Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

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Gelöschter Nutzer

Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hi Leute,

Kaiser behaupten ja steif und fest, wenn der Beklagte die tatsächlichen Grundlagen der Klageforderung nicht bestreite und sich nur in rechtlicher Hinsicht wehre, liege eine Primäraufrechnung vor. Das gelte selbst dann, wenn er ausdrücklich sage, er rechne nur hilfsweise auf.

Das Problem behandelt Kaiser beim Aufbau des Tatbestands. Kaiser stellt die Behauptung aber pauschal auf.
Träfe ihre Auffassung zu, würde sich also der Streitwert nicht nach § 45 Abs. 3 GKG erhöhen, wenn der Beklagte - wie in Klausuren oft - die Klageforderung nur in rechtlicher Hinsicht bestreitet und hilfsweise die Aufrechnung erklärt.

Keine Frage - es gibt sehr gute Argumente für die kaisersche Auffassung. Diese Argumente will ich hier nicht vertiefen.

Das Problem ist vielmehr folgendes:
Ich habe in mehreren GKG-Kommentaren sowie 2 Lehrbüchern recherchiert und einige Gerichtsentscheidungen, sowie eine JuS-Klausur eines OLG-Richters zu dem Thema angesehen.
Ich muss sagen, ich habe die Behauptung von Kaiser nirgendwo bestätigt gefunden. Im Gegenteil: In allen diesen Stellen wird, teils mehr teils weniger deutlich davon ausgegangen, dass eine Hilfsaufrechnung immer vorliegt, wenn der Beklagte die Klageforderung in irgendeiner Hinsicht angreift. Nur wenn er die Klageforderung anerkennt oder sich gar nicht zu ihr äußert, liege eine Primäraufrechnung vor.

Netterweise geben Kaiser auch keine Fundstelle zu ihrer Auffassung an. Ich würde mich SEHR über euere Meinungen, gleich welchen Inhalts, zu diesem Thema freuen.
Über eine zitierfähige Fundstelle wäre ich sehr dankbar.
Stringtheorie
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Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von Stringtheorie »

Wenn ich mich gegen die Klagforderung selbst nicht verteidigen kann, was sollte dann dafür sprechen die Hilfsaufrechnung zu erklären, wenn gebührentechnisch die Primäraufrechnung für den Beklagten das wesentlich geringere Kostenrisiko birgt ? Soweit ich Deine Frage also richtig verstehe, würde ich schon wegen § 133 BGB immer darauf schließen, dass der Beklagte im Zweifel die ihm kostentechnisch günstigere Variante wählen will.

Was spricht also Deiner Meinung nach dafür eine Hilfsaufrechnung zu erklären, wenn die Klagforderung unstreitig ist ?
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pHr3d
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Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von pHr3d »

Wenn die Klageforderung nicht bestritten wird sondern nur eine Abweichende Rechtsauffassung geäußert wird kann mE. nur eine Primäraufrechnung vorliegen. Das Recht muss das Gericht ja ohnehin prüfen, die Auffassungen der Parteien dazu sind für den Prozess deshalb unerheblich.
Kannst du mal eine Fundstelle posten nach der eine Hilfsaufrechnung auch dann vorliegt, wenn der Beklagte nur seine Rechtsauffassung äußert?
I'm not happy till you're not happy.
savior
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Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von savior »

Ich sehe es ähnlich wie pHr3d. Was die Parteien an Rechtsauffassungen vorbringen, ist für das Gericht - jedenfalls theoretisch - völlig unbeachtlich. Also kann es sich auch nicht darauf auswirken, ob eine Hilfs- oder Primäraufrechnung vorliegt.

Ich bin mir außerdem ziemlich sicher, irgendwo im Zöller mal gelesen zu haben, dass eine Hilfsaufrechnung nur dann vorliege, wenn der Beklagte abweichende Tatsachen vortrage oder eine Einrede i.S.d. ZPO geltend mache. Ich kann die Fundstelle allerdings gerade nicht finden.
Gelöschter Nutzer

Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hi,
danke für eure schnellen Antworten.

Richtig, das war die bereits angesprochene (gute) Begründung, die ich wie gesagt nicht diskutieren wollte.

pHr3d, zu deiner Frage: Eine Fundstelle die das sehr deutlich sagt ist: Rosenberg/Schwab/Gold: Zivilprozessrecht, 14. Auflage, S. 634 (§ 106 II Nr. 2) - ein Buch, das übrigens auch der BGH häufig zitiert.
Im Übrigen findet sich etwa bei Hartmann: Kostengesetze kein Hinweis darauf, dass zwischen Rechtsargumenten und Tatsachenvortrag zu differenzieren ist.

