Selbstvertretung, Vorgehen?

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gola20
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Selbstvertretung, Vorgehen?

Beitrag von gola20 »

Hey,

kann mir jemand helfen oder weiß wo ich da Informationen bekomme?

Ich bin angesteller RA. Jetzt nervt mich privat ein Unternehmen. Ich will mich also selbst vertreten, aber es nicht über die Kanzlei des Arbeitgebers laufen lassen. Kann ich das einfach so machen? Muss ich eine Wohnzimmerkanzlei einrichten/melden? Wie läuft das mit den Steuern ab?

Ich sehe da irgendwie auch berufsrechtliche Probleme, weil die "private" Tätigkeit sicher nicht von der Berufshaftpflicht abgedeckt ist.

viele Grüße
OJ1988
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Re: Selbstvertretung, Vorgehen?

Beitrag von OJ1988 »

Besteht denn im Verfahren Anwaltszwang?
gola20
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Re: Selbstvertretung, Vorgehen?

Beitrag von gola20 »

Also ich hab einen alten Tibor Beitrag gefunden: Keine Gewinnerzielungsabsicht heißt ich muss das Finanzamt nicht nerven.

Dann war ich bei § 78 Abs. 4 ZPO und § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Nach denen kann ich mich selbst vertreten und kriege Gebühren und Auslagen erstattet.

Das große Problem sehe ich nur noch im Berufsrecht. Laut BORA und BRAO muss ich einen Briefkopf haben, wenn ich als Anwalt auftrete und da muss die Kanzlei drauf. Da meine Kanzlei beim ArbG ist, müsste ich die angeben. Ich will aber nicht, dass meine privaten Sachen da hin kommen... .
Außerdem ist das mit der Versicherung weiterhin ungeklärt.
OJ1988
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Re: Selbstvertretung, Vorgehen?

Beitrag von OJ1988 »

Ich bin kein Anwalt und kenne mich mit der Anwalts-Berufshaftpflicht nicht aus, deshalb nur als Denkanstoß: Was willst du hier versichert wissen? Wenn du als Eigenvertreter bei der Verfahrensführung einen Fehler machst und du deswegen selbst einen Schaden erleidest, entsteht dadurch kein Haftungsanspruch (da du selbst nicht gegen dich selbst Ansprüche haben kannst). Oder sehe ich das falsch?
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Re: Selbstvertretung, Vorgehen?

Beitrag von gola20 »

Deine Antwort ist logisch. Die Rechtsanwaltskammern sind aber speziell (da hocken andere Anwälte und Anwälte lieben es sich gegenseitig fertig zu machen).

Ich habe jetzt 3 Lösungen:

1) Kanzlei einrichten im Wohnzimmer und darüber alles machen

2) Einen befreundeten Anwalt alles unterschreiben lassen

3) alle Berufspflichten teleologisch reduziert auslegen, so dass die bei Selbstvertretung nicht gelten, weil man keinen Mandanten schützen muss vor seinem Anwalt
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Re: Selbstvertretung, Vorgehen?

Beitrag von Theopa »

Aus der Perspektive der Gegenseite gedacht: Wenn du in einem Verfahren mit Anwaltszwang ohne anwaltlichen Briefkopf bzw. mit selbst gebastelten Schreiben auftauchst würde ich mich natürlich erst einmal darauf einschießen, selbst wenn es im Ergebnis vielleicht nur eine weitere Nebelkerze wird.

Ob die entsprechenden Voraussetzungen der Tätigkeit (Versicherung, Kanzleisitz etc.) irgendeinen Einfluss auf die Postulationsfähigkeit/das Entstehen der Gebühren etc. haben kann ich nicht beantworten: Solange du entsprechende Thesen der Gegenseite nicht ausdrücklich widerlegen könntest, solltest du dich aber erst einmal weitergehend informieren.

Edit: Beachte auch das beA, nicht wenige Gerichte nutzen das bereits. Dadurch können die Schreiben doch wieder beim Arbeitgeber landen, je nachdem wie ihr den Posteingang intern geregelt habt.
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Re: Selbstvertretung, Vorgehen?

