Schlechter Jobeinstieg -was tun?

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dagx
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Schlechter Jobeinstieg -was tun?

Beitrag von dagx »

Liebe Community,

ich habe mal eine Frage an die etwas erfahreneren Juristen hier.

Ich habe letztes Jahr unter ziemlich üblen Bedingungen (Privates und Covid) mein Examen gemacht. Während es im ersten auf Anhieb und trotz mieser mündlicher Prüfung für ein VB gereicht hat, bin ich im zweiten unter meinen Möglichkeiten geblieben und am Ende bei knapp unter 8 gelandet. Schade war, dass ich keine Energie mehr für eine Verbesserung hatte und die Frist verstreichen gelassen habe -es ging einfach nicht mehr.

Der Jobeinstieg ist mir trotz formal guter Noten ziemlich schwer gefallen, weil ich mich kaum aufraffen konnte. Ich hatte dann ein Vorstellungsgespräch bei einer Bundesbehörde in Berlin (kein Ministerium, sondern Oberbehörde) und hab den Job bekommen. Was für viele vielleicht ein Traum sein könnte, entpuppt sich für mich immer mehr zum Alptraum. Ich hatte nach dem Vorstellungsgespräch wirklich Bock auf den Job, bin aber unglücklich. Die Tätigkeit macht mir keinen Spaß und hat sich als komplett anders entpuppt, als im Vorstellungsgespräch behauptet -auch ohne ernsthafte Chance, dass sich das ändert. Dazu leide ich mit einer Hand voll Arbeitsaufträgen in 3 Monaten an einem chronischen Boreout und weiß echt nicht, was ich hier mache. Ich hab die ersten Monte hier durch, aber bin bereits aktiv dabei mich neu zu bewerben, aktuell aktiv auf Unternehmensstellen, aber auch auf eine Promotionsstelle. Hierzu hab ich ein paar Fragen und hatte gehofft, dass mir vielleicht die ein oder andere Person helfen kann.

1. Zum Thema Promotion: die Promotion war immer eine Herzensangelegenheit und ich wollte aus intrinsischem Interesse promovieren. Durch den Erschöpfungszustand nach dem Examen hab ich ziemlich spontan davon Abstand genommen, auch weil es bei einem Professor damals aus irgendeinem Grund nicht mehr geklappt hat. Ich bin schon 31 Jahre alt und der größte Wermutstropfen für mich wäre, dass ich nochmal 2 bis 3 Jahre als Student lebe. Andererseits weiß ich, dass ich sowohl auf die Stelle, als auch auf die Promotion Lust habe. Im Job später würde mir der Doktor wahrscheinlich wenig bringen, außer das Zünglein an der Wage zur Einstellung. Würdet ihr aufgrund meiner Motivation diesen Schritt trotzdem probieren?

2. Auch wenn die aktuelle Stelle eine Katastrophe ist, kann ich mir durchaus vorstellen, dass es langfristig für mich interessant wäre, in den öffentlichen Dienst zu gehen. Vielleicht nach ein paar Jahren Erfahrung im Unternehmen ins Ministerium. Glaubt ihr eine solche Karriere ist möglich? Mir fehlen da leider Vorbilder. Und glaubt ihr, dass ein von mir beendetes Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst ein Problem darstellen könnte? Und kennt ihr Leute, die aus dem Unternehmen nochmal in den öffentlichen Dienst gewechselt sind?

3. Meine nächste Frage betrifft die Stellung als Syndikusrechtsanwalt. Ich bin mir da immer total unsicher. An und für sich verstehe ich den Sinn des Versorgungswerkes und eigentlich sagt jeder ausnahmslos, dass das Versorgungswerk besser ist, als die GKV. Ich stehe der Sache aber insoweit skeptisch gegenüber, als dass ich denke, dass das bei der Rückkehr in den öffentlichen Dienst ein Problem werden könnte. Was wäre, wenn ich nicht verbeamtet würde? Hab ich dann eine Anwartschaft aus dem Versorgungswerk und eine gesetzliche Rente? Und geht das -ohne große Rentenlücke- auf? Es gibt bei den Juristen so viele Besonderheiten zu berücksichtigen...