Auch Oberheim: Zivilprozessrecht für Referendare, 7. Auflage, schreibt auf S. 36: Die Primäraufrechnung stellt praktisch die Ausnahme dar. Im Regelfall wird der Beklagte die Klageforderung nicht unstreitig stellen, sondern sich IN IRGENDEINER FORM hiergegen verteidigen und die Aufrechnung zwar erklären, diese aber erst dann zum Zuge kommen lassen wollen, wenn die übrige Verteidigung nicht zum Erfolg führt. Die zur Aufrechnung gestellte Forderung will der Beklagte nur dann opfern, wenn feststeht, dass seine übrige Verteidigung erfolglos is, er OHNE DIE AUFRECHNUNG ALSO VERURTEILT WÜRDE. Die Aufrechnung wird damit nur hilfsweise [...] erklärt.

Eine Klausur, die sich ohne nährere Begründung davon ausgeht, dass auf bei bloßen abweichenden Rechtsvortrag des Beklagten eine bloße Hilfsaufrechnung vorliegt, findet sich in JuS 2007, S. 847.

savior, wenn du die Zöller-Fundstelle noch finden würdest, das wäre echt super. Damit wäre das Problem für mich gelöst.
Vanbuyten
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Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von Vanbuyten »

Da habe ich auch gestutzt bei Kaiser, weil ich das eigentlich auch anders gelernt hatte.

Ich sehe das mittlerweile auch so wie pHr3d und Stringtheorie, so dass Kaiser wohl recht hat. Wenn der Beklagte nur mit Rechtsauffassungen hantiert, ist das für das Gericht ja sowieso völlig wuppe. Es kann dann nur eine Primäraufrechnung in Frage kommen.

Rosenberg/Schwab/Gold sind für mich ehrlich gesagt nicht so der Maßstab, weil sich die Frage ja schon (s.o.) aus den allgemeinen ZPO-Grundsätzen ergibt.

Hier einige Fundstellen zur Hilfsaufrechnung, dass es so ist wie Kaiser sagt:

Zöller/Greger § 145 Rn. 13: „Bestrittene Klageforderung“

OLG Düsseldorf Beschl. v. 21.8.2009, AZ: I-5 W 58/08, 5 W 58/08: „Bestrittene Gegenforderung“

OLG Karlsruhe MDR 1998, 1249: „Sachliche Bestreiten“

Deutlicher gehts nicht. Rspr. ist der Maßstab und Zöller im 2. Examen.
Gelöschter Nutzer

Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Lieber Vanbuyten,

also, ich habe die von dir zitierten Quellen nachgelesen. Ich vermag leider die Auffassung, dass eine Primäraufrechnung vorliegt, wenn der Beklagte nur seine abweichende Rechtsauffassung äußert, daraus nicht zu entnehmen.
Die von dir zitierten Passagen "bestritten" beziehen sich doch auf auf die Forderung des Beklagten gegen den Kläger.
Die Passage "sachliches Bestreiten" im Urteil des OLG Karlsruhe steht im Gegensatz zum Bestreiten von Zulässigkeitsvoraussetzungen.

Außerdem bin ich der Meinung, das es sehr wohl sehr viel deutlicher geht, nämlich so wie sich Rosenberg etc. einerseits und Kaiser andererseits äußern.

Dass es für eine Meinung sehr gute Gründe gibt, reicht mir leider nicht, da mir das im Fall einer Klage gegen eine Bewertung nichts bringen wird (Diese Frage möchte ich jetzt aber nicht zum Thema dieses Threads machen).
Vanbuyten
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Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von Vanbuyten »

Hi MichaelD,

du scheinst die Entscheidungen nicht richtig gelesen zu haben.

Aus OLG Karlsruhe: "Eine streitwerterhöhende Hilfsaufrechnung i.S.d. § 19 Abs. 3 GKG liegt dann nicht vor, wenn sich das in erster Linie geltend gemachte Verteidigungsvorbringen des Beklagten auf die Rüge von Prozeßvoraussetzungen einschließlich der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts beschränkt. Mit einer hilfsweisen Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung i.S.d. § 19 Abs. 3 GKG ist das sachliche Bestreiten der materiellrechtlichen Forderung gemeint. "

Dort ist ganz klar im Zusammenhang mit der Hilfsaufrechnung die Rede vom "sachlichen Bestreiten" der materiellr. Forderung (des Klägers). Und bestreiten meint im Sinne der ZPO nun mal der Vortrag eines abweichenden Sachverhaltes. Der Beklagte hatte in der Entscheidung auch Rechtseinwände gg die Klage (nämlich er meinte, die Klage sei unzulässig) und hat dann aufgerechnet. Das ist ja auch keine Hilfsaufrechnung (siehe die Ausführungen des OLG Karlsruhe).

