Schadensersatz neben der Leistung bei Unmöglichkeit

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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ben25
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Schadensersatz neben der Leistung bei Unmöglichkeit

Beitrag von ben25 »

Hallo,

ich bin gerade beim Wiederholen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts auf eine Frage gestoßen, auf die ich keine befriedigende Antwort finde.

Folgendes Beispiel: A kauft bei B einen Gebrauchtwagen, der in zwei Wochen geliefert werden soll. Nach Vertragsschluss (oder schon davor) wird das Auto gestohlen und ist nicht mehr auffindbar, was B auch zu vertreten hat. A mietet sich daraufhin nach Verstreichen des geplanten Übergabezeitpunkts übergangsweise einen Mietwagen für 600 €, bis er schließlich einen einigermaßen gleichwertigen Deckungskauf tätigen kann.

Kann A jetzt als einfachen Schadensersatz neben der Leistung aus § 280 I die 600 € von B verlangen?

Etwa im MüKo findet sich die Antwort, dass Folgeschäden bei der Unmöglichkeit zum Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 283 bzw. 311 a II zählen. Looschelders widerspricht dem in seinem Lehrbuch und will aus systematischen Gründen auch einen Schadensersatz neben der Leistung zulassen. Das finde ich grundsätzlich auch ziemlich überzeugend, schließlich würde man auch beim Verzögerungsschaden nach §§ 280 I, II, 286 nicht auf die Idee kommen, die Kosten für so einen Übergangs-Mietwagen nur als Schadensersatz statt der Leistung zuzulassen. A hat ja hier weiterhin ein Interesse an der Leistung an sich, im Fall der Unmöglichkeit eben am Schadensersatz für den objektiven Wert des Autos/den Deckungskauf. Vielleicht will er aber auch gar keinen klassischen Schadensersatz statt der Leistung für den Deckungskauf, sondern stattdessen nutzlose Aufwendungen ersetzt haben (z.B. einen umsonst gebuchten Urlaub), was auch nur dann möglich wäre, wenn man die Kosten für den Mietwagen als Schadensersatz neben der Leistung einstuft.

So weit so gut, mein Problem an der Sache ist jetzt aber: Die anfängliche Unmöglichkeit stellt ja keine Pflichtverletzung nach § 280 I dar (hat ja seinen Grund, dass § 311 a eine eigene Anspruchsgrundlage ist) und § 311 a verweist außerdem gerade nicht auf den "einfachen" § 280 I. Damit scheidet dieser als Anspruchsgrundlage ja eigentlich kategorisch aus und diese Lösung mit dem Schadensersatz neben der Leistung würde nur bei nachträglicher Unmöglichkeit funktionieren. Ob die Leistung anfänglich oder nachträglich unmöglich geworden ist, wird dem Gläubiger aber in der Regel vollkommen egal sein und irgendwie ist das ja auch ein Wertungswiderspruch — warum sollte B in dem Fall, dass die Unmöglichkeit schon von Anfang an bestand, privilegiert werden? So kann mich diese Lösung also auch nicht komplett überzeugen.

Kann jemand helfen? Übersehe ich irgendwas und man kann das Ganze doch schön in sich logisch auflösen? Vielen Dank :)
MultumInParvo
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Registriert: Mittwoch 13. April 2022, 17:34
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Re: Schadensersatz neben der Leistung bei Unmöglichkeit

Beitrag von MultumInParvo »

