Goldenes Zeitalter für Juristen?

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Moderator: Verwaltung

Goldenes Zeitalter für Nachwuchsjuristen?

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Django
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Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von Django »

Ich würde durch diesen Thread gerne in Erfahrung bringen, wie ihr die beruflichen Perspektiven für Nachwuchsjuristsn im Korridor bis 2030 einschätzt.

Egal wo man hinkommt, immer wird vom Nachwuchsmangel geredet. Gerne werden dann auch anstehende Pensionierungswellen ins Spiel gebracht.

Was ist dran? Hat jeder mit zwei Staatsexamen demnächst ausgesorgt, werden wir noch erleben, wie Richter mit 6,0 eingestellt werden oder ist alles nur heiße Luft?
Die aktuellen vom Bundesamt für Justiz veröffentlichten Zahlen zu juristischen Absolventinnen und Absolventen sprechen eine eindeutige Sprache: Die Zahl der Nachwuchsjuristinnen und -juristen mit zweitem Staatsexamen sinkt seit 2002 deutlich. Während vor zwanzig Jahren noch über 10.500 Studierende das zweite Staatsexamen erfolgreich absolvierten, waren es 2017 noch in etwa 7.500. Aktuellen Schätzungen zufolge kamen im Jahr 2019 noch 6.500 neue Volljuristinnen und -juristen auf den Arbeitsmarkt. Dies entspricht einem Rückgang um fast 40 Prozent innerhalb der letzten zwanzig Jahre.
"... Ein übermüdeter Beamter, der während der Arbeitszeit einschläft, vom Stuhl fällt und sich dabei die Nase bricht, erleidet einen Arbeitsunfall.."

SG Dortmund, Urteil v. 23.09.1998, Az.: S 36 U 294/97
Sektnase
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Re: Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von Sektnase »

Dass es viel zu viele Juristen gab, wird gern mal übersehen. Auch jetzt noch gibt es doch mehr als genug Anwälte. "Ausgesorgt" haben Volljuristen jetzt schon, man muss dafür aber dann auch noch 35-40 Jahre arbeiten^^.

Dauerhaft arbeitslos, da muss man wohl schon wirklich schlechte Noten gehabt haben oder es stimmt sonst irgendwas nicht.
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
gola20
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Re: Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von gola20 »

Es gibt noch immer 165 000 zugelassene Anwälte. 1980 waren es 36000. Das war eher ein Goldenes Zeitalter.
Liz
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Re: Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von Liz »

Seit 1980 ist die Welt aber auch geringfügig komplexer geworden. Strukturell dürfte es zukünftig so sein, dass in bestimmten Bereichen (Justiz, Verwaltung, Großkanzleien, mittelständische Wirtschaftskanzleien, Unternehmen) die Konkurrenz um die gut qualifizierten Absolventen zunimmt, mit der Folge, dass die Notenanforderungen eher sinken. Gleichzeitig dürften die Kanzleien, die sich auf Massenverfahren spezialisiert haben, einerseits einen zusätzlichen Bedarf an Rechtsberatung generieren, andererseits aber auch dem durchschnittlichen FWW-Anwalt das Geschäft kaputt machen. Abnehmen dürfte vor allem die Zahl der kleinen FWW-Anwälte, die sich irgendwie durchwursteln.
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Blaumann
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Re: Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von Blaumann »

gola20 hat geschrieben: Sonntag 25. Juli 2021, 12:08 Es gibt noch immer 165 000 zugelassene Anwälte. 1980 waren es 36000. Das war eher ein Goldenes Zeitalter.
Aber schon deutlich im Ausklingen. ;)

Hier mal eine Grafik dazu: https://www.lto.de/juristen/statistiken ... twicklung/

Die Absolventenzahlen stiegen immer stetig. Ab Mitte der 1970er stiegen sie immer schneller, bis sie dann in den 1990ern explodierten.

Momentan stagniert die Zahl der Gesamtzulassungen zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Neuzugänge bleiben zum ersten Mal hinter den Abgängen zurück. Die Absolventenjahrgänge 1980-1985 sind bereits in Rente oder stehen kurz davor (Beispiel: Geburt: 1957, 2. Examen: 1984, voraussichtlicher Renteneintritt: 2022). Diese Kluft dürfte mit jedem Jahr größer werden, sofern die Absolventenzahlen nicht wieder steigen.

