Grundrechtsschutz in der Ehe

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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doohan
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Grundrechtsschutz in der Ehe

Beitrag von doohan »

Hallo,

letztes Jahr habe ich (Laie/Jura-Fan) nebenan im Forum Strafrecht unter dem Thema "Anhörungsrüge - und dann?" letztlich eine Problematik aufgeworfen, wo öffentliche, strafrechtliche und zivilrechtliche Aspekte ziemlich stark kollidieren. Der Thread endete dann in der latenten Vermutung, dass - entgegen oben, groß, rot - um mögliche unterhaltsrechtliche Fragen ging. Ich habe das Thema deshalb erstmal ruhen lassen und will es jetzt aus zivilrechtlicher Sicht nochmal angehen.

Kurz das Ausgangsszenario (mit den Erkenntnissen von damals neu definiert): Der im Strafverfahren wegen eines Sexualverbrechens Angeklagte A war früher mit mit der Ehefrau E des Dritten D liiert. Zur Glaubwürdigkeitsprüfung der Aussagen von E bzgl. des Intimlebens mit A wird im Rahmen des Strafverfahrens unter Ausschluss der Öffentlichkeit das eheliche Sexualleben zwischen E und D beleuchtet. D wird dabei nicht gehört.

Unter der Annahme, dass hier der (eheliche) Kernbereich privater Lebensgestaltung von E und D betroffen ist, vertrat ich seinerzeit die Ansicht, dass dann neben E auch D diesbezüglich zu hören seien (neben den damals ausgetauschten Argumenten spricht übrigens auch BVerfGE 76, 1, Rn. 90 f. bei juris dafür). Allerdings stellte sich heraus, dass in dieser Konstellation die StPO diesbezüglich de lege lata nichts hergibt. Auch stellte sich die Frage, wie bei einer theoretisch gemeinsamen Befragung von E und D (was die StPO explizit nicht vorsieht) der Intimbereich zwischen E und A, soweit er der Kernbereichsregelung unterfällt, gegenüber D geschützt wird.

Nun habe ich damals einen Schritt zurück gedacht: E ist die Auskunftsgeberin und kann dafür erst mal wegen § 48 Abs. 1 S.2 StPO nicht verantwortlich gemacht werden; die notwendigen Aussagen über das Intimleben sind unmittelbar der richterlichen Vernehmung zuzuschreiben und liegen damit nicht im Verantwortungsbereich der E (nur um obige latente Unterhaltsvermutung mal gleich zu entkräften).

Um den Grundrechtsschutz von D sicherzustellen, kam mir folgender Gedanke: nach § 1353 BGB hat jeder Ehegatte über das Intimleben nach außen nichts auszuplaudern (MüKo 1353 BGB). Sie haben ferner füreinander Verantwortung; d. h. E ist im Rahmen der Vernehmung für die Wahrnehmung strafprozessualer Möglichkeiten des D auch Garant.

Auch im Hinblick auf § 1359 BGB, der vorstehende Garantenfunktion einschränkt: könnte D von E auf Basis des § 1353 BGB daher verlangen, sich eines fachkundigen Rechtsbeistands zu bedienen UND die möglichen juristischen Mittel (z. B. §242 StPO) zum Schutz der ehelichen Intimsphäre einzusetzen (statt z. B. die Vernehmung einfach hinter sich zu bringen)? Mit §68b Abs. 1 S. 4 Variante 2 StPO sollte das aufgrund der Garantenpflicht von E ja nicht kollidieren; die Rechtsmittelfreiheit von E wäre auch nicht beschränkt.

Falls ja: könnte D auch verlangen, sich auf einen gemeinsamen (!) Rechtsbeistand zu einigen und selbigen dann seine Rechtshaltung nahebringen, um ein entsprechendes rechtliches Agieren bei der Vernehmung sicherzustellen? Dann wäre der gesetzliche Grundrechtsschutz immerhin theoretisch gewährleistet.
stilzchenrumpel
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Re: Grundrechtsschutz in der Ehe

Beitrag von stilzchenrumpel »

Ohne nähere Kenntnis des Vorgangs letztes Jahr lässt mich dein "Grübeln" über den Fall auch ein Jahr später vermuten, dass es weiterhin auf Rechtsberatung zu einem tatsächlichen Fall hinausläuft.
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
doohan
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Re: Grundrechtsschutz in der Ehe

Beitrag von doohan »

stilzchenrumpel hat geschrieben: Freitag 17. September 2021, 17:38 Ohne nähere Kenntnis des Vorgangs letztes Jahr lässt mich dein "Grübeln" über den Fall auch ein Jahr später vermuten, dass es weiterhin auf Rechtsberatung zu einem tatsächlichen Fall hinausläuft.
*Seufz*... du hast insofern recht, dass mich die Fragestellung schon länger beschäftigt. Das kannst du allein schon daran erkennen, wenn du nach meinen Postings hier im Forum suchst. Da ist das Thema in irgendwelchen Teilaspekten fast immer präsent.

