Abtretung oder Anweisung?

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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jona7317
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Abtretung oder Anweisung?

Beitrag von jona7317 »

Verwirrung wegen eines Bereicherungsrechtlichen SV, ich kann die Lösung nicht ganz nachvollziehen.
Verkürzt:
A ist bei der V-Versicherung haftpflichtversichert und zerstört einen fremden Pkw bei einem Unfall. Der Schaden iHv 5.000 € entsteht dabei der B-GmbH, die Eigentümerin und Halterin des Pkw war. Es ist von alleinigem Verschulden des A auszugehen, das auch seine Versicherung anerkennt. Auf § 115 VVG wird hingewiesen, nach der Norm kann der Geschädigte seinen Schadensersatzanspruch nicht nur gegen den Schädiger A sondern auch direkt gegen die V-Versicherung geltend machen.
C hat der GmbH schon zuvor ein Darlehen iHv 5.000 € ausgezahlt. Gegenüber der V-Versicherung gibt er sich nun wahrheitswidrig als Geschäftsführer der B-GmbH aus. Er sei gegenüber der GmbH für die Schädigung des Pkw in voller Höhe in Vorleistung getreten und verlangt nun Zahlung an sich selbst. Auf Nachfrage der V-Versicherung bestätigt er seine Befugnis nochmals und reicht eine Kopie des Gesellschaftsvertrags, aus der sich eine Befreiung von § 181 BGB für den Geschäftsführer ergibt, nach.
Die V geht nun davon aus, zur Zahlung an C verpflichtet zu sein und überweist den Betrag auf sein Privatkonto.
Wenig später meldet sich der wahre Geschäftsführer der GmbH bei V. Er entschuldigt sich für Cs eigenmächtiges Handeln und betont, dass die GmbH dies keinesfalls billige.

Kann V Rückzahlung der 5.000 € von C verlangen?
Mein Ansatz
Ich habe das, v.a. wegen der von C nachgewiesenen Befreiung von § 181 BGB und des wörtlich übernommenen Satzes "V geht nun davon aus zur Zahlung an C verpflichtet zu sein" so gelesen, dass der Versicherung hier vorgetäuscht wird, C habe die GmbH in einem Insichgeschäft gegen Abtretung des Anspruches schadlos gehalten. (Wirtschaftlich betrachtet wäre alles andere doch auch dämlich, was sonst soll er den bitte damit meinen, "in Vorleistung getreten" zu sein?)
Ich habe auch den zitierten Satz so gelesen, dass die Versicherung denkt C wäre nun der Anspruchsinhaber. Demnach bin ich von einer rechtsgrundlosen Leistung der Versicherung an C ausgegangen und würde einen Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB bejahen.

Was in der Lösung steht
Die Lösung betrachtet das als Fall einer unwirksamen Anweisung, die V wolle durch Leistung an C nur ihre Schuld ggü. der GmbH erfüllen. V denke, von der B-GmbH durch ihren Geschäftsführer angewiesen worden zu sein. V wolle deshalb durch Zahlung an C ggü. der B-GmbH leisten, dort liege daher die Leistungsbeziehung. Weil die aber Anweisung mangels Vertretungsbefugnis des C nicht der GmbH zurechenbar ist, sei dennoch ausnahmsweise eine Direktkondiktion nach § 812 I 1 Alt. 2 BGB zwischen V und C möglich.


Ich halte auch nach Durchsicht der Lösung meinen Ansatz für stimmiger und bin versucht den Sachverhalt für sehr unglücklich formuliert zu erklären:
Eine Verpflichtung (!) des Schuldners, an einen anderen als den Gläubiger leisten zu müssen, kann doch durch einseitige Anweisung des Gläubigers gar nicht begründet werden. Klar geht das in den Bank/Giro-Fällen aber da sind solche Anweisungen ja gerade im Kontoführungsvertrag vorgesehen...
Ansonsten bräuchte es dafür doch einer vertraglichen Abrede/Vertragsänderung mit dem Gläubiger oder eben einer Abtretung. Klar kann der Gläubiger einseitig auch einen Dritten für empfangszuständig erklären und muss dann eine Erfüllungshandlung diesem gegenüber auch gegen sich gelten lassen. Das dürfte aber nur eine Möglichkeit, nicht aber eine Verpflichtung - von der V doch laut Sachverhalt gerade ausgeht - des Gläubigers begründen.
Das geht nur durch Abtretung, da erhält der Schuldner im Gegenzug aber den Schutz der §§ 407 ff. BGB.

