Auslandsstudium ohne inländischen Hausstand

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kasamb
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Auslandsstudium ohne inländischen Hausstand

Beitrag von kasamb »

Hallo zusammen,

ich habe ein Urteil gefunden: FG Münster, Urteil v. 24.01.2018, 7 K 1007/17 E.

Ich versuche einmal ein Szenario durchzuspielen, in dem dieses Urteil keinen Sinn macht bzw. alles andere als fair ist. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich das Urteil richtig interpretiere.

Man macht z.B. sein Master bzw. seine Zweitausbildung im Ausland vom 15.12.XXX2 bis zum 15.02.XXX4.

Dazu zwei Punkte:

1) Im gesamten Jahr XXX3 ist man in Deutschland selbstverständlich abgemeldet. Das muss man ja auch, wenn man länger als 6 Monate im Ausland ist. Das bedeutet, dass es keine Steuerpflicht in dem Jahr besteht;
2) Man gibt seine Wohnung vor dem Studium und es würde dem gesunden Menschenverstand auch widersprechen, die Wohnung zu behalten und somit die Miete zahlen, obwohl man die Wohnung gar nicht nutzt.

Obwohl das Studium berufsfördernd ist und man bei den Punkten 1 und 2 nichts falsch gemacht hat, kann man die Studienkosten nicht als Werbekosten in Folgejahren absetzen. Ich würde es noch akzeptieren, wenn man in dem Fall die Miete im Ausland nicht absetzen könnte, denn diese Kostenart ja auch beim Studium im Inland nicht absetzen könnte, aber die Studiengebühren... ich kann keinen nachvollziehbaren logischen fairen Grund erkennen. Man hat ja etwas für seine Karriere gemacht... Bei so einem Urteil wird man im Prinzip vom Auslandsstudium abgehalten.

Es wäre super, wenn wir darüber diskutieren könnten.
stilzchenrumpel
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Re: Auslandsstudium ohne inländischen Hausstand

Beitrag von stilzchenrumpel »

Wieso sollten denn Werbungskosten aus einem Zeitraum, in dem in Deutschland garkeine Steuerpflicht bestand, berücksichtigungsfähig sein? In XXX3 steht den Werbungskosten ja nicht mal ein theoretisch zu versteuerndes Einkommen gegenüber?!

Das ist für mich schlicht logisch.
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
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Tibor
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Re: Auslandsstudium ohne inländischen Hausstand

Beitrag von Tibor »

kasamb hat geschrieben: Dazu zwei Punkte:

1) Im gesamten Jahr XXX3 ist man in Deutschland selbstverständlich abgemeldet. Das muss man ja auch, wenn man länger als 6 Monate im Ausland ist. Das bedeutet, dass es keine Steuerpflicht in dem Jahr besteht;
2) Man gibt seine Wohnung vor dem Studium und es würde dem gesunden Menschenverstand auch widersprechen, die Wohnung zu behalten und somit die Miete zahlen, obwohl man die Wohnung gar nicht nutzt.
....
Die Prämisse des nicht vorhandenen Wohnsitzes im Inland ist nicht zwingend. 1.) hat Melderecht nichts mit dem Steuerrecht zu tun und 2.) wird ein typischer Student mit Wg-Zimmer immer noch einen Wohnsitz bei den Eltern unterhalten. 3.) Gilt das Jahresprinzip: Die meisten Masterprogramme beginnen gerade nicht am 1.1. und enden am 31.12.; die gehen eher vom 1.9. bis 30.6. und damit ist man in den beiden Kalenderjahren auch unbeschränkt Steuerpflichtiger, weil man vorher (1.1.-31.8.) und danach (1.7.-31.12.) einen Wohnsitz hat.
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thh
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Re: Auslandsstudium ohne inländischen Hausstand