Hallo,

zunächst möchte ich kurz erläutern, warum es nur logisch ist, nach eingetretener Unmöglichkeit bzgl. sämtlicher Schadenspositionen nur einen SE statt der Leistung zuzulassen. Die h.M. differenziert bei der Frage, ob SE n.d.L. oder SE s.d.L einschlägig ist, danach, ob eine Nachfristsetzung einen Sinn ergäbe (sog. teleologische Betrachtung). Ein SE n.d.L. kann nur dann einschlägig sein, wenn a) Erfüllbarkeit bestand und b) eine spätere hypothetische Leistung den konkreten Schaden nicht beseitigt hätte.
Ist der Schaden nun aber in einem Zeitpunkt eingetreten, in welchem bzgl. der Leistungspflicht des Gläubigers bereits Unmöglichkeit vorlag, kann es keine hypothetische Leistung mehr geben (vereinfacht: Neben welche Leistung soll der Schadensersatz dann noch treten?).
Deswegen verweist § 311a BGB auch nur auf den Schadensersatz statt der Leistung. Hierin liegt kein Wertungswiderspruch.

Der Vergleich mit § 286 BGB hinkt m.E., da dieser selbst einen Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung darstellt - eben einen speziellen im Verhältnis zu § 280 I BGB, weil auf sog. Verzögerungsschäden zugeschnitten. Natürlich kommt niemand auf die Idee, im Rahmen eines Anspruches auf SE n.d.L einen SE s.d.L. anzunehmen.

Und auch die Behauptung, A habe nach wie vor ein Interesse an der Leistung, nur eben in Form Schadensersatzes für den objektiven Wert des Autos/den Deckungskauf, will sich mir nicht so recht erschließen. Vielleicht kannst du das nochmal erklären?


Dann zu deinem Punkt mit dem Aufwendungsersatz:
Der Gläubiger soll stets die Wahl haben, ob er
1. so gestellt werden möchte, als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden (dann Aufwendungsersatz)
- oder -
2. so gestellt werden möchte, als wäre der Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt worden (dann Erfüllungsinteresse SE statt der Leistung).

Diese Wahl hat A vorliegend. Dass er unter Umständen nicht alle "Differenzen" ausgeglichen bekommt und je nach Alternative einen höheren oder geringeren Geldbetrag fordern kann, ist eine vom Gesetzgeber hingenommene Folge des Alternativverhältnisses zwischen § 281 und § 284 BGB. Hier hat er also die Qual der Wahl.

Ich erkenne nicht, warum dieses Alternativverhältnis ein Grund dafür sein sollte, einen SE n.d.L. anzunehmen. Vielmehr ist dieses doch erst die Folge der Bestimmung des Schadensersatzes und sollte bei der Differenzierung zwischen § 280 I BGB und §§ 280 I, III, 281 BGB keine Rolle spielen.

Sollte man aber zu dem Ergebnis gelangen, dass hier eine Schadensposition vorliegt, die i.R.d. SE n.d.L. zu ersetzen ist, gebe ich dir Recht: Dann sehe ich auch keinen Grund, den Gläubiger im Falle anfänglicher Unmöglichkeit besser zu stellen und würde über eine teleologische Erweiterung des § 311a II 1 BGB nachdenken. Aber wie gesagt: Diese Frage sollte sich logischerweise nicht stellen.

Soo, das waren meine Gedanken zu diesem Thema. Ich hoffe, sie konnten etwas helfen.

Liebe Grüße :)
ben25
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Re: Schadensersatz neben der Leistung bei Unmöglichkeit

Beitrag von ben25 »

