Bereicherungsrecht, Leistung eines beschränkt Geschäftsfähigen

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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JEE
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Bereicherungsrecht, Leistung eines beschränkt Geschäftsfähigen

Beitrag von JEE »

Vor mir habe ich zwei Falllösungen zu liegen, die jeweils auf die Prüfung des § 812 I 1 Alt. 1 BGB hinauslaufen. Dabei geht es um die Leistung eines Minderjährigen. Ich war bisher davon überzeugt, dass ein Minderjähriger ohne weiteres i.S.d. § 812 leisten kann, da die Leistung kein Rechtsgeschäft und keine Willenserklärung ist, sonder eher etwas "tatsächliches".

So wird in der einen Lösung die Leistung des Minderjährigen mit der Begründung, dass die Zweckbestimmung kein RG ist bejaht (wobei der Minderjährige hier fremdes Eigentum an einen Dritten leistet).

In der anderen Lösung wurde die Leistung zwischen Besitz und Eigentum getrennt.
1.Bzgl. des Besitzes wurde die Leistung zwar mit folgender Begründung bejaht: "Geschäftsfähigkeit ist für die Bejahung einer Leistung im Zwei-Personen-Verhältnis nach zutreffender h.M. nicht erforderlich; es genügt die Fähigkeit, überhaupt zu erkennen, dass man bewusst eine Vermögenverschiebung vornimmt".

2.Bzgl. der Leistung am Eigentum wurde dies jedoch wegen einer unwirksam ergangen Willenserklärung mit folgender Begründung abgelehnt: "Das Eigentum am Geld allerdings konnte der V nicht durch Leistung des M (Minderj.) erwerben, da diese Willenserklärung des M unwirksam war (s.o.). Da das Eigentum erst durch Vermengung gemäß § 948 i.V.m. § 947 II BGB auf den V überging (s.o.), ist konsequenterweise eine Nichtleistungskondiktion gem. § 951 BGB (Rechtsgrundverweisung) i.V.m. § 812 | 1 2. Alt. BGB anzunehmen".

Kann jemand nachvollziehen warum die letzte Leistung vom bisherigen abweicht oder Aufschluss darüber geben worauf es bei der Leistung eines Minderjährigen ankommt?! :)
jona7317
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Re: Bereicherungsrecht, Leistung eines beschränkt Geschäftsfähigen

Beitrag von jona7317 »

Ja, die Leistung eines Minderjährigen wird in beiden Fällen bejaht. Mit der Ansicht, Minderjährige können generell nicht leisten, befindet man sich auch in der absoluten Minderheit.

Der Unterschied zw. den beiden Fällen ist, das im ersten Fall eine fremde Sache und im zweiten anscheinend eine eigene geleistet wird. Die dingliche Einigung iRv § 929 S. 1 BGB ist ein normales Rechtsgeschäft des Minderjährigen, auf das die §§ 104 ff. BGB Anwrndung finden.
Die Übereignung einer fremden Sache ist für den Minderjährigen aber rechtlich neutral, d.h. weder vor- noch nachteilhaft. Er verliert ja kein Eigentum. Neutrale Rechtsgeschäfte sind nach ganz hM auch bei Minderjährigen wirksam, das folgt aus dem Rechtsgedanken des § 165 BGB.
Deshalb kann er im ersten Fall, weil die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB deshalb wirksam ist, auch das Eigentum leisten.

Im zweiten Fall leistet der Minderjährige wohl sein eigenes Bargeld. Die dingliche Einigung, mit der er sein eigenes(!) Eigentum aufgibt, ist aber nicht neutral sondern nachteilhaft. Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB scheitert deshalb, sodass der Schein weiterhin im Eigentum des Minderjährigen bleibt. Er hat also hier nur den Besitz und nicht das Eigentum geleistet.
JEE
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Re: Bereicherungsrecht, Leistung eines beschränkt Geschäftsfähigen

Beitrag von JEE »

Super Jona vielen Dank! Mir ist das MinderjährigenR und die Zusammenhänge zum SachenR grds. bekannt. Allerdings kann ich hier im Zusammenhang zum BereicherungsR noch immer nicht ganz nachvollziehen wieso der Mj das Eigentum nicht leisten konnte.

Im Fall hat der Mj dem Verkäufer eigenes Geld übergeben, ohne die Einwilligung einzuholen. §§929ff. scheiden damit aus. V hat jedoch das Geld in die Kasse gelegt und es damit mit dem restlichen Geld vermengt. Folge ist der gesetzliche Eigentumserwerb §§948,947.

So sucht Mj nun nach Ansprüchen. § 985 BGB scheidet wegen des gesetzlichen Eigentumserwerbs aus. Und hier geht er dann gem. §§951,812 als Rechtsfortwirkungsanspruch vor.