Mein eigentliches Hobby ist Verfassungsrecht; ins Strafrecht hab ich mich nur insoweit eingelesen, als dass ich es nicht glauben kann, dass im Rechtsstaat D in Sachen rechtliches Gehör dort Passagier sein soll. Vom Zivilrecht habe ich noch weniger Ahnung. Das habe ich zwischenzeitlich in meinen Postings auch immer wieder so geschrieben.

Das Ding ist eben meine Knobelaufgabe. Aber gut, kein Thema muss hier bearbeitet werden - auch nicht meines.
Praxiskommentar
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Re: Grundrechtsschutz in der Ehe

Beitrag von Praxiskommentar »

Wie schützt es denn den D, wenn er auch gehört wird? Welches Interesse sollte D denn haben, vor einem Gerichtssaal voller Fremder, irgendwelche Details über sein Sexualleben darzulegen zu einem Fall, der ihn nicht betrifft?

Die wichtigere Frage wäre doch, für welche Fragen E, die offenbar nicht das Opfer der potentiellen Straftat ist, überhaupt als Zeugin gehört wird und inwiefern zulässig ist, sie zu ihrem eigenen Sexualleben zu befragen.
doohan
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Re: Grundrechtsschutz in der Ehe

Beitrag von doohan »

Praxiskommentar hat geschrieben: Freitag 17. September 2021, 23:04 Wie schützt es denn den D, wenn er auch gehört wird? Welches Interesse sollte D denn haben, vor einem Gerichtssaal voller Fremder, irgendwelche Details über sein Sexualleben darzulegen zu einem Fall, der ihn nicht betrifft?
E möchte einfach die Vernehmung hinter sich bringen, D überhaupt die Erhebung unterbinden.
Praxiskommentar hat geschrieben: Freitag 17. September 2021, 23:04 Die wichtigere Frage wäre doch, für welche Fragen E, die offenbar nicht das Opfer der potentiellen Straftat ist, überhaupt als Zeugin gehört wird und inwiefern zulässig ist, sie zu ihrem eigenen Sexualleben zu befragen.
Ich schrieb bereits, dass das eheliche Sexualleben zwischen E und D beleuchtet wird.

Zu deiner Frage bzgl. der Zulässigkeit etwas Verfassungs- und Strafrecht: Die richterliche Befragung eines Zeugen zu seinem (ehelichen) Intimleben ist immer ein Grundrechtseingriff. Erzwingt ein Gericht eine Aussage auf Basis §48 StPO aus dem Bereich, dann greift es in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf Schutz der Privatsphäre beider Ehegatten ein ein (so Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 GG Rn. 151 f.). Außerdem ist in das Grundrecht nach Art. 6 GG eingegriffen, welches dem Schutz der Privatsphäre von Ehe und Familie vor äußerem Zwang durch den Staat dient (BVerfGE 6, 55 Rn. 50). Wichtig dabei: nach BVerfGE 76, 1 Rn. 90 f. i. V. m. Maunz, Dürig, Badura Art. 6 GG Rn. 74 erfolgt der Eingriff dabei jeweils gegenüber BEIDEN Ehegatten.

Nun geht bekanntermaßen die Wahrheitsermittlung im Strafverfahren dem Schutz individueller Schutzinteressen eines Zeugen vor. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht ein Zeugnisverweigerungsrecht aus der Verfassung heraus anerkannt, wenn in die (rechtliche) Intimsphäre nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG eingegriffen wird. Ob dem der Fall ist (d. h. der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen ist), hat der Richter abzuwägen; ggf. steht dem Zeugen der Rechtsweg (242, 304 StPO) offen.

Damit ein Sachverhalt dem Kernbereich privater Lebensgestaltung unterliegt, müssen drei Faktoren gegeben sein: 1. möchte der Betroffenen diesen geheim halten, 2. muß der Sachverhalt seinem Inhalt nach höchstpersönlichen Charakters sein und 3. hängt es davon ab, wie stark und in welcher Art und Weise der Sachverhalt aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gesellschaft berührt.

Daraus wird deutlich, dass der Sexualbereich nicht per se dem Kernbereich privater Lebensgestaltung angehört. Ein Vergewaltiger dringt massiv in die Sphäre seines Opfers ein und bricht damit die dritte Regel. Der (freiwillige und gewollte) Beischlaf unter Ehegatten ist hingegen dem Kernbereich zuzuordnen. Dazwischen dürfte es in der Realität etliche Abstufungen geben.

Eine Frage hierüber muß also nicht den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betreffen - kann es aber. Der Zeuge (und aus obigen Erwägungen der Ehegatte) hat aber das Recht, das prüfen zu lassen. Nur wie soll das gehen, wenn der Ehegatte ausgeschlossen ist? Dann ist D entrechtet und entwürdigt. Und da brechen dann eben alle juristischen Dämme....
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