3 Fragen, Jura, Provokation?, Chillig oder hart?

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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Student
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3 Fragen, Jura, Provokation?, Chillig oder hart?

Beitrag von Student »

Ich habe 3 Fragen. Wie seht ihr das?

1) Mir wurde mal gesagt, dass Jura nichts Komplexes (wie Chemie und Physik z.B.) sei. Das einzige Problem sei die Stoffmenge und das Psychische. Einer hat sogar mal gesagt, Jura würd er locker schaffen (Nichtjurist).

2) Es gibt auch Leute die meinen, dass das Jurastudium bis zur Examensvorbereitung voll "chillig" wäre, also sehr wenige Klausuren (im Gegensatz zum Bachelorstudium mit 7-8 Klausuren pro Semester), kaum Anwesenheitspflicht, viel Semesterferien!! d.h. man muss nur 1,5 Jahre richtig lernen...

3) Durchs Studium würde also jeder mit wenig Aufwand kommen, aber viele würden erst in der Examensvorbereitung feststellen, dass sie sich verrannt haben (hab ich mal so gelesen). Was meint man damit?
Oder dass das Studium nur ein Bruchteil von dem wäre, was im Examen drankommt...Ist das Examen überhaupt nicht vergleichbar mit dem Studium? Was ist da anders? Was ist der Unterschied?
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thh
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Re: 3 Fragen, Jura, Provokation?, Chillig oder hart?

Beitrag von thh »

Student hat geschrieben: Dienstag 22. Juni 2021, 14:261) Mir wurde mal gesagt, dass Jura nichts Komplexes (wie Chemie und Physik z.B.) sei. Das einzige Problem sei die Stoffmenge und das Psychische. Einer hat sogar mal gesagt, Jura würd er locker schaffen (Nichtjurist).
Mag sein.

(Im Gegensatz möglicherweise zu anderen Fächern ist bei Jura das Bestehen - "vier gewinnt" - allerdings nicht alles. Viele interessante Tätigkeitsbereiche erfordern zwingend eine bestimmte Mindestnote.)

Ein Selbstläufer ist das allerdings nicht. Gerade Naturwissenschaftlicher haben mit der juristischen Arbeitsweise und Methodik manchmal ihre Schwierigkeiten. (Ich halte sowieso wenig von der Behauptung, weil man A besonders gut beherrsche, müsse man deshalb B erst recht mit Links schaffen. Begabungen sind unterschiedlich. Wer ein guter Mathematiker ist, ist deshalb nicht zwingend auch ein guter Jurist; wer sein Examen mit 15 Punkten ablegt, ist deshalb nicht auch ein guter Mediziner, oder Sozialarbeiter, oder Musiker.)
Student hat geschrieben: Dienstag 22. Juni 2021, 14:262) Es gibt auch Leute die meinen, dass das Jurastudium bis zur Examensvorbereitung voll "chillig" wäre, also sehr wenige Klausuren (im Gegensatz zum Bachelorstudium mit 7-8 Klausuren pro Semester), kaum Anwesenheitspflicht, viel Semesterferien!! d.h. man muss nur 1,5 Jahre richtig lernen...

3) Durchs Studium würde also jeder mit wenig Aufwand kommen, aber viele würden erst in der Examensvorbereitung feststellen, dass sie sich verrannt haben (hab ich mal so gelesen). Was meint man damit?
Es ist eine Besonderheit des Jurastudiums, dass es auf studienbegleitende Prüfungsleistungen weitgehend verzichtet und das Examen, das am Ende des Studiums steht, die eine, dann sehr schwere Prüfung darstellt. (Natürlich gibt es kleine und große Scheine, natürlich gibt es mittlerweile den Schwerpunkt, aber weder sind die Anforderungen der Scheine - ein Rechtsgebiet, meistens ein überschaubares Themenfeld; eine Hausarbeit, eine Klausur - mit denen des Examens vergleichbar - alle Rechtsgebiete, kompletter Inhalt des Studiums; 5-8 Klausuren -, noch haben die Noten der Scheine eine Bedeutung für den Abschluss.)

Das bedeutet, dass man im Prinzip das Studium weitgehend mit anderen Interessen verbringen und dann erst für das Examen lernen kann (was natürlich eine dumme Idee ist). Es bedeutet aber leider auch, dass der eine und die andere erst am Schluss, nach 4-x Jahren Studium, erkennt, dass das Studienziel für ihn oder sie nicht zu erreichen ist.

