Examenstagebuch

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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Roni
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Examenstagebuch

Beitrag von Roni »

Eigentlich wollte ich seit Monaten dieses Thema eröffnen, aber es erklärt sich von selbst, warum das bisher nicht geschah: mit dem Lernen lief es gar nicht gut.
Auch wollte ich anfangs hier zu meiner allgemeinen Studiensituation viel schreiben, Ziele erklären usw., aber von alldem sehe ich jetzt ab. Ist auch irgendwie irrlevant, der Titel verrät das Wichtigste: ich bin in der Examensvorbeireitung und mir fehlt manchmal bei Fragen der Austausch. Werde hier also die während des Lernens auftauchende Fragen stellen und bin dankbar, wenn jemand helfen kann bzw. es versucht.

Heute Fragen aus dem Verwaltungsprozessrecht. Bitte korrigiert gerne, wenn ich Falsches schreibe, ich teile nur mit wie ich das (bisher) verstehe.

Es geht um das Thema formelle Rechtswidrigkeit eines VAs. Ein formeller Mangel führt zwar dazu, dass der VA (formell) rechtswidrig ist, aber nicht automatisch auch dazu, dass der VA unwirksam ist. Erste Frage: Kann ein VA, der materiell einen Mangel hat, also materiell rechtswidrig ist, auch wirksam sein? Bzw. können materielle "Fehler" korrigiert oder nachgeholt werden?

Nach §45 VwVfG kann die Behörde bestimmte Verfahrensfehler durch Nachholung heilen (bis zur letzten Tatsacheninstanz; was ist eine (bzw. die letzte) Tatsachenistanz?). Tut die Behörde das, so wird aus dem rechtswidrigen VA ein rechtmäßiger VA. Aber wieso soll die Behörde das tun, wenn der rechtswidrige VA doch auch wirksam ist? Wenn die Behörde diese Nachholung während des verwaltungsgerichtlichen Prozesses macht, dann erledigt sich doch die (Anfechtungs-)Klage zugunsten des Klägers. Oder? Was bringt dann so eine Nachholung der Behörde? Könnte die Behörde sich nicht Arbeit ersparen, wenn sie weiß, sie hätte mit oder ohne den Mangel gleich entschieden? Das Gericht würde dann im Rahmen von §46 VwVfG doch die Klage als unbegründet abweisen(?).

Wie ist das Verhältnis von §45 zu §46? Kann also ein nach §45 grundsätzlich durch Nachholung heilbarer Mangel, der nicht geheilt wird, noch nach §46 "geretttet" werden, wenn er offensichtlich keinen Einfluss auf die Entscheidung hatte? Wäre es in den Fällen für die Behörde nicht sogar einfacher, den Mangel nicht zu korrigieren, wenn sie weiß, dass das Gericht sehen wird, dass dieser Mangel offensichtlich die Entscheidung nicht beeinflusst hat?

Im Buch steht sinngemäß, wenn die Voraussetzungen von §46 vorliegen, dann wird das Gericht die Anfechtungsklage trotz der formellen Rechtswidrigkeit als unbegründet abweisen. Der Kläger kann aber dann FFK erheben bzw. seinen Klageantrag hierauf umstellen , §113 I 4 VwGO analog. Aber wie würde das im Konkreten aussehen bzw. was erreicht der Kläger hierbei mit einer FFK?

Kurz: (gehen von Mängeln aus, die nicht zur Nichtigkeit des VAs führen): Behörde erlässt einen (belastenden) VA, formeller Mangel enthalten, ist rechtswidrig, aber trotzdem wirksam. Dann erhebt Betroffener Anfechtungsklage, da der VA rechtswidrig ist.
1) Es handelt sich um einen durch Nachholung heilbaren Mangel, Behörde holt die Handlung gem. §45 bis zur letzten Tatsacheninstanz nach, rechtswidriger VA wird wirksamer VA.
2) Es handelt sich um einen durch Nachholung heilbaren Mangel, Behörde weiß, dass der Mangel offensichtlich keinen Einfluss auf die Entscheidung hatte, holt die Hanldung nicht gem. §45 nach, rechtswidriger VA bleibt rechtswidrig. Gericht prüft und kommt dann im Rahmen von §46 zu dem Ergebnis, dass der Mangel offensichtlich keine Folgen für die Entscheidung hatte und weist die AK als unbegründet ab.
3) Behörde holt die Handlung nicht nach, keine Heilung nach §45, VA bleibt rechtswidrig, Gericht kommt im Rahmen von §46 zum Ergebnis, dass der Fehler nicht offensichtlich folgenlos für die Entscheidung war, Gericht hebt VA auf.

Ich habe wahrscheinlich Einiges falsch verstanden, Denkfehler, zu wenig Wissen oder alles zusammen.
Sektnase
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von Sektnase »

Roni hat geschrieben: Sonntag 13. Juni 2021, 18:40 Eigentlich wollte ich seit Monaten dieses Thema eröffnen, aber es erklärt sich von selbst, warum das bisher nicht geschah: mit dem Lernen lief es gar nicht gut.
Auch wollte ich anfangs hier zu meiner allgemeinen Studiensituation viel schreiben, Ziele erklären usw., aber von alldem sehe ich jetzt ab. Ist auch irgendwie irrlevant, der Titel verrät das Wichtigste: ich bin in der Examensvorbeireitung und mir fehlt manchmal bei Fragen der Austausch. Werde hier also die während des Lernens auftauchende Fragen stellen und bin dankbar, wenn jemand helfen kann bzw. es versucht.