Insofern dürfte allein die Demographie dafür sprechen, dass sich der juristische Fachkräftemangel in den nächsten Jahren deutlich verschärfen wird.
Liz
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Re: Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von Liz »

Die Frage ist aber ja, welcher Anteil der Absolventen aus den 1980er-1990er Jahren eigentlich ersatzlos wegfallen kann, ohne dass sich die Versorgung der Bevölkerung mit Rechtsdienstleistungen verschlechtert. Es gibt da halt auch solche Schicksale: https://www.bz-berlin.de/berlin/charlot ... -nachfragt
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Django
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Re: Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von Django »

Liz hat geschrieben: Sonntag 25. Juli 2021, 17:20 Die Frage ist aber ja, welcher Anteil der Absolventen aus den 1980er-1990er Jahren eigentlich ersatzlos wegfallen kann, ohne dass sich die Versorgung der Bevölkerung mit Rechtsdienstleistungen verschlechtert. Es gibt da halt auch solche Schicksale: https://www.bz-berlin.de/berlin/charlot ... -nachfragt
Also diese Biographie hat mir jetzt echt die Sprache verschlagen...
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thh
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Re: Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von thh »

Django hat geschrieben: Sonntag 25. Juli 2021, 19:16Also diese Biographie hat mir jetzt echt die Sprache verschlagen...
Naja, wer kaum etwas in die Altersversorgung einzahlt (bei Anwälten geht das), dafür aber schon mit 60 in "Rente" geht (bei Anwälten geht das), der bekommt eben fast keine "Rente". Das ist jetzt eher nicht überraschend.
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Ara
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Re: Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von Ara »

thh hat geschrieben: Sonntag 25. Juli 2021, 20:35
Django hat geschrieben: Sonntag 25. Juli 2021, 19:16Also diese Biographie hat mir jetzt echt die Sprache verschlagen...
Naja, wer kaum etwas in die Altersversorgung einzahlt (bei Anwälten geht das), dafür aber schon mit 60 in "Rente" geht (bei Anwälten geht das), der bekommt eben fast keine "Rente". Das ist jetzt eher nicht überraschend.
Also komisch kommt mir das aber auch vor... Meine hochgerechnete Anwartschaft auf Altersrente beträgt schon jetzt (wenn keine weitere Zahlung mehr erfolgt) mit 62 Jahren (Früher gehts bei mir nicht) rund 235 Euro.

Der Kollege muss echt nahezu nix eingezahlt haben.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Tikka
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Re: Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von Tikka »

Prognosen sind immer schwierig. Insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen.

Ansonsten: Wie ich schon einmal an anderer Stelle schrieb, sind die Zeiten für Absolventen im Vergleich zu der Situation als ich noch studierte, wahrlich golden.
Unter den Studenten meiner Generation gab es noch einigermaßen berechtigte Zukunftsangst. Heute ist sicher nicht für alle eitel Sonnenschein, aber es ist doch deutlich entspannter. Ich komme ja noch aus einer Zeit in der Großbuden (gab aber auch weniger damals) wirklich noch Doppelprädikat + Promotion und/oder (im englischsprachigem Ausland erworbenen) LL.M durchsetzen konnten. Auch im Bereich M&A und in aller Regel auch in FFm.
Von Richterstellen brauchen wir gar nicht zu reden. Ich weiß noch wie eine Bekannte mit Wartezeit endlich in einem einigermaßen beliebten LG Bezirk ein AG Dezernat ergattern konnte. Mit 2 mal "gut"... in Rheinland Pfalz.

Als ich dann fertig war hatte es sich schon deutlich gelockert.

