigkeiten auf alle Fälle, da es auch meine Fähigkeiten übersteigt, nicht das ich jetzt hier der krasse Überflieger wäre, aber ich traue mir ein bisschen mehr zu als ein Jurastudent), wäre jedenfalls mein Versuch; dnaeben Freispruch mit der Begründung am Tag x um soundsoviel Uhr stimmte der Zeuge Y der Bildaufnahme dadurch zu, dass er ...
Normaler Anwalt: § 153a StPO - Einspruchsrücknahme alles drin
Schlechter Anwalt: Freispruch mit der Behauptung, es habe sexuelle Beziehungen zwischen den Zeugen und dem Angeklagten gegeben. Als ich das letzte mal in den § 201a StGB geschaut habe, stand da nicht drin, dass sexuelle Beziehungen zwischen dem Angeklagten und einem Zeugen irgendwie Tatbestandsmerkmal war. Wenn deine Strategie darauf ausgerichtet ist, die Aussage des Zeugen als unglaubhaft darzustellen, weil er gesagt hat, dass gestern schönes Wetter war, tatsächlich hat es gestern aber geregnet, kannst du dir den Wert des Widerspruchs anhand der Norm selbst ausrechnen.

Btw ist das Gericht und Staatsanwalt (in der Regel) keineswegs von der Schuld des Angeklagten überzeugt. Denkst du, dass das alles nur hohle Phrasen sind, die da in der Uni von Unschuldsvermutung etc. gelehrt werden? Bei einem Strafbefehl ist der Staatsanwalt davon überzeugt, dass ein hinreichender Tatverdacht besteht und der Beschuldigte voraussichtlich geständig ist. Diesen hinreichenden Tatverdacht prüft das Gericht. Wenn auch das Gericht zu der Überzeugung gelangt, es komme zur Verurteilung, erlässt es den Strafbefehl. Wenn der Betroffene Einspruch erhebt ("einlegen" tut man Gurken), wird wohl irgendwas nicht stimmen. Ich habe viel zu viele Überaschungen in der Hauptverhandlung erlebt, als das man auf den Akteninhalt soetwas wie eine Überzeugung von der Schuld gründen könnte. Das gesamte Strafbefehlsverfahren ist auch nur verfassungskonform, weil wir den fehlenden Einspruch als Zustimmung betrachten und das dann das Bild mit der Akte komplett macht. Es kann sich jeder selbst seine Gedanken dazu machen, wie die behörldich Unbeholfensten (ohne dass eine Betreuung angeordnet ist) damit behandelt werden.

Wegen all der Überraschungen, die regelmäßig in Strafverhandlungen passieren, würde ich an deiner Stelle die von dir skizzierte Konfliktverteidigung den Profis überlassen. Die Realität sieht nämlich in den Fällen, in denen es die Pflichtverteidigung nicht gibt, meist so aus, dass der Staat schon den Richter und den Staatsanwalt bezahlen, die sich (auch) um die Rechte des Beschuldigten zu kümmern haben. Es stimmt also wiederum nicht, dass es "unterhalb der Pflichtverteidigung keinerlei Rechtsschutz für Personen ohne finanzielle Mittel gibt." Aus Gerichtssicht ist es natürlich schwer zu beurteilen, wie groß der Unterschied zwischen Anwalt/kein Anwalt bei der Kleinkriminalität ist. Mein Gefühl sagt mir, dass der Unterschied nicht groß ist.

Zum Umgang mit Armen vor Gericht: Justiz auf dem armen Auge blind?

Auch weil deine Sicht auf das Gerichtsverfahren und die Rolle der jeweiligen Beteiligten an der Realität vorbeigeht, würde ich im Zweifel eine andere Strategie fahren, als das was du hier dargestellt hast.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Jodler112
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 12
Registriert: Samstag 8. April 2017, 16:18

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von Jodler112 »