Was meint ihr?
Überzeugt euch das oder liegt bei meiner Lösung irgendwo ein Denkfehler?
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scndbesthand
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Re: Abtretung oder Anweisung?

Beitrag von scndbesthand »

Als ich den Sachverhalt gelesen habe, dachte ich spontan „unwirksame Anweisung“. Dafür spricht, dass kein Wort von „Abtretung“ im Sachverhalt steht. Zudem müsste die Abtretung auch inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Am entscheidensten scheint mir jedoch zu sein, dass sich der Schuldner nicht ohne Weiteres über eine Bestimmung des Gläubigers hinwegsetzen kann, dass nur eine Überweisung auf Konto XY bei der Z-Bank Erfüllungswirkung habe. Auch in dem Sinne kann „rechtliche Verpflichtung zur Leistung an C“ verstanden werden.
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jona7317
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Re: Abtretung oder Anweisung?

Beitrag von jona7317 »

Hmm, kann sein dass ich einfach ein ganz falsches Grundverständnis davon hatte, wie weit die Rechtsfolge aus § 249 I BGB reicht. Ich hätte gedacht, dass der Geschädigte nach seiner Wahl nur Naturalresitution oder Zahlung an sich verlangen kann und sich die Modalitäten dieser Zahlung dann (und grundsätzlich bei gesetzlichen Schuldverhältnissen) nach § 270 I, II BGB richten. Von denen dann eine Abweichung wiederum nur durch Vereinbarung mit dem Schuldner begründet werden kann.
Für eine solche Auslegung spricht mMn auch der § 270 III BGB: Der Gläubiger trägt Gefahr und Kosten einer Veränderung des Erfolgsortes bei Geldschulden. Daraus und aus den §§ 407 BGB ergibt sich doch an sich, dass der Schuldner vor einer einseitgen Veränderung der Erfüllungsmodalitäten geschützt werden soll - eine einseitge Anweisung (ohne den ausgleichenden Schutz der §§ 407 ff.) also gerade keine Pflicht seinerseits begründen kann.
Am entscheidensten scheint mir jedoch zu sein, dass sich der Schuldner nicht ohne Weiteres über eine Bestimmung des Gläubigers hinwegsetzen kann, dass nur eine Überweisung auf Konto XY bei der Z-Bank Erfüllungswirkung habe.
Dem stünde dann konsequenterweise der § 270 I, II BGB entgegen.
Rechtlich würde ich das Benennen eines fremden Kontos durch den Geschädigten als konkludentes Angebot zur Änderung der Leistungsmodalitäten und die Zahlung durch den Geschädigten als konkludente Annahme bewerten. Das betrifft aber nur gesetzliche Zahlungsansprüche, bei schuldrechtlichen wird es immer eine zumindest konkludente Vereinbarung darüber geben, wer wie zu leisten hat.

Ist das ein völlig abstruses Verständnis oder ist das in sich schlüssig und nachvollziehbar?

Nachtrag: Im Ergebnis bedeutet dein Verständnis ja, dass der Gläubiger einseitig durch Anweisung jedes Schuldverhältnis in einen unechten Vertrag zugunsten Dritter umwandeln kann. Vielleicht geht das auch und es liegt an meinem bisher einseitigen Fallmaterial - Gerade im Verhältnis Händler-Lieferant sahen meine Übungsfälle immer nur vor, dass von vorneherein Lieferung an den Kunden vereinbart wurde.
Du meinst also, dass der Händler z.B. auch nach Vertragsschluss bestimmen könnte "Liefer stattdessen an den Kunden XY"? Und dann wäre der Lieferant auch ohne seinen Willen daran gebunden?
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Re: Abtretung oder Anweisung?

Beitrag von jona7317 »

Vielleicht habe ich mit viel zu vielen Worten beschrieben, was sich eigentlich viel kürzer fassen lässt: Braucht der Gläubiger, um überhaupt eine Anweisung zu erteilen, nicht eine irgendwo heraus folgenden Befugnis dazu?

