Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

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Moderator: Verwaltung

gamn8
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Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von gamn8 »

Guten Tag,

da ich später gerne ortsunabhängig arbeiten würde, suche ich nach einem passenden Rechtsgebiet, das ausgeübt werden kann, ohne vor Gericht zu stehen (bzw. maximal alle paar Monate mal). Bisher bin ich bereits auf das Gebiet Steuerrecht und evtl. auch Steuerrecht aufmerksam geworden, evtl. auch Gesellschaftsrecht. Was denkt ihr dazu? Welche Gebiete sollte ich noch auf dem Schirm haben?

Beste Grüße!
Herr Schraeg
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von Herr Schraeg »

Im Grundsatz kannst Du in jedem Gebiet nur beratend und ausserforensisch tätig werden (wenngleich in manchen Gebieten mit höherer Wahrscheinlichkeit). Der Wunsch nach Ortsungebundenheit klingt aber so, dass Du Dich nicht einer bestehenden Kanzlei anschliessen willst, sondern selbst allein ein Geschäft aufbauen willst, und das ist die deutlich grössere Einschränkung als der Wunsch nach Vermeidung von Gerichtsterminen.

Steuerrecht funktioniert als alleiniges Feld sinnvoll nur, wenn Du auch das Steuerberaterexamen machst. Gesellschaftsrecht (in der Praxis beinahe zwingend nur zusammen mit Steuerrecht) ist weitestgehend nichtforensisch, aber als Einzelanwalt ohne Berufserfahrung unrealistisch. Am ehesten aus meiner Sicht IT/IP.
gola20
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von gola20 »

Die Gerichstätigkeit wird dich nicht ortsgebunden machen. Die Grundannahme ist falsch. Ortsgebunden bist du wegen der Kanzleistruktur, Mandantenstruktur und deinem Netzwerk vor Ort.
Theopa
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von Theopa »

gola20 hat geschrieben: Montag 27. September 2021, 13:07 Die Gerichstätigkeit wird dich nicht ortsgebunden machen. Die Grundannahme ist falsch. Ortsgebunden bist du wegen der Kanzleistruktur, Mandantenstruktur und deinem Netzwerk vor Ort.
Auch das kann man nicht pauschal sagen, in manchen Breichen muss man z.B. bundesweit gerichtlich tätig werden und ist daher indirekt an Standorte gebunden, von welchen man nicht erst zwei Stunden fahren muss um eine gute ICE-Verbindung und/oder einen Flughafen zu finden.

Die Kanzleistruktur dürfte aber definitiv ein wichtiger Punkt sein. Je größer desto weniger Termine (bis hin zu reiner Beratung) sind im Schnitt möglich, aber desto mehr andere "Ortsbindungen" können durch Vorgaben von Arbeitgebern oder umgekehrt eine eigene Personalverantwortung entstehen.
gola20
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von gola20 »

Die Nähe zu einem größeren Bahnhof oder Flughafen sehe ich noch immer als ortsungebunden an.
Theopa
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von Theopa »

Eben, das meine ich ja. Die Gerichtstermine binden einen damit indirekt an bestimmte Orte.
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j_laurentius
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von j_laurentius »

Im Verwaltungsrecht (Baurecht vielleicht ausgenommen) und im Sozialrecht gibt es auch eher wenige Gerichtstermine. Abgesehen davon, dass man in den Bereichen vieles ohnehin ohne Gericht irgendwie geklärt bekommen kann, lassen sich auch viele Gerichtsverfahren ohne Gerichtstermin irgendwie erledigen (im Sozialrecht sind z.B. oft irgendwelche medizinischen Fragen zu klären, da werden dann vom Gericht aufgrund schriftlicher Beweisanordnung ärztliche Gutachten eingeholt und auf der Basis dieser Gutachten erkennt dann die Behörde den Klageantrag oft an oder der klagende Bürger nimmt die Klage zurück, je nachdem, zu wessen Gunsten das Gutachten ausfällt, ein Gerichtstermin ist dann nicht mehr nötig).
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Tikka
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von Tikka »

j_laurentius hat geschrieben: Mittwoch 29. September 2021, 17:36 [...] im Sozialrecht gibt es auch eher wenige Gerichtstermine. [...]
Das liegt aber zum Teil einfach daran, dass man keine Termine bekommt. Selbst wenn man möchte. :D
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Liz
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von Liz »

gola20 hat geschrieben:Die Nähe zu einem größeren Bahnhof oder Flughafen sehe ich noch immer als ortsungebunden an.
Die Frage ist ja, was man genau unter „ortsungebunden“ versteht. Rein praktisch dürfte es in vielen Bereichen so sein, dass man - solange man nicht ganz digital arbeiten kann - immer faktische Bindungen an den ursprünglich gewählten Arbeitsort haben wird und nicht einfach so von Hamburg nach München nach Köln nach Berlin und wieder zurück ziehen kann.
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j_laurentius
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von j_laurentius »

