Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

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Seeker
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Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von Seeker »

Als ehemaliger Referendar weiß ich selbst, wie schwierig es sein kann, gute Literatur zur Vorbereitung auf das zweite Staatsexamen zu finden. Während es für das Studium und das erste Examen noch eine Vielzahl an guten Werken gibt, sind ordentliche Bücher zum Assessorexamen vergleichsweise rar gesät. Deshalb versuche ich hier, einen groben Überblick über die verfügbaren Werke mit einer wertenden Einschätzung zu geben. Natürlich ist das nur meine persönliche Meinung, die auf den Skripten und Lehrbüchern beruht, welche ich selbst gelesen oder zumindest überflogen habe. Es kommt außerdem sicherlich auch auf das jeweilige Bundesland an.

Vorab: am allerwichtigsten ist m.E. das Schreiben oder jedenfalls Gliedern von möglichst vielen Übungsklausuren. Die nachfolgende Liste sollte also keinesfalls dazu verleiten, monatelang nur theoretische Bücher zu wälzen. Aber es gibt doch genug Referendare, die gerne ein systematisches Werk haben, um sich zumindest die Grundlagen zu erarbeiten oder Details nachzuschlagen.

Zur Sinnhaftigkeit der Lektüre von Lehrbüchern im Ref: jeder ist unterschiedlich. Ich halte es aber für falsch und gefährlich, wenn manche pauschal behaupten, das Assessor- sei ein Praktikerexamen, bei dem Grundverständnis nicht erforderlich sei und man sich stattdessen allein auf das Auswendiglernen "praxisnaher" Formulierungsvorschläge a la Kaiser konzentrieren solle. Das zweite Examen enthält nicht selten komplexe prozessuale und materielle Probleme, die eben nicht "bei Kaiser" stehen. Wer etwa nicht wirklich versteht, was es mit verschiedenen Prozessrechtsverhältnissen auf sich hat, wie genau die Nebenintervention samt Interventionswirkung funktioniert oder was ein Zwischenurteil ist, der (nicht: wird, aber) kann es uU im Examen schwer haben.


I. Zivilrecht

1. Prozessual/ZPO (allgemein)

- Kaiser, "Die Zivilgerichtsklausur" - von diesem Werk halte ich sehr wenig. Es kann einen groben Überblick über den Aufbau einer Klausur geben, mehr aber auch nicht. Wer zivilprozessuale Grundkenntnisse oder Erläuterungen möchte, sucht sie hier vergeblich. Dieses Werk ist allenfalls zu empfehlen, wenn man kurz vor der ersten Zivilrechtsklausur ganz grob wissen möchte, wie man eine solche aufbaut. Von dem Auswendiglernen von (fremden, oft zu langen) Formulierungsvorschlägen würde ich im Übrigen nur abraten.

- (!) Oberheim - ein ordentliches Einsteigerbuch. Wer keine Ahnung von der ZPO hat, deren Grundlagen aber gut verständlich erklärt haben möchte, ist hier richtig. Nachteile: sehr lang, kein vertiefter Klausurbezug. Ganz gut geeignet als erste Lektüre neben der Zivilstation.

- Knöringer - ganz okay, hat aber Schattenseiten. Zum Einstieg m.E. kaum geeignet, da recht komprimiert und für Anfänger nicht sehr zugänglich. Teilweise fehlen auch vertiefende Ausführungen und sogar ganze Themenblöcke. Evtl. zur Vertiefung nach dem Oberheim geeignet.

- Anders/Gehle - zu schwierig für den Anfänger und ebenfalls sehr lang. Aber m.E. gute vertiefte Ausführungen, wenn man solche mag, braucht und genug Zeit hierfür hat (z.B. zur Kostenentscheidung, dem Urkundenverfahren, dem Säumnisverfahren usw. im Detail; hierzu gibt es sonst eher wenig Brauchbares). Setzt zwingend Grundwissen und einen gewissen Zeiteinsatz voraus, nicht für jedermann. Kann man auch ganz gut als Nachschlagewerk nutzen.

