Aktuelles aus dem Zivilrecht

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

Moderator: Verwaltung

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Sektnase
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von Sektnase »

Zum Glück folgt der BGH der engen Auslegung. Ansonsten wären Grundzüge nur nicht Fälle, auf die man gar nicht kommen kann :D
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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thh
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von thh »

Seeker hat geschrieben: Freitag 15. Januar 2021, 19:39Rn. 6:

"Die Beschränkung auf die „Grundzüge“ eines Rechtsgebiets bedeutet, dass einerseits die allgemeinen Grundlagen dieses Sachgebietes, andererseits aber auch einzelne Fragenkreise im Überblick geprüft werden können, die nach dem Inhalt und der Häufigkeit, mit der sie sich stellen, von erheblicher Bedeutung sind, wobei sich diese erhebliche Bedeutung auf die notarielle Amtstätigkeit bezieht.(...) Lediglich darf Einzelwissen in seltenen und atypischen Spezialfragen, die sich in der beruflichen Praxis kaum jemals stellen können, in der Prüfung nicht als präsentes Wissen abgefragt werden. Nur Fragen, die nach den mit ihnen gestellten Anforderungen außerhalb dieses Rahmens liegen, sind unzulässig."
Dabei wird man berücksichtigen müssen, dass es sich - noch mehr als das zweite Staatsexamen - um eine Praktikerprüfung handelt; immerhin werden dort Volljuristen in juristischen Fragen geprüft. Daher wird auch auf die Bedeutung für die berufliche Praxis abgestellt.
Seeker hat geschrieben: Freitag 15. Januar 2021, 19:39"Grundzüge" heißt, wenn ich das hier richtig verstehe, also im Wesentlichen: geprüft werden darf alles, außer atypische Einzelfälle, die kaum jemals auftreten. Wie unterscheiden sich die "Grundzüge" dann überhaupt vom übrigen Prüfungsstoff? Dort dürfen dann auch atypische, kaum je auftretende Einzelfälle geprüft werden?
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 NotFV lauetet: "Der Prüfungsstoff umfasst, soweit diese Rechtsgebiete für die notarielle Amtstätigkeit von Bedeutung sind, [...] das Recht der Personengesellschaften und Körperschaften einschließlich der Grundzüge des Umwandlungs- und Stiftungsrechts,[...] "

Der Senat führt aus, dass die Klausur primär Handelsrecht, das Recht der Personengesellschaften und Körperschaften und das notarielle Kostenrecht geprüft hat und zwar "eine Vielzahl von Vorschriften des Umwandlungsgesetzes zu erkennen und zu erwägen" war, aber "mehr als eine Anwendung des jeweiligen Wortlauts der Vorschriften [...] nicht erforderlich" war. "Einzelwissen in seltenen und atypischen Spezialfragen wurde nicht abgefragt."

Man muss also einen Überblick über das Gebiet haben und einzelne Fragen von besonderer praktischer Bedeutung anhand des Gesetzestextes (!) bearbeiten können, aber gerade über kein Einzelwissen zu speziellen Fragen verfügen, die in der beruflichen Praxis keine Rolle spielen.

Wenn man bedenkt, dass bspw. im 2. Staatsexamen (JAPrO BW) das HGB und das Gesellschaftsrecht sowie IPR und Europarecht insgesamt nur "im Überblick" zum Pflichtstoff gehören, halte ich die Entscheidung für naheliegend. Es erschiene mir wenig überraschend, wenn handels- und gesellschaftrechtliche Kenntnisse im Examen nicht den Schwerpunkt der Klausur bilden dürfen, aber zu ihrer Lösung vorhanden sein müssen.

Gescheitert ist in dem der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Verfahren die Rechtsanwältin übrigens an der Aufgabe, dass ein Tiefbauunternehmen als "Personengesellschaft" fortgeführt werden sollte, "in der weder [der Erwerber] selbst noch sonst eine natürliche Person unbeschränkt haftet". Weiter hieß es: "Der Empfehlung des Steuerberaters folgend soll eine GmbH & Co. KG geschaffen werden." Dass "Ausführungen zur offenen Handelsgesellschaft und Gesellschaft bürgerlichen Rechts [...] daher nicht mehr vertretbar" waren, erscheint mir wenig überraschend. Und ich beherrsche noch nicht einmal das Handels- und Gesellschaftsrecht auch nur in den Grundlagen. :)
Seeker
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von Seeker »

Ich verstehe die konkrete Entscheidung schon, ich störe mich nur etwas an der allgemeinen Definition, gerade in Abgrenzung zum sonstigen Prüfungsstoff.

