Völkerrecht vs völkisches Recht Rücknahme Zwangsausgeschaffter

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tzu
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Völkerrecht vs völkisches Recht Rücknahme Zwangsausgeschaffter

Beitrag von tzu »

Liebe alle,

Politiker*innen sagen ab und zu, dass Staaten im globalen Süden eigentlich völkerrechtlich dazu verpflichtet wären, bei (gewaltsamen) Zwangsausschaffungen mit dem ausschaffenden Staat zu kooperieren und ihre Bürger auch auf diesem weg "zurückzunehmen".
Meine Überlegung ist, dass wenn jede*r das Recht hat, ihr*sein eigenes Land zu verlassen (AEMR, glaubs), ein Staat gegen Völkerrecht verstösst, der mit einem anderen Staat dergestalt zusammenarbeitet, dass der Aufenthalt im Herkunftsland erzwungen wird, oder?
Und könnte mensch so bilaterale Abkommen (Rückführungsabkommen) juristisch angreifen?

Danke und einen schönen Tag!
Zuletzt geändert von tzu am Samstag 23. Juli 2022, 16:42, insgesamt 4-mal geändert.
Brainiac
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Re: Völkerrecht Rücknahme Zwangsausgeschafter

Beitrag von Brainiac »

Kenne mich im Genderschweizerisch nicht so aus, aber müsste es nicht - je nach Lage des Verfahrens - Zwangsauszuschaffende bzw. Zwangsausgeschaffene heißen? So, wie er jetzt ist, klingt der Titel schon ziemlich maskulin.
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thh
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Re: Völkerrecht Rücknahme Zwangsausgeschafter

Beitrag von thh »

Brainiac hat geschrieben: Dienstag 19. Juli 2022, 11:45 Kenne mich im Genderschweizerisch nicht so aus, aber müsste es nicht - je nach Lage des Verfahrens - Zwangsauszuschaffende bzw. Zwangsausgeschaffene heißen? So, wie er jetzt ist, klingt der Titel schon ziemlich maskulin.
"Zwangsausgeschaffene" erscheint mir falsch; richtig wäre tatsächlich "Zwangsausgeschaffte", allerdings wohl mit zwei Toni-Ts.

(Es ginge sicherlich auch "Zwangsausgeschafftwordenseiende", aber das erscheint mir unnötig komplex.)
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Re: Völkerrecht Rücknahme Zwangsausgeschafter

Beitrag von Brainiac »

Es kann nicht komplex genug sein!
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Strich
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Re: Völkerrecht vs völkisches Recht Rücknahme Zwangsausgeschaffter

Beitrag von Strich »

tzu hat geschrieben: Montag 18. Juli 2022, 22:29 Liebe alle,

Politiker*innen sagen ab und zu, dass Staaten im globalen Süden eigentlich völkerrechtlich dazu verpflichtet wären, bei (gewaltsamen) Zwangsausschaffungen mit dem ausschaffenden Staat zu kooperieren und ihre Bürger auch auf diesem weg "zurückzunehmen".
Meine Überlegung ist, dass wenn jede*r das Recht hat, ihr*sein eigenes Land zu verlassen (AEMR, glaubs), ein Staat gegen Völkerrecht verstösst, der mit einem anderen Staat dergestalt zusammenarbeitet, dass der Aufenthalt im Herkunftsland erzwungen wird, oder?
Und könnte mensch so bilaterale Abkommen (Rückführungsabkommen) juristisch angreifen?

Danke und einen schönen Tag!
Um mal in der Sache zu Antworten:
Es hat zwar jeder das Recht irgendwo hin zu gehen. Aber niemand hat die Pflicht, denjenigen auch aufzunehmen. Es ist ein bisschen so wie mit der Meinungsfreiheit: Sagen kannst du (fast) alles. Zuhören muss dir aber niemand.
Da kein Land, außer das Herkunftsland, verpflichtet ist, den Zurückzuführenden aufzunehmen, kann man nur diesen anfragen.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Völkerrecht vs völkisches Recht Rücknahme Zwangsausgeschaffter

Beitrag von tzu »

Danke,
Artikel 13 der AEMR, 2. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen ...

