NSU-Prozess

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thh
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von thh »

immer locker bleiben hat geschrieben: Montag 16. Juli 2018, 16:27
Quantensprung hat geschrieben: Montag 16. Juli 2018, 16:12 Der Zeitraum für die Urteilsabsetzung wird sicherlich noch sehr relevant werden können. Habe kürzlich gelesen, dass Götzl nun Vizepräsident am neuen obersten Landesgericht in Bayern werden soll.
Quelle?
https://www.lto.de/recht/justiz/j/bayer ... sprechung/
Quantensprung hat geschrieben: Montag 16. Juli 2018, 16:12Der Zeitraum für die Urteilsabsetzung wird sicherlich noch sehr relevant werden können. Habe kürzlich gelesen, dass Götzl nun Vizepräsident am neuen obersten Landesgericht in Bayern werden soll.
Ja, und? Er muss das Urteil ja nicht persönlich absetzen; regelmäßig ist vielmehr auch in solchen Verfahren mindestens ein Berichterstatter bestimmt. (Und man darf davon ausgehen, dass größere Teile des Urteils auch schon im Entwurf fertig sind.) Wenn er ans BayObLG wechselt, kann er dann das fertige Urteil noch gegenlesen und unterschreiben, wenn er in Ruhestand geht oder sonstwohin wechselt, wird seine Unterschrift eben ersetzt; das ist alles kein Problem.
Gelöschter Nutzer

Re: NSU-Prozess

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ja, und? Er muss das Urteil ja nicht persönlich absetzen; regelmäßig ist vielmehr auch in solchen Verfahren mindestens ein Berichterstatter bestimmt. (Und man darf davon ausgehen, dass größere Teile des Urteils auch schon im Entwurf fertig sind.) Wenn er ans BayObLG wechselt, kann er dann das fertige Urteil noch gegenlesen und unterschreiben, wenn er in Ruhestand geht oder sonstwohin wechselt, wird seine Unterschrift eben ersetzt; das ist alles kein Problem.
Natürlich, aber es wird in diesem Fall ja mehr als ein Gegenlesen und Abzeichnen sein. Es ist das Urteil seines Lebens, das wird er revisionsfest haben wollen. Das sollte man vom zeitlichen Aufwand genauso wenig unterschätzen wie den (Wieder-)Aufbau von Gerichtsstrukturen. Die Rechenspiele, wie lange die Abesetzungsfrist ist, haben ihre Berechtigung für den Aktendeckel und den Fristenkalender, sollten aber nicht von Anfang dazu führen, dass die Urteilsgründe erst kurz vor knapp vorliegen. Denn der Umgang des BVerfG mit dem Beschleunigungsgebot führt dazu, dass man § 275 StPO verfassungskonform anzuwenden hat, und die Absetzungsfrist eigentlich contra legem gar keine richtige Frist ist.

Dass schon Teile des Urteils als Entwurfs stehen, kann ich mir übrigens angesichts der Bedeutung dieses Verfahrens überhaupt nicht vorstellen, die möglichen negativen Folgen (etwa dann, wenn die Text-Bausteine aus irgendwelchen Gründen öffentlich werden) überragen den möglichen Mehrwert doch erheblich.
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thh
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von thh »

Quantensprung hat geschrieben: Montag 16. Juli 2018, 17:10Dass schon Teile des Urteils als Entwurfs stehen, kann ich mir übrigens angesichts der Bedeutung dieses Verfahrens überhaupt nicht vorstellen, die möglichen negativen Folgen (etwa dann, wenn die Text-Bausteine aus irgendwelchen Gründen öffentlich werden) überragen den möglichen Mehrwert doch erheblich.
Anders wird man ein Verfahren dieses Umfangs gar nicht abarbeiten können; selbstverständlich muss man sich in regelmäßigen Abständen darüber Rechenschaft ablegen, was sich denn bisher feststellen lässt und wie man die Beweise würdigt. Es spricht nichts dagegen, diese Überlegungen auch schriftlich niederzulegen. Schließlich muss das Urteil auch beraten werden; schon bei einer Kammersache ist es durchaus sinnvoll, das auf Grundlage eines schriftlichen Entwurfs zu machen, aus dem man dann "nur noch" ein formgerechtes Urteil machen muss.
Gelöschter Nutzer

Re: NSU-Prozess

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Es spricht nichts dagegen, diese Überlegungen auch schriftlich niederzulegen.
Überhaupt nicht - solange das nicht wirklich als ein Urteilsentwurf konzipiert ist.
Liz
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Liz »

