Studium trotz Panikstörung?

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

Moderator: Verwaltung

Antworten
kathku
Newbie
Newbie
Beiträge: 2
Registriert: Sonntag 17. Juli 2022, 14:52

Studium trotz Panikstörung?

Beitrag von kathku »

Hallo zusammen! Es würde mich freuen, wenn mir jemand einen Rat oder eine Meinung zu meiner aktuellen Situation geben würde.

Ich habe 2017 mit dem Jurastudium angefangen und bin jetzt in meinem 9. Fachsemester. Am Anfang lief das Studium relativ gut.
Nach ca. 2 oder 3 Semestern habe ich aber eine starke Angststörung vor dem Studium entwickelt und nur noch sehr selten gelernt. Ich habe das Studium fast komplett ausgeblendet und wurde sehr psychisch krank, blieb nur noch im Bett und habe mich von meinen Mitmenschen isoliert. Ich habe so gut wie keine Prüfungen mehr mitgeschrieben, und wenn ich es versucht habe, habe ich meist nicht bestanden.
Im Herbst 2020 hatte ich dann einen großen Zusammenbruch und täglich Panikattacken und musste in eine psychiatrische Klinik. Ich habe das Studium dann fast 1 Jahr ausgesetzt und auch die Uni gewechselt, um näher an Familie und Freunden zu sein.

Jetzt studiere ich fast 2 Semester an der neuen Uni und habe wieder erste Erfolgserlebnisse. Ich kann wieder lernen und Scheine ablegen, habe aber dennoch noch immer sehr mit Panik zu kämpfen und teilweise sehr schlechte Phasen, in denen ich wochenlang nichts tun kann. Ich bin in psychischer Behandlung und mein Zustand ist schon viel besser als vor einem Jahr, aber es ist trotzdem noch ein weiter Weg und ich kann nicht so viel leisten wie ich gerne würde.
Ich bin nun bald schon im 10. Semester, muss aber noch den großen Schein Öffentliches Recht, den ganzen Schwerpunkt und die Examensvorbereitung durchlaufen. Ich denke, dass ich für das alles bestimmt noch 3 Jahre brauchen werde. Ich habe sehr vieles wieder vergessen durch die lange Zeit, in der ich nicht gelernt oder wiederholt habe. Einige Vorlesungen habe ich auch nur auf dem Papier besucht. Wenn alles gut läuft, könnte ich mein Examen also frühestens im 16. Semester schreiben.
Was die Examensnote anbelangt, kann ich nicht einschätzen, was ich realistisch erreichen könnte. Von den Fähigkeiten her wäre ich wahrscheinlich für Jura geeignet, wenn mir meine Panik nicht immer in die Quere kommen würde. Ich wäre schon zufrieden, wenn ich das Examen überhaupt bestehe.

Denkt ihr, es ist in meiner Situation sinnvoll, das Studium weiterzuführen? Ich liebe Jura an sich, das Studium war immer mein Traum und ich möchte die letzten 5 Jahre ungern einfach wegwerfen, aber ich bin so unsicher, ob es sich am Ende lohnen wird. Hätte ich mit einer so langen Studiendauer überhaupt noch Chancen?

Über jegliches Feedback würde ich mich freuen. Danke an jeden, der diesen langen Text liest.
FelixFelicis
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 27
Registriert: Sonntag 31. Juli 2022, 09:33
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Studium trotz Panikstörung?

Beitrag von FelixFelicis »

Guten Tag Kathku,

zunächst darf ich dir gratulieren: Dass es dir schon erheblich besser geht als in der Vergangenheit ist ein großer Sieg, der wichtiger ist als es jedes abgeschlossene Studium jemals sein könnte! Ich denke jeder Leser freut sich sehr, dass du Fortschritte machst und dich langsam wieder an das rechtswissenschaftliche Studium herantastest.

Dass man das Gefühl hat, „nicht so viel leisten kann wie man gerne würde", ist weit verbreitet, aber sollte nicht deine Sichtweise darstellen: Jeder Schritt in die richtige Richtung ist ein Gewinn und die großen Steigerungen werden mit der Zeit kommen - Gib aber dem Prozess einfach die Zeit, den er braucht.

Ob sich das Fortsetzen und Abschließen eines Studiums „lohnt", ist eine individuelle Frage. Wenn eine Person jedoch - wie du schreibst - das Studium liebt und es immer ihr Traum war, kann ich diese Frage nur mit einem deutlichen „Ja" beantworten.

