Zukunft der Arbeitswelt

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surcam
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von surcam »

Ara hat geschrieben: Donnerstag 6. Mai 2021, 22:58Manchesmal hab ich bei solchen vermittelten Mandanten das Gefühl, dass ich der erste bin, der denen erklärt, dass sie dafür zahlen, dass ich denen sage wir wir das zu machen haben und nicht dafür, dass ich den Quatsch mache den sie sich so vorstellen.
Ich dachte bisher immer, ein RA sei "der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten" und nicht der alleinige Bestimmer über meine Rechtsangelegenheiten, nachdem ich ihn beauftragt habe?! :-k
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thh
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von thh »

Ara hat geschrieben: Donnerstag 6. Mai 2021, 22:58Manchesmal hab ich bei solchen vermittelten Mandanten das Gefühl, dass ich der erste bin, der denen erklärt, dass sie dafür zahlen, dass ich denen sage wir wir das zu machen haben und nicht dafür, dass ich den Quatsch mache den sie sich so vorstellen.
Ich finde es eigentlich sehr gut, wenn Mandanten das machen, was sie sich so vorstellen, gerne auch parallel zur Tätigkeit des Verteidigers.
Atropos
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von Atropos »

Ara hat geschrieben: Donnerstag 6. Mai 2021, 22:58
Liz hat geschrieben: Donnerstag 6. Mai 2021, 16:08 Klar, es gibt Berufe, in denen es schwierig ist zu sagen: „Sorry, melden Sie sich morgen / am Montag wieder.“ Aber wenn jederzeit ein Einsatz „droht“, lebt es sich doch unentspannter, als wenn man um 12 Uhr relativ sicher (Katastrophenfälle, die einmal in 1-10 Jahren passieren, außen vor) sagen kann, dass man gegen 17-18 Uhr den Stift fallen lassen kann und dann „Feierabend“ hat.
Die Frage ist ja, wieviel "eilige" Arbeit gibt es wirklich und wie viel Arbeit wird tatsächlich "eilig" gemacht. Mit der dauerhaften Erreichbarkeit erhöhen sich Anwälte zum Teil auch selbst. Man siehts ja auch bei Firmendurchsuchungen, da schlagen dann regelmäßig die Wirtschaftsanwälte persönlich auf. Eine rechtlich zwingende Notwendigkeit gibt es dafür in der Regel nicht. Generell bin ich zum Teil verwundert, was Wirtschaftskanzleien so mit und für ihre Mandanten machen. Hängt vermutlich damit zusammen, dass die abhängiger von Folgemandate sind.
Nach meiner Einschätzung ist es eine Mischung: Einerseits sind gewisse Belastungsspitzen in Großkanzleien schlicht Natur der Sache. Andererseits laufen im Partnerbereich in Großkanzleien auch einfach sehr viele Leute rum, die super ehrgeizig sind, kein Problem damit haben, total viel zu arbeiten und das auch von Untergebenen einzufordern.

Zumindest habe ich in meinem Mikroklima den Eindruck, dass es häufiger zu beobachten ist, dass Team A im Jahr im Schnitt evtl. 2200 abrechenbare Stunden hat und Team B eher 1800 abrechenbare Stunden macht - und Team A trotzdem noch viel mehr von dem ganzen ,,Nebenkram" wie Aufsätze/Handbücher veröffentlichen, Newsletter/Blogs zu aktuellen Themen schrieben, Lehrveranstaltungen und Präsentationen halten, Pitches anleiern, Recruiting-Veranstaltungen, Pro-Bono-Projekte etc. macht. Da rutscht dann automatisch viel ins Wochenende/spät in die Nacht, nicht weil die Arbeit an sich so dringend ist, aber weil man sich selbst so viel Masse auflädt, dass dann selbst aus dem lange herumliegenden Handbuch-Kapitel plötzlich wegen akuter Verlags-Deadline ein hartes Nachtschichten-Projekt wird.
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Fyrion
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von Fyrion »