Ich kenne als Anweisungsfälle ieS - vielleicht auch rein zufällig - nur Banken/Giro-Fälle. Da erteilt der Schuldner einem Dritten eine Anweisung, die Befugnis dazu hat er aus einem (Giro)-Vertrag mit dem Dritten.
Dann gibt es die Händler-Zulieferer-Fälle. Hier gibt es keine Anweisung im eigentlichen Sinne, aber der Schuldner hat mit dem Dritten vertraglich vereinbart, dass er an den Gläubiger zu liefern hat.

Hier ist unser Fall, dass der Gläubiger den Schuldner anweisen soll, an einen anderen zu leisten und ich stehe da und wundere mich, warum er das überhaupt dürfen sollte. Bisher kannte ich eben nur Fälle, wo es irgendeinen sinnvollen Grund für diese Befugnis gab.
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Re: Abtretung oder Anweisung?

Beitrag von Brainiac »

jona7317 hat geschrieben: Donnerstag 23. März 2023, 13:36 Hmm, kann sein dass ich einfach ein ganz falsches Grundverständnis davon hatte, wie weit die Rechtsfolge aus § 249 I BGB reicht. Ich hätte gedacht, dass der Geschädigte nach seiner Wahl nur Naturalresitution oder Zahlung an sich verlangen kann [...]
Genau. Aber das spricht doch gerade eher für die Anweisungslösung. Denn dann stellt sich die Zahlung der V als Leistung von V an B (und von B an C) dar. Aus Sicht der V besteht zwar im Verhältnis von B und C nach dessen Vortrag ein Regressanspruch des C gegen die B, die V wird jedoch nicht diesen, sondern ihre eigene Verpflichtung gegenüber der B erfüllen wollen.
Freilich kann C aus Sicht der V seinen - behaupteten - Regressanspruch auch durch Abtretung des SE-Anspruchs gegen die V von B an C realisieren (insoweit treffen deine Gedanken zu), jedoch wird der behauptete Regressanspruch aus Sicht der V ebenso durch Direktleistung der V an C auf Anweisung des B getilgt, da aus Sicht der V die Voraussetzungen des § 267 I 1 BGB vorliegen.
Dafür, dass die V lediglich von einer Anweisung und nicht einer Abtretung ausgeht, spricht mE, dass hierfür aus Sicht der V der Nachweis der Vertretungsmacht des C für die B ausreichend ist; für eine Abtretung bedürfte es jedoch sowohl des Nachweises der Vertretungsmacht als auch der Abtretung. Anhand der SV-Angaben würde ich auch eher davon ausgehen, dass die V lediglich den Nachweis der Vertretungsmacht infolge GF-Stellung (wenngleich irrig) angenommen und - so verstehe ich den SV - auch nur diesbezüglich nachgefragt hat.
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Re: Abtretung oder Anweisung?

Beitrag von Brainiac »

jona7317 hat geschrieben: Donnerstag 23. März 2023, 14:20 Vielleicht habe ich mit viel zu vielen Worten beschrieben, was sich eigentlich viel kürzer fassen lässt: Braucht der Gläubiger, um überhaupt eine Anweisung zu erteilen, nicht eine irgendwo heraus folgenden Befugnis dazu?
Privatautonomie; die Befugnis ergibt sich aus der Gläubigerstellung. Dies setzt auch §§ 362 II, 185 BGB voraus: Erfüllung - hier des SE-Anspruchs - durch Leistung an einen Dritten (C) tritt ein, wenn der Dritte oder - hier aus Sicht der V - der Schuldner (V) vom Gläubiger (B) entsprechend ermächtigt wurde. Hier steht aus Sicht der V mE diese Ermächtigung in Frage, die sie dann aber infolge der irrigen Annahme der GF-Stellung als erwiesen ansieht.
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Re: Abtretung oder Anweisung?

Beitrag von jona7317 »

Beide eurer Argumente überzeugen mich nicht, §§ 362, 185 BGB regeln nicht, ob an den Dritten geleistet werden muss, sondern dass das geht und was passiert wenn es geschieht. Privatautonomie ist ja wohl auch kein gutes Argument, wenn es gerade darum geht ob auch gegen den Willen des V eine Verpflichtung begründet werden kann.

Dass der Geschädigte Erfüllung zunächst nur am sich verlangen kann spricht nicht für sondern gegen die Anweisung: V ging davon aus verpflichtet zu sein an den Dritten zu leisten, nicht berechtigt.