Die Frage ist nicht, ob die Staaten verpflichtet sind, die Staatsbürger, die einreisen wollen (!) aufzunehmen.
Die Situation ist so, dass einige Länder bei Rückführungen nur kooperieren, wenn ihre Mitbürger "freiwillig" in ihr Herkunftsland zurückkehren.
Wenn aber jemensch gefesselt etc. zur Rückreise gezwungen wird, verweigern sie die Zusammenarbeit. (u.a. Eritrea, Iran)
Obiger Artikel bedeutet für mich als Laien auch, dass niemensch zum Aufenthalt in seinem Herkunftsland gezwungen werden darf.
"Illegaler" Aufenthalt nach negativem Asylentscheid ist ja kein richtiges Verbrechen. Es ist ja nicht so, dass eine weitere Strafe folgen würde, wenn das "Dauerdelikt" nicht mehr begangen wird.
Jedenfalls, wenn nun ein Staat sich weigert zu kooperieren, wenn Menschen gezwungen werden sollten, sich auf ihrem Staatsgebiet aufzuhalten ist das für mich kein Verstoss gegen Völkerrecht, weil der Staat seine Staatsbürger nicht zum Aufenthalt im Land zwingen darf.
Ich finde die Aussage, dass alle Staaten völkerrechtlich verpflichtet sind bei Zwangsausschaffungen zu kooperieren, nicht nachvollziehbar.
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scndbesthand
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Re: Völkerrecht vs völkisches Recht Rücknahme Zwangsausgeschaffter

Beitrag von scndbesthand »

tzu hat geschrieben: Donnerstag 4. August 2022, 12:19 Danke,
Artikel 13 der AEMR, 2. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen ...

Die Frage ist nicht, ob die Staaten verpflichtet sind, die Staatsbürger, die einreisen wollen (!) aufzunehmen.
Die Situation ist so, dass einige Länder bei Rückführungen nur kooperieren, wenn ihre Mitbürger "freiwillig" in ihr Herkunftsland zurückkehren.
Wenn aber jemensch gefesselt etc. zur Rückreise gezwungen wird, verweigern sie die Zusammenarbeit. (u.a. Eritrea, Iran)
Obiger Artikel bedeutet für mich als Laien auch, dass niemensch zum Aufenthalt in seinem Herkunftsland gezwungen werden darf.
"Illegaler" Aufenthalt nach negativem Asylentscheid ist ja kein richtiges Verbrechen. Es ist ja nicht so, dass eine weitere Strafe folgen würde, wenn das "Dauerdelikt" nicht mehr begangen wird.
Jedenfalls, wenn nun ein Staat sich weigert zu kooperieren, wenn Menschen gezwungen werden sollten, sich auf ihrem Staatsgebiet aufzuhalten ist das für mich kein Verstoss gegen Völkerrecht, weil der Staat seine Staatsbürger nicht zum Aufenthalt im Land zwingen darf.
Ich finde die Aussage, dass alle Staaten völkerrechtlich verpflichtet sind bei Zwangsausschaffungen zu kooperieren, nicht nachvollziehbar.

Das Argument, ein Staat sei nicht verpflichtet, zwangsweise abgeschobene Staatsbürger zurückzunehmen, weil er sie nicht an der Ausreise hindern könnte, scheint mir unschlüssig zu sein. Der Staatsbürger kann doch nach der erzwungenen Einreise wieder ausreisen.
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Re: Völkerrecht vs völkisches Recht Rücknahme Zwangsausgeschaffter

Beitrag von thh »

tzu hat geschrieben: Donnerstag 4. August 2022, 12:19 Danke,
Artikel 13 der AEMR, 2. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen ...

[...]
Obiger Artikel bedeutet für mich als Laien auch, dass niemensch zum Aufenthalt in seinem Herkunftsland gezwungen werden darf.
Das Recht, ein Land zu verlassen, umfasst nicht das Recht, in ein beliebiges anderes Land einzureisen. Wenn man kein Land findet, dass die Einreise gestattet, wird man trotz des Rechts, sein eigenes Land zu verlassen, faktisch in diesem verbleiben müssen. Ich sehe nicht, warum der bewusste Rechtsbruch durch denjenigen, der ohne Erlaubnis einreist, daran etwas ändern sollte. Und wenn er dort, wo er ist, nicht bleiben kann, wer sonst soll ihn dann aufnehmen müssen als der Herkunftsstaat?
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Strich
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Re: Völkerrecht vs völkisches Recht Rücknahme Zwangsausgeschaffter

Beitrag von Strich »

tzu hat geschrieben: Donnerstag 4. August 2022, 12:19 Danke,
Artikel 13 der AEMR, 2. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen ...
...
Obiger Artikel bedeutet für mich als Laien auch, dass niemensch zum Aufenthalt in seinem Herkunftsland gezwungen werden darf.
...
Dazu wird auch niemand gezwungen. Derjenige kann ja sofort wieder ausreisen, muss sich dann aber ein anderes Ausreiseziel suchen, eben eins, das ihn aufnimmt. Wenn man nicht grade aus Somalia kommt, dürfte man faktisch immer ein Land finden, dass einen aufnimmt.
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Re: Völkerrecht vs völkisches Recht Rücknahme Zwangsausgeschaffter

