Stationsauswahl im Hinblick auf Berufsziel

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Kokolores
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Stationsauswahl im Hinblick auf Berufsziel

Beitrag von Kokolores »

Liebe Forenfreunde und -Freundinnen,

bei mir steht nun voraussichtlich für den Sommer das Referendariat in NRW (Bezirk OLG Hamm) an. Mein Anspruch ans Ref war bisher eigentlich, sämtliche möglichen Berufsfelder eingehend zu für mich selbst prüfen und dann zu entscheiden, was mich für den Berufseinstieg am meisten reizen würde. Aus dem Bauch heraus würde mich aktuell am meisten der Richterdienst reizen. Allerdings machen mich meine Noten (8,49 im ersten, Endergebnis des Verbesserungsversuchs steht noch aus - vermutlich aber auch eher oberes befr bis knappes vb) nun nicht zu einem 1a Kandidaten für die Justiz und ich kann freilich nicht sicher voraussehen, ob das zweite Examen nun besser laufen wird. Dazu kommt, dass ich keine besondere fachliche Präferenz habe sondern eher mittelmäßiger Alleskönner bin. Mein Schwerpunkt war im öffentlichen Recht, beim Examen war ich aber z.B. im Zivilrecht besser.

Aus diesem Grunde bin ich nun am überlegen, ob ich mich im Ref bei der Stationsauswahl stark auf die Justiz konzentrieren sollte, konkret: Station beim VG statt bei einer Verwaltung, Wahlstation beim OLG / OVG. Die Überlegung dahinter ist mit den Stationen für den Berufseinstieg zu unterstreichen, dass ich mich bewusst für Justiz entschieden habe und der Entscheidung dann auch Nachdruck verliehen habe - im besten Fall natürlich auch mit soliden Stationsnoten. Wie man so liest scheint das ja ein Punkt zu sein, der in Auswahlgesprächen oft thematisiert wird.

Meine Frage ist nun, ob das Vorgehen so Sinn macht. Im schlimmsten Fall habe ich alles auf Justiz gesetzt und werde mich dann - sofern die Noten für den Justizdienst nicht reichen - im Vorstellungsgespräch bei Verwaltungen bzw. Kanzleien wohl auf die Frage einstellen müssen, warum ich denn jetzt Rechtsanwalt/Beamter werden will. Ist das ein K.O.-Kriterium bzw. ist das risk-reward-Verhältnis insofern vielleicht eher ungünstig?

Vielen Dank für eure Anregungen!
insanus_judex
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Re: Stationsauswahl im Hinblick auf Berufsziel

Beitrag von insanus_judex »

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat mit Erlass vom 29.06.1999 die Voraussetzungen für die Einstellung in den richterlichen Probedienst des Landes geregelt. In Nordrhein-Westfalen werden in der Regel derzeit nur Juristen eingestellt, die das Zweite juristische Staatsexamen mit Prädikat abgelegt haben (vollbefriedigend, mindestens 9 Punkte).

Es können aber auch solche Bewerber zu einem Auswahlgespräch eingeladen werden, die in der zweiten juristischen Staatsprüfung weniger als 9,0 Punkte aber mindestens 7,76 Punkte erreicht haben und sich durch besondere persönliche Eigenschaften auszeichnen. Dies können z. B. besondere Leistungen im Abitur, im Studium, in der Ersten Prüfung, in der Referendarzeit erheblich über der Note im zweiten Staatsexamen liegende Beurteilungen oder besondere persönliche Fähigkeiten und Erfahrungen sein, welche die Persönlichkeit eines Richters positiv prägen und den Bewerber herausheben.

Quelle: JM NRW (Verwaister Link https://www.justiz.nrw.de/Karriere_neu/03_new_berufseinstieg/02_new_richter/index.php automatisch entfernt)
Es kommt demnach primär auf ein VB im 2. Examen an. Das kannst du ja noch ohne weiteres erreichen.
Liz
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Re: Stationsauswahl im Hinblick auf Berufsziel

Beitrag von Liz »

Ich würde dazu raten, das Referendariat zur Orientierung und Profilbildung gleichermaßen zu nutzen. Die Zivil- und Strafstation bieten bereits Gelegenheit, die Tätigkeit in der Justiz kennenzulernen und dort positiv aufzufallen. Die Verwaltungs- und Anwaltsstation bieten hingegen die Möglichkeit, sich thematisch einen Plan B zu überlegen und als "roten Faden" zu dokumentieren. Und dann würde ich mir zu Beginn der 2./3. Station überlegen, wohin es zur Wahlstation gehen soll und wie man diese Station ggf für beide Varianten (Justiz / Anwaltschaft / Behörde) "gut" verkaufen kann ("wollte mal die Gegenseite, insbesondere im Bereich xy-Recht, kennenlernen").
Sektnase
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Re: Stationsauswahl im Hinblick auf Berufsziel