Tikka hat geschrieben: Donnerstag 30. September 2021, 11:09
j_laurentius hat geschrieben: Mittwoch 29. September 2021, 17:36 [...] im Sozialrecht gibt es auch eher wenige Gerichtstermine. [...]
Das liegt aber zum Teil einfach daran, dass man keine Termine bekommt. Selbst wenn man möchte. :D
Ja, da braucht man schon Durchhaltevermögen :D Aber trotzdem, oft lassen sich die Sachen ohne Termin erledigen.
gamn8
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von gamn8 »

Herr Schraeg hat geschrieben: Montag 27. September 2021, 11:53 Im Grundsatz kannst Du in jedem Gebiet nur beratend und ausserforensisch tätig werden (wenngleich in manchen Gebieten mit höherer Wahrscheinlichkeit). Der Wunsch nach Ortsungebundenheit klingt aber so, dass Du Dich nicht einer bestehenden Kanzlei anschliessen willst, sondern selbst allein ein Geschäft aufbauen willst, und das ist die deutlich grössere Einschränkung als der Wunsch nach Vermeidung von Gerichtsterminen.

Steuerrecht funktioniert als alleiniges Feld sinnvoll nur, wenn Du auch das Steuerberaterexamen machst. Gesellschaftsrecht (in der Praxis beinahe zwingend nur zusammen mit Steuerrecht) ist weitestgehend nichtforensisch, aber als Einzelanwalt ohne Berufserfahrung unrealistisch. Am ehesten aus meiner Sicht IT/IP.
Herzlichen Dank für die Antwort bzw. an jeden, der hier einen Beitrag geschrieben hat! Dann wäre Gesellschafts- und Steuerrecht ja vielleicht eine gute Kombi, wenn ich nach dem Studium das StB-Examen mache. Gerne würde ich nämlich als Einzelanwalt tätig sein. Ich dachte aber bisher, im Bereich IP hätte man besonders häufig Gerichtstermine. Kannst du oder jemand anders hier, mir vielleicht sagen, auf welchen Bereich man sich da konzentrieren sollte, wenn man das vermeiden will? Und wie darf man sich die Praxis im Bereich IT-Recht vorstellen? Ist das letztlich nur das Ausarbeiten von Verträgen?
gamn8
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von gamn8 »

Liz hat geschrieben: Donnerstag 30. September 2021, 11:51
gola20 hat geschrieben:Die Nähe zu einem größeren Bahnhof oder Flughafen sehe ich noch immer als ortsungebunden an.
Die Frage ist ja, was man genau unter „ortsungebunden“ versteht. Rein praktisch dürfte es in vielen Bereichen so sein, dass man - solange man nicht ganz digital arbeiten kann - immer faktische Bindungen an den ursprünglich gewählten Arbeitsort haben wird und nicht einfach so von Hamburg nach München nach Köln nach Berlin und wieder zurück ziehen kann.
Gerne würde ich es so handhaben, dass ich die Beratung komplett digital über Telefon und Dienste wie Zoom anbiete, während sich die Website an ein bundesweites Klientel richtet. :)
gamn8
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von gamn8 »

j_laurentius hat geschrieben: Mittwoch 29. September 2021, 17:36 Im Verwaltungsrecht (Baurecht vielleicht ausgenommen) und im Sozialrecht gibt es auch eher wenige Gerichtstermine. Abgesehen davon, dass man in den Bereichen vieles ohnehin ohne Gericht irgendwie geklärt bekommen kann, lassen sich auch viele Gerichtsverfahren ohne Gerichtstermin irgendwie erledigen (im Sozialrecht sind z.B. oft irgendwelche medizinischen Fragen zu klären, da werden dann vom Gericht aufgrund schriftlicher Beweisanordnung ärztliche Gutachten eingeholt und auf der Basis dieser Gutachten erkennt dann die Behörde den Klageantrag oft an oder der klagende Bürger nimmt die Klage zurück, je nachdem, zu wessen Gunsten das Gutachten ausfällt, ein Gerichtstermin ist dann nicht mehr nötig).
Danke für den Hinweis! In welchem Bereich des Verwaltungsrechts kann man denn am besten als Einzelanwalt tätig werden?
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von Theopa »

Wenn deine Vorstellung ist, direkt als Einzelanwalt durchzustarten, dürfte dieser Plan noch einmal schwieriger werden. Woher möchtest du deine Mandate bekommen?