- Zimmermann, ZPO-Repetitorium - finde ich ganz gut zur Wiederholung und Vertiefung nebenbei, wenn man Lust hat. Ist aber nur eine Sammlung von Kurzfällchen, also keinesfalls nötig oder unverzichtbar. Kann aber das Lernen etwas auflockern.

- Empfehlung: persönlich finde ich Oberheim (Einstieg) + Anders/Gehle (Vertiefung) gut. Das kostet aber sehr viel Zeit. Wichtiger ist es, nach dem Grundverständnis (AG-Materielien und/oder Oberheim) gleich mit den Übungsklausuren zu beginnen, ggf. nachdem man sich kurz mit deren Aufbau vertraut gemacht hat (hierzu kann man auch einen schnellen Blick ins o.g. Kaiserskript werfen). Den Anders/Gehle kann man auch zum Nachschlagen und Vertiefen einzelner Fragen nutzen.


2. Anwaltsklausur

- das Kaiserskript hierzu ist in Ordnung, setzt aber m.E. Grundwissen ZPO voraus (s.o.)


3. Zwangsvollstreckungsrecht

- (!) Lackmann - ich finde den Lackmann gut, da er verständlich geschrieben ist und auch Grundlagen sowie Systematik vermittelt. Gut für alle, welche das ZVR erklärt bekommen und die Systematik verstehen wollen. Nachteil: nicht genug Klausurbezug
- (!) Kaiserskript - für sich genommen m.E. etwas suboptimal, da es recht viel voraussetzt und i.W. eine "Aneinanderreihung von Einzelproblemen" ist. Eine wirklich systematische Vermittlung des ZVR fehlt. Aber: gute, recht umfassende Aufarbeitung wichtiger Klausurprobleme. M.E. gut geeignet in Kombination mit dem Lackmann


4. Materielles Zivilrecht

- Kaiserskript - ist okay, aber für meine Verhältnisse oft etwas knapp/unverständlich und dadurch recht schwer zu lesen. Eher eine Art "To-do-Liste" ("diese X-Probleme sollte man für das 2. Examen parat haben") als ein echtes Lehrbuch
- sonst gibt es meines Wissens kein gutes Buch spezifisch für das zweite Examen
- Tatsächlich würde ich das Lernen mit den "hemmer"-Fällen (die X-Fälle im Y-Recht) empfehlen, welche eine schnelle Wiederholung des gesamten Stoffes ermöglichen. Natürlich darf man die oft sehr ausführlichen Lösungen (und die Streits) nicht 1-1 für das zweite Examen übernehmen, aber viele Probleme ähneln sich. Das Kaiserskript kann man daneben durchblättern, um zu sehen, ob man etwas Wichtiges übersieht


II. Strafrecht

1. Prozessual/StPO (allg.)

- viele lesen hierzu nichts, sondern nur Kaiserskript StA/Russack Revision. Halte ich für etwas riskant, da einem dann ggf. Grundkenntnisse fehlen, auf die es nicht selten ankommt.
- ich habe hierzu den Haller/Conzen überflogen, den fand ich ganz gut und schön verständlich geschrieben. Aber ist halt ein sehr dicker Wälzer. Im Zweifel sonst lieber Klausuren schreiben
- es gibt auch das "StPO-Repetitorium" aus Fällchen, die sind auch ganz gut

2. StA-Klausur

- Kaiserskript - mehr habe ich nicht gelesen, fand ich okay

3. Revision

- Russack sollte man gelesen haben, schon, weil alle anderen ihn kennen. Ich finde das Buch okay, gut lesbar usw. Aber es vermittelt eben - wie viele Skripte - vor allem Einzelprobleme. Systematisches Grundverständnis dagegen eher weniger.
- Kunnes, Strafprozessuale Revision ist insoweit ein bisschen besser, erklärt auch einige Details sehr gut und ausführlich (u.a. das Verhältnis von Beweisverwertungsverboten zu § 261 StPO sowie einige Anträge, wie die angestrebte Schuldspruchberichtigung). ABER wenn man sich entscheiden muss, wohl lieber den Russack, da "Standardwerk" und umfassender, was die Standardprobleme angeht.