Beitrag von Sektnase »

Nein, weil wenn du im zweiten Examen nicht besser wirst, die Stationen nichts nützen und jeder Anwalt/ jedes Unternehmen sehen kann, dass du eigentlich gern Richter geworden wärst (Und du keinen Plan B hast). Vor allem: warte mal die erste Station ab. Vom Berufswunsch Richter sind bei uns schon da einige geheilt gewesen.. Die Wahlstation wirst du ja eh nicht gleich am Anfang suchen müssen?
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
Kokolores
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Re: Stationsauswahl im Hinblick auf Berufsziel

Beitrag von Kokolores »

Zunächst nochmal danke für die raschen Antworten !
Ich denke, dass ich dann eher an meinem ursprünglichen Plan festhalten werde und mir einfach sämtliche Stationen ganz unvoreingenommen anschauen werde und dann schaue, was mir am meisten zusagt. Wahrscheinlich wird sich ja schon aufgrund meiner Interessen und ggf. Talente dann eine entsprechende Stationsnote herauskristallisieren.

Fokus Nr. 1 bleibt natürlich das Examen. Ich hoffe, dass ich mit 2 Jahren konzentrierter Arbeit das Ergebnis aus dem ersten Examen übertreffen kann. Im Rep habe ich schon gemerkt, dass Versäumnisse im Grund- und Hauptstudium einem in den Hintern beißen :D
Kokolores
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Re: Stationsauswahl im Hinblick auf Berufsziel

Beitrag von Kokolores »

Ich reaktiviere das Thema aus aktuellem Anlass:
Ich bin bald mit der Zivilstation fertig. Das Zeugnis steht zwar noch aus; die bisherigen Arbeiten wurden aber insgesamt mehr als erfreulich benotet (wobei die Noten dabei natürlich wenig repräsentativ sind). Mein Ausbilder hat mir in Gesprächen aber auch ausdrücklich gesagt, dass er mich gut für den Richterberuf geeignet hält. Er hat mir deshalb angeboten, eine solche Formulierung auch explizit in das Zeugnis zu schreiben.

Persönlich kann ich auch sagen, dass mir die Arbeit trotz im Vergleich zu AG-Kollegen erhöhter Belastung was Art und Umfang der Akten angeht sehr viel Spaß gemacht hat. Entsprechend hat sich mein bisheriges Berufsziel deutlich bestätigt.

Ich überlege daher, ob ich mich für die Wahlstation beim OLG bewerbe. Damit würde ich mich freilich stärker in Richtung Staatsdienst festlegen. Allerdings fällt mir auf Anhieb auch keine tolle Alternative ein, die mich wirklich reizen würde. Ins Ausland muss ich nicht wirklich, in die Rechtsabteilung eines Unternehmens zieht es mich auch nicht sonderlich und als "Experiment" würde ich an sich nur gerne ins Medizinrecht hineinschnuppern (meine RA-Station macht das leider nicht). Das OLG hätte den Vorteil, dass ich schon einen etwas näheren Kontakt zu Personen hätte, die potenziell über meine Einstellung entscheiden. Mein Ausbilder meinte jedenfalls, dass man am OLG u.a. den "kurzen Dienstweg" nutzt, um sich ein genaueres Bild von Bewerbern zu machen. Das setzt natürlich die formalen Auswahlgrenzen nicht außer Kraft, klar.

Gibt es noch Aspekte, die ich übersehe?
Liz
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Re: Stationsauswahl im Hinblick auf Berufsziel

Beitrag von Liz »

No risk no fun. Die Wahlstation am OLG birgt m. E. genau zwei Risiken:

1) Man kann die dortige „Erprobung“ nicht bestehen, dh auf dem kurzen Dienstweg wird der Daumen massiv gesenkt.

2) Es reicht später notenmäßig auch nach dem Verbesserungsversuch oder aus sonstigen Gründen nicht für die Justiz: Dann muss man einen anderen potentiellen Arbeitgeber davon überzeugen, dass man jetzt aber wirklich für ihn arbeiten möchte, was voraussichtlich besser gelingen wird, wenn man irgendeinen Bezug herstellen kann.
Kokolores
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Re: Stationsauswahl im Hinblick auf Berufsziel

Beitrag von Kokolores »

Falls es jemanden interessiert hier ein Update: Ich konnte das Ref erfolgreich abschließen. Die "Mini-Erprobung" hat ebenfalls geklappt: Meine Ausbilderin dort hat mich im Zeugnis ebenfalls als für den Richterdienst geeignet beurteilt. Letztens erhielt ich dann auch die Einladung für das Auswahlverfahren. Unterm Strich hat sich die Stationswahl also wohl "gelohnt" und mir (in Verbindung mit dem Examen) die Tür geöffnet. Jetzt muss ich nur noch im Auswahlverfahren überzeugen. :-)
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