Beitrag von thh »

kasamb hat geschrieben: Sonntag 8. November 2020, 01:02 Das bedeutet, dass es keine Steuerpflicht in dem Jahr besteht;
[...]
Obwohl das Studium berufsfördernd ist und man bei den Punkten 1 und 2 nichts falsch gemacht hat, kann man die Studienkosten nicht als Werbekosten in Folgejahren absetzen.
Von Steuern, die man nicht zahlt, kann man nichts absetzen. Das erscheint mir naheliegend.
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Tibor
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Re: Auslandsstudium ohne inländischen Hausstand

Beitrag von Tibor »

thh hat geschrieben:
kasamb hat geschrieben: Sonntag 8. November 2020, 01:02 Das bedeutet, dass es keine Steuerpflicht in dem Jahr besteht;
[...]
Obwohl das Studium berufsfördernd ist und man bei den Punkten 1 und 2 nichts falsch gemacht hat, kann man die Studienkosten nicht als Werbekosten in Folgejahren absetzen.
Von Steuern, die man nicht zahlt, kann man nichts absetzen. Das erscheint mir naheliegend.
Das ist leider unrichtig thh. Es kann auch ein Veranlassungszusammenhang zu zukünftigen inländischen Einkünften bestehen, dann werden Aufwendungen als Verlustvortrag festgestellt und vorgetragen in die Jahre, in denen Einnahmen vorliegen.

Bei Ausbildungskosten gilt aber nunmehr § 9 Abs 6 Satz 1 EStG: „Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium sind nur dann Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.“ Das ist IdR für den Master gegeben, weil man vorher ein Bachelor absolviert hat.

Praxisbeispiel: X zieht zum Bachelor ins Studentenwohnheim. Den Bachelor legt er am 30.6.23 ab. Die Aufwendungen bis dahin sind nicht abzugsfähig als Werbungskosten. Fallen Aufwendungen an und geht X nebenbei jobben, kann X aber im jeweiligen Kalenderjahr Aufwendungen als Sonderausgaben geltend machen (§ 10 Abs 1 Nr 7 EStG), aber begrenzt auf 6.000€ und ohne Vortragsfähigkeit. Hat X also keine Einnahmen, verpufft der Aufwand. Dafür steht den Eltern Kindergeld/Kinderfreibetrag zur Verfügung.

Geht X nun zum 1.9.23 bis 30.6.24 nach New York um dort für insgesamt 50.000€ einen Master zu machen (Ggf Darlehensfinanzierung) und erzielt er keine Einnahmen parallel, können die Einnahmen per 31.12.23 (soweit entstanden) festgestellt werden und nach 2024 „geschoben“ werden. Annahme: X ist 2024 dann arbeitslos, weil er trotz des überteuerten Masters keinen Job findet, dann wird auch per 31.12.24 festgestellt. Nimmt er nun ab 2025 einen gut bezahlten Job an (bspw 70.000 Brutto), dann kann er in 2025 die vollen 50.000 in Abzug bringen und muss nur Einkünfte von 20.000 versteuern.
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Re: Auslandsstudium ohne inländischen Hausstand

Beitrag von kasamb »

Tibor hat geschrieben: Sonntag 8. November 2020, 20:40
kasamb hat geschrieben: Dazu zwei Punkte:

1) Im gesamten Jahr XXX3 ist man in Deutschland selbstverständlich abgemeldet. Das muss man ja auch, wenn man länger als 6 Monate im Ausland ist. Das bedeutet, dass es keine Steuerpflicht in dem Jahr besteht;
2) Man gibt seine Wohnung vor dem Studium und es würde dem gesunden Menschenverstand auch widersprechen, die Wohnung zu behalten und somit die Miete zahlen, obwohl man die Wohnung gar nicht nutzt.
....
2.) wird ein typischer Student mit Wg-Zimmer immer noch einen Wohnsitz bei den Eltern unterhalten.
Es kann ja sein, dass man keine Eltern hat. Außerdem müsste man laut dem Urteil für seine Wohnung bzw. sein Zimmer zahlen, damit die Studienkosten abgesetzt werden können.
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Re: Auslandsstudium ohne inländischen Hausstand