Schlechter Anwalt: Freispruch mit der Behauptung, es habe sexuelle Beziehungen zwischen den Zeugen und dem Angeklagten gegeben. Als ich das letzte mal in den § 201a StGB geschaut habe, stand da nicht drin, dass sexuelle Beziehungen zwischen dem Angeklagten und einem Zeugen irgendwie Tatbestandsmerkmal war. Wenn deine Strategie darauf ausgerichtet ist, die Aussage des Zeugen als unglaubhaft darzustellen, weil er gesagt hat, dass gestern schönes Wetter war, tatsächlich hat es gestern aber geregnet, kannst du dir den Wert des Widerspruchs anhand der Norm selbst ausrechnen.
Es geht ja darum, ob ein Einverständnis in die Bildaufnhamen vorlag oder nicht, also ob die Bildaufnahme unbefugt erfolgte. Das Verhältnis war zum Zeitpunkt der Aufnahmen ein völlig anderes als zum Zeitpunkt als sie den Strafantrag stellten. Damit versuche ich zu beweisen, dass die Zeugen behaupten, es hätte jeweils kein Einverständnis gegeben, einfach weil man den Angeklagten belasten will. Ähnlich wie bei "Revenge-Porn"-Fällen, wo irgendwelche Aufnahmen mit Einverständnis des Partners gemacht werden, und sie weitergegeben werden. In einem Fall handelte es sich um einem mehrmonatige "Affäre", wo man sich fast jeden Tag gesehen hat. Das würde in meinen Augen dazu führen, dass sich die Strafbarkeit von § 201a I Nr.4 auf Nr.5 verlagert, die Weitergabe also "wissentlich unbefugt" erfolgte, im Gegensatz zu dem dolus eventualis bzgl der Unbefugtheit der Nr.4 bzgl. des Erstellens vorausgesetzt wird.
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2252
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von Strich »

Ja ok bleibt aber ohne Einverständnis strafbar. Was willst du damit erreichen?
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Benutzeravatar
Urs Blank
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1741
Registriert: Samstag 31. Januar 2009, 12:38
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von Urs Blank »

Strich hat geschrieben:Wenn der Betroffene Einspruch erhebt ("einlegen" tut man Gurken)
Und Einsprüche… Siehe § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO
"Cats exit the room in a hurry when oysters are opened."
Benutzeravatar
thh
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5278
Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von thh »

Strich hat geschrieben: Dienstag 1. März 2022, 14:05Wenn der Betroffene Einspruch erhebt ("einlegen" tut man Gurken), wird wohl irgendwas nicht stimmen.
Oder der Beschuldigte - betroffen ist man im Bußgeldverfahren :-) - hat einen schlechten Verteidiger oder denkt sich, dass ein Einspruch nicht schaden kann.
Strich hat geschrieben: Dienstag 1. März 2022, 14:05Wegen all der Überraschungen, die regelmäßig in Strafverhandlungen passieren, würde ich an deiner Stelle die von dir skizzierte Konfliktverteidigung den Profis überlassen.
Das wäre doch langwweilig.
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2252
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von Strich »

Urs Blank hat geschrieben: Dienstag 1. März 2022, 15:13
Strich hat geschrieben:Wenn der Betroffene Einspruch erhebt ("einlegen" tut man Gurken)
Und Einsprüche… Siehe § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO
Ich kann nichts für den fehlbaren Gesetzgeber ^^
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Benutzeravatar
thh
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5278
Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von thh »

Jodler112 hat geschrieben: Montag 28. Februar 2022, 22:10Ich habe mir jetzt eine Liste erstellt von Dingen, die ich bis zur Hauptverhandlung abarbeiten will:
- Liste mit allen Fragen an die Zeugen erstellen
Dabei aber nicht vergessen, dass (a) das "gilt", was in der Hauptverhandlung gesagt wird, nicht das, was in der Akte steht, d.h. der Sachverhalt sich ändern kann (dann kann man natürlich mit Vorhalten arbeiten) und (b) in der Regel die weit überwiegende Mehrzahl der Fragen schon durch das Gericht gestellt wird. Also: Vorbereiten ist gut, aber wichtiger ist die Aufnahme und Mitschrift der Angaben in der Hauptverhandlung und das Abstellen der Fragen auf diese Angaben.
Jodler112 hat geschrieben: Montag 28. Februar 2022, 22:10- Vereidigung der Zeugen beantragen (BGH-Urteil und Begründung vorbereiten)
Das muss dann eine gute Begründung sein.
Jodler112 hat geschrieben: Montag 28. Februar 2022, 22:101. Wie viel Gegenwind wird der Antrag auf Vereidigung der Zeugen bewirken? Ist das einem Richter idR egal? Ich teile die Auffassung in dem Fall, dass eine Vereidigung geboten ist, weil die Beweislage praktisch mit den Aussagen steht und fällt.
Nein, egal ist das natürlich nicht; da die Vereidigung der Ausnahmefall ist, bedarf es einer guten Begründung dafür. Und man darf nicht übersehen, dass die Aussage dadurch ein besonderes Gewicht bekommt, wenn man die Vereidigung wegen der besonderen Bedeutung der Aussage erfolgen soll.

