Stellungvertretung (rechtliches Können & Dürfen)

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Jura_Freiburg
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Stellungvertretung (rechtliches Können & Dürfen)

Beitrag von Jura_Freiburg »

Hallo zusammen,
ich bereite mich gerade auf meine erste Klausur im Zivilrecht vor und hätte da mal eine Frage zur Stellvertretung:
Wenn jetzt der Vertretene zum Vertreter sagt, er solle doch bitte ein Fahrrad für max. 200 € kaufen und der Vertreter ein Fahrrad für 300 € kauft, wie ist dann vorzugehen?
Ich dachte anfangs, dass man es so lösen kann:
Zulässigkeit der Stellvertretung (+)
Abgabe einer eigenen WE (+) --> Hat 100 € mehr ausgegeben und somit Entscheidungsspielraum
Offenkundigkeitsprinzip (+)
Vertretungsmacht (P)
a) Erteilung der Vollmacht --> Hier Innenvollmacht § 167 I Alt. 1 (+)
b) Überschreitung der Vollmacht?
aa) Der Umfang ist für einen objektiven Empfänger auszulegen. Für einen Empfänger ist es nicht ersichtlich, weshalb der Vertreter max. 200 €
ausgeben soll. Für ihn ist die Vollmacht somit nicht beschränkt.
bb) Abstraktheit: Die Beschränkung auf 200 € ist lediglich im Innenverhältnis (Grundverhältnis) zwischen Vertreter und Vertretenen geschlossen
worden. Dieses ist losgelöst vom Vertretungsgeschäft zu sehen --> Vertretene hat sich selbst dazu entschieden, einen Vertreter einzuschalten und
trägt mithin das Risiko des Missbrauchs der Vertretungsmacht.
c) Die Stellvertretung ist somit wirksam. Der Vertretene hätte im Innenverhältnis dann noch einen Schadensersatzanspruch aus den §§ 280 ff.

Soweit meine Überlegung. Ich habe nun jedoch einen Fall gesehen, indem gesagt wurde, dass diese Beschränkung auch für den Kauf gilt. Rein von meinem Gefühl wäre das doch stark unfair. Der Geschäftspartner hat keine Möglichkeit, Kenntnis über das Grundverhältnis zu erlangen und wäre dann auf die Zahlungsfähigkeit des Vertreters ohne Vertretungsmacht angewiesen.

Über eine Antwort würde ich mich freuen!
OJ1988
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Re: Stellungvertretung (rechtliches Können & Dürfen)

Beitrag von OJ1988 »

Die Bevollmächtigungserklärung selbst ist ebenfalls auszulegen (aus der Sicht des Bevollmächtigten als deren Adressat). Würde ein objektiver Dritter aus Sicht des Bevollmächtigten nun wirklich auf die Idee kommen, die Aussage "max. 200 €" sei lediglich eine Beschränkung im Innenverhältnis?
Jura_Freiburg
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Re: Stellungvertretung (rechtliches Können & Dürfen)

Beitrag von Jura_Freiburg »

Achso... Ja also ein objektiver Empfänger würde ja dann sagen, dass er auch im Vertretergeschäft maximal 200 € ausgeben darf. Aber inwieweit gefährdet das denn dann die Rechtssicherheit, wenn der Geschäftspartner, im Falle der Verweigerung der Genehmigung, sich nur an den Vertreter nach § 179 I wenden kann.
OJ1988
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Re: Stellungvertretung (rechtliches Können & Dürfen)

Beitrag von OJ1988 »

Jura_Freiburg hat geschrieben: Mittwoch 6. Oktober 2021, 15:17 Achso... Ja also ein objektiver Empfänger würde ja dann sagen, dass er auch im Vertretergeschäft maximal 200 € ausgeben darf. Aber inwieweit gefährdet das denn dann die Rechtssicherheit, wenn der Geschäftspartner, im Falle der Verweigerung der Genehmigung, sich nur an den Vertreter nach § 179 I wenden kann.
Der Dritte kann (und sollte) auf die Vorlage einer Vollmachtsurkunde bestehen und sich nicht auf mündliche Aussagen verlassen. Macht er das, kann er sich auf die in der Vollmachtsurkunde eingeräumte Vertretungsmacht verlassen, § 172 BGB.
Sektnase
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Re: Stellungvertretung (rechtliches Können & Dürfen)

Beitrag von Sektnase »

Überleg dir mal die Konsequenz deiner Ansicht: du problematisierst die Vertretungsmacht und prüfst die Ermächtigung, um den Rechtsverkehr zu schützen nimmst du dann aber nur aufgrund der Stellvertretung Vertretungsmacht an. Damit würde es ein Übersteigen einer (irgendwie bestehenden) VM ja nie geben.

Das kann nicht sein. Andererseits gibt es Fälle, in denen die Rechtsfolge sachgerecht ist. Einen hat OJ genannt, zwei andere wären Duldungs- oder Anscheinsvollmacht.

Edit: Einen Missbrauch der VM gibt es nur, soweit diese besteht (der Vertreter also "kann").
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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