Quantensprung hat geschrieben: Montag 16. Juli 2018, 17:55
Es spricht nichts dagegen, diese Überlegungen auch schriftlich niederzulegen.
Überhaupt nicht - solange das nicht wirklich als ein Urteilsentwurf konzipiert ist.
Naja, aber es dürften in 5 Jahren Prozess doch jede Menge halbfertige Textbausteine zusammen gekommen sein, die man jetzt nur noch finalisieren muss. Es dürfte doch auch nicht zweckmäßig sein, 5 Jahre lang nichts zu Papier zu bringen, was man - mit geringfügigen Änderungen - fürs Urteil verwenden könnte, und anschließend zu versuchen, anhand der gesammelten Notizen das Urteil zu begründen.
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Mr_Black
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Mr_Black »

Ich habe übrigens das "Konzept" des NSU bis heute nicht verstanden. Man brachte kleine Ladenbesitzer um und keiner hat gemerkt, dass dahinter überhaupt eine Terrorzelle steckte. Ergo hat man unter der "Zielgruppe" des Terrors auch nicht Angst und Schrecken verbreitet - was ja üblicherweise das Ziel von Terror ist. Man hat - anders als die RAF - auch nicht versucht Schlüsselfiguren wie Politiker und Wirtschaftsgrößen zu treffen.

Und dann die Details: Warum hat man die Polizistin Kiesewetter erschossen? Angeblich Waffenbeschaffung, aber Waffen hatte die Gruppe bereits. Die erbeutete Polizeiwaffe wurde nie eingesetzt, aber als einziges belastendes Indiz für den Mord schön im Wohnwagen mitgenommen.
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Trente Steele82 »

Mr_Black hat geschrieben: Dienstag 24. Juli 2018, 14:43 Ich habe übrigens das "Konzept" des NSU bis heute nicht verstanden. Man brachte kleine Ladenbesitzer um und keiner hat gemerkt, dass dahinter überhaupt eine Terrorzelle steckte. Ergo hat man unter der "Zielgruppe" des Terrors auch nicht Angst und Schrecken verbreitet - was ja üblicherweise das Ziel von Terror ist. Man hat - anders als die RAF - auch nicht versucht Schlüsselfiguren wie Politiker und Wirtschaftsgrößen zu treffen.

Und dann die Details: Warum hat man die Polizistin Kiesewetter erschossen? Angeblich Waffenbeschaffung, aber Waffen hatte die Gruppe bereits. Die erbeutete Polizeiwaffe wurde nie eingesetzt, aber als einziges belastendes Indiz für den Mord schön im Wohnwagen mitgenommen.
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Herr Anwalt »

Finden wir uns damit ab, dass es Sachverhalte gibt, die wir zwar hinterfragen können, aber deren Wahrheit wir nie erfassen können. Klar ist das alles total seltsam. Aber manchmal ist das Leben unwirklicher als ein Film.
Mein Kanzleipartner (FA für Strafrecht) hat mir noch als Referendar gesagt:
"Dein Fehler ist, dass du versuchst, mit deinem rationalen Verstand die Logik dieser Menschen zu begreifen. Da gibt es aber keine Logik."
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von hlubenow »

Mr_Black hat geschrieben: Dienstag 24. Juli 2018, 14:43Ich habe übrigens das "Konzept" des NSU bis heute nicht verstanden. Man brachte kleine Ladenbesitzer um und keiner hat gemerkt, dass dahinter überhaupt eine Terrorzelle steckte. Ergo hat man unter der "Zielgruppe" des Terrors auch nicht Angst und Schrecken verbreitet - was ja üblicherweise das Ziel von Terror ist. Man hat - anders als die RAF - auch nicht versucht Schlüsselfiguren wie Politiker und Wirtschaftsgrößen zu treffen.

Und dann die Details: Warum hat man die Polizistin Kiesewetter erschossen? Angeblich Waffenbeschaffung, aber Waffen hatte die Gruppe bereits. Die erbeutete Polizeiwaffe wurde nie eingesetzt, aber als einziges belastendes Indiz für den Mord schön im Wohnwagen mitgenommen.
In der Tat. Das ist alles sehr merkwürdig.