Beitrag von tzu »

guten morgen,

ihr denkt zu civil law und zu wenig common law mässig. ich bin kein*e jurist*in, aber anwaltschaftlich gesehen, könnte mensch doch argumentieren, dass ein recht auf ausreise ein verbot von zwang zu aufenthalt im inland impliziert?

schönen Tag!
Zuletzt geändert von tzu am Mittwoch 10. August 2022, 23:31, insgesamt 1-mal geändert.
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scndbesthand
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Re: Völkerrecht vs völkisches Recht Rücknahme Zwangsausgeschaffter

Beitrag von scndbesthand »

tzu hat geschrieben: Mittwoch 10. August 2022, 07:20 guten morgen,

ihr denkt zu civil law und zu wenig common law mässig. ich bin kein*e jurist*in, aber anwaltschaftlich gesehen, könnte mensch doch argumentieren, dass ein recht auf ausreise ein verbot von zwang zu aufenthalt im inland impliziert. oder nöd?
das ist doch kolonialistisch (und damit auch rassistisch und nationalistisch) gedacht. Dieses narrativ von den bösen geflüchteten ist schwachsinnig. Ich find das noch sympathisch, wenn eine regierung sagt, dass sie da nicht mitmacht. weil, das ist doch psychopathen logik, die früh industrialisierten länder im globalen norden sind ursächlich für den katastrophalen zustand der welt verantwortlich. alles allen. egal. (nicht egal....)

schönen Tag!
Du hast wahrscheinlich hier gefragt, um herauszufinden, ob das von Dir favorisierte Ergebnis von juristisch validen Argumenten getragen wird und nicht nur von heißem Getöse. Jetzt weißt Du es. Du kannst ja nochmal im Common law Forum eine Zweitmeinung einholen.
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Re: Völkerrecht vs völkisches Recht Rücknahme Zwangsausgeschaffter

Beitrag von tzu »

schon so, danke!
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Re: Völkerrecht vs völkisches Recht Rücknahme Zwangsausgeschaffter

Beitrag von Strich »

Sind wir jetzt hier alle Rassissten, weil wir leider zum falschen Ergebnis gekommen sind?
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Re: Völkerrecht vs völkisches Recht Rücknahme Zwangsausgeschaffter

Beitrag von thh »

Strich hat geschrieben:Sind wir jetzt hier alle Rassissten, weil wir leider zum falschen Ergebnis gekommen sind?
Nein, natürlich Rassist:_*Innen.

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Re: Völkerrecht vs völkisches Recht Rücknahme Zwangsausgeschaffter

Beitrag von tzu »

Hey, ähm so weit ich weiss, habe ich euch nicht als rassist*innen bezeichnet.
Meine (angelesene) überlegung war mehr so, in der common law welt werden die jurist*innen zu anwält*innen ausgebildet. Vor gericht legen die beiden parteien das gesetz aus und der*die richter*innen entscheiden dann, was überzeugender war. Wenn die anwält*innen lange genug keine groben fehler gemacht haben, werden sie dann richter*innen.
In der civil law welt werden die jus student*innen zu richter*innen ausgebildet und die parteien argumentieren mehr so richtung mildernde umstände und circumstance etc. und der*die richter*innen legen das gesetz dann selbst(st)ändig aus.
Ich seh den punkt von wegen gewaltenteilung und so, dass im common law das recht im gerichtssaal gemacht wird, aber im civil law findet das auch einfach nur im hörsaal statt. So viel integerer ist das nicht (naja, bizli schon, weil im hörsaal ökonomische interessen eine kleinere rolle spielen.) Ich will auch gar nicht werten.
Ihr lest nicht unbedingt rawls oder so? Das system ist so ungerecht und was nützt recht, wenn es nicht gerecht ist? Hä hä hä? Bestehende herrschaftsverhältnisse zu sichern.
Und es gibt viele jurist*innen, die sich für marginalisierte segmente einsetzen.
Keine beleidigung beabsichtigt, leave at your own chosen speed.
Schöne!

P.S. ceterum censeo capitalismus essse delendum. (gopferdelli, innerhalb vo de nöchste zäh yohr bricht wäge regulatory capture und klimakatastrophe alles zäme. system change by design or by disaster)
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