Heute Fragen aus dem Verwaltungsprozessrecht. Bitte korrigiert gerne, wenn ich Falsches schreibe, ich teile nur mit wie ich das (bisher) verstehe.

Es geht um das Thema formelle Rechtswidrigkeit eines VAs. Ein formeller Mangel führt zwar dazu, dass der VA (formell) rechtswidrig ist, aber nicht automatisch auch dazu, dass der VA unwirksam ist. Erste Frage: Kann ein VA, der materiell einen Mangel hat, also materiell rechtswidrig ist, auch wirksam sein? Bzw. können materielle "Fehler" korrigiert oder nachgeholt werden?

Nach §45 VwVfG kann die Behörde bestimmte Verfahrensfehler durch Nachholung heilen (bis zur letzten Tatsacheninstanz; was ist eine (bzw. die letzte) Tatsachenistanz?). Tut die Behörde das, so wird aus dem rechtswidrigen VA ein rechtmäßiger VA. Aber wieso soll die Behörde das tun, wenn der rechtswidrige VA doch auch wirksam ist? Wenn die Behörde diese Nachholung während des verwaltungsgerichtlichen Prozesses macht, dann erledigt sich doch die (Anfechtungs-)Klage zugunsten des Klägers. Oder? Was bringt dann so eine Nachholung der Behörde? Könnte die Behörde sich nicht Arbeit ersparen, wenn sie weiß, sie hätte mit oder ohne den Mangel gleich entschieden? Das Gericht würde dann im Rahmen von §46 VwVfG doch die Klage als unbegründet abweisen(?).

Wie ist das Verhältnis von §45 zu §46? Kann also ein nach §45 grundsätzlich durch Nachholung heilbarer Mangel, der nicht geheilt wird, noch nach §46 "geretttet" werden, wenn er offensichtlich keinen Einfluss auf die Entscheidung hatte? Wäre es in den Fällen für die Behörde nicht sogar einfacher, den Mangel nicht zu korrigieren, wenn sie weiß, dass das Gericht sehen wird, dass dieser Mangel offensichtlich die Entscheidung nicht beeinflusst hat?

Im Buch steht sinngemäß, wenn die Voraussetzungen von §46 vorliegen, dann wird das Gericht die Anfechtungsklage trotz der formellen Rechtswidrigkeit als unbegründet abweisen. Der Kläger kann aber dann FFK erheben bzw. seinen Klageantrag hierauf umstellen , §113 I 4 VwGO analog. Aber wie würde das im Konkreten aussehen bzw. was erreicht der Kläger hierbei mit einer FFK?

Kurz: (gehen von Mängeln aus, die nicht zur Nichtigkeit des VAs führen): Behörde erlässt einen (belastenden) VA, formeller Mangel enthalten, ist rechtswidrig, aber trotzdem wirksam. Dann erhebt Betroffener Anfechtungsklage, da der VA rechtswidrig ist.
1) Es handelt sich um einen durch Nachholung heilbaren Mangel, Behörde holt die Handlung gem. §45 bis zur letzten Tatsacheninstanz nach, rechtswidriger VA wird wirksamer VA.
2) Es handelt sich um einen durch Nachholung heilbaren Mangel, Behörde weiß, dass der Mangel offensichtlich keinen Einfluss auf die Entscheidung hatte, holt die Hanldung nicht gem. §45 nach, rechtswidriger VA bleibt rechtswidrig. Gericht prüft und kommt dann im Rahmen von §46 zu dem Ergebnis, dass der Mangel offensichtlich keine Folgen für die Entscheidung hatte und weist die AK als unbegründet ab.
3) Behörde holt die Handlung nicht nach, keine Heilung nach §45, VA bleibt rechtswidrig, Gericht kommt im Rahmen von §46 zum Ergebnis, dass der Fehler nicht offensichtlich folgenlos für die Entscheidung war, Gericht hebt VA auf.

Ich habe wahrscheinlich Einiges falsch verstanden, Denkfehler, zu wenig Wissen oder alles zusammen.
Der Grunsfehler: Ein nichtiger VA ist unwirksam, ein rechtswidriger ist wirksam. Klar kann die Behörde ihren (nur) rechtswidrigen VA einfach so stehen lassen und vollstrecken. Der Betroffene wird aber klagen und das VG dann den VA aufheben. Davon mal abgesehen ist die Behörde in der Praxis ja nicht nur darauf aus, irgendwie gerichtfest zu arbeiten. Bei rechtswidrigem Handeln kommen auch Amtshaftungsansprüche in Betracht.