Ebenso der Prozeßaufwand: Wieviele Aktenordner? 1000? Die Haupttaten dürften doch vom Sachverhalt und auch rechtlich, also jetzt rein von der juristischen Bearbeitung, recht einfach gelagert gewesen sein.
Zum Vergleich die Sache neulich mit dem arabischen Clan: 16 Beschuldigte (oder mehr), einige hundert oder tausend verschiedenartige Taten in verschiedenen Konstellationen mit zig Beteiligungen. Allein 77 Immobilien, in die Teile der Beute offenbar geflossen sind.
Wenn es schon solche Mühe macht, die Beteiligung einer Person an 10 Morden von zwei anderen Personen abzuurteilen (wieviele Millionen hat der NSU-Prozeß nochmal gekostet?), dann dürfte die OK-Sache in der Komplexität theoretisch gar nicht mehr zu erfassen sein.
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Kezzlerinho »

hlubenow hat geschrieben: Dienstag 24. Juli 2018, 17:22

Ebenso der Prozeßaufwand: Wieviele Aktenordner? 1000? Die Haupttaten dürften doch vom Sachverhalt und auch rechtlich, also jetzt rein von der juristischen Bearbeitung, recht einfach gelagert gewesen sein.
Zum Vergleich die Sache neulich mit dem arabischen Clan: 16 Beschuldigte (oder mehr), einige hundert oder tausend verschiedenartige Taten in verschiedenen Konstellationen mit zig Beteiligungen. Allein 77 Immobilien, in die Teile der Beute offenbar geflossen sind.
Wenn es schon solche Mühe macht, die Beteiligung einer Person an 10 Morden von zwei anderen Personen abzuurteilen (wieviele Millionen hat der NSU-Prozeß nochmal gekostet?), dann dürfte die OK-Sache in der Komplexität theoretisch gar nicht mehr zu erfassen sein.
Woher stammt diese Zahl?

In der Tat beschäftigt diese Großfamilie die Berliner Justiz seit Jahren. Aber das sind alles Fälle, die aufgearbeitet werden...zum Teil auch in aufwendigen Verfahren (Münzraub im Bode-Museum; Mariendorfer Sparkasse...).

Und man zum Vergleich: Auch der sogenannte "Rockerprozess" dauert nun seit beinahe vier Jahren an. Mittlerweile dürften wir bei 200 Verhandlungstagen und ca. 250 gehörten Zeugen sein. Dabei geht es "nur" um einen angeklagten Mord. Vom Sachverhalt und rechtlich nach deiner Einschätzung also sicher ganz "einfach gelagert".

Besondere Taten erfordern eben besonderen Aufwand. Und für Jahrhundertprozesse gilt das insbesondere.
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Liz »

Bei den Berliner Großfamilien sollte man zudem bedenken, dass neben den spektakulären Taten seit Jahren auch Bagatelltaten mit Nachdruck verfolgt werden, was dann die absolute Zahl der Taten in die Höhe treibt.
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Trente Steele82 »

Man sollte sich nicht auf diese Diskussion mit hlubenow einlassen. Er verfolgt doch offensichtlich ein ganz anderes Ziel...
"Ich bin ein Freund der privaten Passivitäten, bin also ein fauler Mensch, der versucht seine Intelligenz einzusetzen, um weiterhin faul zu bleiben zu können." (Benno Heussen)
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von thh »

hlubenow hat geschrieben: Dienstag 24. Juli 2018, 17:22Ebenso der Prozeßaufwand: Wieviele Aktenordner? 1000? Die Haupttaten dürften doch vom Sachverhalt und auch rechtlich, also jetzt rein von der juristischen Bearbeitung, recht einfach gelagert gewesen sein.
Es hilft, wenn man sich nur zu Sachverhalten äußert, bei denen man sich einigermaßen auskennt.
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Tobias__21 »

thh hat geschrieben: Dienstag 24. Juli 2018, 21:24
hlubenow hat geschrieben: Dienstag 24. Juli 2018, 17:22Ebenso der Prozeßaufwand: Wieviele Aktenordner? 1000? Die Haupttaten dürften doch vom Sachverhalt und auch rechtlich, also jetzt rein von der juristischen Bearbeitung, recht einfach gelagert gewesen sein.
Es hilft, wenn man sich nur zu Sachverhalten äußert, bei denen man sich einigermaßen auskennt.
Wieso. Einfach unter 211 StGB subsumieren, fertig ist der Lack. Strafzumessung kein Problem. Da gibts nur eine Strafe. Kriegt man an nem Tag durchgeprügelt. Dass die da auch immer so einen Aufstand machen müssen...
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Ara »

Der Freisler hat sicher nie 500 Verhandlungstage angesetzt gehabt!
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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