NSU-Prozess

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Nimm2
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Nimm2 »

Wenn Jörg Schönenborn gerade in seinem Kommentar bei der Tagesschau das Ansehen der deutschen Justiz jetzt schon beschädigt sieht, wie wird seine Einschätzung erst ausfallen, wenn keine Mittäterschaft nachgewiesen werden kann, sondern nur Beihilfe? Am Ende sogar ein Freispruch steht?

Auf jeden Fall wird es spannend, fachlich freue ich mich auf den Prozess. Vielleicht versuche ich sogar mal, die Öffentlichkeit zu sein.
Zuletzt geändert von Nimm2 am Mittwoch 27. März 2013, 22:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Urs Blank
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Urs Blank »

Herr Schraeg hat geschrieben: Hältst Du die Frage des Ambientes des Verhandlungsortes für einen relevanten Gesichtspunkt "im Rahmen der grundrechtlich gebundenen Ermessensausübung bei sitzungspolizeilichen Bestimmungen"? Sind dann auch verwaltungsrechtliche Erörterungstermine bei Planfeststellungsverfahren, die wegen der Vielzahl der Einwendungsführer in Turnhallen stattfinden, rechtsstaatswidrig?
M. E. keine Frage des Ambientes, sondern: Eine Hauptverhandlung, die wegen des großen Publikumsinteresses außerhalb des Gerichtsgebäudes durchgeführt wird (womöglich noch in einem Theater- oder Kinosaal), bekommt doch rasch die Anmutung eines Schauprozesses. Das sollte unbedingt vermieden werden.

Die "Schwierigkeiten" des OLG, ausländische Medien angemessen zu berücksichtigen, sind allerdings lachhaft. Nimmt man dort ernsthaft an, einen Revisionsgrund zu schaffen, wenn man einen (sachlich doch ohne weiteres gerechtfertigten) Verteilungsmaßstab für die Plätze der Medienvertreter wählt, der auch der ausländischen Presse eine faire Chance zur Teilnahme gibt?
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Maik84 »

Swann hat geschrieben:
Ara hat geschrieben:Warum sollte das Gerichtsverfassungsgesetz es eigentlich untersagen, dass der Saal gewechselt wird? Es liegt doch in der freien Entscheidung des Gerichts wo Verhandelt wird?
Das ist richtig. Es ist aber m.E. dem Rechtsstaat abträglich, wenn er in Turnhallen zu Gericht sitzt.
Damit bekäme der Begriff "Schauprozess" einen völlig neuen Gehalt...
Swann hat geschrieben:
Herr Schraeg hat geschrieben:
Hältst Du die Frage des Ambientes des Verhandlungsortes für einen relevanten Gesichtspunkt "im Rahmen der grundrechtlich gebundenen Ermessensausübung bei sitzungspolizeilichen Bestimmungen"? Sind dann auch verwaltungsrechtliche Erörterungstermine bei Planfeststellungsverfahren, die wegen der Vielzahl der Einwendungsführer in Turnhallen stattfinden, rechtsstaatswidrig?
Es ist m.E. keine Frage des Ambientes, sondern im Extremfall eine Frage des Schutzes des Beschuldigten. Dieses Problem sehe ich bei Planfeststellungsverfahren nicht.
+1

[Urs war schneller...]
Zuletzt geändert von Maik84 am Mittwoch 27. März 2013, 22:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Swann »

Nimm2 hat geschrieben: Am Ende sogar ein Freispruch steht?
Du meinst, das Gericht werde sich selbst von der besonders schweren Brandstiftung nicht überzeugen können?
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immer locker bleiben
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von immer locker bleiben »

Scaevola hat geschrieben:Mich nervt einfach, dass die bayerische Justiz trotz angeblich eingehender Beratungen keinen besseres Verfahren zu ersinnen in der Lage war. Aus welchen Gründen auch immer.
Da bin ich voll bei Dir!
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Nimm2
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Nimm2 »

@Swann

Schon mal von einem Teilfreispruch gehört?
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Scaevola »

batman hat geschrieben:Kannst Du das "mich nervt einfach..." näher erklären oder ist das eine eher diffuse Empörung?
Habe ich doch angedeutet. Bei dem ganzen NSU-Komplex wollen doch auch verschiedene Kreise ihr ganz eigenes Süppchen kochen. Dem tritt man am besten entgegen, indem man möglichst wenig Angriffsfläche für den Vorwurf bietet, etwas zu verbergen zu haben. Aber auch unabhängig von dieser Überlegung: wenn in einem anderen Land eine ganze Reihe von Deutschen einer Mordserie zum Opfer fielen, würde ich es schon seltsam finden, wenn nach einem letztlich von außen nicht überprüfbaren Verfahren leider keine einzigen deutschen Medien als Beobachter zugelassen werden (= keine Platzreservierungen erhalten).
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Scaevola »