Beitrag von batman »

Ich verstehe den ganzen Aufriss nicht. Warum für einen einzigen Fall einen weiteren Kanzleisitz anmelden, Versicherungsschutz nachweisen (auf teleologische Spielchen lässt sich keine Kammer ein) und ggf. Ärger mit dem Arbeitgeber riskieren? Vom beA ganz zu schweigen. Lass doch die Sache komplett über den befreundeten RA laufen.
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Re: Selbstvertretung, Vorgehen?

Beitrag von gola20 »

Es geht um bisher einen Fall. Was die Zukunft bringt, weiß man nicht. Ich habe auch wenig Lust immer Freunde zu belästigen, wenn ich die Sachen auch selbst machen kann. Außerdem übersiehst du, dass ein Verzicht auf die gesetzlichen Gebühren ein Berufspflichtverstoß ist und ich somit eigentlich meine Freunde bezahlen müsste. Vllt habe ich keine Lust zu zahlen oder meinen Freunden ein Berufspflichtverstoß aufzudrücken?

Den Streit mit der Kammer würde ich gerne führen. § 115 ff VVG setzen einen Dritten als Anspruchssteller voraus. Das gesamte System passt nicht, wenn man eine Versicherung gegen sich selbst abschließt.
Kontrollfrage: Leistet die Versicherung an mich als Geschädigten, wenn ich bei der Selbstvertretung als Anwalt scheiße baue?

§27 BRAO zwingt mich nur eine Kanzlei zu haben. Die Vorschrift ist erfüllt.

§ 10 BORA zwingt mich auf einem Briefbogen meine Kanzlei zu nennen. Laut Kommentierung dient die Vorschrift der Vermeidung von Interessekollisionen, der Regulierung von Werbung, Information des Mandanten, wer der Vertragspartner ist und sonstigem Blödsinn.
Da ist nichts von berührt, wenn ich mich nur selbst vertrete.


edit: beA hängt ja an meiner Karte. Da sehe ich keine Probleme.
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Re: Selbstvertretung, Vorgehen?

Beitrag von batman »

Die Haftpflichtversicherung hat alle denkbaren Ansprüche aus der beruflichen Tätigkeit des RA abzudecken. Und die ist nicht auf die Wahrnehmung eigener Angelegenheiten beschränkt.
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Re: Selbstvertretung, Vorgehen?

Beitrag von gola20 »

b hat geschrieben: AVB-RSW 2008

§ 1 Gegenstand der Versicherungsschutzes, Vermögensschaden, Versicherungsnehmer
1. Gegenstand des Versicherungsschutzes
Der Versicherer bietet dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines bei der Ausübung beruflicher Tätigkeit von ihm selbst oder einer Person, für die er nach § 278 oder § 831 BGB einzustehen hat, begangenen Verstoßes von einem anderen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird.
Ausgenommen sind Ansprüche auf Rückforderung von Gebühren oder Honoraren sowie Erfüllungsansprüche und Erfüllungssurrogate gemäß § 281 i. V. m. § 280 BGB.
Leere Phrase. Da es gar keine Versicherung gibt, die eine Selbstvertretung versichert, kann das auch kein Erfordernis sein oder gar eine Berufspflicht. Zwangsläufig wäre dann jede Selbstvertretung ein Berufspflichtverstoß.
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Re: Selbstvertretung, Vorgehen?

Beitrag von batman »

gola20 hat geschrieben: Montag 12. April 2021, 22:21Da es gar keine Versicherung gibt, die eine Selbstvertretung versichert
Binsenweisheit. Es geht um die allgemeine Haftpflichtversicherungspflicht. Der unterliegst Du als Anwalt. Der Halter eines zugelassenen Kfz kann auch nicht geltend machen, dass er sein Fahrzeug keinen Millimeter bewegen möchte.
Zurück zum Thema: Schau Dir mal die Police Deines Arbeitgebers an, inwieweit Du dort versichert bist.
Nico
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Re: Selbstvertretung, Vorgehen?

Beitrag von Nico »

ich würde auch mal nachschauen, vielleicht hast du ja was überlesen
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