Assessorexamensklausuren nur mit Grobgliederung schreiben

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Kokolores
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Assessorexamensklausuren nur mit Grobgliederung schreiben

Beitrag von Kokolores »

Vorab: Ich hoffe meine Frage kommt jetzt nicht allzu dämlich rüber.

Mein Verständnis von Klausuren im zweiten Examen sieht bisher so aus: In Urteilsklausuren aber auch sonst ist gefragt, eine knappe und prägnante Lösung darzulegen. Anders als im ersten Examen muss dafür dann nicht mehr jeder denkbare Anspruch durchexerziert werden, sondern eben nur das, worauf es wirklich ankommt. Daraus folgt jetzt für mich gedanklich, dass ich den Fall schon bis zum Ergebnis durchgelöst habe, bevor ich anfange zu schreiben. Das ist ja prinzipiell auch der Weg im ersten Examen: Lösungsskizze mit allem erstellen und dann beim Schreiben konkrete Schwerpunkte setzen. Allerdings kommen ja z.B. Ansprüche die im Ergebnis nicht durchgehen (während ein anderer Anspruch schon durchgeht) meist gar nicht ins Urteil oder irre ich mich da?

Nun habe ich allerdings im ersten Examen einen anderen Weg für die Lösungsskizzen gewählt und eher eine Grobgliederung erstellt. Ich habe die Ansprüche / Rechtsgrundlagen / Straftatbestände alle notiert und gegliedert. Problematische Stellen habe ich mir dann in die Gliederung geschrieben aber an der Stelle noch nicht entschieden sondern nur Auswirkungen für die nachfolgende Prüfung markiert. Mir lag es besser mehr Zeit für das Schreiben zu kalkulieren und die Argumentation an problematischen Stellen dann erst wenn ich bei diesen angekommen war zu formulieren. Im Gutachten ist das ja auch ganz gut möglich, weil das Ergebnis ja erst am Ende feststeht. Zur Einordnung: Mit dieser Taktik konnte ich idR nach ca. 1 Stunde (im Strafrecht oft noch eher) anfangen zu schreiben - habe dann natürlich an problematischen Stellen "Denkpausen" gehabt, bevor ich die Lösung fortgeführt habe.

Wenn ich jetzt aber daran denke, dass ich das Endergebnis voranstelle und nachträglich begründe funktioniert der Ansatz ja nicht ohne weiteres. Deswegen zweifle ich aktuell daran, ob die Vorgehensweise auch fürs zweite Examen noch taugt und ob ich mich vielleicht zwingen sollte "umzulernen".

Was meint ihr? Gibt es hier vielleicht noch andere, die bei der Lösung ähnlich wie ich vorgehen?
Sektnase
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Re: Assessorexamensklausuren nur mit Grobgliederung schreiben

Beitrag von Sektnase »

Kokolores hat geschrieben: Sonntag 25. April 2021, 12:40. Allerdings kommen ja z.B. Ansprüche die im Ergebnis nicht durchgehen (während ein anderer Anspruch schon durchgeht) meist gar nicht ins Urteil oder irre ich mich da?
Da scheiden sich etwas die Geister. Soweit ein Anspruch durchgeht, würde ich nur den prüfen. Dann muss der Rest aber ins Hilfsgutachten. Wenn mehrere Ansprüche durchgehen, könnte man die weiteren, sprachlich schön verpackt, wohl auch ins Urteil schreiben. Wird in der Praxis (sehr verkürzt) z.T. auch so gemacht, z.B. "7 I StVG, 18 I StVG, 823 I BGB..". Das Problem sehe ich hier darin, dass in den weiteren Ansprüchen auch noch Schwerpunkte liegen können, die man in einer praxisgerechten Prüfungsweise eher nicht tiefgehend genug bearbeiten kann. Ansonsten müsste man eben wieder ein Hilfsgutachten machen. Geht kein Anspruch durch, hat man ja kein Problem.

Nun habe ich allerdings im ersten Examen einen anderen Weg für die Lösungsskizzen gewählt und eher eine Grobgliederung erstellt. Ich habe die Ansprüche / Rechtsgrundlagen / Straftatbestände alle notiert und gegliedert. Problematische Stellen habe ich mir dann in die Gliederung geschrieben aber an der Stelle noch nicht entschieden sondern nur Auswirkungen für die nachfolgende Prüfung markiert. Mir lag es besser mehr Zeit für das Schreiben zu kalkulieren und die Argumentation an problematischen Stellen dann erst wenn ich bei diesen angekommen war zu formulieren. Im Gutachten ist das ja auch ganz gut möglich, weil das Ergebnis ja erst am Ende feststeht. Zur Einordnung: Mit dieser Taktik konnte ich idR nach ca. 1 Stunde (im Strafrecht oft noch eher) anfangen zu schreiben - habe dann natürlich an problematischen Stellen "Denkpausen" gehabt, bevor ich die Lösung fortgeführt habe.