Verknüpfen lernen: wie wäre es bei einem Gesetz? Ist das bei Fehlern rechtswidrig und/oder unwirksam?
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von thh »

Roni hat geschrieben: Sonntag 13. Juni 2021, 18:40Es geht um das Thema formelle Rechtswidrigkeit eines VAs. Ein formeller Mangel führt zwar dazu, dass der VA (formell) rechtswidrig ist, aber nicht automatisch auch dazu, dass der VA unwirksam ist. Erste Frage: Kann ein VA, der materiell einen Mangel hat, also materiell rechtswidrig ist, auch wirksam sein?
Es gäbe recht wenige Verwaltungsprozesse, wenn materiell rechtswidrige Verwaltungsakte nichtig wären, vermute ich.
Roni hat geschrieben: Sonntag 13. Juni 2021, 18:40Nach §45 VwVfG kann die Behörde bestimmte Verfahrensfehler durch Nachholung heilen (bis zur letzten Tatsacheninstanz; was ist eine (bzw. die letzte) Tatsachenistanz?).
Tatsacheninstanzen sind solche, in denen Beweis erhoben wird (VG, OVG), also nicht nur - wie bei der Revision - eine bloße Rechtsprüfung stattfindet (BVerwG).
Roni hat geschrieben: Sonntag 13. Juni 2021, 18:40Tut die Behörde das, so wird aus dem rechtswidrigen VA ein rechtmäßiger VA. Aber wieso soll die Behörde das tun, wenn der rechtswidrige VA doch auch wirksam ist?
Was geschieht denn im Verwaltungsprozess, wenn der VA formell rechtswidrig ist?
Roni hat geschrieben: Sonntag 13. Juni 2021, 18:40Was bringt dann so eine Nachholung der Behörde? Könnte die Behörde sich nicht Arbeit ersparen, wenn sie weiß, sie hätte mit oder ohne den Mangel gleich entschieden?
Genau das ist der Zweck, ja.
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von Roni »

Sektnase hat geschrieben: Sonntag 13. Juni 2021, 21:19
Roni hat geschrieben: Sonntag 13. Juni 2021, 18:40 Eigentlich wollte ich seit Monaten dieses Thema eröffnen, aber es erklärt sich von selbst, warum das bisher nicht geschah: mit dem Lernen lief es gar nicht gut.
Auch wollte ich anfangs hier zu meiner allgemeinen Studiensituation viel schreiben, Ziele erklären usw., aber von alldem sehe ich jetzt ab. Ist auch irgendwie irrlevant, der Titel verrät das Wichtigste: ich bin in der Examensvorbeireitung und mir fehlt manchmal bei Fragen der Austausch. Werde hier also die während des Lernens auftauchende Fragen stellen und bin dankbar, wenn jemand helfen kann bzw. es versucht.

Heute Fragen aus dem Verwaltungsprozessrecht. Bitte korrigiert gerne, wenn ich Falsches schreibe, ich teile nur mit wie ich das (bisher) verstehe.

Es geht um das Thema formelle Rechtswidrigkeit eines VAs. Ein formeller Mangel führt zwar dazu, dass der VA (formell) rechtswidrig ist, aber nicht automatisch auch dazu, dass der VA unwirksam ist. Erste Frage: Kann ein VA, der materiell einen Mangel hat, also materiell rechtswidrig ist, auch wirksam sein? Bzw. können materielle "Fehler" korrigiert oder nachgeholt werden?

Nach §45 VwVfG kann die Behörde bestimmte Verfahrensfehler durch Nachholung heilen (bis zur letzten Tatsacheninstanz; was ist eine (bzw. die letzte) Tatsachenistanz?). Tut die Behörde das, so wird aus dem rechtswidrigen VA ein rechtmäßiger VA. Aber wieso soll die Behörde das tun, wenn der rechtswidrige VA doch auch wirksam ist? Wenn die Behörde diese Nachholung während des verwaltungsgerichtlichen Prozesses macht, dann erledigt sich doch die (Anfechtungs-)Klage zugunsten des Klägers. Oder? Was bringt dann so eine Nachholung der Behörde? Könnte die Behörde sich nicht Arbeit ersparen, wenn sie weiß, sie hätte mit oder ohne den Mangel gleich entschieden? Das Gericht würde dann im Rahmen von §46 VwVfG doch die Klage als unbegründet abweisen(?).

Wie ist das Verhältnis von §45 zu §46? Kann also ein nach §45 grundsätzlich durch Nachholung heilbarer Mangel, der nicht geheilt wird, noch nach §46 "geretttet" werden, wenn er offensichtlich keinen Einfluss auf die Entscheidung hatte? Wäre es in den Fällen für die Behörde nicht sogar einfacher, den Mangel nicht zu korrigieren, wenn sie weiß, dass das Gericht sehen wird, dass dieser Mangel offensichtlich die Entscheidung nicht beeinflusst hat?

Im Buch steht sinngemäß, wenn die Voraussetzungen von §46 vorliegen, dann wird das Gericht die Anfechtungsklage trotz der formellen Rechtswidrigkeit als unbegründet abweisen. Der Kläger kann aber dann FFK erheben bzw. seinen Klageantrag hierauf umstellen , §113 I 4 VwGO analog. Aber wie würde das im Konkreten aussehen bzw. was erreicht der Kläger hierbei mit einer FFK?