4. Materiell

- Kaiserskript ist okay, gut lesbar usw.
- Allerdings finde ich die beiden "Jäger"-Bücher unübertroffen, auch für das zweite Examen. Aktuelle Rechtsprechung am Fall thematisiert, super. Sind aber zusammen natürlich sehr lang.
- Ich würde die Jäger-Bücher (erneut) durcharbeiten, außer man hat große Zeitnot, dann ist Kaiser i.O.



III. Öffentliches Recht

1. Prozessual

- Kaiserskript reicht hier, das fand ich recht gut, systematisch, gut lesbar
- Alternativ geht auch der Kintz, der ist angenehm zu lesen und ähnlich gut. Gibt sich m.E. relativ wenig.

2. Materiell

- Kaiserskript - habe ich gelesen, ist gut und umfassend, gut verständlich usw. Nachteil: es ist sehr ausführlich und behandelt auch Nebenbereiche des mat. ÖR sehr ausführlich. Das ist zwar an sich schön, aber m.E. fast ein bisschen viel Stoff, der den Blick auf das Wesentliche verdecken kann.
- ggf. etwas Landesrechtsspezifisches lesen

----

Das ist alles, wie gesagt, natürlich nur meine Meinung. Evtl. können andere für nachfolgende Generationen eigene Tipps und Hinweise ergänzen. Vielleicht freut sich ja mal jemand darüber.
Zuletzt geändert von Seeker am Freitag 27. November 2020, 09:40, insgesamt 1-mal geändert.
Julia
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von Julia »

Gute Idee, diese Zusammenstellung, Lob!
Könnte man eigentlich drüber nachdenken, das im Ref-Forum oben anzuheften, in der Hoffnung, dass die Leute dann erstmal hier reinschauen.
OJ1988
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von OJ1988 »

Wirklich gute Zusammenstellung, kann jedes Wort unterschreiben. Fazit: Die perfekte Rundum-Lösung gibt es nicht, man muss sich aus verschiedenen Quellen sein eigenes Programm basteln.
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von Brainiac »

Vielen Dank!

Gibt es zum materiellen Strafrecht noch eine gute Alternative zu Kaiserskript und Jäger? Letzteren finde ich bisweilen in der Falllösung etwas zu wenig systematisch/unmethodisch.
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von batman »

Womit hast Du denn fürs 1. Examen gearbeitet?
Seeker
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von Seeker »

Julia hat geschrieben: Freitag 27. November 2020, 09:04 Gute Idee, diese Zusammenstellung, Lob!
Könnte man eigentlich drüber nachdenken, das im Ref-Forum oben anzuheften, in der Hoffnung, dass die Leute dann erstmal hier reinschauen.
OJ1988 hat geschrieben: Freitag 27. November 2020, 10:29 Wirklich gute Zusammenstellung, kann jedes Wort unterschreiben. Fazit: Die perfekte Rundum-Lösung gibt es nicht, man muss sich aus verschiedenen Quellen sein eigenes Programm basteln.
Danke euch!

@Brainiac: kommt ein bisschen darauf an, was du suchst. Der gute alte Rengier ist okay, aber richtet sich natürlich auch an Anfänger und hat kaum Fallbeispiele. Die hemmer "X-Fälle im Strafrecht AT/BT" sind okay, wenn du nur kleine Fälle sucht.