Urs Blank hat geschrieben:
M. E. keine Frage des Ambientes, sondern: Eine Hauptverhandlung, die wegen des großen Publikumsinteresses außerhalb des Gerichtsgebäudes durchgeführt wird (womöglich noch in einem Theater- oder Kinosaal), bekommt doch rasch die Anmutung eines Schauprozesses. Das sollte unbedingt vermieden werden.
Wie bereits erwähnt - ich habe dabei immer diesen Fall vor Augen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Soldatenmord_von_Lebach
Am 29. Juni 1970 begann die Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht Saarbrücken in der, für einen Strafprozess ausnahmsweise genutzten, Saarbrücker Kongresshalle. Sie war durch überaus reges Interesse der Bevölkerung geprägt – auf den oberen Rängen wurde geraucht und mitgebrachtes Essen wurde verzehrt – und wurde zuweilen auch als Schauprozess bezeichnet. In der öffentlichen Wahrnehmung spielten auch die homosexuellen Beziehungen zwischen den Tätern eine Rolle.[1] Im öffentlichen Raum ließ der Fall den Ruf nach der Todesstrafe laut werden.
Das Urteil vom 7. August 1970 lautete auf zweimal lebenslänglich für die Mörder sowie sechs Jahre Haft für den dritten Beteiligten wegen Beihilfe zum Mord.
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Parabellum »

Scaevola hat geschrieben:
Urs Blank hat geschrieben:
M. E. keine Frage des Ambientes, sondern: Eine Hauptverhandlung, die wegen des großen Publikumsinteresses außerhalb des Gerichtsgebäudes durchgeführt wird (womöglich noch in einem Theater- oder Kinosaal), bekommt doch rasch die Anmutung eines Schauprozesses. Das sollte unbedingt vermieden werden.
Wie bereits erwähnt - ich habe dabei immer diesen Fall vor Augen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Soldatenmord_von_Lebach
Am 29. Juni 1970 begann die Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht Saarbrücken in der, für einen Strafprozess ausnahmsweise genutzten, Saarbrücker Kongresshalle. Sie war durch überaus reges Interesse der Bevölkerung geprägt – auf den oberen Rängen wurde geraucht und mitgebrachtes Essen wurde verzehrt – und wurde zuweilen auch als Schauprozess bezeichnet. In der öffentlichen Wahrnehmung spielten auch die homosexuellen Beziehungen zwischen den Tätern eine Rolle.[1] Im öffentlichen Raum ließ der Fall den Ruf nach der Todesstrafe laut werden.
Das Urteil vom 7. August 1970 lautete auf zweimal lebenslänglich für die Mörder sowie sechs Jahre Haft für den dritten Beteiligten wegen Beihilfe zum Mord.
Das ist natürlich von den Begleitumständen her extrem. Das Gegenmodell zu diesem OLG-Saal wäre vermutlich doch eher so etwas wie die Mehrzweckhalle in Stammheim, und nicht so eine komische öffentliche Kongresshalle.
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Urs Blank »

"Cats exit the room in a hurry when oysters are opened."
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Chefreferendar »

Das ist oder war Schwachsinn - ich will keine großartige Analyse- betreiben- aber die journalisten kapieren nie so richtig, was eigentlich geschehen ist, nur die Anwälte wissen das. Deswegen sollten die Anwälte im Rahmen der Nebenklage agieren. Ich bin ziemlich davon überzeugt, dass die Staatsanwaltschaft versuchen wird, den Schaden zu mindern, aber journalisten bekommen nur die Fragen auf den Kopf geworfen, was aber hinter den Kulissen geschieht oder geschehen sein muss, ist wohl was völlig anderes.
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Syd26 »

Scaevola hat geschrieben: ... wenn in einem anderen Land eine ganze Reihe von Deutschen einer Mordserie zum Opfer fielen, würde ich es schon seltsam finden, wenn nach einem letztlich von außen nicht überprüfbaren Verfahren leider keine einzigen deutschen Medien als Beobachter zugelassen werden (= keine Platzreservierungen erhalten).
Zustimmung.

Die Vergabepraxis der Plätze durch das OLG ist rechtlich wohl zulässig, von außen erscheint sie jedoch mindestens seltsam.

Ich halte es aber für richtig, dass sich das OLG München in diesem Punkt nicht "reinreden" lässt. Denn jedes Nachgeben würde als Beeinflussung durch die Politik oder Presse gewertet werden und dann schreien wieder alle - zu Recht - nach der Gewaltenteilung.

Eine Revision wird es so oder so geben. Da brauchen wir uns nichts vormachen.
"Eine Verschiebung eines Termins setzt jedoch denklogisch voraus, dass vorher ein fester Termin vereinbart worden ist."
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von batman »

Türkische Medien sollen jetzt doch "eingebunden" werden.
http://www.sueddeutsche.de/politik/stre ... -1.1635362
Parabellum
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von Parabellum »

Hier übrigens die Verfügung des OLG, um die es geht: http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/ ... 3.2013.pdf (Verwaister Link http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/oberlandesgerichte/muenchen/erg._sicherheitsverf_gung_vom_22.03.2013.pdf automatisch entfernt)

Interessanterweise ist die Liste der akkreditierten Journalisten nach der Beschwerde eines freien Journalisten entfernt worden (siehe S. 3).
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Re: NSU-Prozess

Beitrag von showbee »

Genauso gestern auch Hoffmann-Riem in den Tagesthemen. Gerade der Vergleich zur Praxis im Kachelmannverfahren zeigt ja deutliche "Fehler".
"I suspect that if a million monkeys were put in front of a million typewriters, by Wednesday one of them would have come up with an improved version of the Income Tax Assessment Act" CASE P132 [1982] ATC 660, 662, AUSTRALIA
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