§ 1004 - Zurechnung gem. § 278 BGB bzw § 166

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Fluffy
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§ 1004 - Zurechnung gem. § 278 BGB bzw § 166

Beitrag von Fluffy »

Folgender Fall:

Infolge grober Fahrlässigkeit seitens des Architekten hat N sein Haus einen Meter auf das Nachbargrundstück des E gebaut. Was kann E von N verlangen?


Lösung:

I. SE wegen Pflichtverletzung des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses gem. § 280 I BGB I.V.m. § 278 (-) da der Architekt zwar Erfüllungsgehilfe ist, aber die h.M. ein gesetzliches SV verneint, da die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz des Nachbarn genügen.

II. Anspruch gem § 1004 auf Beseitigung
Tatsächliche Störung liegt vor, Rechtswidrigkeit ist gegeben (grobe Fahrlässigkeit des Architekten).
(Jetzt kommt mein Problem:) Eine Zurechnung zum Bauherrn nach § 278 scheitert am fehlenden Schuldverhältnis. Die grobe Fahrlässigkeit des Architekten wird aber entsprechend § 166 dem Bauherrn zugerechnet. Damit scheidet § 912 I aus. [Anders ist dies nach h.M. beim Verschulden eines Bauunternehmers und dessen Personals. In diesem Fall hat die Rspr. eine Zurechnung über § 278, § 166 I analog bzw. über § 831 analog abgelehnt.]


1. Wieso scheitert die Zurechnung gem. § 278 am fehlenden SV ? Der Bauherr N und der Architekten haben doch ein SV !?

2. Und wieso wird es in dem Fall eines Bauuunternehmers und dessen Personal abgelehnt ? Das Personal ist doch eindeutig Erfüllungsgehilfe. Ich verstehe nicht warum die Zurechnung über § 278 dann nicht gehen soll?!
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DiffMan
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Re: § 1004 - Zurechnung gem. § 278 BGB bzw § 166

Beitrag von DiffMan »

Fluffy hat geschrieben: 1. Wieso scheitert die Zurechnung gem. § 278 am fehlenden SV ? Der Bauherr N und der Architekten haben doch ein SV !?
Das Schuldverhältnis muss zwischen N und dem Nachbarn bestehen. Das wird klar, wenn du dir die allgemeine Definition eines Erfüllungsgehilfen als jemanden, der mit Wissen und Wollen des des Schuldners in dessen Pflichtenkreis tätig wird, deutlich machst.
Zwischen N und seinem Nachbarn besteht aber nach ganz h.M. kein Schuldverhältnis, sondern ein nachbarschaftliches Gemeinschaftsverhältnis, das nur besondere Duldungspflichten statuiert.

Edit: Dass das Schuldverhältnis zwischen N und dem Architekten nicht ausreicht, wird auch bei der Gegenprobe deutlich: Würde es ausreichen, könnten ja sämtliche Pflichtverletzungen über § 278 BGB zugerechnet werden, wenn nur zwischen Geschäftsherrn und Ausführendem ein Schuldverhältnis besteht. Damit würde § 831 BGB leer laufen.
Fluffy
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Re: § 1004 - Zurechnung gem. § 278 BGB bzw § 166

Beitrag von Fluffy »

Ahh, ok. Jetzt macht es Sinn. Ich hab ans falsche SV gedacht oder an eine analoge Anwendung des § 278 oder so. Aber so passt es. Das man dann § 166 I anwendet macht Sinn (analog weil es keine WE ist nehme ich an ?!).

Aber wieso trifft dies nicht auf einen Bauunternehmer und sein Personal zu - mit welcher Begründung wird denn dort plötzlich auch der § 166 I analog verneint ?
Rudelfuchs
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Re: § 1004 - Zurechnung gem. § 278 BGB bzw § 166

Beitrag von Rudelfuchs »

Ich habe auch einen solchen Fall gelöst, mit dem Unterschied, dass zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner ein Schuldverhältnis bestand; nämlich eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Dennoch wurde in der Lösung § 278 BGB mit einem Satz verneint, weil keine Sonderverbindung zwischen Gläubiger und Schuldner bestehen würde. So recht verstehe ich das ganze hier daher nicht.