Man siehts ja auch bei Firmendurchsuchungen, da schlagen dann regelmäßig die Wirtschaftsanwälte persönlich auf. Eine rechtlich zwingende Notwendigkeit gibt es dafür in der Regel nicht. Generell bin ich zum Teil verwundert, was Wirtschaftskanzleien so mit und für ihre Mandanten machen. Hängt vermutlich damit zusammen, dass die abhängiger von Folgemandate sind. Manchesmal hab ich bei solchen vermittelten Mandanten das Gefühl, dass ich der erste bin, der denen erklärt, dass sie dafür zahlen, dass ich denen sage wir wir das zu machen haben und nicht dafür, dass ich den Quatsch mache den sie sich so vorstellen. Aber wie gesagt, ich bin in der Regel auch nicht von Folgemandate abhängig.
Das kannst du machen wenn die Mandatschaft aus (Klein)kriminellen besteht, die rechtlich nicht unbedingt bewandert sind, aber nicht bei DAX Vorständen mit eigenen Rechtsabteilungen. Da sitzt du nicht am längeren Hebel und kannst die irgendwie "erziehen" oder belehren. Das sind Leute, die bekommen, was sie wollen und bei denen auch ein Bundesminister springt, wenn sie Nachts anrufen (keine Metapher, gerade in/wegen der Corona Zeit in mehreren Fällen genau so erlebt). Die brauchen die GKs einfach als erweiterte Haftpflicht und dafür zahlen sie auch. Das sagst du denen ein mal und die suchen sich eine andere GK, die das ermöglicht, was sie haben wollen. Unser Job ist es insoweit auch nicht denen die Rechtslage zu erklären. Die kennen sie selbst gut genug. Unser Job ist einen Weg zu finden, wie man trotz der Rechtslage rechtssicher einen bestimmten Weg gehen kann und für diese Rechtssicherheit im Zweifel auch zu haften.
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Ara
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von Ara »

surcam hat geschrieben: Freitag 7. Mai 2021, 08:28
Ara hat geschrieben: Donnerstag 6. Mai 2021, 22:58Manchesmal hab ich bei solchen vermittelten Mandanten das Gefühl, dass ich der erste bin, der denen erklärt, dass sie dafür zahlen, dass ich denen sage wir wir das zu machen haben und nicht dafür, dass ich den Quatsch mache den sie sich so vorstellen.
Ich dachte bisher immer, ein RA sei "der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten" und nicht der alleinige Bestimmer über meine Rechtsangelegenheiten, nachdem ich ihn beauftragt habe?! :-k
Im Strafrecht bin ich kein Vertreter sondern Verteidiger. Der Mandant kann entscheiden, nachdem ich ihm erklärt habe was die Konsequenzen jeweils sind, was wir machen und mit welchem Ziel. Wie wir das aber machen, ist meine Aufgabe. Die meisten Mandanten verstehen das und kann man schnell einfangen, wenn es Diskrepanzen zwischen dem "Wie" gibt, passt man möglicherweise nicht zusammen und man sollte lieber getrennte Wege gehen. Ich sehe persönlich auch nicht meine Existenzberechtigung, wenn der Mandant mir nicht vertraut, dass das was ich da mache das beste für ihn ist. Aber ich sags mal so: 90% der "Problemmandanten" kriegt man mit Argumente eingefangen, wenn man denen erklärt warum man etwas so und nicht anders macht. Der Rest wird in der Regel auch bei den Kollegen nicht glücklich.

Aber ich räume ein, das ist im Strafrecht alles etwas einfacher, weil wenn ich den Mandant gehen lasse, gehen mir in der Regel keine Folgemandate in sechsstelliger Höhe flöten. Und wie Fyrion ja sicherlich richtig sagt, sind sie das von den Wirtschaftskanzleien gewohnt, dass alle (ohne das abwertend zu meinen) springen.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Idee1290
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von Idee1290 »

Fyrion hat geschrieben: Donnerstag 6. Mai 2021, 09:44
Naja das muss ich doch so oder so, auch wenn ich im Büro arbeiten müsste. Ich bin halt Anwalt, wenns beim Mandanten am Sonntag um 21:57 brennt, dann bin ich um 21:58 verfügbar, das ist aber der Job und hängt nicht davon ab ob ich im HO arbeite oder im Büro.

(...)