Wenn "in Grundzügen" heißt: "Lediglich darf Einzelwissen in seltenen und atypischen Spezialfragen, die sich in der beruflichen Praxis kaum jemals stellen können, in der Prüfung nicht als präsentes Wissen abgefragt werden.", dann stellt sich doch die Frage, wie "Grundzüge" von "nicht nur Grundzüge" (übriger Stoff) abzugrenzen sind.

"Es erschiene mir wenig überraschend, wenn handels- und gesellschaftrechtliche Kenntnisse im Examen nicht den Schwerpunkt der Klausur bilden dürfen"

In BW habe ich selbst eine Originalklausur zum ersten Examen geschrieben, welche ausschließlich von der Vor-GmbH und der Haftung der Gesellschafter handelte. Ein Schwerpunkt der Klausur war das allemal.
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von Strich »

Bei dieser Stelle habe ich laut gelacht ^^
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von Ant-Man »

Zuck, Ist Ugah Ugah eine rassistische Äußerung?, in: NZA 2021, 166 ff. und die NZA-Stellungnahme zu diesem Kommentar auf beck-online: "Der Beitrag ist auf vielfältige Kritik gestoßen. [...] Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von dem Kommentar. Der Beitrag hätte nicht erscheinen dürfen. Wir entschuldigen uns in aller Form."
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von Tibor »

Auf Linkedin haben gestern schon allerhand Leute gepostet, dass sie nun bei Beck doch nicht mehr Autor sein wollen ...
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von schuper »

irgendjemad den Aufsatz gelesen? Berechtigte Kritik?
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Tibor
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von Tibor »

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batman
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von batman »

Dazu müsste man den Inhalt der im Einzelnen Kritik kennen. Sonderbar mutet m.E. an, dass der Auto die BVerfG-Entscheidung verfassungsrechtlich beleuchten will, aber dann eher in den Bereich Sprachgeschichte und Tierlaute übergeht (mit dem Zwischenergebnis, "Ugah ugah" sei kein Affenlaut, sondern der Laut eines erfundenen Steinzeitmenschen, welcher keiner Rasse zugeordnet war).

Edit: Danke @Tibor für die Links.
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von OrangensaftEddy »

Tibor hat geschrieben: Freitag 12. Februar 2021, 09:27 https://uebermedien.de/57401/aus-freude-am-rassismus/

https://www.lto.de/recht/hintergruende/ ... digt-sich/

Der Beitrag ist über Beck-Online noch abrufbar.
Der Autor hat sich Mühe gegeben kein Rassist zu sein, sein Gedankengut kam trotzdem hervor.
Kurz vor der Ziellinie...
Man kann dafür plädieren, Kinderbücher unangetastet zu lassen und den Begriff „Rasse“ im Grundgesetz zu belassen (ich bin in beiden Fällen übrigens genau dieser Auffassung).
Wenn jemand dafür plädiert, den Begriff "Rasse" im Grundgesetz zu belassen, der ist per se ein Rassist.
Rassist kann nur derjenige sein, der der Rassenlehre folgt.
Konkret heisst das, das man daran glaubt, dass der Mensch in unterschiedliche Rassen kategorisiert werden kann. Ergo ein Rassist.
Unterschiede zwischen Menschen gibt es, die gibt es aber auch innerhalb einer "Rasse". Das ist es also nicht.
Solange das Wort "Rasse" nicht geschtrichen wird, basiert das Grundgesetz, zumindest zum Teil, auf der Rassenlehre und Rassentheorie aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts.

Zuck ist ein Rassist, wenn er dieser Lehre folgt und sie verbreitet, eben so der Kläger. Wenn Zucks Äußerungen oder die des Klägers auf dieser Vorstellung beruhen, dann waren es auch rassistische Äußerungen.
Ich folge der rassistischen Lehre nicht, verbreite sie auch nicht und bin ergo kein Rassist.
Davon ausgenommen sind natürlich kulturelle Vorurteile und Fehlvorstellungen, Fremdenfeindlichkeit etc.
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von scndbesthand »

Ich habe noch nicht verstanden, warum man meint, das Verbot der Diskriminierung aufgrund von „Rasse“ aus dem GG streichen zu können und damit im Kampf gegen Rassismus etwas zu gewinnen glaubt. Den materiellen Gehalt des Diskriminierungsverbots will man wohl kaum einschränken. Man muss das Verbot also mit anderen Worten zu beschreiben versuchen, ohne dabei unbeabsichtigte Rechtsänderungen herbeizuführen.