Wer auf Verbraucher abzielt kann mit einer guten Website und etwas Werbung schon einen Anfang hinbekommen, Verbraucher wollen aber einfach sehr oft weiterhin die persönliche Beratung vor Ort und haben zudem oftmals Angelegenheiten, die Termine erfordern können.

Unternehmen suchen dagegen nicht mal eben auf Google nach "Anwalt Gesellschaftsrecht", wenn sie sich umstrukturieren wollen. Wenn deine Kanzlei keinen besonderen Namen hat muss man dich irgendwoher kennen, sei es aus früheren Angelegenheiten oder dem örtlich Golfclub. Ohne vorige Tätigkeit bei einer größeren Kanzlei, über die du bereits deine ersten Mandate in die Selbständigkeit mitnehmen kannst, sowie zudem noch ohne Fachanwalt würde der Start bei einem derartigen Konzept also wohl sehr schleppend ablaufen, da ginge es dann nicht nur um 1-2 Jahre Durststrecke.
Zuletzt geändert von Theopa am Montag 4. Oktober 2021, 09:21, insgesamt 1-mal geändert.
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j_laurentius
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Re: Rechtsgebiet ohne Gerichtstätigkeit

Beitrag von j_laurentius »

gamn8 hat geschrieben: Sonntag 3. Oktober 2021, 11:51
j_laurentius hat geschrieben: Mittwoch 29. September 2021, 17:36 Im Verwaltungsrecht (Baurecht vielleicht ausgenommen) und im Sozialrecht gibt es auch eher wenige Gerichtstermine. Abgesehen davon, dass man in den Bereichen vieles ohnehin ohne Gericht irgendwie geklärt bekommen kann, lassen sich auch viele Gerichtsverfahren ohne Gerichtstermin irgendwie erledigen (im Sozialrecht sind z.B. oft irgendwelche medizinischen Fragen zu klären, da werden dann vom Gericht aufgrund schriftlicher Beweisanordnung ärztliche Gutachten eingeholt und auf der Basis dieser Gutachten erkennt dann die Behörde den Klageantrag oft an oder der klagende Bürger nimmt die Klage zurück, je nachdem, zu wessen Gunsten das Gutachten ausfällt, ein Gerichtstermin ist dann nicht mehr nötig).
Danke für den Hinweis! In welchem Bereich des Verwaltungsrechts kann man denn am besten als Einzelanwalt tätig werden?
Ich würde sagen, das Verwaltungsrecht eignet sich generell ziemlich gut für eine Tätigkeit als Einzelkämpfer - wenn man denn mit dem Rechtsgebiet klar kommt. Ich persönlich fand eigentlich vom Beginn des Studiums an das öffentliche Recht, also das Verhältnis zwischen Staat und Bürger und die Organisation des Staatswesens, am interessantesten von allen Rechtsgebieten, aber die weitaus meisten Juristen rollen nur mit den Augen, wenn sie Verwaltungsrecht hören. Wenn Du Steuerrecht magst, dann vielleicht das öffentliche Abgabenrecht allgemein? Also zum Beispiel Erschließungsbeiträge und sowas. Da besteht nach meinem Eindruck auch tatsächlich auf dem Markt noch Bedarf an guten (!) Anwälten, die das Thema beherrschen. Für mich ist das allerdings nichts, ist mir einfach zu trocken. Ich bin (im Verwaltungsrecht) speziell im Ausländerrecht, im Beamtenrecht und im Hochschul- und Prüfungsrecht tätig, das sind Rechtsgebiete, die mir Spaß machen. Und wie gesagt, Gerichtstermine habe ich da nicht viele und persönliche Mandantengespräche grundsätzlich zwar schon ziemlich oft, aber wie die Pandemiebeschränkungen gezeigt haben, kann man die durchaus gut auch per Zoom oder Telefon führen, also man könnte auch auf Weltreise gehen, während man arbeitet.
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