Es ist klar, dass Mj das Eigentum an V nicht rechtsgeschäftlich übertragen konnte. Aber wieso kommt es hier im § 812 unter "Durch Leistung" überhaupt darauf an? Hier ist die "Leistung" ja gerade keine Willenserklärung. Auch bei der Prüfungspunkt zum Besitz wird allgemein gesagt, dass es für die Bejahung einer Leistung nicht auf die Geschäftsfähigkeit ankommt!?
jona7317
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Re: Bereicherungsrecht, Leistung eines beschränkt Geschäftsfähigen

Beitrag von jona7317 »

Ich bin mir nicht ganz sicher wo genau dein Problem liegt, ich probiers mal ganz kleinschrittig aufzuteilen. Das Minderjährige überhaupt leisten können setze ich dabei mal voraus.

Eine Leistung ist jede ziel- und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.
Du prüfst also i.E. drei Dinge:

1. Ist etwas neues in das Vermögen des Anspruchsgegners gelangt? (Mehrung, deckungsgleich mit dem Prüfungspunkt "etwas erlangt")
2. Hat jemand das mit Absicht in dessen Vermögen befördert? (Zielgerichtet)
3. Und hat er damit einen Zweck verfolgt? (Zweckgerichtet - fast immer zur Erfüllung einer Verbindlichkeit)

Und jetzt prüfst du ganze detailliert und trennst sauber zwischen Eigentum und Besitz:

Besitz
1. Ist etwas neues ins Vermögen des V gelangt?
Ja, Besitz wird gem. § 854 BGB durch die tatsächliche Sachgewalt erlangt. M hat V das Geld gegeben. M hat Besitz erlangt.
2. Hat M das mit Absicht getan?
Ja.
3. Und damit einen Zweck verfolgt?
Ja, er wollte aus seiner Sicht eine (vermeintliche) Verbindlichkeit erfüllen.

Fazit: Den Besitz am Geld hat V durch Leistung des M erlangt.

Eigentum
1. Ist etwas neues ins Vermögen des V gelangt?
Er könnte das Eigentum erlangt haben. Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB scheitert an der Unwirksamkeit der dinglichen Einigung. Er erwirbt Eigentum nur nach §§ 948, 947 II BGB.
2. Hat M das mit Absicht gemacht?
Mit Absicht hat M nur übereignet, das hat ja aber gar nicht geklappt. Das Eigentum hat V erst durch Vermengung erworben. Hat M das denn mit Absicht gemacht? Nein, das ist ein gesetzlicher Eigentumserwerb, der völlig unabhängig von M stattgefunden hat.

Fazit: Das Eigentum hat V nicht durch Leistung des M erlangt, sondern durch Gesetz. Es kommt also nur eine Nichtleistungskondiktion in Betracht.

Macht das mehr Sinn? Klar kommt es für den Begriff der Leistung auf die Wirksamkeit des dinglichen (!) Rechtsgeschäfts an: Die Mehrung des Vermögens muss ja ziel- und zweckgerichtet durch eine Handlung des Leistenden erfolgen. Wenn das Eigentum in Rede steht und die rechtsgeschäftliche Übereignung fehlschlägt kommt nur ein gesetzlicher Eigentumserwerb in Betracht. Der ist aber nie ziel- und zweckgerichtet vom vermeintlich Leistenden herbeigeführt, der "passiert einfach".
Zuletzt geändert von jona7317 am Sonntag 16. April 2023, 12:49, insgesamt 1-mal geändert.
JEE
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Re: Bereicherungsrecht, Leistung eines beschränkt Geschäftsfähigen

Beitrag von JEE »

So kleinteilig habe ich das noch nicht betrachtet. Deine Aufteilung macht komplett sinn. Bei der Eigentumsfrage scheitert es hier also an der zielgerichteten Mehrung fremden Vermögens! So wurde das in der Lösung leider nicht sauber dargestellt. Ich habe wohl nur an die Zweckrichtung gedacht, zu der Du ja dann auch nicht mehr kommst. Die Zweckrichtung beim Eigentum ist ja auch insoweit unproblematisch. Gleichwohl finde ich dann den regelmäßigen Satz "die Geschäftsfähigkeit ist für die Bejahung einer Leistung im Zwei-Personen-Verhältnis nach zutreffender h.M. nicht erforderlich" etwas irreführend. Vielen Dank Dir!
jona7317
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Re: Bereicherungsrecht, Leistung eines beschränkt Geschäftsfähigen

Beitrag von jona7317 »

Als Einleitung ist der Satz ok, kurz feststellen dass die Leistung nicht pauschal aufgrund der Minderjährigkeit ausscheidet.
Es scheitert weniger an der Ziel-/Zweckrichtung als dass der Eigentumserwerb einfach gar nicht durch Verhalten von M herbeigeführt wird. Ziel- und zweckgerichtet kann eben begrifflich schon nur das eigene Verhalten sein. Aber ja, wenn der Erwerb schon nicht durch sein Verhalten bewirkt wird fehlt es eben auch zwingend an der Ziel- und Zweckrichtung.
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