Kurz: (gehen von Mängeln aus, die nicht zur Nichtigkeit des VAs führen): Behörde erlässt einen (belastenden) VA, formeller Mangel enthalten, ist rechtswidrig, aber trotzdem wirksam. Dann erhebt Betroffener Anfechtungsklage, da der VA rechtswidrig ist.
1) Es handelt sich um einen durch Nachholung heilbaren Mangel, Behörde holt die Handlung gem. §45 bis zur letzten Tatsacheninstanz nach, rechtswidriger VA wird wirksamer VA.
2) Es handelt sich um einen durch Nachholung heilbaren Mangel, Behörde weiß, dass der Mangel offensichtlich keinen Einfluss auf die Entscheidung hatte, holt die Hanldung nicht gem. §45 nach, rechtswidriger VA bleibt rechtswidrig. Gericht prüft und kommt dann im Rahmen von §46 zu dem Ergebnis, dass der Mangel offensichtlich keine Folgen für die Entscheidung hatte und weist die AK als unbegründet ab.
3) Behörde holt die Handlung nicht nach, keine Heilung nach §45, VA bleibt rechtswidrig, Gericht kommt im Rahmen von §46 zum Ergebnis, dass der Fehler nicht offensichtlich folgenlos für die Entscheidung war, Gericht hebt VA auf.

Ich habe wahrscheinlich Einiges falsch verstanden, Denkfehler, zu wenig Wissen oder alles zusammen.
Der Grunsfehler: Ein nichtiger VA ist unwirksam, ein rechtswidriger ist wirksam. Klar kann die Behörde ihren (nur) rechtswidrigen VA einfach so stehen lassen und vollstrecken. Der Betroffene wird aber klagen und das VG dann den VA aufheben. Davon mal abgesehen ist die Behörde in der Praxis ja nicht nur darauf aus, irgendwie gerichtfest zu arbeiten. Bei rechtswidrigem Handeln kommen auch Amtshaftungsansprüche in Betracht.

Verknüpfen lernen: wie wäre es bei einem Gesetz? Ist das bei Fehlern rechtswidrig und/oder unwirksam?
Danke für die Hilfe. Es war aber nicht der Grundfehler, ich habe deshalb auch geschrieben "gehen von Mängeln aus, die nicht zur Nichtigkeit führen", weil es mir nur um unwirksame bzw. rechtswidrige VAs ging, die Mängel haben, die noch geheilt werden könnten. Die zweite Hälfte deiner Antwort hilft aber sehr. Viele Menschen, zumindest so aus meiner Umgebung, nehmen Bescheide von Behörden hin als wären diese endgültig, selbst wenn das unter formellen Mängel leiden würde, die allerwenigsten würden tatsächlich klagen. Ein rechtswidriger VA ist also vollstreckbar, wenn der Betroffene sich nicht wehrt. (Erstes Aha-Erlebnis).
"Der Betroffene wird aber klagen und das VG dann den VA aufheben." Genau darum geht es gerade. Ist es aber nicht so, dass in diesem Rahmen die Behörde nach §45 noch die Verfahrenshandlung nachholen kann und dadurch den Mangel heilen kann bzw. wenn die Behörde das nicht tut oder es sich nicht um einen nichtheilbaren Mangel handelt, das VG dann auch (von sich aus?) §46 prüft und dann bei der offensichtlichen Folgenlosigkeit des formellen Mangels auf die Entscheidung den VA trotzdem nicht aufhebt, sondern die Klage als unbegründet abweist?

Hättest du ein Beispiel, wo und welche Amtshaftungsansprüche in so einem Fall in Betracht kommen könnten?

Das mit dem verknüpfend lernen ist wirklich eine gute Idee, nur fehlt mir das Wissen. Deshalb kann ich deine Frage ad hoc auch nicht beantworten. Ich würde sagen, dass die Behörde, wenn sie Verdacht hat, dass das Gesetz nicht verfassungskonform ist, erstmal das weiterleiten muss an ein entsprechendes Gericht (welches weiß ich aber auch nicht) und den Antrag pausiert. Genauso, wenn es sich um eine unteres Gericht handelt, die müsste das einem höheren Gericht vorlegen. Wobei, das klingt alles so falsch und die Frage ist eine andere, merke ich gerade.

Das Gesetz bleibt bis zur Entscheidung (durch eine abstrakte oder konkrete Normkontrolle) in Kraft, die entsprechende Gerichte können aber, wenn die Norm für ihren Fall relevant ist, den Prozess bis dahin aussetzen? Würde ich mir so herleiten. Das Gesetz ist also rechtswidrig, weil es gegen die Verfassung verstößt oder das Gesetzgebungsverfahren, aber ist trotzdem wirksam bis zur Aufhebung? Man merkt, ich habe wirklich keine Ahnung.
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von Roni »

