Manches muss einfach gemeldet werden
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Die hier herangezogenen Fälle, in denen sich erst in der Anhörung ergibt, dass Antragsteller und Ärzte mit ihren Stellungnahmen nicht richtig liegen und die Unterbringung mangels krankhafter Störung oder mangels Eigen- oder Fremdgefährdung abzulehenn ist, gibt es - sie sind aber die absolute Ausnahme.
ME kann es für den mit der unterlassenen Anhörung in Kauf genommenen materiellen Unrechtserfolg, den man für die Rechtsbeugung in Ansehung der Schwere der Strafandrohung zu verlangen hat, stets nur auf den Einzelfall ankommen, also darauf, ob IN CASU die (zeitnahe) Anhörung mit einer nicht ganz geringen Wahrscheinlichkeit zu einer anderen Entscheidung (Ablehnung der Unterbringung) geführt hätte bzw. jedenfalls hätte führen können.
ME kann es für den mit der unterlassenen Anhörung in Kauf genommenen materiellen Unrechtserfolg, den man für die Rechtsbeugung in Ansehung der Schwere der Strafandrohung zu verlangen hat, stets nur auf den Einzelfall ankommen, also darauf, ob IN CASU die (zeitnahe) Anhörung mit einer nicht ganz geringen Wahrscheinlichkeit zu einer anderen Entscheidung (Ablehnung der Unterbringung) geführt hätte bzw. jedenfalls hätte führen können.
„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Da du zur Sache nichts beiträgst, und nach dem Versuch einer Verteidigung deiner (empirisch nicht haltbaren) Hypothesen zur Arbeitsweise der Staatsanwaltschaften ausgestiegen bist, ist das nicht als Beitrag zum Diskurs zu werten, sondern als billige Stänkerei ohne jeden Erkenntniswert. Sehr schade.
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Egon Bahr 2013
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Ergänzung zur Wahrscheinlichkeit (p) eines materiellen Unterechtserfolgs.
In der Lit. heißt es zum Merkmal "zum Nachteil einer Partei":
Jetzt kommt es weiter darauf an, ob man - was intellektuell möglich, also nicht unredlich ist - der Anhörung eine solche Bedeutung für das "Rausfischen" falscher ärztlicher Einschätzungen zumisst, dass man mit der unterlassenen Anhörung per se eine konkrete, nicht bloß abstrakte Gefahr "eines unrechtmäßigen Vor- oder Nachteils für eine Partei" verbindet.
ME ist das kaum vertretbar, wenn man sich die Empirie vor Augen hält, wie selten Betreuungsrichter von deutlichen ärztlichen und behördlichen Stellungnahmen abweichen.
Allenfalls könnte man argumentieren, dass mit einem allgemeinen Rechtsgedanken die Annahme einer konkreten Gefahr dann nur ein sehr geringes p fordert, wenn das zu schützende Rechtsgut (hier: die Freiheit) besonders gewichtig ist.
In diese Richtung scheint der BGH in einem Fall zur Verletzung der Anhörungspflichten im Ergebnis (weniger in der Begründung) zu tendieren, hat sich aber durch allerlei Zusatzkriterien abgesichert:
- § 339 StGB ist kein Massen- oder Dauerdelikt, das einen "systematischen" Rechtsbruch voraussetzt. Der BGH ist der eigentlichen Fragen nach dem Zusammenhang von formaler Rechtsverletzung und dem damit verbundenen p für die Gefahr des Unrechtserfolgs (= grundlose Unterbringung) ausgewichen. Das ist intellektuell nicht haltbar.
- Auch der Rekurs auf die "gleichzeitige Vorspiegelung einer verfahrensrechtlich ordnungsgemäßen Vorgehensweise mit fingierten Anhörungsprotokollen" ist unsystematisch; dies wäre allenfalls für den subjektiven Tatbestand relevant. Für die Frage des objektiven Rechtsverstoßes kann es nur auf den Kausalnexus "Formaler Rechtsverstoß --> Begründung einer konkreter (ie nicht nur abstrakten) Gefahr eines materiellen Unrechtserfolgs" ankommen.