Tatsächlich finde ich den Jäger insgesamt mit Abstand am besten. Dass die Fallösungen teilweise nicht perfekt sein mögen, finde ich nicht so schlimm - es geht ja eher darum, überhaupt auf die wichtigen Urteile aufmerksam gemacht zu werden und sich mit ihnen auseinander zu setzen. Die konkrete Schreibweise kannst du ja ohnehin nicht vollständig im zweiten Examen übernehmen (schon der Obersatz - etwa: hinr. Tatverdacht - ist ja z.T. schon anders).

Ansonsten kenne ich kein wirklich examensgeeignetes Buch zum materiellen Strafrecht, erst recht nicht spezifisch für das zweite Examen.
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von Brainiac »

batman hat geschrieben: Freitag 27. November 2020, 11:45 Womit hast Du denn fürs 1. Examen gearbeitet?
Rengier, Rep-Unterlagen - und Jäger. Mit letzterem bin ich aber nie so recht warm geworden. Die Lösungen sind m.E. teils etwas unübersichtlich i.S.v. wenig stringent strukturiert und i.E. war mir da zu häufig "Hierzu gibt es fünf Meinungen. [...] Meinung 1 ist zu eng, Meinung 2 verschiebt den Versuchbeginn zu weit nach vorne [...] und Meinung 5 führt zu zu großen Strafbarkeitslücken" drin. Das sind halt alles keine rechtlichen Argumente, wenn und weil das "zu" nicht dogmatisch/methodisch unterfüttert wird (wenngleich ich natürlich schon sehe, dass der BGH selbst letztere rechtspolitische Argumentation gerne bemüht).
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von OJ1988 »

Jäger ist m.E. ein Kondensat vom Rengier (der ja von der Konzeption her auch noch ein Kurzlehrbuch ist).
Ingerenz
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von Ingerenz »

Bin auch kein Jäger-Fan, weil viel abstraktes Wissen anhand von Fällen erläutert wird. Ich mag abstrakte Erläuterungen lieber, da besteht nicht die Gefahr, dass man in der Klausur nur auf das Problem kommt, wenn es genau die gleiche Fallgestaltung ist, in der man er gelernt hat. Natürlich ist es sinnvoll, auch die Fallbearbeitung zu trainieren. Aber grundsätzlich erlernt man ja als Juristin oder Jurist eben die Deduktion und das finde ich auch sinnvoll.
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von arlovski »

fuer das lernen mit fällen, nicht nur von fällen ist jaeger aber auch gut geeignet. und man kriegt dazu nicht aktuelle faelle, die man dann als solche lernen kann. mE geht nichts über jäger. die lehrbücher von bock (springer-verlag) sehen aber auch ganz gut aus, sind verstaendlich geschrieben und haben auch einen gewissen fallbezug (aber weniger als jaeger)

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Seeker
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von Seeker »

Ingerenz hat geschrieben: Freitag 27. November 2020, 13:36 Bin auch kein Jäger-Fan, weil viel abstraktes Wissen anhand von Fällen erläutert wird. Ich mag abstrakte Erläuterungen lieber, da besteht nicht die Gefahr, dass man in der Klausur nur auf das Problem kommt, wenn es genau die gleiche Fallgestaltung ist, in der man er gelernt hat. Natürlich ist es sinnvoll, auch die Fallbearbeitung zu trainieren. Aber grundsätzlich erlernt man ja als Juristin oder Jurist eben die Deduktion und das finde ich auch sinnvoll.
Jeder lernt anders. Aus Gesprächen mit anderen und Erfahrungsberichten würde ich aber sagen, dass es weitaus gefährlicher ist, zu einem Problemkreis überhaupt kein Fallbeispiel zu kennen als nur eines. Natürlich habe ich dazu keine statistischen Daten erhoben, ich meine aber, dass das Scheitern im Examen häufig nicht auf einen Mangel an Wissen zurückzuführen ist, sondern auf "totes" abstraktes Wissen ohne Fallbezug.

