Re: NSU-Prozess
Verfasst: Donnerstag 19. August 2021, 11:06
Dass die Urteilsgründe auf der ersten Ebene in "Bücher" gegliedert werden, dürfte auch Seltenheitswert haben.
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Weil "gesellschaftliche Wichtigkeit" kein Kriterium für die Durchführung einer Hauptverhandlung ist.Urs Blank hat geschrieben:Ich frage mich, warum in einem der gesellschaftlich wichtigsten Verfahren der Nachkriegszeit auf eine Hauptverhandlung verzichtet wird (mit Ausnahme natürlich bezüglich des Angeklagten Andre E.).
Das sehe ich - mit Blick auf die symbolische Funktion des Strafrechts - ein wenig anders. Um es mit dem alten englischen Spruch zu sagen: "Not only must justice be done; it must also be seen to be done".thh hat geschrieben: ↑Donnerstag 19. August 2021, 22:08Weil "gesellschaftliche Wichtigkeit" kein Kriterium für die Durchführung einer Hauptverhandlung ist.Urs Blank hat geschrieben:Ich frage mich, warum in einem der gesellschaftlich wichtigsten Verfahren der Nachkriegszeit auf eine Hauptverhandlung verzichtet wird (mit Ausnahme natürlich bezüglich des Angeklagten Andre E.).
Aber was soll denn Inhalt dieser Revisionshauptverhandlung sein? Die Hauptverhandlung dient der Klärung noch offener Fragen. Regelmäßig werden die Beteiligten ermahnt doch ihre Schriftsätze nicht zu wiederholen. Wenn es keine offenen Fragen mehr gibt für das Gericht, fehlt dir ja auch ein sinniger Inhalt. Das Abhalten einer „Scheinverhandlung“ bringt ja auch keinem was.Urs Blank hat geschrieben: ↑Donnerstag 19. August 2021, 23:56Das sehe ich - mit Blick auf die symbolische Funktion des Strafrechts - ein wenig anders. Um es mit dem alten englischen Spruch zu sagen: "Not only must justice be done; it must also be seen to be done".thh hat geschrieben: ↑Donnerstag 19. August 2021, 22:08Weil "gesellschaftliche Wichtigkeit" kein Kriterium für die Durchführung einer Hauptverhandlung ist.Urs Blank hat geschrieben:Ich frage mich, warum in einem der gesellschaftlich wichtigsten Verfahren der Nachkriegszeit auf eine Hauptverhandlung verzichtet wird (mit Ausnahme natürlich bezüglich des Angeklagten Andre E.).
Rechtlich wäre es im Übrigen ohne weiteres zulässig gewesen, eine öffentliche Hauptverhandlung durchzuführen; § 349 Abs. 5 StPO gibt dem Revisionsgericht bekanntlich einen sehr weiten Ermessensspielraum. Dass die gesellschaftliche Wichtigkeit eines Verfahrens kein maßgebliches Kriterium sein sollte, halte ich nicht für richtig. Denn das Gesetz kennt diesen Topos durchaus, nämlich in § 169 Abs. 2 GVG: Zulassung von Tonaufnahmen der Verhandlung, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt.
@Tibor: Klar, die Verschwörungstheoretiker und Allesbezweifler wird auch eine öffentliche Verhandlung nicht überzeugen. Aber es kommt darauf an, die Gutwilligen zu erreichen.
Der Versuch, Strafverfahren mit ihnen fremden Themen zu überfrachten, gefährdet vielmehr die Funktion des Strafrechts und führt erst zu solchen Ausschweifungen wie über fünf Jahre andauernden Hauptverhandlungen mit über 400 Verhandlungstagen und über 3.000 Seiten Urteil.
Der Bundesgerichtshof soll über die Revision der Angeklagten entscheiden. Das hat er getan, in der Form, in der er es auch sonst tut. Und genau das ist auch der einzig richtige Weg. Die nicht notwendige Durchführung einer Hauptverhandlung - mit dem damit verbundenen Aufwand - aus dramaturgischen Gründen wäre grob verfehlt. Das Strafverfahren dient der Feststellung der Schuld (oder Unschuld) der Angeklagten und im Falle eines Schuldspruchs der Strafzumessung, nicht aber der Aufklärung darüber hinausgehender historischer Tatsachen oder der bedeutungsschwangeren Zelebration gesellschaftlicher Wichtigkeit. Gerade davor muss er sich - insbesondere bei der Aburteilung von "Staatsfeinden" wie den Angehörigen des NSU oder der RAF - hüten.Urs Blank hat geschrieben: ↑Donnerstag 19. August 2021, 23:56Rechtlich wäre es im Übrigen ohne weiteres zulässig gewesen, eine öffentliche Hauptverhandlung durchzuführen; § 349 Abs. 5 StPO gibt dem Revisionsgericht bekanntlich einen sehr weiten Ermessensspielraum. Dass die gesellschaftliche Wichtigkeit eines Verfahrens kein maßgebliches Kriterium sein sollte, halte ich nicht für richtig.
Genau das meine ich auch. Niemand gehört vorgeführt. Gerichtsshow gibt es beim RTL.thh hat geschrieben: ↑Freitag 20. August 2021, 08:07 ...nicht aber der Aufklärung darüber hinausgehender historischer Tatsachen oder der bedeutungsschwangeren Zelebration gesellschaftlicher Wichtigkeit. Gerade davor muss er sich - insbesondere bei der Aburteilung von "Staatsfeinden" wie den Angehörigen des NSU oder der RAF - hüten.