thh hat geschrieben: Montag 14. Juni 2021, 00:10
Roni hat geschrieben: Sonntag 13. Juni 2021, 18:40Es geht um das Thema formelle Rechtswidrigkeit eines VAs. Ein formeller Mangel führt zwar dazu, dass der VA (formell) rechtswidrig ist, aber nicht automatisch auch dazu, dass der VA unwirksam ist. Erste Frage: Kann ein VA, der materiell einen Mangel hat, also materiell rechtswidrig ist, auch wirksam sein?
Es gäbe recht wenige Verwaltungsprozesse, wenn materiell rechtswidrige Verwaltungsakte nichtig wären, vermute ich.
Roni hat geschrieben: Sonntag 13. Juni 2021, 18:40Nach §45 VwVfG kann die Behörde bestimmte Verfahrensfehler durch Nachholung heilen (bis zur letzten Tatsacheninstanz; was ist eine (bzw. die letzte) Tatsachenistanz?).
Tatsacheninstanzen sind solche, in denen Beweis erhoben wird (VG, OVG), also nicht nur - wie bei der Revision - eine bloße Rechtsprüfung stattfindet (BVerwG).
Roni hat geschrieben: Sonntag 13. Juni 2021, 18:40Tut die Behörde das, so wird aus dem rechtswidrigen VA ein rechtmäßiger VA. Aber wieso soll die Behörde das tun, wenn der rechtswidrige VA doch auch wirksam ist?
Was geschieht denn im Verwaltungsprozess, wenn der VA formell rechtswidrig ist?
Roni hat geschrieben: Sonntag 13. Juni 2021, 18:40Was bringt dann so eine Nachholung der Behörde? Könnte die Behörde sich nicht Arbeit ersparen, wenn sie weiß, sie hätte mit oder ohne den Mangel gleich entschieden?
Genau das ist der Zweck, ja.
Vielen Dank! Ich weiß leider nicht, wie man einzelne Aussagen zitiert, deswegen gehe ich einfach so darauf ein.
1. Stimmt, ich merke gerade wie deutlich die Frage eigentlich gezeigt hat wie wenig ich verstanden habe. Dass der Hauptteil und die Mehrheit der Anklagen sich gerade darauf stützen, dass im materiellen Teil etwas nicht stimmt. Im Lehrbuch stand halt "Formelle Rechtswidrigkeit und ihre Folgen" und ich habe dann "Materielle Rechtswidrigkeit und ihre Folgen" nicht gefunden, sondern es kamen dann Themen wie Ermessen, Beurteilungsspielraum, Vertrauensschutz usw. und ich habe nicht mal gemerkt, dass es sich dann halt um die Begründetheit bzw. das Materielle handelt.

2. Tatsacheninstatz. Danke. Hatte das zwar selber nachgeschlagen, aber so im Zusammenhang jetzt erst verstanden.

3. Wenn der VA formell rechtswidrig ist im Verwaltungsprozess, dann prüft das Gericht doch, ob das für die Entscheidung relevant war (Evidenz §46), wenn sie bejaht, dann hebt sie den VA auf, wenn sie verneint, dann weist sie die Klage als unbegründet ab, oder?

4. Was jetzt genau der Zweck ist, habe ich ehrlich gesagt mit deiner Aussage nicht verstanden.

Ich habe extrem wenig bis kein Wissen, deswegen seid mir nicht böse, wenn ich manchmal sinnlose Fragen stelle.
Danke nochmal.
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von thh »

Roni hat geschrieben: Montag 14. Juni 2021, 14:013. Wenn der VA formell rechtswidrig ist im Verwaltungsprozess, dann prüft das Gericht doch, ob das für die Entscheidung relevant war (Evidenz §46), wenn sie bejaht, dann hebt sie den VA auf, wenn sie verneint, dann weist sie die Klage als unbegründet ab, oder?
Und genau deshalb liegt es im Interesse der Behörde, soweit möglich nachzubessern, denn der Anwendungsbereich des § 46 VwvfG dürfte überschaubar sein (u.v.a. Fälle der gebundenen Entscheidung oder der Ermessensreduzierung auf Null betreffen).
Roni hat geschrieben: Montag 14. Juni 2021, 14:014. Was jetzt genau der Zweck ist, habe ich ehrlich gesagt mit deiner Aussage nicht verstanden.
Es genügt nicht, dass die Behörde weiß - richtiger wohl: zu wissen glaubt -, dass sie in jedem Falle so entschieden hätte; es muss vielmehr offensichtlich sein, dass die Entscheidung auch bei ordnungsgemäßem Verwaltungsverfahren keine andere gewesen wäre. Immer dann, wenn die Behörde ein Ermessen hat, kann man aber regelmäßig nicht ausschließen, dass die Einhaltung des Verfahrens auch zu einem anderen Ergebnis in der Sache geführt hätte.

Daher ist es sehr hilfreich, wenn die Behörde (bspw.) die Anhörung nachholen und dann bekräftigen kann, dass sie auch unter Berücksichtigung des Vorbringens durch den Betroffenen zu keiner anderen Entscheidung gekommen ist. Ansonsten würde nämlich der Verwaltungsakt, wenn ein Ermessensspielraum gegeben war (und das ist ja in der Regel so), nur aufgrund der fehlenden Anhörung der Aufhebung unterfallen und direkt danach (nach Anhörung) neu erlassen werden. Diesen Aufwand will man allen Beteiligten ersparen.
Roni hat geschrieben: Montag 14. Juni 2021, 14:01Dass der Hauptteil und die Mehrheit der Anklagen sich gerade darauf stützen, dass im materiellen Teil etwas nicht stimmt.
Begrifflichkeiten sind wichtig, daher der Hinweis: Anklagen gibt es nur im Strafverfahren, in dem die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt; in allen anderen Verfahrensordnungen gibt es nur Klagen. (Dementsprechend gibt es auch nur im Strafprozess einen Angeklagten; überall sonst ist es der Beklagte.)
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von thh »

Roni hat geschrieben: Montag 14. Juni 2021, 13:46Genauso, wenn es sich um eine unteres Gericht handelt, die müsste das einem höheren Gericht vorlegen. Wobei, das klingt alles so falsch und die Frage ist eine andere, merke ich gerade.