Und bei OLG Düsseldorf steht: "Soweit der Beklagte bei einer unbestrittenen Klageforderung diese mit dem Aufrechnungseinwand zu Fall bringen will und die Aufrechnung nur mit einer Gegenforderung erklärt, handelt es sich um eine (Haupt-)Primäraufrechnung, bei der eine Werterhöhung gemäß § 45 Abs. 3 GKG ausscheidet."

Ich meine, dass es klarer nicht geht.

Und bei Zöller steht ja auch "bestrittene Klageforderung".

Wenn dich das immer noch nicht überzeugt, solltest du das einfach so hinnehmen. Es gibt wichtigeres...
savior
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Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von savior »

MichaelD hat geschrieben: savior, wenn du die Zöller-Fundstelle noch finden würdest, das wäre echt super. Damit wäre das Problem für mich gelöst.
So, ich hab die Stelle nun zwar wiedergefunden, allerdings hatte ich mich geirrt: Es war nicht im Zöller, sondern im Anders/Gehle. Dort heißt es unter Rn. 395 (8. Auflage):

"Von einer unbedingten Aufrechnung (= Primäraufrechnung, Hauptaufrechnung) ist auszugehen, wenn sich der Beklagte ausschließlich mit der Aufrechnung verteidigt. Das ist dann der Fall, wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht bestreitet und außer der Aufrechnung keine weiteren Einreden i.S.d. ZPO geltend macht."
Gelöschter Nutzer

Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Lieber Vanbuyten,

ob man die Entscheidungen in dem von dir genannten Sinne zu interpretieren hat, sei mal dahingestellt.

Ich würde dich allerdings doch bitten, in einer sachlichen Diskussion nicht unsachlich zu werden.

Lieber savior,
die Anders/Gehle-Fundstelle finde ich zwar auch nicht ganz so eindeutig formuliert wie Kaiser oder Rosenberg. Der erste Satz "ausschließlich mit der Aufrechnung verteidigt" bedeutet nämlich nicht zwingend, dass der Beklagte keine abweichende Rechtsauffassung äußert. Denn auch eine abweichende Rechtsauffassung ist eine Verteidigung im weiteren Sinne. Anders/Gehle schreiben schließlich nicht "Verteidungsmittel im Sinne von § 282 Abs. 1 ZPO".

Allerdings ist einzuräumen, dass es sich bei einer abweichenden Rechtsauffassung um keine Einrede iSd ZPO handelt, wovon Anders/Gehle im von dir genannten zweiten Satz sprechen.

Es stellt sich für mich allerdings doch die Frage, warum außer Kaiser niemand ausdrücklich auf den Fall eingeht, dass der Beklagte eine abweichende Rechtsauffassung äußert. Auch erscheint es mir bemerkenswert, dass ein Richter am OLG in einer JuS-Klausur und ein Juraprofessor in einem Lehrbuch die Hilfsaufrechnung anders einordnen.
Vanbuyten
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Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von Vanbuyten »

MichaelD, es war überhaupt nicht meine Absicht, unsachlich zu sein.

Ich verstehe aber deine Schwierigkeiten nicht so ganz. Neben Kaiser sagen doch die von mir geposteten Entscheidungen doch klipp und klar, dass mit Hilfsaufrechnung "sachliches Bestreiten" der KLageforderung gemeint ist und dass bei einer "unbestrittenen Klageforderung" eine Primäraufrechnung vorliegt. Deutlicher kann es kaum werden. Der Zöller ist auch eindeutig, so dass die Ausführungen von Kaiser finde ich durch OLG Düsseldorf, OLG Karlsruhe und Zöller abgesichert sind. Und erhlich gesagt würde ich einem Juraprofessor (kein Praktiker!) eher weniger glauben als zwei OLGs und dem anerkanntesten ZPO-Kommentar. Und die Tatsache, dass bestimmte - wie hier - wirklich spitzfindige Sachen nur vereinzelt kommentiert bzw. besprochen werden, ist ja auch nicht unnormal.
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Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von Anymus »

Also ich muss MichaelD zustimmen. Ich finde auch, dass du, Vanbuyten, unsachlich geworden bist.
Nur weil man eine andere Meinung vertritt, bedeutet es noch lange nicht, dass man den Tatsachenstoff nicht gründlich gelesen hat! Solche Provokationen und Unterstellungen sind es, die in diesem Forum immer wieder unnötige Streite hervorrufen.