Die Änderung hätte allenfalls Symbolwirkung. Aber nur, weil dann im Grundgesetz für den kleinen Kreis der rechtskundigen (und mit der bisherigen Fassung von Art. 3 vertrauten) Leser klargestellt ist, dass Menschen keine Rasse haben, verschwindet Rassismus in Praxis nicht. Es würde aufgrund der bisherigen Fassung ja auch kaum jemand auf die Idee kommen, dass Rasse eine staatlich anerkannte Kategorie wäre.
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von OrangensaftEddy »

Meiner Meinung nach, musst du bei so einem "Kampf" mehrere Perspektiven berücksichtigen.

Das ist einerseits die juristische und in diesem Kontext dann vllt. fragwürdige/sinnlose Änderung, wenn es um das Schutzgut des Artikels geht.
Das ist Juristerei und betrifft, ja, den "kleinen" Kreis von Juristen. Dieser kleine Kreis ist allerdings stark vertreten in Führungspositionen.
Die Frage ist: Macht das etwas mit dem Denken und Handeln? Ist man als Jurist frei von Rassismus?
Vor allem ist Juristerei auch kein isoliertes Ding, auf das man sich ausruhen kann, sondern das Ergebnis vieler verschiedene Ströme und muss deswegen, von Natur aus, offen sein für gesellschaftliche Veränderungen. Das Recht sollte wie ein angenehm zu tragendes Korsett sein, dass ich um den Menschen legt. Flexibel und leicht.
Selbstverständlich auf eine juristische korrekte Art und Weise.

Andererseits die naturwissenschaftliche, die zwingend eine Änderung vorschreibt.
"Unrichtiges" (in Anführungszeichen für jmd. der eine Alternative Ansicht hat) ist zu korrigieren. Wenn wir uns einig sind, dass die Rassenideologie unrichtig ist, dann muss der Begriff konsequenterweise gestrichen werden weil unrichtig.

Dazu kommt noch die emotionale, nämlich eben die Symbolwirkung, die auch nicht zu unterschätzen ist, besonders wenn es sich um das Grundgesetzbuch handelt, ein nach/vor der Bibel wohl wichtigste Buch in Deutschland.


Gegenbeispiel zur Verdeutlichung:
Die Psychologie ist eine junge Wissenschaft und macht viele Fehler. So wurde Homosexualität nicht nur gesellschaftlich (mit Sicherheit unter religiösen Einflüssen) stigmatisiert, aber auch "wissenschaftlich/medizinisch" pathologisiert.
Das aus dem ICD (International Classification of Diseases) zu streichen, hat nicht die Homophobie besiegt. Hat mit Sicherheit aber nicht geschadet, Homosexuelle nicht mehr als kranke zu sehen.
Hätte man also weiterhin Homosexuelle pathologisieren sollen?


Oft sind es viele kleine Schritte die einen Kampf gewinnen um in deiner Metapher zu bleiben, deren Wirkung auch erst wie in einem Boxkampf sich addieren um dann irgendwann in der 5. Runde KO zu gehen.
Kann natürlich auch in der ersten Runde passieren, muss aber dann ein saftiger Schlag sein.
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von Ant-Man »

schuper hat geschrieben: Freitag 12. Februar 2021, 09:09 irgendjemad den Aufsatz gelesen? Berechtigte Kritik?
Gibt man in beck-online die Fundstelle (NZA 2021, 166) ein, erscheint nur noch eine weiße Seite. Anscheind wurde Beitrag aus beck-online entfernt.
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batman
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von batman »

Das muss im Laufe des heutigen Tages passiert sein.
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Tibor
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Re: Aktuelles aus dem Zivilrecht

Beitrag von Tibor »

In der Tat, aktuell blank-Page. Und ich habe heute Vormittag noch überlegt, ob ich nen PDF speichere.
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