Das Gesetz bleibt bis zur Entscheidung (durch eine abstrakte oder konkrete Normkontrolle) in Kraft, die entsprechende Gerichte können aber, wenn die Norm für ihren Fall relevant ist, den Prozess bis dahin aussetzen? Würde ich mir so herleiten.
Genau. - Die Antwort darauf geben Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 80 ff. BVerfGG.

Im Prinzip wirst Du die Vorschriften oder jedenfalls ihren generellen Inhalt auch kennen, denn das Stichwort "konkrete Normenkontrolle" hast Du ja gebracht.
Roni hat geschrieben: Montag 14. Juni 2021, 13:46Das Gesetz ist also rechtswidrig, weil es gegen die Verfassung verstößt oder das Gesetzgebungsverfahren, aber ist trotzdem wirksam bis zur Aufhebung?
Ja.
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von Sektnase »

Einen kleinen Bock habe ich jetzt selber geschossen: formelle Gesetze sind nicht rechtswidrig, sondern ggf. verfassungswidrig. "Recht" sind sie ja selber. Den anderen hat thh geschossen m.E. :P Verfassungswidrige Gesetze sind von Anfang an nichtig (Nichtigkeitsdogma). Darauf wollte ich hinaus: die Eigenheit, dass etwas gegen höherrangiges Recht verstößt, aber trotzdem wirksam ist, gibt es eben beim VA, nicht aber bei Rechtsnormen (Gesetz bei Verfassungswidrigkeit, wobei das BVerfG da teilweise abenteuerliche Sachen macht, Rechtsverordnugnen bei Rechtswidrigkeit).

Du bist aber auf der richtigen Spur, die formelle Rechtmäßigkeit ist i.d.R. nicht so interessant. Klassiker ist ja die fehlende Anhörung nach § 28 (L)VwVfG. Die Anhörung wird oft vergessen, dann kann sie (i.d.R.) im Gerichtsverfahren noch nachgeholt werden. Letztlich wollen wir doch materiell richtige Entscheidungen und nicht, dass sich jemand nicht an irgendwelche Regelungen halten muss, weil Verfahrensfehler gemacht wurden. Von dieser Idee gibt es freilich jede Menge Ausnahmen ;)
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von thh »

Sektnase hat geschrieben: Montag 14. Juni 2021, 19:16Den anderen hat thh geschossen m.E. :P Verfassungswidrige Gesetze sind von Anfang an nichtig (Nichtigkeitsdogma).
Nun ja, die Nichtigkeit stellt aber das BVerfG fest; bis dahin werden sie angewendet (es sei denn, das Gericht setzt aus und legt vor; das betrifft dann aber eben auch nur dieses Verfahren und gilt auch dann, wenn das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bestätigt). Ich wollte die Sache nicht weiter komplizieren.
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von Roni »

thh hat geschrieben: Montag 14. Juni 2021, 15:14
Roni hat geschrieben: Montag 14. Juni 2021, 14:013. Wenn der VA formell rechtswidrig ist im Verwaltungsprozess, dann prüft das Gericht doch, ob das für die Entscheidung relevant war (Evidenz §46), wenn sie bejaht, dann hebt sie den VA auf, wenn sie verneint, dann weist sie die Klage als unbegründet ab, oder?
Und genau deshalb liegt es im Interesse der Behörde, soweit möglich nachzubessern, denn der Anwendungsbereich des § 46 VwvfG dürfte überschaubar sein (u.v.a. Fälle der gebundenen Entscheidung oder der Ermessensreduzierung auf Null betreffen).
Roni hat geschrieben: Montag 14. Juni 2021, 14:014. Was jetzt genau der Zweck ist, habe ich ehrlich gesagt mit deiner Aussage nicht verstanden.
Es genügt nicht, dass die Behörde weiß - richtiger wohl: zu wissen glaubt -, dass sie in jedem Falle so entschieden hätte; es muss vielmehr offensichtlich sein, dass die Entscheidung auch bei ordnungsgemäßem Verwaltungsverfahren keine andere gewesen wäre. Immer dann, wenn die Behörde ein Ermessen hat, kann man aber regelmäßig nicht ausschließen, dass die Einhaltung des Verfahrens auch zu einem anderen Ergebnis in der Sache geführt hätte.

Daher ist es sehr hilfreich, wenn die Behörde (bspw.) die Anhörung nachholen und dann bekräftigen kann, dass sie auch unter Berücksichtigung des Vorbringens durch den Betroffenen zu keiner anderen Entscheidung gekommen ist. Ansonsten würde nämlich der Verwaltungsakt, wenn ein Ermessensspielraum gegeben war (und das ist ja in der Regel so), nur aufgrund der fehlenden Anhörung der Aufhebung unterfallen und direkt danach (nach Anhörung) neu erlassen werden. Diesen Aufwand will man allen Beteiligten ersparen.
Roni hat geschrieben: Montag 14. Juni 2021, 14:01Dass der Hauptteil und die Mehrheit der Anklagen sich gerade darauf stützen, dass im materiellen Teil etwas nicht stimmt.
Begrifflichkeiten sind wichtig, daher der Hinweis: Anklagen gibt es nur im Strafverfahren, in dem die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt; in allen anderen Verfahrensordnungen gibt es nur Klagen. (Dementsprechend gibt es auch nur im Strafprozess einen Angeklagten; überall sonst ist es der Beklagte.)
Alles klar, super, danke! Ich habe tatsächlich den §46 als Auffangnorm gesehen, die die Behörde oft schützt. War da nicht so sensibel bei der Anwendung.