In meinen Augen ist deine psychische Erkrankung nicht anders zu behandeln als jede physische, die dem Studium im Weg stand - Ob du im Zuge eines Autounfalls lange Zeit im Bett lagst oder aufgrund einer Panikstörung verhindert warst, ist meiner Beurteilung nach absolut gleichwertig.

Nichtsdestotrotz empfehle ich dir diese wichtige Frage mit Vertrauenspersonen und z.B. Ansprechpartnern an der Universität abzusprechen, da eine Einschätzung aus der Ferne fachkundige Expertise nicht zu ersetzen vermag.

Gleichzeitig möchte ich dir meine volle Unterstützung aussprechend und alles Gute für deine Zukunft wünschen - Du machst das klasse!

Beste Grüße.
Felix
kathku
Newbie
Newbie
Beiträge: 2
Registriert: Sonntag 17. Juli 2022, 14:52

Re: Studium trotz Panikstörung?

Beitrag von kathku »

FelixFelicis hat geschrieben: Mittwoch 17. August 2022, 18:37 Guten Tag Kathku,

zunächst darf ich dir gratulieren: Dass es dir schon erheblich besser geht als in der Vergangenheit ist ein großer Sieg, der wichtiger ist als es jedes abgeschlossene Studium jemals sein könnte! Ich denke jeder Leser freut sich sehr, dass du Fortschritte machst und dich langsam wieder an das rechtswissenschaftliche Studium herantastest.

Dass man das Gefühl hat, „nicht so viel leisten kann wie man gerne würde", ist weit verbreitet, aber sollte nicht deine Sichtweise darstellen: Jeder Schritt in die richtige Richtung ist ein Gewinn und die großen Steigerungen werden mit der Zeit kommen - Gib aber dem Prozess einfach die Zeit, den er braucht.

Ob sich das Fortsetzen und Abschließen eines Studiums „lohnt", ist eine individuelle Frage. Wenn eine Person jedoch - wie du schreibst - das Studium liebt und es immer ihr Traum war, kann ich diese Frage nur mit einem deutlichen „Ja" beantworten.

In meinen Augen ist deine psychische Erkrankung nicht anders zu behandeln als jede physische, die dem Studium im Weg stand - Ob du im Zuge eines Autounfalls lange Zeit im Bett lagst oder aufgrund einer Panikstörung verhindert warst, ist meiner Beurteilung nach absolut gleichwertig.

Nichtsdestotrotz empfehle ich dir diese wichtige Frage mit Vertrauenspersonen und z.B. Ansprechpartnern an der Universität abzusprechen, da eine Einschätzung aus der Ferne fachkundige Expertise nicht zu ersetzen vermag.

Gleichzeitig möchte ich dir meine volle Unterstützung aussprechend und alles Gute für deine Zukunft wünschen - Du machst das klasse!

Beste Grüße.
Felix
Hallo Felix,

Ich habe deine Antwort leider erst jetzt ein halbes Jahr später gesehen. Sorry!
Ich danke dir vielmals für deine Antwort und all deine lieben Worte. Ich freue mich so sehr darüber!

Jetzt einige Monate später habe ich mich dazu entschlossen, das Studium weiterzuführen und bin auch wieder zuversichtlich, dass ich es schaffen kann.
Wie du mir auch empfohlen hast, habe ich mich mit der juristischen Studienberatung und der psychologischen Beratung meiner Uni in Kontakt gesetzt, wo mir auch geraten wurde, es noch einmal mit dem Studium zu versuchen.
Gesundheitlich geht es mir immer besser und ich kann wieder die Freude an Jura und am Studium finden.

Ich danke dir noch einmal für deine tollen, aufbauenden Worte!

Viele Grüße,
Kathrin
Herr Schraeg
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2811
Registriert: Montag 15. März 2010, 10:35
Ausbildungslevel: RA

Re: Studium trotz Panikstörung?

Beitrag von Herr Schraeg »

Ich habe diesen kurzen thread auch erst jetzt entdeckt und bin so angetan, dass ich mich beiden Vorpostern anschliessen will:

@ Kathku: Felix hatte mit jedem seiner Worte Recht. Ergänzen kann man allenfalls noch, dass die Studiendauer bei Jura absolut nachrangig ist. Schön, dass Du dabeigeblieben bist.

@ Felix: Das war einer der aufbauendsten und emphatischsten posts, die ich hier jemals gelesen habe. Das versöhnt wieder mit manchen Ausfällen im Forum. Danke auch von einem Unbeteiligten dafür.
Antworten