Im Übrigen finde ich, dass die von dir geposteten Entscheidungen deine Auffassung ganz und gar nicht "klipp und klar" bestätigen. Ich finde, sie sind alles andere als "klipp und klar".
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Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von Vanbuyten »

Ich bin ja lieb. Ehrlich gesagt wollte ich nur helfen un die Entscheidungen posten, die ich zu der Frage von MichaelD gefunden habe.

Wenn man den Satz des OLG Karlsruhe "Mit einer hilfsweisen Aufrechnung.. ist das sachliche Bestreiten der materiellrechtlichen Forderung gemeint. " nicht eindeutig findet, den wird wahrscheinlich nichts in der Welt überzeugen können. Klarer wirds nirgendswo.

Gleiches gilt für den Satz des OLG Düsseldorf "Soweit der Beklagte bei einer unbestrittenen Klageforderung diese mit dem Aufrechnungseinwand zu Fall bringen will und die Aufrechnung nur mit einer Gegenforderung erklärt, handelt es sich um eine (Haupt-)Primäraufrechnung".

Ich verstehen nicht ganz, was da noch unklar sein soll, wenn man das gelesen hat. Und auch die Zeile im Zöller zur Hilfsaufrechnung "bestrittene Klageforderung" ist doch jetzt nicht wahnsinnig zweideutig, finde ich...

Bei Aufrechnung gegen bestrittene Forderung liegt Hilfsaufrechnung vor, bei Aufrechnung gegen unbestrittene Klageforderung eine Primäraufrechnung. Ende aus fertig.
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Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von Torquemada »

Ich weiß nicht, was bei Kaiser steht. Vermutlich steht da aber vor allem die etwas besserwisserische Erkenntnis, "bestreiten" könne man nun einmal nur Tatsachen, und deshalb beziehe sich die gängige Aussage, nur bei der Aufrechnung gegen eine "bestrittene Klageforderung" handele es sich um eine Eventualaufrechnung, allein auf den Fall, dass die klagebegründenden Tatsachen bestritten werden.

Das ist aber schon so allgemein nicht richtig - wenn die ZPO davon spricht, Ansprüche oder Rechtsverhältnisse würden "bestritten" (z.B. §§ 94, 111, 112, 900, 1079 ZPO) oder seien "streitig" (z.B. §§ 8, 29, 62, 154, 256, 287, 301, 304, 538, 880 ZPO), meint sie in gleicher Weise einen auf tatsächlichen Gegenbehauptungen wie auf rechtlichen Einwänden beruhenden "Streit" über die Forderung als solche - , und es entspricht vor allem nicht dem in diesem Zusammenhang einfach üblichen Sprachgebrauch.

Es empfiehlt sich vielleicht, hierfür einfach mal ein paar BGH-Entscheidungen zu lesen - z.B. BGHZ 57, 301 = NJW 1972, 257 ("Wenn der Beklagte - wie hier - die Klageforderung an sich nicht bestreitet und sich nur mit der Aufrechnung verteidigt, wird lediglich formal über zwei Forderungen entschieden. Wirtschaftlich geht der Streit der Parteien aber nur über einen Betrag, der die Höhe der Klageforderung nicht übersteigt. Das klagezusprechende Urteil belastet den Beklagten nur in Höhe der Urteilssumme. Daß er diesen Betrag grundsätzlich schuldet, hat der Beklagte nicht bestritten; insoweit hat das Berufungsgericht wirtschaftlich nicht zu seinem Nachteil erkannt. Belastet wird der Beklagte nur dadurch, daß er nach dem Erkenntnis des Berufungsgerichts die unstreitige Klageforderung nicht mit Hilfe seiner angeblichen Gegenforderung tilgen kann, sondern daß er sie wegen der Aberkennung der Gegenforderung aus seinem sonstigen Vermögen erfüllen muß. Deshalb ist in dem vorliegenden Fall einer Primäraufrechnung der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht höher als die Summe, zu deren Zahlung der Beklagte verurteilt worden ist."), BGH NJW-RR 1999, 1736 (es kommt darauf an, dass der Bekl. "sich nur mit der Aufrechnung verteidigt"), BGH NZM 2004, 423 (wo eine Eventualaufrechnung angenommen wurde, weil primär die Rechtswirksamkeit eines Vertrags "bestritten" wurde), BGH, Beschl.v. 8.5.2008 - VII ZR 237/06 ("Da der Beklagte die Klageforderung als solche nicht angegriffen hat, handelt es sich bei den Aufrechnungsforderungen ... um Primäraufrechnungen.").