Glaube was auch immer ich mir dazu denke ist dann aber auch egal, so gerne ich dafür argumentiere :D Am Ende seht ihr es ja alle auf dem ersten Blick als Anweisungsfall, so auch die andren die ich dazu gefragt habe und die Lösung sowieso. Ich find meinen Ansatz immer noch sinnvoll und finde ihn beim Sachverhalt auch nicht fernliegend, aber das bringt mir auch nix wenns ein Prüfer dann wohl auch so verstehen würde. Hätte mich damit glatt an der Lösung vorbeigeprüft. Ist unwahrscheinlich dass mir son Fall nochmal unterkommt aber naja jetzt habe ich immerhin auf dem Schirm, dass ne Anweisung auch so aussehn kann.
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Re: Abtretung oder Anweisung?

Beitrag von scndbesthand »

jona7317 hat geschrieben: Donnerstag 23. März 2023, 13:36 Hmm, kann sein dass ich einfach ein ganz falsches Grundverständnis davon hatte, wie weit die Rechtsfolge aus § 249 I BGB reicht. Ich hätte gedacht, dass der Geschädigte nach seiner Wahl nur Naturalresitution oder Zahlung an sich verlangen kann und sich die Modalitäten dieser Zahlung dann (und grundsätzlich bei gesetzlichen Schuldverhältnissen) nach § 270 I, II BGB richten. Von denen dann eine Abweichung wiederum nur durch Vereinbarung mit dem Schuldner begründet werden kann.
Für eine solche Auslegung spricht mMn auch der § 270 III BGB: Der Gläubiger trägt Gefahr und Kosten einer Veränderung des Erfolgsortes bei Geldschulden. Daraus und aus den §§ 407 BGB ergibt sich doch an sich, dass der Schuldner vor einer einseitgen Veränderung der Erfüllungsmodalitäten geschützt werden soll - eine einseitge Anweisung (ohne den ausgleichenden Schutz der §§ 407 ff.) also gerade keine Pflicht seinerseits begründen kann.
Am entscheidensten scheint mir jedoch zu sein, dass sich der Schuldner nicht ohne Weiteres über eine Bestimmung des Gläubigers hinwegsetzen kann, dass nur eine Überweisung auf Konto XY bei der Z-Bank Erfüllungswirkung habe.
Dem stünde dann konsequenterweise der § 270 I, II BGB entgegen.
Rechtlich würde ich das Benennen eines fremden Kontos durch den Geschädigten als konkludentes Angebot zur Änderung der Leistungsmodalitäten und die Zahlung durch den Geschädigten als konkludente Annahme bewerten. Das betrifft aber nur gesetzliche Zahlungsansprüche, bei schuldrechtlichen wird es immer eine zumindest konkludente Vereinbarung darüber geben, wer wie zu leisten hat.

Ist das ein völlig abstruses Verständnis oder ist das in sich schlüssig und nachvollziehbar?
Der gesetzliche Forderungsinhalt ist die Leistung von Bargeld, nicht etwa eine Leistung von Buchgeld auf ein Konto des Gläubigers. Soll bargeldlos geleistet werden, bedarf es immer das Einverständnis des Gläubigers, d. h. in der Praxis die Angabe der Bankverbindung. Wenn der Gläubiger dann nun einfach das Konto eines Dritten, z. B. Ehefrau angibt (z. B. weil auf seinem eigenen Konto ne Pfändung ist) bleibt dem Schuldner, der bargeldlos leisten will, dann eben nur noch die Möglichkeit, auf die angegebene Bankverbindung zu leisten. Klar könnte ein Schuldner dann noch mit Bargeld losfahren. Die Versicherung, die das macht, musst Du mir dann aber zeigen.
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Re: Abtretung oder Anweisung?

Beitrag von Brainiac »

jona7317 hat geschrieben: Donnerstag 23. März 2023, 16:33 Beide eurer Argumente überzeugen mich nicht, §§ 362, 185 BGB regeln nicht, ob an den Dritten geleistet werden muss, sondern dass das geht und was passiert wenn es geschieht. Privatautonomie ist ja wohl auch kein gutes Argument, wenn es gerade darum geht ob auch gegen den Willen des V eine Verpflichtung begründet werden kann.
Meine zweite Antwort bezog sich auf deine Frage nach der Befugnis des Gläubigers (im Verhältnis zum Schuldner), die Leistung an einen Dritten zu verlangen. Dass der Schuldner dann nicht allein an diesen, sondern weiterhin mit Erfüllungswirkung auch an den Gläubiger leisten kann, steht auf einem anderen Blatt.