Hallo,

danke für deine ausführliche Antwort erstmal, ich denke, das hat es etwas klarer gemacht :)
MultumInParvo hat geschrieben: Donnerstag 14. April 2022, 22:38 zunächst möchte ich kurz erläutern, warum es nur logisch ist, nach eingetretener Unmöglichkeit bzgl. sämtlicher Schadenspositionen nur einen SE statt der Leistung zuzulassen. Die h.M. differenziert bei der Frage, ob SE n.d.L. oder SE s.d.L einschlägig ist, danach, ob eine Nachfristsetzung einen Sinn ergäbe (sog. teleologische Betrachtung). Ein SE n.d.L. kann nur dann einschlägig sein, wenn a) Erfüllbarkeit bestand und b) eine spätere hypothetische Leistung den konkreten Schaden nicht beseitigt hätte.
Ist der Schaden nun aber in einem Zeitpunkt eingetreten, in welchem bzgl. der Leistungspflicht des Gläubigers bereits Unmöglichkeit vorlag, kann es keine hypothetische Leistung mehr geben (vereinfacht: Neben welche Leistung soll der Schadensersatz dann noch treten?).
Deswegen verweist § 311a BGB auch nur auf den Schadensersatz statt der Leistung. Hierin liegt kein Wertungswiderspruch.
Stimmt, nach dieser Betrachtungsweise mit der "Zauberformel" ergibt das tatsächlich keinen Sinn. Ich hatte jetzt die schadensphänomenologische Betrachtung zugrunde gelegt, nach der zwischen Integritäts- und Äquivalenzinteresse unterschieden wird, um die Schadensersatzarten voneinander abzugrenzen. Deshalb hatte ich auch diesen Gedankengang:
MultumInParvo hat geschrieben: Donnerstag 14. April 2022, 22:38 Und auch die Behauptung, A habe nach wie vor ein Interesse an der Leistung, nur eben in Form Schadensersatzes für den objektiven Wert des Autos/den Deckungskauf, will sich mir nicht so recht erschließen. Vielleicht kannst du das nochmal erklären?
Die Kosten für einen Mietwagen sind meiner Ansicht nach ja kein finaler Ersatz für die Leistung, nämlich das dauerhafte Eigentum am neuen Auto. Es ist vielmehr ein Posten, der "nebenher" auftritt und eben nur das Integritätsinteresse des A berührt, nämlich sein sonstiges Vermögen. Anders sieht es beim Schadensersatz statt der Leistung aus, der an die Stelle des Autos tritt, er stellt ja den tatsächlichen "Gegenwert" der Leistung dar (= nach der Zahlung davon will A keine weitere Leistung von B, nach dem Ersatz der "Übergangskosten" hat er aber durchaus noch ein Interesse an der Gegenleistung oder einem Äquivalent).
MultumInParvo hat geschrieben: Donnerstag 14. April 2022, 22:38 Dann zu deinem Punkt mit dem Aufwendungsersatz:
Der Gläubiger soll stets die Wahl haben, ob er
1. so gestellt werden möchte, als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden (dann Aufwendungsersatz)
- oder -
2. so gestellt werden möchte, als wäre der Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt worden (dann Erfüllungsinteresse SE statt der Leistung).

Diese Wahl hat A vorliegend. Dass er unter Umständen nicht alle "Differenzen" ausgeglichen bekommt und je nach Alternative einen höheren oder geringeren Geldbetrag fordern kann, ist eine vom Gesetzgeber hingenommene Folge des Alternativverhältnisses zwischen § 281 und § 284 BGB. Hier hat er also die Qual der Wahl.
Stimmt, die Unterscheidung in negatives und positives Interesse macht Sinn und hat mir wirklich weitergeholfen! Eigentlich würde der Gläubiger ja unangemessen privilegiert, wenn man ihm alles kumulativ zusprechen würde. Je mehr ich darüber nachdenke, desto besser passen auch meine Kosten für den Mietwagen zum Schadensersatz statt der Leistung. An sich macht es schon denklogisch gar nicht mal so viel Sinn, dass es einen Schadensersatz neben der Leistung gibt, obwohl gar keine Leistung(-spflicht) mehr existiert :D

Danke nochmal und liebe Grüße!
ben25
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Re: Schadensersatz neben der Leistung bei Unmöglichkeit

Beitrag von ben25 »