Wie gesagt, "feste" Zeiten gibt es in dem Job mE eh nicht. Es gibt halt so was wie eine "Kernarbeitszeit", das heißt aber nicht, dass dem Mandanten nicht plötzlich um 22 Uhr noch einfällt, dass er bis morgen cob noch einen Vermerk zum Thema XYZ braucht o.Ä.
Ich würde das noch mal aufgreifen wollen. Das ist ein klassisches Berufsrisiko von Selbstständigen. Daher würde ich hier relativ schmerzlos den Partnern die Verantwortung zuschieben. Für "normale" Arbeitnehmer, und das sind eben auch Associates trotz fürstlichen Gehalts, gilt das ArbZG und damit basta. Laut ArbZG muss im Durchschnitt eine 48-Stunden-Woche eingehalten werden. Spitzen bis zu 60-Stunden-Wochen sind möglich, wenn sie im Nachhinein ausgeglichen werden, sodass der 48-Stunden-Durchschnitt über einen Zeitraum von 4 bzw. 6 Monaten eingehalten wird.
Wenn die Kanzleien sich zu einer Berufsträgerstruktur entscheiden, bei denen auf wenige Partner viele Associates kommen, dann ist das deren unternehmerisches Risiko und es mag für den golfenden ;-) Partner Sonntagabend sehr unangenehm sein, tatsächlich einmal seiner Aufgabe und Verantwortung gerecht zu werden und den explodierten zB Kartellrechtsfall zu übernehmen - ... aber man kann nicht anfangen, über vermeintliche Naturgesetze oder Sachzwänge Arbeitnehmer-Associates Partnerverantwortung aufzubürden. Umgekehrt dürfen die Associates ja auch kaum bei der Mandantenaquise dabei sein oder über die Annahme neuer Mandate entscheiden (das als Denkhilfe, unternehmerische Chancen und Risiken müssen sich mE die Waage halten, wenn man hier eine Verantwortungskultur etablieren will. Einseitig halte ich das für recht unausgeglichen...)

Wenn ihr mehr anwaltliche Verantwortungskultur wollt, machts halt eure Associates entweder zu Partnern oder immerhin zu selbstständigen Dienstnehmern statt Arbeitnehmern*. Macht aber keiner und will offenbar auch keiner, weil man die dann nicht mehr so gut gängeln kann und kein Weisungsrecht mehr hat bzw. mehr vom Gewinn abgeben müsste.

*Edit: oder stellt mehr Arbeitnehmer ein, sodass ihr eine Rufbereitschaft/Arbeitsbereitschaft/Schichtdienste auch mit Wochenendbesetzung schafft.
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von Seeker »

Idee1290 hat geschrieben: Montag 6. September 2021, 11:45
Fyrion hat geschrieben: Donnerstag 6. Mai 2021, 09:44
Naja das muss ich doch so oder so, auch wenn ich im Büro arbeiten müsste. Ich bin halt Anwalt, wenns beim Mandanten am Sonntag um 21:57 brennt, dann bin ich um 21:58 verfügbar, das ist aber der Job und hängt nicht davon ab ob ich im HO arbeite oder im Büro.

(...)

Wie gesagt, "feste" Zeiten gibt es in dem Job mE eh nicht. Es gibt halt so was wie eine "Kernarbeitszeit", das heißt aber nicht, dass dem Mandanten nicht plötzlich um 22 Uhr noch einfällt, dass er bis morgen cob noch einen Vermerk zum Thema XYZ braucht o.Ä.
Ich würde das noch mal aufgreifen wollen. Das ist ein klassisches Berufsrisiko von Selbstständigen. Daher würde ich hier relativ schmerzlos den Partnern die Verantwortung zuschieben. Für "normale" Arbeitnehmer, und das sind eben auch Associates trotz fürstlichen Gehalts, gilt das ArbZG und damit basta. Laut ArbZG muss im Durchschnitt eine 48-Stunden-Woche eingehalten werden. Spitzen bis zu 60-Stunden-Wochen sind möglich, wenn sie im Nachhinein ausgeglichen werden, sodass der 48-Stunden-Durchschnitt über einen Zeitraum von 4 bzw. 6 Monaten eingehalten wird.
Wenn die Kanzleien sich zu einer Berufsträgerstruktur entscheiden, bei denen auf wenige Partner viele Associates kommen, dann ist das deren unternehmerisches Risiko und es mag für den golfenden ;-) Partner Sonntagabend sehr unangenehm sein, tatsächlich einmal seiner Aufgabe und Verantwortung gerecht zu werden und den explodierten zB Kartellrechtsfall zu übernehmen - ... aber man kann nicht anfangen, über vermeintliche Naturgesetze oder Sachzwänge Arbeitnehmer-Associates Partnerverantwortung aufzubürden. Umgekehrt dürfen die Associates ja auch kaum bei der Mandantenaquise dabei sein oder über die Annahme neuer Mandate entscheiden (das als Denkhilfe, unternehmerische Chancen und Risiken müssen sich mE die Waage halten, wenn man hier eine Verantwortungskultur etablieren will. Einseitig halte ich das für recht unausgeglichen...)