Beitrag von kasamb »

stilzchenrumpel hat geschrieben: Sonntag 8. November 2020, 20:26 Wieso sollten denn Werbungskosten aus einem Zeitraum, in dem in Deutschland garkeine Steuerpflicht bestand, berücksichtigungsfähig sein?
Weil man etwas berufsförderndes gemacht hat, sodass man dann arbeitet und Steuer an den Staat zahlt.
stilzchenrumpel hat geschrieben: Sonntag 8. November 2020, 20:26 In XXX3 steht den Werbungskosten ja nicht mal ein theoretisch zu versteuerndes Einkommen gegenüber?!
Dann wieso könnte mann denn seine Kosten für eine inländische Zweitausbildung absetzen? Schlüsselwort: Verlustvortrag
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Re: Auslandsstudium ohne inländischen Hausstand

Beitrag von Lillifred »

Mir scheint als wären im Sinne des "Wohnsitz" im Sinne des 8 AO bzw. 1 EStG und "eigener Hausstand" im Sinne des 9 EStG nicht zwingend identisch. Um Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung abziehen zu können muss man tatsächlich in finanzieller Hinsicht doppelt belastet sein. Um im Inland unbeschränkt steuerpflichtig zu sein, reicht es aus, bei den Eltern einen kostenfreien Semesterferien-Wohnsitz zu unterhalten.

Außerdem sollte man nicht vorrangig ins Ausland gehen um Steuern zu sparen.
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Tibor
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Re: Auslandsstudium ohne inländischen Hausstand

Beitrag von Tibor »

Lillifred hat geschrieben:Mir scheint als wären im Sinne des "Wohnsitz" im Sinne des 8 AO bzw. 1 EStG und "eigener Hausstand" im Sinne des 9 EStG nicht zwingend identisch. Um Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung abziehen zu können muss man tatsächlich in finanzieller Hinsicht doppelt belastet sein. Um im Inland unbeschränkt steuerpflichtig zu sein, reicht es aus, bei den Eltern einen kostenfreien Semesterferien-Wohnsitz zu unterhalten.

Außerdem sollte man nicht vorrangig ins Ausland gehen um Steuern zu sparen.
In der Tat, wenn man noch die Kosten des ausländischen Haushalts als Werbungskosten in Ansatz bringen will (und nicht nur Reisekosten und Studiengebühren), dann muss im Inland ein eigener Hausstand vorliegen.

„Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.“ (§ 9 Abs 1 Satz 3 Nr 5 Satz 3 EStG).

Der Witz ist, dass die Norm eine Beteiligung an den Kosten der Lebensführung und nicht am Hausstand voraussetzt. Die Finanzverwaltung verlangt aber eine Beteiligung von mindestens 10% der Haushaltsführungskosten.
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Re: Auslandsstudium ohne inländischen Hausstand

Beitrag von Lillifred »

In dem vom Threadersteller genannten Urteil geht es ausschließlich um die Frage ob doppelte Haushaltsführung vorliegt:

"Während des gesamten Studiums, auch während der Auslandsaufenthalte, behielt die Klägerin ihren Wohnsitz in der Wohnung ihrer Eltern in C-Stadt (Inland) bei. Hierbei handelt es sich um eine Vierzimmerwohnung mit Küche und Bad, deren Miete und Nebenkosten von den Eltern getragen wurden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sich dort in den Streitjahren 2014 und 2015 der Lebensmittelpunkt der Klägerin befunden hat."

Aus dem unstreitigen Sachverhalt des Urteils.
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Re: Auslandsstudium ohne inländischen Hausstand

Beitrag von Tibor »

Ich hab das Urteil nicht gelesen, ich hab mich nur auf die Frage der Steuerpflicht bezogen, sh. auch mein Beispiel / meine Erläuterungen.
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