In vielen Diplomstudiengängen, gerade ich technisch-naturwissenschaftlichen Bereich, war es umgekehrt üblich, in den ersten Semestern hohe Anforderungen zu stellen und in der Zwischenprüfung hart auszusieben. Im Hauptstudium bestand dann Gelegenheit, sich zu speazialisieren, und in der Regel hat man auch die Diplomprüfung bestanden, wenn man die Zwischenprüfung überstanden hat. In vielen Bachelorstudiengängen, aber auch in typischen "verschulten" Studiengängen wie Medizin (Anwesenheitspflicht für viele Veranstaltungen, die auch kontrolliert wird; pro Semester eine Reihe von Prüfungen, die absolviert werden müssen, um zur Zwischenprüfung zugelassen zu werden), finden regelmäßige studienbegleitende Leistungskontrollen statt, die entweder auch frühzeitig aussieben oder aber für die Endnote mitzählen. Das alles erlaubt entweder die frühe Erkenntnis, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein, ohne noch ein paar Jahre fehlinvestiert zu haben, und/oder das "Abschichten" von Leistungen. In Jura hingegen wird am Schluss abgerechnet.
Student hat geschrieben: Dienstag 22. Juni 2021, 14:26Oder dass das Studium nur ein Bruchteil von dem wäre, was im Examen drankommt...Ist das Examen überhaupt nicht vergleichbar mit dem Studium? Was ist da anders? Was ist der Unterschied?
Das Examen unterscheidet sich von Studium - und Schule - in erster Linie dadurch, dass eben nicht nur der "aktuelle Stoff" einer Vorlesung, Übung, eines Schuljahres ... in wenigen Klausuren abgeprüft wird, sondern dass binnen kurzer Frist (zwei Wochen) in einer Vielzahl (5-8) umfangreicher (5 Stunden) Klausuren mehr oder weniger der gesamte Stoff des Studiums abgeprüft wird (natürlich kommt nicht "alles dran", aber es kann alles "drankommen"). Es genügt daher nicht, "nur" den Stoff einer Vorlesung zu pauken, dann die Klausur zu schreiben und alles wieder zu vergessen.

Insofern: Das Examen fordert nicht mehr, als auch Gegenstand des Studiums ist (aber Gegenstand des Studiums ist neben dem durchaus umfangreichen Stoff eben auch das Erlernen von Strukturen, Dogmatik und dem Handwerkszeug, auch unbekannte Fälle in wenig bekannten oder unbekannten Rechtsgebieten zu erarbeiten). Es unterscheidet sich aber von Prüfungen im Studium durch den Umfang: sowohl den Umfang der Prüfung als auch den Umfang des zu beherrschenden Stoffes.

All das lässt sich aber der jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsordnung des entsprechenden Bundeslandes entnehmen.
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Re: 3 Fragen, Jura, Provokation?, Chillig oder hart?

Beitrag von gola20 »

Mir wurde mal gesagt, dass Chemie und Physik nichts Komplexes sind.
Anyway, bereichsspezifische Intelligenz ist doch sowas von 1950. Wer klug und fleißig ist, der schafft jedes Studium mit Erfolg. Die Person muss sich nur hinsetzen und es durchziehen.
Herr Schraeg
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Re: 3 Fragen, Jura, Provokation?, Chillig oder hart?

Beitrag von Herr Schraeg »

Die Abbrecherzahlen sprechen eher dagegen, dass Jura ein so sinpler Studiengang ist. Ein realistischer Vergleich mit z.B. Physik scheitert aber daran, dass nur wenige beide Studiengänge absolviert und ihren Schwierigkeitsgrad direkt aus eigenem Erleben beurteilen können, zumal die subjektive Beurteilung auch von Faible und Talent für den jeweiligen Studiengang abhängen. Mir z.B. wäre Physik schwerer gefallen als Jura.

Ja, man kann das Studium chillig einrichten, weil die studiumsbegleitenden Prüfungen nicht schwer sind, wie thh ausführlich dargestellt hat. Aber das Staatsexamen ist im Vergleich zu diesen Prüfungen exponentiell schwerer. Im Regelfall büsst man also für übermässiges Chillen im Studium mit einem Übermass an Arbeit und Stress während der Examensvorbereitung.
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Tibor
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Re: 3 Fragen, Jura, Provokation?, Chillig oder hart?

Beitrag von Tibor »

Herr Schraeg hat geschrieben: Mittwoch 23. Juni 2021, 08:41 Ja, man kann das Studium chillig einrichten, weil die studiumsbegleitenden Prüfungen nicht schwer sind, wie thh ausführlich dargestellt hat. Aber das Staatsexamen ist im Vergleich zu diesen Prüfungen exponentiell schwerer. Im Regelfall büsst man also für übermässiges Chillen im Studium mit einem Übermass an Arbeit und Stress während der Examensvorbereitung und erhält trotz Stress nicht mit Sicherheit passable Noten.
Kleine Ergänzung von mir.
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Re: 3 Fragen, Jura, Provokation?, Chillig oder hart?

Beitrag von Strich »

Herr Schraeg hat geschrieben: Mittwoch 23. Juni 2021, 08:41 Die Abbrecherzahlen sprechen eher dagegen, dass Jura ein so sinpler Studiengang ist. Ein realistischer Vergleich mit z.B. Physik scheitert aber daran, dass nur wenige beide Studiengänge absolviert und ihren Schwierigkeitsgrad direkt aus eigenem Erleben beurteilen können, zumal die subjektive Beurteilung auch von Faible und Talent für den jeweiligen Studiengang abhängen. Mir z.B. wäre Physik schwerer gefallen als Jura.