In der Lit. heißt es zum Merkmal "zum Nachteil einer Partei":
Genau in dem Fettgesetzten kommt das p zum Ausdruck, da sich die konkrete Gefahr stets mit einer (näher zu bestimmenden), nicht ganz zu vernachlässigenden Eintrittswahrscheinlichkeit verbindet.Die Rechtsbeugung muss zugunsten oder zum Nachteil einer Partei erfolgen (Hilgendorf LK 80, Kuhlen NK 71, Stein/Deiters SK 50, Seebode JR 97, 474, Wohlers/Gaede GA 02, 490), § 339 ist deshalb Erfolgsdelikt (Hilgendorf LK 47, Ueberle MK 57).
[...]
Auch bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht kann, dem Erfolgscharakter entspr., eine Benachteiligung oder Bevorzugung eines Verfahrensbeteiligten nach dem o. RN 10 genannten Maßstab vorliegen. Es genügen also nicht Abweichungen vom Verfahrensablauf (BGH 38 383, 42 351, NStZ-RR 01, 244), auch nicht Verfahrensverzögerungen als solche (Karlsruhe NJW 04, 1469, ferner Frankfurt NJW 00, 2037 m. Anm. Gubitz NStZ 01, 253; vgl. aber BGH 47 113 [dazu RN 10]). Jedoch kommt § 339 dann in Betracht, wenn der Richter durch sein Verhalten nicht lediglich das abstrakte Risiko einer falschen Endentscheidung, sondern die konkrete Gefahr eines unrechtmäßigen Vor- oder Nachteils für eine Partei schafft (BGH 42 351, NStZ 13, 107, 651, NStZ-RR 01, 244, Naumburg NStZ 13, 534, Eisele I 1677, Fischer 23, L-Heger 7, Käsewieter aaO 237 f., SSW-Kudlich 26, Kuhlen NK 75, Ueberle MK 49, 59; and. Hilgendorf LK 83, Krehl NStZ 98, 410, Seebode JR 97, 474 ff., M/R-Sinner 27, Stein/Deiters SK 55; krit. Wohlers/Gaede GA 02, 494 f.).
(Schönke/Schröder/Heine/Hecker, 30. Aufl. 2019, StGB § 339 Rn. 12; Hervorhebung NICHT im Original)
Jetzt kommt es weiter darauf an, ob man - was intellektuell möglich, also nicht unredlich ist - der Anhörung eine solche Bedeutung für das "Rausfischen" falscher ärztlicher Einschätzungen zumisst, dass man mit der unterlassenen Anhörung per se eine konkrete, nicht bloß abstrakte Gefahr "eines unrechtmäßigen Vor- oder Nachteils für eine Partei" verbindet.
ME ist das kaum vertretbar, wenn man sich die Empirie vor Augen hält, wie selten Betreuungsrichter von deutlichen ärztlichen und behördlichen Stellungnahmen abweichen.
Allenfalls könnte man argumentieren, dass mit einem allgemeinen Rechtsgedanken die Annahme einer konkreten Gefahr dann nur ein sehr geringes p fordert, wenn das zu schützende Rechtsgut (hier: die Freiheit) besonders gewichtig ist.
In diese Richtung scheint der BGH in einem Fall zur Verletzung der Anhörungspflichten im Ergebnis (weniger in der Begründung) zu tendieren, hat sich aber durch allerlei Zusatzkriterien abgesichert:
Das ist kaum haltbar.Mit dem systematischen Verstoß gegen die Anhörungspflicht aus § FGG § 70c FGG bei gleichzeitiger Vorspiegelung einer verfahrensrechtlich ordnungsgemäßen Vorgehensweise mit fingierten Anhörungsprotokollen hat sich der Angekl. in einer derart schweren Weise bewusst von Recht und Gesetz entfernt, dass darin ein elementarer Rechtsverstoß zu sehen ist.