Man muss sich aber selbstverständlich Fallbearbeitung und abstraktes Wissen nicht notwendig in einem Werk erarbeiten, sondern kann mehrere Quellen - etwa ein Lehr- und ein Fallbuch - kombinieren.
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von OJ1988 »

M.E. nimmt das materielle Recht im 2. Examen auch im Strafrecht mind. soviel Raum ein wie das Prozessrecht.
Limonadenbaum
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von Limonadenbaum »

Sehe ich auch so. In der StA-Klausur (NRW) empfinde ich es so, dass der Schwerpunkt auf dem materiellen Recht und auf Fragen der Beweisverwertbarkeit liegt. Der Rest, also B-Gutachten und praktischer Teil, verknappt nur die Zeit für das A-Gutachten, bringt aber kaum jemals nennenswert Punkte (andersherum verliert man aber wohl viele Punkte, wenn da was fehlt, sodass man die Formalia und Prozessrecht natürlich trotzdem lernen muss). Im Strafurteil dürfte materielles Strafrecht auch den größten Raum einnehmen.

Fischer fand ich für Strafrecht BT aber auch sehr hilfreich.
Seeker hat geschrieben: Donnerstag 26. November 2020, 17:36 I. Zivilrecht

1. Prozessual/ZPO (allgemein)

- Kaiser, "Die Zivilgerichtsklausur" - von diesem Werk halte ich sehr wenig. Es kann einen groben Überblick über den Aufbau einer Klausur geben, mehr aber auch nicht. Wer zivilprozessuale Grundkenntnisse oder Erläuterungen möchte, sucht sie hier vergeblich. Dieses Werk ist allenfalls zu empfehlen, wenn man kurz vor der ersten Zivilrechtsklausur ganz grob wissen möchte, wie man eine solche aufbaut. Von dem Auswendiglernen von (fremden, oft zu langen) Formulierungsvorschlägen würde ich im Übrigen nur abraten.

- (!) Oberheim - ein ordentliches Einsteigerbuch. Wer keine Ahnung von der ZPO hat, deren Grundlagen aber gut verständlich erklärt haben möchte, ist hier richtig. Nachteile: sehr lang, kein vertiefter Klausurbezug. Ganz gut geeignet als erste Lektüre neben der Zivilstation.

- Knöringer - ganz okay, hat aber Schattenseiten. Zum Einstieg m.E. kaum geeignet, da recht komprimiert und für Anfänger nicht sehr zugänglich. Teilweise fehlen auch vertiefende Ausführungen und sogar ganze Themenblöcke. Evtl. zur Vertiefung nach dem Oberheim geeignet.

- Anders/Gehle - zu schwierig für den Anfänger und ebenfalls sehr lang. Aber m.E. gute vertiefte Ausführungen, wenn man solche mag, braucht und genug Zeit hierfür hat (z.B. zur Kostenentscheidung, dem Urkundenverfahren, dem Säumnisverfahren usw. im Detail; hierzu gibt es sonst eher wenig Brauchbares). Setzt zwingend Grundwissen und einen gewissen Zeiteinsatz voraus, nicht für jedermann. Kann man auch ganz gut als Nachschlagewerk nutzen.

- Zimmermann, ZPO-Repetitorium - finde ich ganz gut zur Wiederholung und Vertiefung nebenbei, wenn man Lust hat. Ist aber nur eine Sammlung von Kurzfällchen, also keinesfalls nötig oder unverzichtbar. Kann aber das Lernen etwas auflockern.

- Empfehlung: persönlich finde ich Oberheim (Einstieg) + Anders/Gehle (Vertiefung) gut. Das kostet aber sehr viel Zeit. Wichtiger ist es, nach dem Grundverständnis (AG-Materielien und/oder Oberheim) gleich mit den Übungsklausuren zu beginnen, ggf. nachdem man sich kurz mit deren Aufbau vertraut gemacht hat (hierzu kann man auch einen schnellen Blick ins o.g. Kaiserskript werfen). Den Anders/Gehle kann man auch zum Nachschlagen und Vertiefen einzelner Fragen nutzen.


