Wann den Versuch prüfen

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Jura_Freiburg
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Wann den Versuch prüfen

Beitrag von Jura_Freiburg »

Hallo zusammen,
ich bereite mich gerade auf meinen Schein im Strafrecht vor. Dafür habe ich jetzt mal angefangen, den Schwabe " lernen mit Fällen" zu machen - ist der BT II. Jetzt hätte ich aber noch eine Frage zu einem Fall. Der Fall 16 behandelt den Betrug mit den Problemen der verbotenen Arbeitsleistung (dreht sich rund um die Vermögensbegriffe) und um die Makeltheorie. Jetzt wurde in der Lösung der Betrug abgelehnt und damit die Prüfung beendet. Müsste man aber nicht noch den Versuch prüfen? Bei der verbotenen Arbeitsleistung hätte ich diesen sogar bejaht. Weil möchte ein Täter, der für eine verbotene Leistung eine Bezahlung verspricht, die er danach nicht erbringt, nicht gerade einen Vermögensschaden und sich um das geprellte Geld bereichern? Für die, die jetzt nicht zufällig den Schwabe neben sich haben. Ist die klassische Konstellation, dass ein Auftragsmörder (im Fall ist es nur eine Körperverletzung), sich um einen anderen kümmern soll und der Auftraggeber danach nicht bezahlt.
Ich wäre somit dankbar, wieso in dieser Fallkonstellation nicht auch ein Versuch geprüft wird.
Zuletzt geändert von Jura_Freiburg am Samstag 9. April 2022, 10:33, insgesamt 1-mal geändert.
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Urs Blank
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Re: Wann den Versuch prüfen

Beitrag von Urs Blank »

Ich verstehe den Fall so: A beauftragt B, den C zu ermorden und verspricht B dafür einen Lohn. Nachdem B den Mord begangen hat, zahlt A den Lohn nicht, wie von Anfang an beabsichtigt.

Hier kann man mit guten Argumenten eine Betrugsstrafbarkeit des A nach § 263 Abs. 1 StGB verneinen, und zwar am einfachsten auf Grundlage des (in der Lit. verbreiteten) juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs: Die erschlichene Dienstleistung des B ist eine strafbare Handlung und daher keine von der Rechtsordnung geschützte Vermögensposition. B hat also, indem er C ermordete, keine Vermögensverfügung im Rechtssinne vorgenommen und somit durch die Nichtzahlung des A auch keinen Vermögensschaden erlitten. Der objektive Tatbestand des Betrugs ist nicht erfüllt.

Prüft man jetzt (probehalber) einen versuchten Betrug, muss man konsequent bleiben: Ja, A will B "prellen", sich nämlich dessen Dienstleistung erschleichen. Aber diese Dienstleistung ist eben keine geschützte Vermögensposition des B (siehe oben) und damit ist der Tatentschluss des A nicht auf eine Vermögensverfügung des B im Rechtssinne gerichtet. Also scheidet auch ein versuchter Betrug des A aus. Dies scheint mir in dieser Konstellation ziemlich eindeutig zu sein, so dass eine gesonderte Versuchsprüfung in einem Gutachten entbehrlich sein dürfte.
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Re: Wann den Versuch prüfen

Beitrag von Jura_Freiburg »

Vielen Dank für deine Antwort! Aber in wie weit ist es wichtig, ob im Versuch tatsächlich eine Vermögensposition feststeht? Weil es wird ja lediglich die Vorstellung des Täters bestraft. Wenn er jetzt denkt, es sei eine Vermögensverfügung, was aber in Wahrheit nicht geht, wäre es doch ein untauglicher Versuch oder nicht?
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Re: Wann den Versuch prüfen

Beitrag von Jura_Freiburg »

Ich habe mir glaub meine Frage schon selbst beantwortet. Sehe ich das richtig, dass der untaugliche Versuch als umgekehrte Tatbestandsirrtum (Rengier, Strafrecht AT) immer ein Irrtum in der "tatsächlichen Welt" erfordert und gerade keine "rechtliche Fehlbewertung"? Also Paradebeispiel ist ja das Erschießen eines bereits verstorbenen. Hier liegt ein untauglicher Versuch vor, weil der Täter den tatsächlichen Umstand verkennt, dass das Opfer bereits verstorben ist. In meinem Fall verkennt der Täter jedoch nicht, dass für die angebliche Bezahlung auch das Geld bezahlt werden muss. Er weiß sozusagen also nur nicht, dass die Arbeitsleistung keine Vermögensposition ist. Irrt sich somit lediglich rechtlich. Stimmt das so?
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Urs Blank
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Re: Wann den Versuch prüfen

Beitrag von Urs Blank »

Ja, alle tatsächlichen Umstände sind dem Täter bekannt, er nimmt lediglich eine rechtliche Fehlbewertung vor.
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