Hallo,

danke für deine ausführliche Antwort erstmal, ich denke, das hat es etwas klarer gemacht :)
MultumInParvo hat geschrieben: Donnerstag 14. April 2022, 22:38 zunächst möchte ich kurz erläutern, warum es nur logisch ist, nach eingetretener Unmöglichkeit bzgl. sämtlicher Schadenspositionen nur einen SE statt der Leistung zuzulassen. Die h.M. differenziert bei der Frage, ob SE n.d.L. oder SE s.d.L einschlägig ist, danach, ob eine Nachfristsetzung einen Sinn ergäbe (sog. teleologische Betrachtung). Ein SE n.d.L. kann nur dann einschlägig sein, wenn a) Erfüllbarkeit bestand und b) eine spätere hypothetische Leistung den konkreten Schaden nicht beseitigt hätte.
Ist der Schaden nun aber in einem Zeitpunkt eingetreten, in welchem bzgl. der Leistungspflicht des Gläubigers bereits Unmöglichkeit vorlag, kann es keine hypothetische Leistung mehr geben (vereinfacht: Neben welche Leistung soll der Schadensersatz dann noch treten?).
Deswegen verweist § 311a BGB auch nur auf den Schadensersatz statt der Leistung. Hierin liegt kein Wertungswiderspruch.
Stimmt, nach dieser Betrachtungsweise mit der "Zauberformel" ergibt das tatsächlich keinen Sinn. Ich hatte jetzt die schadensphänomenologische Betrachtung zugrunde gelegt, nach der zwischen Integritäts- und Äquivalenzinteresse unterschieden wird, um die Schadensersatzarten voneinander abzugrenzen. Deshalb hatte ich auch diesen Gedankengang:
MultumInParvo hat geschrieben: Donnerstag 14. April 2022, 22:38 Und auch die Behauptung, A habe nach wie vor ein Interesse an der Leistung, nur eben in Form Schadensersatzes für den objektiven Wert des Autos/den Deckungskauf, will sich mir nicht so recht erschließen. Vielleicht kannst du das nochmal erklären?
Die Kosten für einen Mietwagen sind meiner Ansicht nach ja kein finaler Ersatz für die Leistung, nämlich das dauerhafte Eigentum am neuen Auto. Es ist vielmehr ein Posten, der "nebenher" auftritt und eben nur das Integritätsinteresse des A berührt, nämlich sein sonstiges Vermögen. Anders sieht es beim Schadensersatz statt der Leistung aus, der an die Stelle des Autos tritt, er stellt ja den tatsächlichen "Gegenwert" der Leistung dar (= nach der Zahlung davon will A keine weitere Leistung von B, nach dem Ersatz der "Übergangskosten" hat er aber durchaus noch ein Interesse an der Gegenleistung oder einem Äquivalent).
MultumInParvo hat geschrieben: Donnerstag 14. April 2022, 22:38 Dann zu deinem Punkt mit dem Aufwendungsersatz:
Der Gläubiger soll stets die Wahl haben, ob er
1. so gestellt werden möchte, als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden (dann Aufwendungsersatz)
- oder -
2. so gestellt werden möchte, als wäre der Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt worden (dann Erfüllungsinteresse SE statt der Leistung).

Diese Wahl hat A vorliegend. Dass er unter Umständen nicht alle "Differenzen" ausgeglichen bekommt und je nach Alternative einen höheren oder geringeren Geldbetrag fordern kann, ist eine vom Gesetzgeber hingenommene Folge des Alternativverhältnisses zwischen § 281 und § 284 BGB. Hier hat er also die Qual der Wahl.
Stimmt, die Unterscheidung in negatives und positives Interesse macht Sinn und hat mir wirklich weitergeholfen! Eigentlich würde der Gläubiger ja unangemessen privilegiert, wenn man ihm alles kumulativ zusprechen würde. Je mehr ich darüber nachdenke, desto besser passen auch meine Kosten für den Mietwagen zum Schadensersatz statt der Leistung. An sich macht es schon denklogisch gar nicht mal so viel Sinn, dass es einen Schadensersatz neben der Leistung gibt, obwohl gar keine Leistung(-spflicht) mehr existiert :D

Danke nochmal und liebe Grüße!
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