Wenn ich jetzt aber daran denke, dass ich das Endergebnis voranstelle und nachträglich begründe funktioniert der Ansatz ja nicht ohne weiteres. Deswegen zweifle ich aktuell daran, ob die Vorgehensweise auch fürs zweite Examen noch taugt und ob ich mich vielleicht zwingen sollte "umzulernen".
Kokolores hat geschrieben: Sonntag 25. April 2021, 12:40 Was meint ihr? Gibt es hier vielleicht noch andere, die bei der Lösung ähnlich wie ich vorgehen?
Ich hab eher das gegenteilige Problem und mache (zu?) ausführliche Skizzen. Blöd finde ich, dass man für die Skizze eigentlich nie mehr als 1,5h, maximal 2h Zeit hat. Man kann die Schwerpunkte also erst in der Reinschrift argumentativ bearbeiten, wobei ich die Kommentarstellen natürlich schon während der Skizze anschaue und notiere. Die Lösung muss aber schon vor dieser tieferen Beschäftigung mit den Problemen stehen.. So zumindest im Zivilrecht. Ich will mir angewöhnen, z.B. in der StA-Klausur weniger Skizze zu machen, also nur noch Delikte und Probleme notieren.

Zu dir: die Lösung muss eben, wie du sagtest, zumindest in den Urteilsklausuren vor der Reinschrift stehen. Wie viel man sich dazu aufschreibt, muss man wohl einfach austesten.. gibt ja auch Klausuren, z.B. im Zwangsvollstreckungsrecht, in denen man viel Zeit hat und es eher um das Verständnis geht. Gegenbeispiel die genannten StA-Klausuren, in denen man zwei Gutachten und 5 Seiten Anklage schreiben soll.
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Assessorexamensklausuren nur mit Grobgliederung schreiben

Beitrag von gola20 »

Die Urteilsklausuren sind doch so auslegt, dass entweder alle Probleme bei einer AGL verpackt sind (dann stattgebendes Urteil) oder verstreut auf viele AGL (dann klageabweisendes Urteil). Mit der Zeit entwickelt man ein Gesprür für die Marschrichtung und kann dann normal runterschreiben.
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Re: Assessorexamensklausuren nur mit Grobgliederung schreiben

Beitrag von Strich »

gola20 hat geschrieben: Sonntag 25. April 2021, 23:39 Die Urteilsklausuren sind doch so auslegt, dass entweder alle Probleme bei einer AGL verpackt sind (dann stattgebendes Urteil) oder verstreut auf viele AGL (dann klageabweisendes Urteil). Mit der Zeit entwickelt man ein Gesprür für die Marschrichtung und kann dann normal runterschreiben.
So kenne ich das auch.
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Re: Assessorexamensklausuren nur mit Grobgliederung schreiben

Beitrag von Seeker »

Strich hat geschrieben: Montag 26. April 2021, 10:45
gola20 hat geschrieben: Sonntag 25. April 2021, 23:39 Die Urteilsklausuren sind doch so auslegt, dass entweder alle Probleme bei einer AGL verpackt sind (dann stattgebendes Urteil) oder verstreut auf viele AGL (dann klageabweisendes Urteil). Mit der Zeit entwickelt man ein Gesprür für die Marschrichtung und kann dann normal runterschreiben.
So kenne ich das auch.
Stimmt in der Pauschalität für aktuelle Klausuren leider nicht. Es gibt durchaus (von mir aus schlecht gestellte) Urteilsklausuren, die trotz Stattgabe faktisch die Prüfung mehrerer Ansprüche erfordern.

Was man unproblematisch machen kann: nach einer ausführlichen Prüfung einer AGL am Ende das Urteil noch auf weitere Standbeine zu stellen. Am besten aber nur mit einer relativ kurzen Begründung, etwa: "Im Übrigen folgt der Anspruch auch aus den §§ ...., denn der Beklagte hat...".

Bei einer Teilstattgabe bietet es sich u.U. an zu sagen: "Der Anspruch folgt aus §§... (...) Ein weitergehender Anspruch besteht dagegen nicht. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus den §§....".