2. Anwaltsklausur

- das Kaiserskript hierzu ist in Ordnung, setzt aber m.E. Grundwissen ZPO voraus (s.o.)


3. Zwangsvollstreckungsrecht

- (!) Lackmann - ich finde den Lackmann gut, da er verständlich geschrieben ist und auch Grundlagen sowie Systematik vermittelt. Gut für alle, welche das ZVR erklärt bekommen und die Systematik verstehen wollen. Nachteil: nicht genug Klausurbezug
- (!) Kaiserskript - für sich genommen m.E. etwas suboptimal, da es recht viel voraussetzt und i.W. eine "Aneinanderreihung von Einzelproblemen" ist. Eine wirklich systematische Vermittlung des ZVR fehlt. Aber: gute, recht umfassende Aufarbeitung wichtiger Klausurprobleme. M.E. gut geeignet in Kombination mit dem Lackmann


4. Materielles Zivilrecht

- Kaiserskript - ist okay, aber für meine Verhältnisse oft etwas knapp/unverständlich und dadurch recht schwer zu lesen. Eher eine Art "To-do-Liste" ("diese X-Probleme sollte man für das 2. Examen parat haben") als ein echtes Lehrbuch
- sonst gibt es meines Wissens kein gutes Buch spezifisch für das zweite Examen
- Tatsächlich würde ich das Lernen mit den "hemmer"-Fällen (die X-Fälle im Y-Recht) empfehlen, welche eine schnelle Wiederholung des gesamten Stoffes ermöglichen. Natürlich darf man die oft sehr ausführlichen Lösungen (und die Streits) nicht 1-1 für das zweite Examen übernehmen, aber viele Probleme ähneln sich. Das Kaiserskript kann man daneben durchblättern, um zu sehen, ob man etwas Wichtiges übersieht


II. Strafrecht

1. Prozessual/StPO (allg.)

- viele lesen hierzu nichts, sondern nur Kaiserskript StA/Russack Revision. Halte ich für etwas riskant, da einem dann ggf. Grundkenntnisse fehlen, auf die es nicht selten ankommt.
- ich habe hierzu den Haller/Conzen überflogen, den fand ich ganz gut und schön verständlich geschrieben. Aber ist halt ein sehr dicker Wälzer. Im Zweifel sonst lieber Klausuren schreiben
- es gibt auch das "StPO-Repetitorium" aus Fällchen, die sind auch ganz gut

2. StA-Klausur

- Kaiserskript - mehr habe ich nicht gelesen, fand ich okay

3. Revision

- Russack sollte man gelesen haben, schon, weil alle anderen ihn kennen. Ich finde das Buch okay, gut lesbar usw. Aber es vermittelt eben - wie viele Skripte - vor allem Einzelprobleme. Systematisches Grundverständnis dagegen eher weniger.
- Kunnes, Strafprozessuale Revision ist insoweit ein bisschen besser, erklärt auch einige Details sehr gut und ausführlich (u.a. das Verhältnis von Beweisverwertungsverboten zu § 261 StPO sowie einige Anträge, wie die angestrebte Schuldspruchberichtigung). ABER wenn man sich entscheiden muss, wohl lieber den Russack, da "Standardwerk" und umfassender, was die Standardprobleme angeht.

4. Materiell

- Kaiserskript ist okay, gut lesbar usw.
- Allerdings finde ich die beiden "Jäger"-Bücher unübertroffen, auch für das zweite Examen. Aktuelle Rechtsprechung am Fall thematisiert, super. Sind aber zusammen natürlich sehr lang.
- Ich würde die Jäger-Bücher (erneut) durcharbeiten, außer man hat große Zeitnot, dann ist Kaiser i.O.



III. Öffentliches Recht

1. Prozessual

- Kaiserskript reicht hier, das fand ich recht gut, systematisch, gut lesbar
- Alternativ geht auch der Kintz, der ist angenehm zu lesen und ähnlich gut. Gibt sich m.E. relativ wenig.