Wenn ihr mehr anwaltliche Verantwortungskultur wollt, machts halt eure Associates entweder zu Partnern oder immerhin zu selbstständigen Dienstnehmern statt Arbeitnehmern*. Macht aber keiner und will offenbar auch keiner, weil man die dann nicht mehr so gut gängeln kann und kein Weisungsrecht mehr hat bzw. mehr vom Gewinn abgeben müsste.

*Edit: oder stellt mehr Arbeitnehmer ein, sodass ihr eine Rufbereitschaft/Arbeitsbereitschaft/Schichtdienste auch mit Wochenendbesetzung schafft.
Die Frage ist, welchen Maßstab man anlegt: einen rechtlichen oder einen tatsächlichen, einen idealen oder einen realen?

Der Status quo ist eben in vielen Kanzleien: es wird erwartet, dass man noch deutlich länger arbeitet und erreichbar ist. Ist man das nicht, hat das Konsequenzen. Zwar nicht für das Gehalt (abgesehen von einem etwaigen Bonus) oder den Fortbestand des Berufs, wohl aber möglicherweise für den eigenen kanzleiinternen Status, das Fortkommen, die Wertschätzung, die Qualität der künftig einem zugewiesenen Aufgaben usw.

Das muss man wiederum nicht gut finden oder unkritisch hinnehmen, es dürfte aber nicht selten der Wirklichkeit entsprechen. Und dann ist eben die Frage, ob man das in der Situation so will.
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Tibor
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von Tibor »

Jeder Anwalt, der als Angestellter ein x-faches eines Durchschnittsgehalts für den Berufseinstieg verhandelt, weiß dass damit ganz sicher kein 9-5 Job vereinbart wurde. Wer das Gegenteil behauptet, der glaubt beim Puffbesuch auch an Liebe, oder?
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von Idee1290 »

Ich halte das für ein etwas unterkomplexes Gegenargument.
- Es geht nicht um 40 Stunden (5-9), sondern arbeitszeitrechtlich sind wöchentlich unproblematisch 48 Stunden erlaubt, bei Ausgleich auch wöchentlich 60. Niemand will und erwartet hier einen "9-5"-Job.
- Der Gesetzgeber hat keine Möglichkeit des "Freikaufens" vom Arbeitszeitrecht vorgesehen. Insbesondere zeigt sich das im historischen Vergleich, weil Gehaltsschwellen 1994 aus dem öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitrecht gestrichen wurden.
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Tibor
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von Tibor »

Cui bono? Der ausgebeutete Sklavenassociate geht das Arbeitsverhältnis gern ein, weil er als Berufseinsteiger viel Geld verdienen will. Er weiß worauf er sich einlässt. Und selbst wenn er sich vertan hat, er kann jederzeit kurzfristig kündigen (Probezeit) bzw. sich unbesehen für 2 Wochen krank melden und dann die Sache bis zur Wirksamkeit einer Kündigung aussitzen. Die Gefahr liegt ganz allein beim Arbeitgeber, der nämlich nur "davon ausgehen kann", dass sich der Neueinsteiger für Geld versklaven lässt. Macht der das nicht mit, hat der Arbeitgeber - jenseits der Probezeit - ein richtiges Problem, weil er für 60-70h die Woche Geld ausbedungen hat und nur Arbeitsleistung von 40h bekommt.
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von Joshua »

Tibor hat geschrieben: Montag 6. September 2021, 17:16 Cui bono? Der ausgebeutete Sklavenassociate geht das Arbeitsverhältnis gern ein, weil er als Berufseinsteiger viel Geld verdienen will. Er weiß worauf er sich einlässt. Und selbst wenn er sich vertan hat, er kann jederzeit kurzfristig kündigen (Probezeit) bzw. sich unbesehen für 2 Wochen krank melden und dann die Sache bis zur Wirksamkeit einer Kündigung aussitzen. Die Gefahr liegt ganz allein beim Arbeitgeber, der nämlich nur "davon ausgehen kann", dass sich der Neueinsteiger für Geld versklaven lässt. Macht der das nicht mit, hat der Arbeitgeber - jenseits der Probezeit - ein richtiges Problem, weil er für 60-70h die Woche Geld ausbedungen hat und nur Arbeitsleistung von 40h bekommt.
Und warum sollte man üble Zustände nicht ändern?

Der normale Associate unterliegt meist einem ziemlichen "overoptimism bias" und überschätzt die Chancen der Verpartnerung. Da es nur sehr vage Aussichten gibt, dass das in einer law firm mit einer associate-partner-ratio von z.B. 20:1 klappt, spricht ganz viel - nämlich 19/20 - dafür, sich als das zu betrachten, was man als associate ist:

AN!

