Zusammentreffen von Schuldner- und Gläubigerverzug bei § 326 I BGB
Verfasst: Donnerstag 24. November 2022, 16:38
Hallo zusammen,
gibt es eine Kollisionsregel, die einen Vorrang für Schuldner- oder Annahmeverzug begründet, wenn beide im Fall des Wegfalls der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit zusammentreffen?
Die Frage stellt sich mir anlässlich des "Säge adieu"-Falls von Jura-Online, falls jemand dort zufällig Zugriff hat.
Um die hier relevanten Aspekte des Sachverhalts kurz zusammenzufassen:
V schuldet K aus Kaufvertrag die Übereignung und Übergabe einer Säge, als K zum vereinbarten Abholtermin in seinen Laden kommt, kann er jedoch nicht liefern. Der vereinbarte Zweittermin scheitert an K, der wegen einer Panne nicht ins Geschäft kommen kann. Danach wird dem V die hinreichend gesicherte Säge gestohlen.
I. Nun ist noch weitgehend unproblematisch die auf eine Stückschuld konkretisierte Leistungspflicht auf Übereignung und Übergabe der Säge nach § 275 I BGB erloschen.
Problematisch ist für mich das Schicksal der Gegenleistungspflicht nach § 326 I BGB:
II. Der Anspruch auf die Gegenleistung, also die Zahlung des Kaufpreises, wäre nach § 326 I BGB ausgeschlossen, wenn nicht eine der Ausnahmen aus § 326 II BGB griffe.
1. Verantwortlich für den Diebstahl der Säge ist K nicht, darum fällt § 326 II 1 Var. 1 BGB weg.
2.Nach § 326 II 1 Var. 2 BGB bliebe der Anspruch auf die Gegenleistung jedoch auch erhalten, wenn sich K zum Zeitpunkt des Diebstahls im Annahmeverzug befunden hätte und V den Diebstahl nicht zu vertreten hätte.
a) Da K den Zweittermin zur Abholung seiner Säge nicht wahrgenommen hat, befindet er sich im Gläubigerverzug.
b) V dürfte den Diebstahl aber zudem nicht zu vertreten haben. An dieser Stelle stellt die Lösungsskizze unter Verweis auf die Haftungsprivilegierung des Schuldners in § 300 I BGB nur kurz fest, dass V den Diebstahl der hinreichend gesicherten Säge nicht zu vertreten hat. Nun frage ich mich, ob man an dieser Stelle nicht den seit dem ursprünglich vereinbarten Abholtermin bestehenden Schuldnerverzug des V einwenden müsste, da er nach § 287 S. 2 BGB sogar den zufälligen Untergang zu vertreten hat?
Also "sticht" der später eingetretene Annahmeverzug den schon bestehenden Schuldnerverzug? Oder endet der Schuldnerverzug, sobald der Gläubiger seinerseits in Annahmeverzug gerät?
Ich hoffe, ich konnte meine Gedanken einigermaßen verständlich fassen; schon mal vielen Dank für jegliche Ratschläge!
gibt es eine Kollisionsregel, die einen Vorrang für Schuldner- oder Annahmeverzug begründet, wenn beide im Fall des Wegfalls der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit zusammentreffen?
Die Frage stellt sich mir anlässlich des "Säge adieu"-Falls von Jura-Online, falls jemand dort zufällig Zugriff hat.
Um die hier relevanten Aspekte des Sachverhalts kurz zusammenzufassen:
V schuldet K aus Kaufvertrag die Übereignung und Übergabe einer Säge, als K zum vereinbarten Abholtermin in seinen Laden kommt, kann er jedoch nicht liefern. Der vereinbarte Zweittermin scheitert an K, der wegen einer Panne nicht ins Geschäft kommen kann. Danach wird dem V die hinreichend gesicherte Säge gestohlen.
I. Nun ist noch weitgehend unproblematisch die auf eine Stückschuld konkretisierte Leistungspflicht auf Übereignung und Übergabe der Säge nach § 275 I BGB erloschen.
Problematisch ist für mich das Schicksal der Gegenleistungspflicht nach § 326 I BGB:
II. Der Anspruch auf die Gegenleistung, also die Zahlung des Kaufpreises, wäre nach § 326 I BGB ausgeschlossen, wenn nicht eine der Ausnahmen aus § 326 II BGB griffe.
1. Verantwortlich für den Diebstahl der Säge ist K nicht, darum fällt § 326 II 1 Var. 1 BGB weg.
2.Nach § 326 II 1 Var. 2 BGB bliebe der Anspruch auf die Gegenleistung jedoch auch erhalten, wenn sich K zum Zeitpunkt des Diebstahls im Annahmeverzug befunden hätte und V den Diebstahl nicht zu vertreten hätte.
a) Da K den Zweittermin zur Abholung seiner Säge nicht wahrgenommen hat, befindet er sich im Gläubigerverzug.
b) V dürfte den Diebstahl aber zudem nicht zu vertreten haben. An dieser Stelle stellt die Lösungsskizze unter Verweis auf die Haftungsprivilegierung des Schuldners in § 300 I BGB nur kurz fest, dass V den Diebstahl der hinreichend gesicherten Säge nicht zu vertreten hat. Nun frage ich mich, ob man an dieser Stelle nicht den seit dem ursprünglich vereinbarten Abholtermin bestehenden Schuldnerverzug des V einwenden müsste, da er nach § 287 S. 2 BGB sogar den zufälligen Untergang zu vertreten hat?
Also "sticht" der später eingetretene Annahmeverzug den schon bestehenden Schuldnerverzug? Oder endet der Schuldnerverzug, sobald der Gläubiger seinerseits in Annahmeverzug gerät?
Ich hoffe, ich konnte meine Gedanken einigermaßen verständlich fassen; schon mal vielen Dank für jegliche Ratschläge!