(BGH NStZ 2010, 92)
- § 339 StGB ist kein Massen- oder Dauerdelikt, das einen "systematischen" Rechtsbruch voraussetzt. Der BGH ist der eigentlichen Fragen nach dem Zusammenhang von formaler Rechtsverletzung und dem damit verbundenen p für die Gefahr des Unrechtserfolgs (= grundlose Unterbringung) ausgewichen. Das ist intellektuell nicht haltbar.
- Auch der Rekurs auf die "gleichzeitige Vorspiegelung einer verfahrensrechtlich ordnungsgemäßen Vorgehensweise mit fingierten Anhörungsprotokollen" ist unsystematisch; dies wäre allenfalls für den subjektiven Tatbestand relevant. Für die Frage des objektiven Rechtsverstoßes kann es nur auf den Kausalnexus "Formaler Rechtsverstoß --> Begründung einer konkreter (ie nicht nur abstrakten) Gefahr eines materiellen Unrechtserfolgs" ankommen.
„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Zum Singulardeliktscharakter: Ja oder eben durch eine dauerhaft falsche Rechtsanwendung aufgrund einer vermeintlichen MidnermeinungLiz hat geschrieben: ↑Donnerstag 16. März 2023, 19:41 @Strich:
@„Singulardelikt“ - das ist richtig, aber rein faktisch wird man in den Fällen, in denen es vorrangig um eine falsche Sachbehandlung ohne konkretes Tatmotiv bzgl einer der Parteien geht, eine vorsätzliche Rechtsbeugung nur nachweisen können, wenn es sich um eine systematische falsche Vorgehensweise handelt, die sich nicht mehr mit einem Versehen im Einzelfall erklären lässt.
@Pandemie: Da muss man ja letztlich Überlegungen zur Kollision von Rechten mit Verfassungsrang anstellen (rechtliche Gehör vs Gesundheitsschutz des Betroffenen bzw. Dritter). Hier würde ich meinen, dass bei neuen Situationen, für die keine (eindeutige) höchstrichterliche Rechtsprechung existiert, der Entscheidungsspielraum des einzelnen Richters größer sein muss. Das Idealbild ist ja der Richter, der nach besten Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person nach Recht und Gesetz entscheidet. Wenn ich in die Begründung reinschreibe, warum, weshalb, wieso ich ausnahmsweise nicht angehört habe, weil es nämlich unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten nicht möglich war/erschien, dann kann man mE nicht mehr vom Richter verlangen.
Die hältst also selbst bei den von dir jetzt angestellten Überlegungen die Anwendung des Rechtsbeugungstatbestandes für völlig unproblematisch? Du siehst keine Ausweitung in den Raum der von einem Richter vetretenen Mindermeinung hinein? Bei Anwendung deiner eigenen Maßstäbe zum Thema Pandemie dürfte der Weimarer Richter aufgrund seines auf über 160 Seiten begründeten Beschlusses mit "Abwägungen von Verfassungsgütern" freizusprechen sein?
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Das Hemmerskript Insolvenzrecht ist von 2012? Da kommt kein neues mehr, oder?
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Ist hier noch wer?
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Wolltest Du etwas melden?scndbesthand hat geschrieben:Ist hier noch wer?
Zuletzt geändert von thh am Donnerstag 11. Mai 2023, 22:26, insgesamt 1-mal geändert.
Deutsches Bundesrecht? https://www.buzer.de/ - tagesaktuell, samt Änderungsgesetzen und Synopsen
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Nee, mir wurde auf einmal nur so mulmig, hier so ganz allein…
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Aber ist schon sehr ruhig geworden irgendwie
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Vermutung: Die Jüngeren sind jetzt bei Tik Tok, die Schönen bei Insta, die Schlauen bei Twitter.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Die Bodybuilder
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden
Bin alt, hässlich und dumm. Wohin gehöre ich?