Ja, man kann das Studium chillig einrichten, weil die studiumsbegleitenden Prüfungen nicht schwer sind, wie thh ausführlich dargestellt hat. Aber das Staatsexamen ist im Vergleich zu diesen Prüfungen exponentiell schwerer. Im Regelfall büsst man also für übermässiges Chillen im Studium mit einem Übermass an Arbeit und Stress während der Examensvorbereitung.
Ich kann aus eigener Anschauung sagen, dass ich mit dem Einstieg in das Physikstudium keine größeren Probleme hatte (und das Studium vermisse). Die Schwierigkeit ist anders, abgeschichtet und erfordert auch anderere Fähigkeiten (mehr Kreativität z.B.). Es deckt sich aber auch teilweise. Wenn ich eine größere Berechnung vor mir habe, weiß ich , dass viele dröge Teile vor mir liegen. Das fühlt sich an, wie Tatbestand schreiben.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

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Re: 3 Fragen, Jura, Provokation?, Chillig oder hart?

Beitrag von OrangensaftEddy »

Kann das nur bestätigen bezüglich des Chillfaktors.
Habe den uberchilligen gefahren während des Studiums und für die Klausuren garnicht bis wenig gelernt, geschweige denn regelmäßig zu Vorlesungen zu gehen. Nichts war verpflichtend.
Ne zeitlang Bafög bekommen und nebenbei gejobbt, alles andere gemacht ausser lernen und fachfremde Vorlesungen besucht und tausend Leute kennengelernt.

Jetzt bin ich in der Examensvorbereitung und ärgere mich oft darüber, dass ich so wenig weiss und nicht vom 1. Semester an regelmäßig gelernt und wiederholt habe.
Ich kann kaum was wiederholen, weil nichts vorhanden und muss vieles von neu auf lernen. Das demotiviert und lässt zweifeln.
Kann ich nicht empfehlen.
Sektnase
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Re: 3 Fragen, Jura, Provokation?, Chillig oder hart?

Beitrag von Sektnase »

Warte mal ab. Ich konnte im Bekanntenkreis keine große Kongruenz zwischen frühzeitigem Lernen und guten Noten erkennen. (Lediglich) Frühzeitiges Interesse explizit ausgenommen.

Ich habe auch Gebiete wie BGB AT, dass man eigentlich im Studium zu Genüge durchkaut, erst im Rep wirklich durchdrungen. Meine (wenigen) Karteikarten aus dem Studium waren höchstens für ein paar Lacher gut.
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: 3 Fragen, Jura, Provokation?, Chillig oder hart?

Beitrag von OrangensaftEddy »

Sektnase hat geschrieben: Mittwoch 23. Juni 2021, 11:08 Warte mal ab. Ich konnte im Bekanntenkreis keine große Kongruenz zwischen frühzeitigem Lernen und guten Noten erkennen. (Lediglich) Frühzeitiges Interesse explizit ausgenommen.

Ich habe auch Gebiete wie BGB AT, dass man eigentlich im Studium zu Genüge durchkaut, erst im Rep wirklich durchdrungen. Meine (wenigen) Karteikarten aus dem Studium waren höchstens für ein paar Lacher gut.
Das ist beruhigend.
Meine größten Interessen in der Juristerei wurden leider aber immer nur belächelt und als Zeitverschwendung abgetan, da nicht Examensrelevant.
Ich hoffe, dass sich es dennoch lohnen wird.
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Re: 3 Fragen, Jura, Provokation?, Chillig oder hart?

Beitrag von Hubertus »

3x Ja.
Aufgrund der Stoffmenge und Komplexität des Examens hat das Jurastudium letztendlich aber auch zu recht seinen Ruf als einer der schwersten Studiengänge des Landes.
Dazu noch der psychische Druck, weil es im Examen auf einmal "alles oder nichts" heißt, was man sonst nur eventuell aus der Zwischenprüfung kennt.
Die ist aber vom Anspruch her weit vom Examen entfernt.

Was die Entspannung in den ersten Semestern und deren Folgen für das Examen angeht:
Kann ich auch so unterschreiben.
Klar hat man einen kleinen Vorteil, wenn man von Tag 1 an jeden Tag 10 Stunden in der Bibliothek sitzt und lernt.
Lässt sich in der Examensvorbereitung aber (wenn auch mit ordentlichem Arbeitsaufwand) aufholen.
Zum Start eben jener hatte ich auch gute Grundlagen, die mir im Klausurenkurs geholfen haben, aber aufgrund der Stoffmenge und Komplexität examensrelevanter Problemstellungen bin ich dazu geneigt, diese Vorkenntnisse nur als Tropfen auf den heißen Stein zu bezeichnen.
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