Aber ich verstehe jetzt, dass dein Problem darin liegt, dass im SV stand, die V habe sich "verpflichtet" gefühlt. Das kann man in der Tat so verstehen, dass die V denkt, C sei jetzt der Anspruchsinhaber, was freilich nur bei Annahme einer Abtretung des SE-Anspruchs der Fall wäre. Zwingend ist das mE aber nicht - vgl. die Ausführungen von scndbesthand hierüber.
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Re: Abtretung oder Anweisung?

Beitrag von jona7317 »

Vielen vielen Dank übrigens für die Diskussion, ich finde das total angenehm und es bringt mich auch im Verständnis weiter. Für meine mündliche hat sich das dann im Wesentlichen geklärt, aus persönlicher Leidenschaft für die armen schutzbedürftigen Schuldner argumentiere ich trotzdem weiter dagegen:
Meine zweite Antwort bezog sich auf deine Frage nach der Befugnis des Gläubigers (im Verhältnis zum Schuldner), die Leistung an einen Dritten zu verlangen. Dass der Schuldner dann nicht allein an diesen, sondern weiterhin mit Erfüllungswirkung auch an den Gläubiger leisten kann, steht auf einem anderen Blatt.

Aber ich verstehe jetzt, dass dein Problem darin liegt, dass im SV stand, die V habe sich "verpflichtet" gefühlt. Das kann man in der Tat so verstehen, dass die V denkt, C sei jetzt der Anspruchsinhaber, was freilich nur bei Annahme einer Abtretung des SE-Anspruchs der Fall wäre. Zwingend ist das mE aber nicht - vgl. die Ausführungen von scndbesthand hierüber.
Dass mein Problem mit dem "V geht davon aus nun verpflichtet zu sein..." jetzt wenigstens nachvollziehbar ist freut mich. Auch den Hinweis auf die Befreiung § 181 BGB habe ich dahingehend verstanden, denn die bloße Anweisung gegenüber V, nun an sich persönlich zu zahlen, ist ja kein Insichgeschäft, für dass es einer solchen Befreiung bedürfte. Ich konnte und kann mir bis jetzt nicht erklären, wie die Aussage des C "gegenüber der GmbH in Vorleistung gegangen" zu sein, aus Sicht der Versicherung zu deuten ist, wenn nicht als kaufweise Abtretung des Anspruches durch die GmbH an C. Dann würde auch der Hinweis auf die Befreiung von § 181 Sinn ergeben.
Wenn es eine bloße Anweisung kann ich mir die "Vorleistung" nicht so recht erklären, denn was soll das dann darstellen? Eine Schenkung von C? Ein Darlehen bis Zahlungseingang von der Versicherung? Gerade in Verbindung mit der Aufforderung zur Zahlung an sich persönlich und dem Satz, V denke nun zu Zahlung an C verpflichtet zu sein, fand ich eine Abtretung das einzig naheliegende.

Der gesetzliche Forderungsinhalt ist die Leistung von Bargeld, nicht etwa eine Leistung von Buchgeld auf ein Konto des Gläubigers. Soll bargeldlos geleistet werden, bedarf es immer das Einverständnis des Gläubigers, d. h. in der Praxis die Angabe der Bankverbindung. Wenn der Gläubiger dann nun einfach das Konto eines Dritten, z. B. Ehefrau angibt (z. B. weil auf seinem eigenen Konto ne Pfändung ist) bleibt dem Schuldner, der bargeldlos leisten will, dann eben nur noch die Möglichkeit, auf die angegebene Bankverbindung zu leisten. Klar könnte ein Schuldner dann noch mit Bargeld losfahren. Die Versicherung, die das macht, musst Du mir dann aber zeigen.
Ja, da hast du schon recht. Mit den Realitäten des modernen Zahlungsverkehrs hat das wenig zu tun, was ich oben beschrieben habe. Ich habe das vor dem Kommentar im MüKo nachgeschlagen, wie denn Überweisungen in das System des § 270 BGB passen bin aber aus dem MüKo BGB nicht schlauer geworden. Ist ja eine Zweifelsregelung, vielleicht kann man das auch bei gesetzlichen Schuldverhältnissen heutzutage dahingehend auslegen, dass (zumindest auch) eine Überweisung auf das Konto einerseits verlang und andererseits auch ohne Verlangen ausreichend ist.