Diese Lockerung hat sich noch geweitet und ich gehe davon aus, dass sie noch ein paar Jahre hält (Pensionierungswelle, anhaltender Bedarf bei GKen). So dass ich für den hier aufgerufenen Zeitraum bis 2030 -bei allen Einschränkungen von Prognosen- tatsächlich mit einer guten Zeit für Berufsanfänger rechne. Zumindest im Vergleich zu früher. Alles eine Frage der Perspektive.
Keine Experimente! Wählt Adenauer.
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Re: Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von Sektnase »

Und auch im Vergleich zu vielen anderen Disziplinen. Aus meiner Abschlussklasse sind viele in Richtung Autoindustrie gegangen, insbesondere Ingenieurwissenschaften. Bei denen ist die Zukunft m.E. weit weniger gesichert, insbesondere da die E-Auto-Produktion viel weniger Arbeit schafft und auch die wirtschaftlichen Verwerfungen (für die Autobauer) noch nicht absehbar sind.
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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famulus
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Re: Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von famulus »

Also das, was ich in den letzten Jahren in Sachen "Stellenmarkt in der Verwaltung" (insb. Landesverwaltung Thüringen) sehen konnte, lässt für mich überhaupt keinen anderen Schluss zu.

Mit meinen mittelmäßigen Examen gab es seinerzeit (~2013/2014) überhaupt keinen anderen Weg rein als über Ketten-Befristungen als Elternzeitvertretung etc. - mit Glück und Bewährung ging es dann über Entfristung fest in den Sattel. Damals waren Stellenausschreibungen noch Mangelware und dementsprechend mit Mondanforderungen versehen. Seitdem kann man beobachten, wie sich die Bedarfe und entsprechend die Stellenausschreibungen beständig verfielfältigen und die Anforderungen nur so purzeln. Seit letztem Jahr wird sogar wieder verstärkt verbeamtet. Jetzt für mich auf der "anderen Seite" natürlich schwer zu ertragen, dass heute nicht mehr die tollsten Chancen im Kampf um die besten Köpfe bestehen.

Von mir daher ein ausdrückliches "Absolut!" und Verwunderung, dass das in der Abstimmung noch die Minderheit ist.
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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scndbesthand
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Re: Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von scndbesthand »

famulus hat geschrieben: Montag 26. Juli 2021, 12:59 Also das, was ich in den letzten Jahren in Sachen "Stellenmarkt in der Verwaltung" (insb. Landesverwaltung Thüringen) sehen konnte, lässt für mich überhaupt keinen anderen Schluss zu.

Mit meinen mittelmäßigen Examen gab es seinerzeit (~2013/2014) überhaupt keinen anderen Weg rein als über Ketten-Befristungen als Elternzeitvertretung etc. - mit Glück und Bewährung ging es dann über Entfristung fest in den Sattel. Damals waren Stellenausschreibungen noch Mangelware und dementsprechend mit Mondanforderungen versehen. Seitdem kann man beobachten, wie sich die Bedarfe und entsprechend die Stellenausschreibungen beständig verfielfältigen und die Anforderungen nur so purzeln. Seit letztem Jahr wird sogar wieder verstärkt verbeamtet. Jetzt für mich auf der "anderen Seite" natürlich schwer zu ertragen, dass heute nicht mehr die tollsten Chancen im Kampf um die besten Köpfe bestehen.

Von mir daher ein ausdrückliches "Absolut!" und Verwunderung, dass das in der Abstimmung noch die Minderheit ist.
In den 1990er Jahren wollten gefühlt alle Informatik, BWL oder Wirtschaftsinformatik studieren und mit dem Studienwunsch Jura wurde man förmlich für bekloppt erklärt („Juristenschwemme“). Ich warte ja noch auf den Studiengang „juristische KI“ auf Bachelor und Master, welcher zum Programmieren elektronischer Richter und Schriftsatzmaschinen befähigt.

Im Vergleich zu damals sind die Zeiten für Absolventen weitaus besser, daher +1 zu famulus und ein „Absolut“.
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Strich
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Re: Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von Strich »

Ja es stimmt, dass Bedarf an den Gerichten besteht. Aber es sinken auch beständig die Eingangszahlen. Der Bedarf an Rechtsberatung wird mit sinkender und immer älter werdender Bevölkerung auch eher ab- als zunehmen. Das sollte man als Rechenposten im Kopf behalten.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

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Goldenes Zeitalter für Juristen?

Beitrag von Liz »

Gleichzeitig steigt aber a) die Kreativität des Gesetzgebers (vor allem im Strafrecht) und b) die Komplexität / der Umfang der Verfahren.
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