Soll hingegen die Vereidigung zur Herbeiführung einer wahren Aussage erfolgen, muss sich aus der Begründung auch ergeben, warum damit zu rechnen ist, dass der Vereidigungsantrag zur Berichtigung der bislang falschen Aussage führen wird.
Jodler112 hat geschrieben: Montag 28. Februar 2022, 22:10Auch werden meine Fragen ziemlich ungemütlich und auf die Intimspähre der Zeugen gerichtet sein.
Man sollte bei der Wahl der Prozesstaktik nicht übersehen, dass alle Verfahrensbeteiligten - bei aller beruflichen Objektivität - auch nur Menschen sind, die von menschlichen Regungen nicht frei sind. Es besteht daher immer die Gefahr, dass das Prozessverhalten das Klima und damit zumindest die Strafzumessung günstig oder ungünstig beeinflusst.
Jodler112 hat geschrieben: Montag 28. Februar 2022, 22:10- In Erfahrung bringen, ob die Zeugen/Opfer überhaupt die Bildaufnahmen gesehen haben bei der polizeilichen Vernehmung (geht nicht aus der Akte hervor)
Nun, das kann man sie - oder den Vernehmungsbeamten, wenn geladen - fragen, wenn man das für relevant hält.
Jodler112 hat geschrieben: Dienstag 1. März 2022, 10:46Hatte jetzt vor eine Einlassung vorzubereiten bei dem der Angeklagte plausibel erklären kann, dass das Foto befugt erstellt worden ist.
Gute Idee. Am besten wäre es - dann wirkt es besonders überzeugend -, die Einlassung durch den Angeklagten (bspw. durch Unterschrift) bestätigen zu lassen und möglichst bald (also noch vor der Hauptverhandlung) dem Gericht zur Akte zu reichen.
Jodler112
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 12
Registriert: Samstag 8. April 2017, 16:18

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von Jodler112 »

Die Lage hat sich nochmal geändert. In dem Strafbefehl wurde mit einem (Regel)-Tagessatz von 30€ gerechnet. Da der Angeklagte ALG2 bezieht, halte ich 5 Euro für angemessen. Schließt sich der Richter dem an, ist es günstiger für den Angeklagten, wenn ich den Einspruch nachträglich gem. § 411 I 3 StPO auf die Tagessatzhöhe anpasse und die 70 Euro zusätzlichen Verfahrenskosten durch die Hauptverhandlung spare. Sollte das der Fall sein, müsste ich das Strafmaß über 15 Tagessätze reduzieren, um die zusätzlichen 70 Euro "reinzuspielen". Nimmt er allerdings 10 Euro an, dann würde sich eine Hauptverhandlung vielleicht lohnen.

Dafür müsste der Beschluss noch diese Woche über die Bühne gehen. Hauptverhandlung ist nächste Woche. Ich habe aber keinen Nachteil, wenn ich den Einspruch nachträglich auf die Tagessatzhöhe einschränke oder? Die einzige Rechtsfolge ist quasi, dass ein Beschluss nach § 411 I 3 StPO möglich wäre.
Liz
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 3237
Registriert: Sonntag 22. Oktober 2017, 17:03
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von Liz »

Eine Tagessatzhöhe von 5 € scheint mir unrealistisch zu sein; min 10-15 € dürften bei ALG II-Bezug - bei bestehenden regionalen Unterschieden - Standard sein.

Im Übrigen gebe ich zu bedenken, dass der Versuch einer Freispruchverteidigung das Risiko in sich birgt, dass bei einer Verurteilung die Anzahl der Tagessätze höher ausfällt, weil der Strafbefehl ja einen gewissen „Geständnis-Bonus“ enthält, der schnell wegfällt, wenn man sich in der Hauptverhandlung als wenig einsichtig erweist. Um wie viele Tagessätze geht es überhaupt?
Jodler112
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 12
Registriert: Samstag 8. April 2017, 16:18

Re: Erster Strafprozess als Verteidiger. Hilfe!

Beitrag von Jodler112 »

50 Tagessätze ist das Strafmaß. Bei mehr als 15 Euro Tagessatzhöhe wird regelmäßig geraten einen eingeschränkten Widerspruch einzuheben. Die Tagessatzhöhe des Strafbefehls liegt bei 30 Euro. Wir reden hier von 1500 Euro für einen Hart4-Empfänger, ohne Vorstrafen.

Ich könnte jetzt einen Antrag auf nachträgliche Einschränkung des Einspruchs stellen.
Antworten