Vielleicht durfte man den Sachverhalt dann einfach nicht zu wörtlich nehmen. Vielleicht ist der Satz, "V denkt nun zur Leistung an C verpflichtet zu sein" dann eher als "V denkt nur noch sinnvollerweise an C" leisten zu können auszulegen. Wäre sinnvoll, dann ärgert mich aber die Formulierung des Sachverhaltes wirklich sehr.

Dann verstehe ich euch aber so, dass wir grundsätzlich darüber übereinstimmen, dass der Gläubiger eines bestehenden Schuldverhältnisses nicht einseitig eine Verpflichtung des Schuldners begründen kann, an einen Dritten zu leisten?
Er kann ihm einseitig diese Möglichkeit eröffnen, damit eine echte Verpflichtung zur Leistung an den Dritten besteht müsste er aber abtreten und dem Schuldner käme im Gegenzug der Schutz der §§ 407 ff. BGB zu.

Kann sein, dass ich dann einfach zu peinlich genau an den Formulierungen des Sachverhaltes gehangen habe, scheint ja weder sonst wer noch die Lösung selbst zu tun. Prinzipiell doof finde ich einen so zweideutig gestellten Sachverhalt aber schon.
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scndbesthand
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Re: Abtretung oder Anweisung?

Beitrag von scndbesthand »

jona7317 hat geschrieben: Donnerstag 23. März 2023, 20:26
Der gesetzliche Forderungsinhalt ist die Leistung von Bargeld, nicht etwa eine Leistung von Buchgeld auf ein Konto des Gläubigers. Soll bargeldlos geleistet werden, bedarf es immer das Einverständnis des Gläubigers, d. h. in der Praxis die Angabe der Bankverbindung. Wenn der Gläubiger dann nun einfach das Konto eines Dritten, z. B. Ehefrau angibt (z. B. weil auf seinem eigenen Konto ne Pfändung ist) bleibt dem Schuldner, der bargeldlos leisten will, dann eben nur noch die Möglichkeit, auf die angegebene Bankverbindung zu leisten. Klar könnte ein Schuldner dann noch mit Bargeld losfahren. Die Versicherung, die das macht, musst Du mir dann aber zeigen.
Ja, da hast du schon recht. Mit den Realitäten des modernen Zahlungsverkehrs hat das wenig zu tun, was ich oben beschrieben habe. Ich habe das vor dem Kommentar im MüKo nachgeschlagen, wie denn Überweisungen in das System des § 270 BGB passen bin aber aus dem MüKo BGB nicht schlauer geworden. Ist ja eine Zweifelsregelung, vielleicht kann man das auch bei gesetzlichen Schuldverhältnissen heutzutage dahingehend auslegen, dass (zumindest auch) eine Überweisung auf das Konto einerseits verlang und andererseits auch ohne Verlangen ausreichend ist.
Erst mal freut es mich auch, dass Du Gewinn aus der Diskussion ziehst und finde es gut, wenn in den Fachforen nicht nur Grabesstille herrscht. Früher(TM) war es ja gefühlt so, dass manche User ihre Vorbereitung nahezu ausschließlich über das Forum bestritten.

Vielleicht könntest Du ergänzend zu Geldschulden/Überweisungen/Art, Zeit Ort der Leistung etc. pp. noch BGH VIII ZR 157/97 lesen. Gibts auch bei Stephan Lorenz im Volltext.

Und ja, rechtlich verpflichten an einen Dritten zu leisten geht nur qua Abtretung plus Urkundenvorlegung zwecks Ausschaltung §§ 407 ff BGB.
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Re: Abtretung oder Anweisung?

Beitrag von jona7317 »

Aufschlussreiches Urteil, danke!
Eigentlich seltsam, dass auf sowas Zentrales wie die Erfüllung durch Überweisung während meines ganzen Studiums nicht ein einziges Wort verschwendet wurde. Finde ich aber in sich schlüssig und entspricht auch meinem intuitiven Verständnis.

Persönlich finde ich dann, dass der Sachverhalt eher "V geht nun davon aus, auch an C zahlen zu können" lauten sollte, ansonsten finde ich das gerade mit der ominösen "Vorleistung" und dem Hinweis auf § 181 zu ambivalent.
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