Es steht deshalb für meine Begriffe gänzlich außer Frage, dass eine Primäraufrechnung auch und gerade nach der Rechtsprechung nur dann vorliegt, wenn sich der Bekl. weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht gegen die Klageforderung zur Wehr setzt.

Dass das gegenteilige Ergebnis überdies evident sachwidrig ist, wird deutlich, wenn man sich den Fall des Werts des Beschwerdegegenstands anschaut (dazu die oben zitierte Entscheidung BGHZ 57, 301): Wenn die Parteien aus Rechtsgründen über das Bestehen der Klageforderung streiten, versteht sich doch geradezu von selbst, dass die dann auch bei der Frage des Zugangs zur Rechtsmittelinstanz berücksichtigt werden muss.
Gelöschter Nutzer

Re: Eventualaufrechnung - Unterschied zur Primäraufrechnung

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich finde die zitierten Passagen aus Entscheidungen und Lehrbüchern auch nicht so aufschlussreich oder eindeutig, wie hier manche meinen.

Ich denke jedenfalls, dass die Hilfsaufrechnung auch schon anzunehmen ist, wenn der Hauptforderung lediglich Rechtsansichten entgegengehalten werden. Das ergibt sich für mich aus Folgendem:

Meines Wissens ist die Unterscheidung von Primär- und Hilfsaufrechnung hauptsächlich deshalb wichtig, weil man jeweils unterschiedliche Streitwerte ansetzt, § 45 Abs. 3 GKG. Dass nach dieser Vorschrift im Falle der Hilfsaufrechnung der Wert der Gegenforderung mit dem der Hauptforderung addiert wird, soll ausgleichen, dass das Gericht und die Anwälte mit der Prüfung beider Forderungen Arbeit haben. Das ist bei der Primäraufrechnung anders, wo nurmehr die Gegenforderung untersucht werden muss. Arbeit ist aber auch die rechtliche Prüfung einer Forderung, es kann sogar sehr viel Arbeit sein, wie jeder von uns bestätigen kann.

Eine normale Klage (ohne Aufrechnung), in der sich der Beklagte lediglich mit Rechtsansichten verteidigt, wird streitwert- und gebührenmäßig ja auch nicht anders behandelt, als eine solche, wo auch Tatsachen streitig sind. Wenn es keine Arbeit machen würde, nur rechtliche Einwände zu prüfen, dann würde für solch eine Klage – wie bei einem Anerkenntnis – eine niedrigere Gebühr verlangt.

Wenn man es nicht vom Sinn und Zweck der Regelung her sehen will, sondern dogmatisch, kommt man meines Erachtens zu demselben Ergebnis. Primäraufrechnung wird definiert als unbedingte Erklärung der Aufrechnung, Hilfsaufrechnung als durch die Zuerkennung der Hauptforderung bedingte. Durch die Äußerung von Rechtsansichten, die gegen die Hauptforderung sprechen, macht der Beklagte jedoch deutlich, dass er seine Gegenforderung eigentlich behalten möchte und nur für den Fall drangeben will, dass es mit der Verteidigung nicht klappt. Aber ich wiederhole gerade das Zitat aus dem Referendarbuch des Herrn Oberheim von oben.

Wenn hier §§ 133, 157 BGB bemüht werden, um ein gegenteiliges Ergebnis zu erzielen, so geschieht das meiner Meinung nach auf unehrliche Weise. Es verstößt gegen den Grundsatz, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Auslegung der Zeitpunkt des Zugangs beim Empfänger ist und nicht ein späterer, zu dem schon weitere Erkenntnisse vorliegen. Nur weil kostengünstig auszulegen ist, muss man noch lange nicht davon ausgehen, dass jemand plötzlich nur eine Primäraufrechnung erklärt hat, wenn sich im nachhinein herausstellt, dass seine rechtlichen Einwände nicht greifen konnten.
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