Blöd ist es, wenn ein Anspruch durchgeht, ein anderer aber nicht. Das ist aber sehr selten der Fall. Dann kann man evtl. ein sehr kurzes Hilfsgutachten schreiben (aber wirklich nur, wenn die Parteien ewig darüber diskutieren).
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Re: Assessorexamensklausuren nur mit Grobgliederung schreiben

Beitrag von gola20 »

Sehe ich anders. Stattgebendes Urteil nur eine AGL. Rest Hilfsgutachten. Alles andere wäre ein Fehler. Es gibt Klausuren die ein Hilfsgutachten als Musterlösung verlangen. Die sind aber sehr selten.
Teilstattgabe kann man einfach lösen, wie man will.
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Re: Assessorexamensklausuren nur mit Grobgliederung schreiben

Beitrag von Seeker »

"Alles andere wäre ein Fehler."

Hier (GPA) wird "zweites Standbein" im Falle der Stattgabe auf jeden Fall als zulässig erachtet. Das mag natürlich mal ein Korrektor anders sehen, was aber immer passieren kann.
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Re: Assessorexamensklausuren nur mit Grobgliederung schreiben

Beitrag von gola20 »

Ja, im Norden sind die Examina auch leichter
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Re: Assessorexamensklausuren nur mit Grobgliederung schreiben

Beitrag von Kokolores »

Kurzes Update: In der AG machen wir unter gewissem Zeitdruck Lösungsskizzen. Es ist eine absolute Katastrophe für mich. Ich war bisher mit meinen Skizzen nicht wirklich in der Nähe der Urteilsgründe. Ich werde mir das jetzt wohl mit viel Arbeit irgendwie antrainieren müssen.

Mein (sicherlich durch eine gewisse Verzweiflung getriebener) Eindruck: Obwohl die Fälle rechtlich einfacher sind bin ich nicht in der Lage, schlüssige & richtige Lösungen zu entwickeln. Jedenfalls fällt es mir so extrem schwer gedanklich abzuschätzen, welche Merkmale problematisch sein können. Bin jetzt schon mehrmals über rechtliche Schwerpunkte des Falls drübergebügelt weil ich bei der gedanklichen Skizze unsauber arbeite (insb. die Definitionen nicht ordentlich abarbeite). Wenn ich mich dann aber zwinge und sehr kleinteilig vorgehe, z.B. die einschlägige Definition bewusst vor Augen führe, werde ich in der Zeit nicht fertig. Wir kriegen meist 30-60 Minuten für die Skizzen.

Es führt wohl kein Weg an wirklich intensiver Übung in der Hinsicht vorbei. Der Post ist jetzt auch hauptsächlich als Erfahrungsbericht gemeint, falls hier Leute mitlesen, denen es ähnlich geht.
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Re: Assessorexamensklausuren nur mit Grobgliederung schreiben

Beitrag von Strich »

Kokolores hat geschrieben: Donnerstag 17. Juni 2021, 17:21 Kurzes Update: In der AG machen wir unter gewissem Zeitdruck Lösungsskizzen. Es ist eine absolute Katastrophe für mich. Ich war bisher mit meinen Skizzen nicht wirklich in der Nähe der Urteilsgründe. Ich werde mir das jetzt wohl mit viel Arbeit irgendwie antrainieren müssen.

Mein (sicherlich durch eine gewisse Verzweiflung getriebener) Eindruck: Obwohl die Fälle rechtlich einfacher sind bin ich nicht in der Lage, schlüssige & richtige Lösungen zu entwickeln. Jedenfalls fällt es mir so extrem schwer gedanklich abzuschätzen, welche Merkmale problematisch sein können. Bin jetzt schon mehrmals über rechtliche Schwerpunkte des Falls drübergebügelt weil ich bei der gedanklichen Skizze unsauber arbeite (insb. die Definitionen nicht ordentlich abarbeite). Wenn ich mich dann aber zwinge und sehr kleinteilig vorgehe, z.B. die einschlägige Definition bewusst vor Augen führe, werde ich in der Zeit nicht fertig. Wir kriegen meist 30-60 Minuten für die Skizzen.

Es führt wohl kein Weg an wirklich intensiver Übung in der Hinsicht vorbei. Der Post ist jetzt auch hauptsächlich als Erfahrungsbericht gemeint, falls hier Leute mitlesen, denen es ähnlich geht.
Da steckt, und das meine ich toternst, eine große Portion Erkenntnis drin.
Es ist nur leider die Erkenntnis, dass man im Studium zu oberflächlich mit Tatbestandsmerkmalen und Definitionen umgegangen ist.
Aber damit bist du ohnehin weiter, als die anderen ^^
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