4. Meint ihr, dass ich jetzt seit Anfang des Jahres im öffentlichen Dienst bin, stellt ein Problem für andere Arbeitgeber da? Bilden sich nach so kurzer Zeit schon Vorurteile? Ich will am Liebsten im Sommer, spätestens aber bis Ende des Jahres hier raus sein.

So, das war ein ziemlicher Roman. Ich hoffe, dass ihr mir helfen könnte.

Vielen Dank und viele herzliche Grüße!
Carlos84
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Re: Schlechter Jobeinstieg -was tun?

Beitrag von Carlos84 »

Wenn du dich dort gerade so langweilst, aber ja genug Kapazitäten hast: wieso dann nicht einfach extern promovieren und die Zeit, die du dort eh nur Eier kraulst, dann halt mit der Diss verbringen? So hast du Job und Promotion unter einem Hut und kannst auch gucken, ob die Motivation für die Diss nicht doch schnell wieder nachlässt.
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famulus
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Re: Schlechter Jobeinstieg -was tun?

Beitrag von famulus »

Jemanden mit den von befürchteten Argumenten bzw. aus irgendwelchen Vorurteilen abzulehnen, kann sich "der öffentliche Dienst" mit Blick auf Beschäftigtendemografie und Arbeitsmarktentwicklung überhaupt nicht leisten. Der Wechsel von Arbeitsstellen ist doch schon lange nichts per se Anrüchiges mehr und auf gewisse Fluktuationen ist ja derjenige, der eine Stelle ausschreibt, auch angewiesen. Entscheidend ist halt, dass getroffene Entscheidungen plausibel begründet werden kann und da fielen mir als Ausschreibender ungünstigere Gründe als "Boreout" und Unterforderung ein. Verbaut ist dir da auf jeden Fall erst mal nix.
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Tikka
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Re: Schlechter Jobeinstieg -was tun?

Beitrag von Tikka »

dagx hat geschrieben: Freitag 13. Mai 2022, 09:40
1. Zum Thema Promotion: die Promotion war immer eine Herzensangelegenheit und ich wollte aus intrinsischem Interesse promovieren. Durch den Erschöpfungszustand nach dem Examen hab ich ziemlich spontan davon Abstand genommen, auch weil es bei einem Professor damals aus irgendeinem Grund nicht mehr geklappt hat. Ich bin schon 31 Jahre alt und der größte Wermutstropfen für mich wäre, dass ich nochmal 2 bis 3 Jahre als Student lebe. Andererseits weiß ich, dass ich sowohl auf die Stelle, als auch auf die Promotion Lust habe. Im Job später würde mir der Doktor wahrscheinlich wenig bringen, außer das Zünglein an der Wage zur Einstellung. Würdet ihr aufgrund meiner Motivation diesen Schritt trotzdem probieren?
Letztendlich schwer dass von außen zu beantworten. Eine Promotion bringt heutzutage wenig für die "Karriere", kostet Geld (zumindest mal durch entfallende Einnahmen) und ist ausch stressig. Das muss man also wollen. Wenn es Dir eine wirkliche Herzensangelegenheit ist, nur zu.
2. Auch wenn die aktuelle Stelle eine Katastrophe ist, kann ich mir durchaus vorstellen, dass es langfristig für mich interessant wäre, in den öffentlichen Dienst zu gehen. Vielleicht nach ein paar Jahren Erfahrung im Unternehmen ins Ministerium. Glaubt ihr eine solche Karriere ist möglich? Mir fehlen da leider Vorbilder. Und glaubt ihr, dass ein von mir beendetes Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst ein Problem darstellen könnte? Und kennt ihr Leute, die aus dem Unternehmen nochmal in den öffentlichen Dienst gewechselt sind?
Joar das geht, zumindest vom Hörensagen schon passiert. Man sollte nur auf die Frage warum dann eine nachvollziehbare Motivation haben.
4. Meint ihr, dass ich jetzt seit Anfang des Jahres im öffentlichen Dienst bin, stellt ein Problem für andere Arbeitgeber da? Bilden sich nach so kurzer Zeit schon Vorurteile? Ich will am Liebsten im Sommer, spätestens aber bis Ende des Jahres hier raus sein.
Nein. Die Arbeitswelt ist flexibler geworden. Man sollte aber seine Motivation zum Wechsel wier schon zur anderen Konstellation gesagt nachvollziehbar begründen können.
Keine Experimente! Wählt Adenauer.
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