Und wegen den Begriffen, danke, das stimmt!
Zuletzt geändert von Roni am Donnerstag 17. Juni 2021, 03:03, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von Roni »

Sektnase hat geschrieben: Montag 14. Juni 2021, 19:16 Einen kleinen Bock habe ich jetzt selber geschossen: formelle Gesetze sind nicht rechtswidrig, sondern ggf. verfassungswidrig. "Recht" sind sie ja selber. Den anderen hat thh geschossen m.E. :P Verfassungswidrige Gesetze sind von Anfang an nichtig (Nichtigkeitsdogma). Darauf wollte ich hinaus: die Eigenheit, dass etwas gegen höherrangiges Recht verstößt, aber trotzdem wirksam ist, gibt es eben beim VA, nicht aber bei Rechtsnormen (Gesetz bei Verfassungswidrigkeit, wobei das BVerfG da teilweise abenteuerliche Sachen macht, Rechtsverordnugnen bei Rechtswidrigkeit).

Du bist aber auf der richtigen Spur, die formelle Rechtmäßigkeit ist i.d.R. nicht so interessant. Klassiker ist ja die fehlende Anhörung nach § 28 (L)VwVfG. Die Anhörung wird oft vergessen, dann kann sie (i.d.R.) im Gerichtsverfahren noch nachgeholt werden. Letztlich wollen wir doch materiell richtige Entscheidungen und nicht, dass sich jemand nicht an irgendwelche Regelungen halten muss, weil Verfahrensfehler gemacht wurden. Von dieser Idee gibt es freilich jede Menge Ausnahmen ;)
Ich habe deine Antwort erst nach einiger Zeit verstanden. Man sieht die von dir angesprochenen Punkte, wenn man das alles in einem Gesamtzusammenhang betrachtet. Ich lerne noch sehr "isoliert", ohne ein Gesamtbild (,da mir auch das nötige Wissen fehlt) und messe dann einigen Dingen zu viel bzw. falsche Bedeutung zu. Deshalb vielen Dank!
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von Roni »

So, das Thema ist die Rücknahme §48 VwVfG.
Als jemand, der nie so richtig Zugang zum öffentlichen Recht fand, arbeite ich sehr nah am Lehrbuch und schaue wenig ins Gesetz (größter Fehler).

1) Kann es bei der Rücknahme iRv §48 sein, dass (fast) alles aus der Norm herleitbar ist, man also nicht so viel "wissen" muss? Zumindest stand im Lehrbuch nicht viel Neues, wenn man das mit der Norm abgeglichen hat.

2)(Kann übersprungen werden, hat sich während des Niederschreibens von selbst geklärt, lasse es trotzdem mal drin.) Der Unterschied zwischen §48 II und III ist ja, dass bei Abs.2 das Bestandsschutzinteresse dazu führt, dass der VA grds. nicht zurückgenommen werden darf, während bei Abs.3 nur das Vermögensschutzinteresse geschützt wird, der VA aber zurückgenommen werden kann. Ist es aber nicht so, dass es im Ergebnis auf das Gleiche hinausläuft? In beiden Fällen wird doch das Vermögen geschützt, nur, dass bei Abs.2 der VA eine Geld- bzw. Sachleistung gewährt (was ich als Vermögen verstehe) und deshalb der VA nicht zurückgenommen werden darf, während bei Abs.3 das Vermögen dem VA nicht immanent ist, deshalb der VA zurückgenommen werden darf, dann aber, weil Vermögensnachteile (auf Antrag) auszugleichen sind. Ich merke beim Ausführen der Gedanken, dass es für die Begünstigten nicht gleich ist: in Abs.2 behält er seine Begünstigung, in Abs.3 steht er aber wie vor der Begünstigung da, hat also nichts.

3) Was ist der Unterschied zwischen Bestandskraft und Rechtskraft im Zusammenhang mit Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen? Gibt es da begrifflich bestimmte "Paare", also Rechtsbehelfe nur bei Bestandskraft und andersrum?

4) Im Lehrbuch steht: Geld/-sachleistungsgewährende VAe §48 II "dürfen ausnahmsweise nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand (...)". Stimmt diese Formulierung denn? Diese VAe dürfen doch in der Regel nicht zurückgenommen werden und nicht nur "ausnahmsweise"?

5)Eine Aussage im Lehrbuch verstehe ich überhaupt nicht. Da steht, aus der Rechtswidrigkeit eines VAs selbst kann der vom belastenden VA Betroffene keinen Anspruch auf Rücknahme ableiten, da §48 ja gerade die Rechtswidrigkeit tatbestandlich voraussetzt (?). Aber, dass ein grundrechtlich gesicherter Anspruch auf Rücknahme dann doch ausnahmsweise bei belastenden VAen besteht, der das behördliche Entschließungsermessen auf Null reduziert, wenn die noch nicht unanfechtbar geworden sind. Was soll diese Passage im Gesamten bedeuten?