Hier der Sachverhalt des Falles: B führt ein Restaurant und wirft eines Tages Werbung ihres Restaurants in den Briefkasten der A, obwohl diese auf dem Briefkasten die Anmerkung "Keine Werbung" angebracht hat. Anschließend fordert A die B auf, den Einwurf von Werbung zu unterlassen und hierfür die beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. B unterzeichnet. Dann will B auf Nummer sicher gehen und nicht mehr selbst Werbung in Briefkästen werfen, sondern dies von einem professionellen Unternehmen machen lassen. Dieses Unternehmen wirft dann fälschlicherweise wieder bei A Werbung der B in den Briefkasten. B sagte dem Unternehmen vorher ausdrücklich, insbesondere bei A keine Werbung in dem Briefkasten zu werfen. Ist das Unternehmen hier nicht Erfüllungsgehilfe der Unterlassungspflicht der B aus der Unterlassungserklärung, mit der Folge, dass § 278 BGB iRd § 1004 I 2 BGB anwendbar ist?
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Re: § 1004 - Zurechnung gem. § 278 BGB bzw § 166

Beitrag von FelixFelicis »

Da findet mit Sicherheit eine Zurechnung nach § 278 statt. Ich habe allerdings mal den fast identischen Fall behandelt, in dem die strafbewehrte Unterlassungserklärung von einem falsus procurator für den B abgegeben wurde und erst im Anschluss genehmigt wurde. Möglicherweise liegt hier eine Konstellation vor, in der die Genehmigung abgelehnt wurde?
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Re: § 1004 - Zurechnung gem. § 278 BGB bzw § 166

Beitrag von StudiVader315226 »

FelixFelicis hat geschrieben: Sonntag 31. Juli 2022, 13:29 Da findet mit Sicherheit eine Zurechnung nach § 278 statt. Ich habe allerdings mal den fast identischen Fall behandelt, in dem die strafbewehrte Unterlassungserklärung von einem falsus procurator für den B abgegeben wurde und erst im Anschluss genehmigt wurde. Möglicherweise liegt hier eine Konstellation vor, in der die Genehmigung abgelehnt wurde?
Da hätte ich auch eine Frage: Jetzt gibt also C als falsus procurator für B diese Unterlassungserklärung ab. B genehmigt nicht, die Erklärung ist unwirksam und A kaann Erfüllung oder Schadenersatz wählen. Aber was hieße denn "Erfüllung" hier? Bei einem Kauf-, Miet- etc. -Vertrag ist es klar (und häufig wird die Leistung, z.B. Erfüllung des Quasi-Dienstvertrags, für den falsus procurator subjektiv unmöglich sein z.B. wegen fehlender Qualifikation o.Ä.). Aber: Die Erfüllung der Unterlassungserklärung besteht och im Unterlassen der Handlung, also des Einwerfens von Werbung. Das ist C durchaus möglich, aber C wollte doch nie Werbung einwerfen (er war ja nur falsus procurator), also... ist Erfüllung immer gegeben? Oder muss zum Unterlassen noch etwas hinzukommen?
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Re: § 1004 - Zurechnung gem. § 278 BGB bzw § 166

Beitrag von FelixFelicis »

StudiVader315226 hat geschrieben: Freitag 5. August 2022, 00:05
FelixFelicis hat geschrieben: Sonntag 31. Juli 2022, 13:29 Da findet mit Sicherheit eine Zurechnung nach § 278 statt. Ich habe allerdings mal den fast identischen Fall behandelt, in dem die strafbewehrte Unterlassungserklärung von einem falsus procurator für den B abgegeben wurde und erst im Anschluss genehmigt wurde. Möglicherweise liegt hier eine Konstellation vor, in der die Genehmigung abgelehnt wurde?
Da hätte ich auch eine Frage: Jetzt gibt also C als falsus procurator für B diese Unterlassungserklärung ab. B genehmigt nicht, die Erklärung ist unwirksam und A kaann Erfüllung oder Schadenersatz wählen. Aber was hieße denn "Erfüllung" hier? Bei einem Kauf-, Miet- etc. -Vertrag ist es klar (und häufig wird die Leistung, z.B. Erfüllung des Quasi-Dienstvertrags, für den falsus procurator subjektiv unmöglich sein z.B. wegen fehlender Qualifikation o.Ä.). Aber: Die Erfüllung der Unterlassungserklärung besteht och im Unterlassen der Handlung, also des Einwerfens von Werbung. Das ist C durchaus möglich, aber C wollte doch nie Werbung einwerfen (er war ja nur falsus procurator), also... ist Erfüllung immer gegeben? Oder muss zum Unterlassen noch etwas hinzukommen?
Zwischen Geschäftsgegner und dem Falsus Procurator entsteht im Grundsatz ein gesetzliches Schuldverhältnis, das inhaltsgleich mit dem Vertrag ist, der vom Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossen wurde.
Ich würde den Unterlassungsanspruch des Vertragsverhältnisses hier als höchstpersönlich einordnen, da er nur vom Vertretenen selbst erbracht werden kann, sodass ein Erfüllungsanspruch gegen den Falsus Procurator ausgeschlossen ist.
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