Einfache Mathematik, nämlich die Wahrscheinlichkeit der Verpartnerung als bedeutsames p mit in die Gleichung nehmen.

Und nein, auch ein Einstiegsgehalt von 120.000 € ist lächerlich, wenn man sich dafür als junger Mensch praktisch sein Leben abkaufen lassen soll.

Die Gen Y und nachfolgend die Gen Z tun gut daran, das auch mehr und mehr so zu sehen.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
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Tibor
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von Tibor »

Joshua hat geschrieben: Und warum sollte man üble Zustände nicht ändern?

Der normale Associate unterliegt meist einem ziemlichen "overoptimism bias" und überschätzt die Chancen der Verpartnerung.
Übel ist eine Wertung deinerseits. Du gehst aber nicht auf meine Argumente ein. Wo ist das Risiko des Associates, der überoptimistische Partnerchancen unterstellt? Sobald er „aufwacht“, kann er kündigen. Ich halte auch > 5.000€ netto für einen Single bei 60-80h Arbeitsaufwand nicht für eine Ausbeutung.
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von Seeker »

Wie viele neue Associates wollen wirklich und ernsthaft Partner werden und rechnen sich zumindest passable Chancen aus? Nach meinem Eindruck: die wenigsten.

Für die meisten ist es von vornherein (oder spätestens nach kurzer Erfahrung) eine Übergangslösung.
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von Theopa »

Tibor hat geschrieben: Montag 6. September 2021, 17:16 Cui bono? Der ausgebeutete Sklavenassociate geht das Arbeitsverhältnis gern ein, weil er als Berufseinsteiger viel Geld verdienen will. Er weiß worauf er sich einlässt.
Dann müsste man solche Arbeitsverhältnisse eben offiziell zulassen: "Diese Vorschriften gelten nicht, wenn das jährliche Bruttogehalt mehr als das zweifache der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung beträgt." Dann wäre die Sache wenigstens klar geregelt.

Ich habe kein Problem damit wenn jemand freiwillig auch 90 Stunden pro Woche arbeiten will; wohl aber damit, dass offen rechtswidrige Konzepte selektiv zugelassen werden, weil Gutverdiener scheinbar nicht schützenswert sind. Da es bei Arbeitszeit- und Urlaubsgesetzen primär um den Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers geht ist der Verdienst selbst ohnehin kein wirkliches Argument. Ich verstehe immer noch nicht, wieso es scheinbar keine Ex-GK-Mitarbeiter gab die anschließend bei der StA mal Ermittlungen wegen § 23 Abs. 1 ArbzG angestoßen haben. Der "wenn wir das machen werden die eben alle als Selbständige beschäftigt" Aspekt ist schlicht irrelevant.
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Tibor
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Re: Zukunft der Arbeitswelt

Beitrag von Tibor »

Es wird sich doch hier ein Staatsanwalt finden, der in seinem Bezirk eine GK hat und das mal prüfen kann!!!

Natürlich ist das Gesetz da, wir dürfen aber auch nicht den Telos der Norm vergessen. Der Gesetzgeber hatte sicherlich nicht Bürojobs auf dem Schirm, weder in Kanzleien, noch in Banken, in Vorstandsetagen oder in der Politik. Der Typus des schutzbedürftigen Arbeiters sieht eben ganz anders aus und ihn differenziert vor allem, dass er auf die konkrete Arbeit angewiesen ist, weil er sich weder eine Auszeit nach Eigenkündigung leisten kann noch einen besseren Job finden wird. Die Verfolgungsbehörden (insb. Zoll) haben ganz andere - wichtigere - Aufgriffsfelder, um Arbeitsschutzgesetze wirksam werden zu lassen.

Letztlich sehe ich nicht, dass in einer klassischen GK der Associate nicht nach Hause gelassen wird. Es ist doch eher so, dass die Masse an Arbeit den Associate selbst am Schreibtisch fesselt, weil er eben das entsprechende Salär einstreichen will. Es ist doch schon ein großer Unterschied, ob einem Arbeitnehmer um 21 Uhr noch was auf den Schreibtisch gelegt wird (virtuell, per Email) mit der Erwartungshaltung, es werde bis 23 Uhr erledigt oder ob ein Werksbus einer Baufirma erst um 23 Uhr auf der Baustelle losfährt, wenn denn endlich die Mauer fertig ist.
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