2. Materiell

- Kaiserskript - habe ich gelesen, ist gut und umfassend, gut verständlich usw. Nachteil: es ist sehr ausführlich und behandelt auch Nebenbereiche des mat. ÖR sehr ausführlich. Das ist zwar an sich schön, aber m.E. fast ein bisschen viel Stoff, der den Blick auf das Wesentliche verdecken kann.
- ggf. etwas Landesrechtsspezifisches lesen
Super Zusammenfassung! Ich habe ganz überwiegend dieselben Erfahrungen gemacht. Russack fand ich furchtbar zu lesen und hat mir im Examen nichts gebracht, ist aber wohl trotzdem leider alternativlos.

Für Bundesländer, in denen im Examen ein Strafurteil geschrieben wird, finde ich hingegen das Russack-Skript, das man leider nur über die Seminare erhält, sehr hilfreich. Zum Nachschlagen einzelner Punkte, die bei Russack nicht so gut erklärt werden, eignet sich m.E. Ziegler, Das Strafurteil gut.
Seeker
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von Seeker »

OJ1988 hat geschrieben: Freitag 27. November 2020, 18:26 M.E. nimmt das materielle Recht im 2. Examen auch im Strafrecht mind. soviel Raum ein wie das Prozessrecht.
Limonadenbaum hat geschrieben: Freitag 27. November 2020, 19:01 Sehe ich auch so. In der StA-Klausur (NRW) empfinde ich es so, dass der Schwerpunkt auf dem materiellen Recht und auf Fragen der Beweisverwertbarkeit liegt. Der Rest, also B-Gutachten und praktischer Teil, verknappt nur die Zeit für das A-Gutachten, bringt aber kaum jemals nennenswert Punkte (andersherum verliert man aber wohl viele Punkte, wenn da was fehlt, sodass man die Formalia und Prozessrecht natürlich trotzdem lernen muss).
Schließe mich euch an. IdR könnten die Sachverhalte (zumindest aus der StA-Klausur) in gekürzter Fassung ohne Beweiswürdigung und prozessuale Probleme ganz genau so auch im ersten Examen laufen. Die Zeiten, in denen im zweiten Examen materiell-rechtlich nur simple Standardfälle (A ermordert B, X raubt Y mit Waffe aus), sind vorbei (wenn es sie denn mal gegeben haben sollte).
Russack fand ich furchtbar zu lesen und hat mir im Examen nichts gebracht, ist aber wohl trotzdem leider alternativlos.
Ja, war tatsächlich auch kein großer Fan davon. Am meisten stören mich die teilweise fehlende Systematik und die fehlende Erläuterung der Grundlagen. Eine grobe Struktur ist zwar vorhanden, innerhalb dieser wird dann aber schlicht ein Einzelproblem an das andere gereit. Das Problem ist nur, dass es kaum eine echte Alternative gibt und zwar der o.g. Kunnes ganz gut ist, aber dafür nicht ansatzweise so viele Standardprobleme abdeckt, die durchaus mal drankommen können.
Sprrvsnsnstnz
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Re: Literatur für das zweite Staatsexamen (Überblick)

Beitrag von Sprrvsnsnstnz »

Da mich die Amazon-Rezensionen zum Russack sehr abgeschreckt haben, habe ich mir für den Anfang mal "Die strafrechtliche Revision im Assessorexamen" aus der Jura-Komapkt Reihe zugelegt.
Das hat liest sich sehr angenehm finde ich und vermittelt neben vielen Einzelproblemen auch Systemverständnis. Ist aber eben "kompakt" und entsprechend wohl auch etwas oberflächlich.
Wenn ich am Ende noch Zeit hab, werde ich mir auch noch den Russack zu Gemüte führen, im Moment sieht es aber eher so aus, als ob die Zeit auch ohne schon echt knapp wird :D
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