Abzug "Neu für Alt"

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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jona7317
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Abzug "Neu für Alt"

Beitrag von jona7317 »

Habe beim Wiederholen für die mündliche ein Verständnisproblem entdeckt, und zwar beim Abzug Alt für Neu auf Rechtsfolgenseite im Schadensersatzanspruch:

Es geht ja dabei um die Zerstörung von Sachen mit gebrauchsbedingtem Minderwert. Aufgrund des schadensrechtlichen Bereicherungsverbot soll der Geschädigte nicht den durch Erhalt einer neuen Sachen entstehenden Vermögensvorteil behalten, die Wertdifferenz zwischen alter und neuer Sache muss er sich iRv. § 249 II 1 BGB anrechnen lassen oder iRv. § 249 I BGB dem Schädiger zahlen.
Gälte das uneingeschränkt, würde das dazu führen, dass der illiquide Geschädigte ganz ohne Sache dastünde. Daher wird das mWn nur bei Sachen, für die ein Gebrauchtmarkt existiert, angewendet.

Mein Problem anhand eines Beispielsfalls:
Gebrauchte Hundehütte des G wird fahrlässig vom S zerstört. Restwert = 200 €, Neuwert = 500 €. Für gebrauchte Hundehütten gibt es einen Gebrauchtmarkt.
Verlangt G jetzt Naturalrestituion nach § 249 I BGB kann S ihm einfach eine gebrauchte Hundehütte mit vergleichbarem Restwert hinstellen, iRv. § 249 II 1 BGB ist auch nur der Betrag zur Beschaffung einer vergleichbaren gebrauchten Hundehütte erforderlich, also 200€.

Warum braucht man dann überhaupt die Anrechnung?
Das würde ja voraussetzen, das G überhaupt erstmal einen Anspruch auf eine neue Hundehütte oder 500€ Neubeschaffungskosten hätte. Oder gilt das nur für die Fälle, in denen sich der Geschädigte "selbst überkompensiert" und trotz Gebrauchtmarkt einfach eine neue Sache kauft? Dann macht aber die Beschränkung zugunsten des illiquiden Geschädigten keinen Sinn, denn die Mittel muss er ja erstmal ausgelegt haben.
Kann mir eigentlich nur Fälle ausdenken, in denen es eben keinen Gebrauchtmarkt gibt.
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scndbesthand
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Re: Abzug "Neu für Alt"

Beitrag von scndbesthand »

Für die mündliche wird man nicht derartig tief in Details einsteigen müssen, aber vielleicht lohnt ein Blick in LG Mannheim, NJW 2007, 2499. Beschädigt wurde eine Schlafzimmereinrichtung. Nach den Gründen soll es darauf ankommen, ob die beschädigte Sache seinerzeit neu gekauft wurde. Daher Schadenberechnung nach Neuanschaffung abzüglich Vorteil „neu für alt“. Auf das Vorhandensein eines Marktes für Gebrauchtmöbel komme es nicht an. Ob das in allen Fällen überzeugend ist, sei mal dahingestellt. Offenbar ist das Thema sehr durch Kasuistik geprägt.

Anerkannt ist diese Berechnungsweise wohl auch dann, wenn eine Gebrauchtanschaffung nicht zumutbar ist, z. B. bei Kleidung.
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jona7317
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Re: Abzug "Neu für Alt"

Beitrag von jona7317 »

Klar, für die mündliche würds auch reichen so Nebensachen einfach zu Schlucken. Die meisten Dinge sitzen aber sowieso, also hab ich die Zeit, Kleinigkeiten die ich nicht ganz verstehe mal gründlich durchzudenken :D
Das Urteil scheint ja der Fall zu sein, den ich oben gebildet hatte: Die Geschädigten haben sich selber eine neue Sache angeschafft und verlangen den Neupreis ersetzt, da müssen sie sich also den gebrauchsbedingten Minderwert der zerstörten Sache anrechnen lassen.

