VU übersehen

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Joshua
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VU übersehen

Beitrag von Joshua »

Ich habe ein Urteil abgesetzt und verkündet, wobei ich ein vorher ergangenes Versäumnisurteil übersehen habe. § 319 ZPO funktioniert nicht. Bleibt nur die Korrektur in der Berufung, oder?

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
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batman
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Re: VU übersehen

Beitrag von batman »

Taucht das VU auch im Tatbestand nicht auf?
Wird das VU (de facto) aufrechterhalten oder aufgehoben?
Antrag nach § 321 ZPO ist offenbar nicht gestellt worden.
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Strich
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Re: VU übersehen

Beitrag von Strich »

Solange aus dem VU nicht vollstreckt wurde: ein irrelevanter Fehler.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: VU übersehen

Beitrag von Seeker »

1) Gab es denn einen rechtzeitigen Einspruch?

2) "§ 319 ZPO funktioniert nicht." - warum?
Joshua
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Re: VU übersehen

Beitrag von Joshua »

Danke schon einmal.

Ich versuche, die Antworten mal zusammenzufassen:

Das VU taucht auch im TB nicht auf.
Das VU wird der Sache nach zu einem beschränkten Teil aufgehoben.
Die Anträge waren bereits falsch, da ich das VU auch in der Verhandlung konsequent übersehen hatte.
Der Einspruch war innert Frist bei Gericht und auch IÜ zulässig.
319 ZPO scheidet mE aus, da Fehler in der Willensbildung.

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Re: VU übersehen

Beitrag von Seeker »

MüKo § 343 ZPO Rn. 13 und Musielak § 343 ZPO Rn. 2 behaupten, § 319 ZPO sei zulässig. Das habe ich bereits nach wenigen Sekunden der Recherche herausgefunden, vermutlich gibt es noch mehr dazu.
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Strich
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Re: VU übersehen

Beitrag von Strich »

Keine Vollstreckung des VU - keine Auswirkung.
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Joshua
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Re: VU übersehen

Beitrag von Joshua »

@Strich
Da stimme ich dir zu. Unabhängig davon interessiert mich allerdings, ob und inwieweit hier Korrekturmöglichkeiten außerhalb der Berufung bestehen, zumal es mir peinlich ist, wenn das Urteil mit diesem falschen Tenor in die Berufung geht.
@Seeker
Die Fundstellen habe ich nachgelesen. Dabei geht es aber nicht um meinen Fall der teilweisen Aufrechterhaltung und teilweisen Aufhebung des VU, sondern um die Fälle der Aufhebung in Gänze; offenbar ist die Kommentierung durch die Annahme geprägt, dass sich das Weglassen des "VU aufgehoben"-Passus insgesamt mit einem bloßen Vergessen leicht in Übereinstimmung brinen lässt; was bei komplexeren Tenorumstrukturierungen schwerer zu begründen wäre.

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Re: VU übersehen

Beitrag von Liz »

Seeker hat geschrieben:MüKo § 343 ZPO Rn. 13 und Musielak § 343 ZPO Rn. 2 behaupten, § 319 ZPO sei zulässig. Das habe ich bereits nach wenigen Sekunden der Recherche herausgefunden, vermutlich gibt es noch mehr dazu.
Das scheint mir mit Blick auf die übliche Rechtsprechung dazu, was offenbare Unrichtigkeiten im Sinne des § 319 ZPO sind, wenig überzeugend zu sein (es genügt zB nicht, dass ein Streithelfer im Rubrum steht, wenn er danach komplett vergessen worden ist). Es bleibt dann ggf eine Berichtigung des Tatbestandes nach § 320 ZPO (aber nur auf fristgebundenen Antrag) mit ggf anschließender Urteilsberichtigung nach § 321 ZPO.
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Re: VU übersehen

Beitrag von Liz »

Joshua hat geschrieben:(…) offenbar ist die Kommentierung durch die Annahme geprägt, dass sich das Weglassen des "VU aufgehoben"-Passus insgesamt mit einem bloßen Vergessen leicht in Übereinstimmung brinen lässt; was bei komplexeren Tenorumstrukturierungen schwerer zu begründen wäre.
Aber wohl auch nur, wenn das VU auch sonst im Urteil auftaucht und lediglich der Tenor falsch bzw unvollständig ist.
Joshua
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Re: VU übersehen

Beitrag von Joshua »

Liz hat geschrieben: Dienstag 19. Oktober 2021, 20:04
Joshua hat geschrieben:(…) offenbar ist die Kommentierung durch die Annahme geprägt, dass sich das Weglassen des "VU aufgehoben"-Passus insgesamt mit einem bloßen Vergessen leicht in Übereinstimmung brinen lässt; was bei komplexeren Tenorumstrukturierungen schwerer zu begründen wäre.
Aber wohl auch nur, wenn das VU auch sonst im Urteil auftaucht und lediglich der Tenor falsch bzw unvollständig ist.
Nicht zwingend. Die VU-Prozessgeschichte ergibt sich iZw aus dem Akteninhalt iVm (konkl.) Bezugnahme auf diesen bei Antragstellung, § 137 ZPO; durch die vorbehaltlose Antragsstellung und die anschließende Verhandlung wird im Zweifel auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (st. BGH-Rspr.).
Ich sehe das iE aber wie du, schon weil ich das Weglassen des VU im Tenor auch in den in den Kommentaren erwähnten Fällen iZw als Fehler in der Wllensbildung ansehe.
Der Richter, der nur schreibt: "X wird verurteilt an Y..." will jedenfalls in diesem Moment nicht das VU aufheben.

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Strich
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Re: VU übersehen

Beitrag von Strich »

Ich muss meine Ansicht ein wenig revidieren, bzw. eingrenzen:
Sie gilt natürlich nur für den Fall, dass K gegen B ein VU erwirkt hat und nach Einspruch jetzt nichts weiter prozessual passiert und der Beklagte am Ende verurteilt wird. Wird die Klage hingegen abgewiesen, könnte der Kläger mangels Aufhebung des VU (§ 775 Nr. 1 ZPO) wohl weiter aus diesem vollstrecken.

Schwierig wird es auch, wenn eine Widerklage im Spiel ist, auf die der K nach Einspruch verurteilt wird, weil man dann widersprüchliche Entscheidungen hätte: Die Widerklage wird abgewiesen (im VU) und auf die Widerklage hin wird der K verurteilt.
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Re: VU übersehen

Beitrag von OJ1988 »

Bei diesen Themen bin ich immer sehr froh, nur im materiellen Recht unterwegs zu sein.
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