Ich bin wirklich dankbar, wenn auch nur eine Frage beantwortet wird oder Anregungen gemacht werden. Ich sehe es definitiv nicht als selbstverständlich an, dass man sich die Zeit hierfür nimmt und sich die Mühe macht zu antworten. Deshalb vielen Dank!
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von thh »

Ich verstehe ja nicht besonders viel von Verwaltungs(prozess)recht (oder jedenfalls nur von einer sehr speziellen, zum eigenen Rechtsgebiet erstarkten Variante), daher überlasse ich die Antworten auf die übrigen Fragen den Verwaltungsrechtlern.
Roni hat geschrieben: Montag 21. Juni 2021, 16:473) Was ist der Unterschied zwischen Bestandskraft und Rechtskraft im Zusammenhang mit Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen? Gibt es da begrifflich bestimmte "Paare", also Rechtsbehelfe nur bei Bestandskraft und andersrum?
Verwaltungsakte werden bestandskräftig, Urteile werden rechtskräftig.
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von Seeker »

Roni hat geschrieben: Montag 21. Juni 2021, 16:47 1) Kann es bei der Rücknahme iRv §48 sein, dass (fast) alles aus der Norm herleitbar ist, man also nicht so viel "wissen" muss? Zumindest stand im Lehrbuch nicht viel Neues, wenn man das mit der Norm abgeglichen hat.
Ja. Aber es gibt ein paar Dinge, die man wissen sollte, z.B.: auf wessen Wissen kommt es für die Jahresfrist an? Wie verhält es sich mit dem Europarecht im Rahmen der §§ 48, 49 (sofern Prüfungsstoff)? usw.
3) Was ist der Unterschied zwischen Bestandskraft und Rechtskraft im Zusammenhang mit Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen? Gibt es da begrifflich bestimmte "Paare", also Rechtsbehelfe nur bei Bestandskraft und andersrum?
Es ist u.a. ein begrifflicher Unterschied:
- Verwaltungsakte werden bestandskräftig, Urteile rechtskräftig
- Rechtsbehelf ist der Oberbegriff. Er umfasst auch Rechtsmittel, welche sich grundsätzlich durch ihren Suspensiv- und Devolutiveffekt auszeichnen
4) Im Lehrbuch steht: Geld/-sachleistungsgewährende VAe §48 II "dürfen ausnahmsweise nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand (...)". Stimmt diese Formulierung denn? Diese VAe dürfen doch in der Regel nicht zurückgenommen werden und nicht nur "ausnahmsweise"?
"Ausnahme" bezieht sich hier wohl auf § 48 I. Würde ich nicht auf die Goldwaage legen.
5)Eine Aussage im Lehrbuch verstehe ich überhaupt nicht. Da steht, aus der Rechtswidrigkeit eines VAs selbst kann der vom belastenden VA Betroffene keinen Anspruch auf Rücknahme ableiten, da §48 ja gerade die Rechtswidrigkeit tatbestandlich voraussetzt (?). Aber, dass ein grundrechtlich gesicherter Anspruch auf Rücknahme dann doch ausnahmsweise bei belastenden VAen besteht, der das behördliche Entschließungsermessen auf Null reduziert, wenn die noch nicht unanfechtbar geworden sind. Was soll diese Passage im Gesamten bedeuten?
Das hängt damit zusammen, dass § 48 VwVfG in erster Linie keinen Anspruch des Bürgers begründet, sondern eine staatliche Ermächtigungsgrundlage, um zu handeln. Wenn also die Tatbestandsvoraussetzungen (darunter die Rechtswidrigkeit des VAs) vorliegen, DARF der Staat (grundsätzlich) handeln, das liegt aber in seinem ERMESSEN. Demgegenüber hat der Bürger keinen ANSPRUCH auf ein solches Handeln.
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Re: Examenstagebuch

Beitrag von Roni »

thh hat geschrieben: Montag 21. Juni 2021, 18:27 Ich verstehe ja nicht besonders viel von Verwaltungs(prozess)recht (oder jedenfalls nur von einer sehr speziellen, zum eigenen Rechtsgebiet erstarkten Variante), daher überlasse ich die Antworten auf die übrigen Fragen den Verwaltungsrechtlern.
Roni hat geschrieben: Montag 21. Juni 2021, 16:473) Was ist der Unterschied zwischen Bestandskraft und Rechtskraft im Zusammenhang mit Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen? Gibt es da begrifflich bestimmte "Paare", also Rechtsbehelfe nur bei Bestandskraft und andersrum?
Verwaltungsakte werden bestandskräftig, Urteile werden rechtskräftig.
Dankeschön! Eigentlich relativ einfach, ich dachte nur, VAe müssen doch auch irgendwann rechtskräfig werden, also Rechtskraft quasi als letzte bzw. höchste Ebene, je nachdem wie man es sieht. Bis ich verstanden habe, dass selbst wenn ein VA Gegenstand einer Klage ist (bzw. der Erlass oder die Aufhebung), am Ende ggfs. ein Urteil rauskommt und dieses Urteil wird dann rechtskräftig, nicht der entsprechende VA.
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