Vor Tätigung eines Ersatzkaufes durch den Geschädigten habe ich immer noch meine Probleme mit der Konstruktion:
Die Konstruktion setzt ja eine Anspruch auf eine völlig neue Sache bzw. auf den Neubeschaffungspreis voraus, von dem man dann einen gebrauchsbedingten Minderwert der Altsache abziehen kann.
Meinem Verständnis nach ist der Schadensersatzanspruch gem. § 249 I, II 1 BGB bei gebrauchten Sachen im Umfang von vorneherein Verschaffung einer genauso abgenutzten Sache bzw. den dazu erforderlichen Geldbetrag beschränkt. Nur bei Sachen, bei denen das naturgemäß nicht möglich ist, gäbe § 249 I, II 1 BGB einen Anspruch auf eine ungebrauchte, neue Sache. Mir fallen als Beispiele eigentlich nur Bauwerke und Gebäudeteile ein, neues Dach kann man schlecht gebraucht kaufen.
Wo ist da der Denkfehler?

Irgendwo muss er ja sein, denn wenn das so zutrifft gibt es ja gar keinen Raum für die Anrechnung: Nur bei Sachen, für die es keinen Gebrauchtmarkt gibt, hat man überhaupt einen Anspruch auf neuwertige Sachen, den man noch kürzen müsste.
Bei den anderen bestünde doch von vorneherein kein kürzbarer Anspruch.
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pHr3d
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Re: Abzug "Neu für Alt"

Beitrag von pHr3d »

"Das Problem besteht darin, dass der auf Marktpreise abstellende Schadensausgleich nach § 249 nur die Wertdifferenz zwischen dem beschädigten und dem unbeschädigten Gegenstand abdeckt, jedoch nicht die weitergehende Differenz zum Neuwert. Mit anderen Worten ist die (maximale) Gesamtersatzsumme, bestehend aus der Differenz zwischen dem Zeitwert des (hypothetisch) unbeschädigten Gegenstands und dem Restwert der beschädigten Sache, auf den Zeitwert der unbeschädigten Sache beschränkt.
(BeckOK BGB/Johannes W. Flume, 64. Ed. 1.5.2022, BGB § 249 Rn. 243, 244)"


Ich finde das erklärt es ganz gut. Es geht bei "neu für alt" danach nicht um eine Kürzung des Anspruchs, sondern der Anspruch wird erhöht, wenn der Ersatz durch eine gebrauchte Sache/den Zeitwert unzumutbar wäre.
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jona7317
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Re: Abzug "Neu für Alt"

Beitrag von jona7317 »

pHr3d hat geschrieben: Sonntag 26. Februar 2023, 21:43 "Das Problem besteht darin, dass der auf Marktpreise abstellende Schadensausgleich nach § 249 nur die Wertdifferenz zwischen dem beschädigten und dem unbeschädigten Gegenstand abdeckt, jedoch nicht die weitergehende Differenz zum Neuwert. Mit anderen Worten ist die (maximale) Gesamtersatzsumme, bestehend aus der Differenz zwischen dem Zeitwert des (hypothetisch) unbeschädigten Gegenstands und dem Restwert der beschädigten Sache, auf den Zeitwert der unbeschädigten Sache beschränkt.
(BeckOK BGB/Johannes W. Flume, 64. Ed. 1.5.2022, BGB § 249 Rn. 243, 244)"


Ich finde das erklärt es ganz gut. Es geht bei "neu für alt" danach nicht um eine Kürzung des Anspruchs, sondern der Anspruch wird erhöht, wenn der Ersatz durch eine gebrauchte Sache/den Zeitwert unzumutbar wäre.
Wow, danke, das ist genau die Erklärung, die mir gefehlt hat! Sorum macht das Sinn.
Die Erklärung meines Repetitorskripts und einer Falllösung waren genau andersrum und daher für mich gar nicht nachvollziehbar, vielleicht hatte ich die aber auch nur falsch versatnden.
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