Korruption im Nds. Prüfungsamt

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julée
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von julée »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Wobei man sich natürlich schon ernsthaft fragen kann, ob ein Umstand wie derjenige, dass Lösungen von einem hochrangigen Mitarbeiter des JPA herausgegeben wurden, es also erst durch Versäumnisse in der behördlichen Sphäre zu Täuschungsversuchen kam, im Rahmen des Ermessens oder sogar tatbestandlich ein Stück weit zu berücksichtigen wäre (§ 15 I 3 NJAG sieht dann ja z.B. kein Ermessen mehr vor).
Das Gegenbeispiel dürfte aber hier der Berliner Fall bilden, wo ein AG-Leiter seiner AG die Themen der ÖR-Klausuren verraten hatte. Hier war den Kandidaten die Kenntnis der Klausurthemen - gegen ihren Willen - aufgedrängt worden. Da würde ich in der Tat über "mildernde Umstände" nachdenken.

Aber im Bereich der Bestechung hat man letztlich ja immer auch Versäumnisse in der behördlichen Sphäre. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch § 48 II 3 Nr. 1 VwVfG, der hier das Vertrauen des Bürgers nicht für schutzwürdig erachtet.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Gut, aber § 48 II VwVfG betrifft ja zunächst einmal nur die Frage, inwieweit die Behörde überhaupt aufheben darf.

Ich denke zwar auch nicht, dass dieser Einwand letztlich groß verfangen würde - es ist immer schlecht, eigenes Fehlverhalten mit den Verfehlungen anderer exkulpieren zu wollen (was in der Tat auch § 48 II 3 Nr. 1 VwVfG belegt) -, doch finde ich es zumindest nicht ganz fernliegend zu fordern, dass die Behörde nicht die Augen davor verschließen sollte, dass das ursprüngliche Übel aus ihrer Sphäre stammte. Dabei sollte man auch bedenken: Es wird hier vielfach um verzweifelte Menschen gegangen sein, denen man dann ein solches unmoralisches Angebot gemacht hat und die dann eben darauf eingegangen sind (das dürfte übrigens auch weniger der Geschehensablauf sein, von dem § 48 II 3 Nr. 1 VwVfG ausgeht, wenn er aufzählt "durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt", obschon es natürlich gleichwohl zutrifft, dass das Zeugnis letztlich so "erwirkt" worden ist).
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von julée »

Fernliegend ist es sicherlich nicht, nach dem Mitverschulden des JPA zu fragen und danach, ob angesichts dessen die maximale Sanktionierung der betroffenen Kandidaten tatsächlich angemessen ist.

Man könnte sich allerdings im nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren darauf einigen, dass die Betroffenen ihr Examen nochmal schreiben dürfen.
Auch könnte (oder müsste sogar?) man bei denjenigen, die erst im Verbesserungsversuch getäuscht haben, den schlechteren Erstversuch wieder aufleben lassen.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Honigkuchenpferd »

julée hat geschrieben:Fernliegend ist es sicherlich nicht, nach dem Mitverschulden des JPA zu fragen und danach, ob angesichts dessen die maximale Sanktionierung der betroffenen Kandidaten tatsächlich angemessen ist.
Um diesen Punkt ging es mir auch. Man wird unter keinem Gesichtspunkt ernsthaft vertreten können, dass die Prüfungsleistungen, bei denen getäuscht worden ist, bestehen bleiben können. Andererseits bedeutet das endgültige Nichtbestehen des 2. Staatsexamen eine schwerwiegende Sanktion. (In NRW bestünde außerdem ja sogar die Möglichkeit, selbst jemanden, dessen Erstversuch es gewesen wäre, von einer Wiederholungsprüfung auszuschließen.)
Man könnte sich allerdings im nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren darauf einigen, dass die Betroffenen ihr Examen nochmal schreiben dürfen.
Das wäre schon recht großzügig, aber vielfach wohl keine schlechte Lösung. Immerhin ist es durchaus zweifelhaft, dass der Nachweis eines Täuschungsversuchs restlos überzeugend geführt werden kann.
Auch könnte (oder müsste sogar?) man bei denjenigen, die erst im Verbesserungsversuch getäuscht haben, den schlechteren Erstversuch wieder aufleben lassen.
Ob man das "müsste", ist eine interessante Frage. Zumindest § 22 I 1 Nr. 3 JAG NRW böte einen normativen Anhalt, das nicht zu tun (denn er sieht eben ausdrücklich die Möglichkeit vor, jemanden auch von einer Wiederholungsprüfung auszuschließen). Ich denke aber schon, dass man das "müsste", denn die ursprüngliche Prüfungsleistung ist erbracht worden und einen eigentlichen "Unwürdigkeitstatbestand" gibt es nicht.

Eine andere interessante Frage ist, ob man ohne weiteres auch nur einzelne Prüfungsleistungen im Nachhinein "aberkennen" könnte - etwa, wenn jemand im Übrigen genügend Punkte zum Bestehen gesammelt hat. Denn sowohl § 22 II JAG NRW als auch § 15 II NJAG sprechen auf den ersten Blick nur davon, dass die Prüfung im Nachhinein für "nicht bestanden" erklärt werden kann. Könnte und müsste man dann auf die Rechtsfigur der Minus-Maßnahme rekurrieren, um zu rechtfertigen, dass eine Prüfung nur für "schlechter bestanden" erklärt wird?
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Swann »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Wobei man sich natürlich schon ernsthaft fragen kann, ob ein Umstand wie derjenige, dass Lösungen von einem hochrangigen Mitarbeiter des JPA herausgegeben wurden, es also erst durch Versäumnisse in der behördlichen Sphäre zu Täuschungsversuchen kam, im Rahmen des Ermessens oder sogar tatbestandlich ein Stück weit zu berücksichtigen wäre (§ 15 I 3 NJAG sieht dann ja z.B. kein Ermessen mehr vor).
Das halte ich für einen eher fernliebenden Gedanken. Ein "Versäumnis" wäre es, wenn ein hochrangiger Mitarbeiter des JPA die Lösungsskizze auf dem Klo vergessen hätte und die betreffenden Prüflinge über diese gestolpert wären. Hier handelt es sich indes um kriminelle Kollusion zwischen einem JPA-Angehörigen und den Prüflingen. Da kann m.E. nur die schärfste prüfungsrechtliche Maßnahme angemessen sein: das endgültige Nichtbestehen der EJP.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Syd26 »

Honigkuchenpferd hat geschrieben: Ich kann mir kaum vorstellen, dass man gerade in einem solchen Fall allzu gnädig wäre bzw. einen "schweren Täuschungsversuch" verneinen würde.
Zustimmung.
"Eine Verschiebung eines Termins setzt jedoch denklogisch voraus, dass vorher ein fester Termin vereinbart worden ist."
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Swann hat geschrieben:
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Wobei man sich natürlich schon ernsthaft fragen kann, ob ein Umstand wie derjenige, dass Lösungen von einem hochrangigen Mitarbeiter des JPA herausgegeben wurden, es also erst durch Versäumnisse in der behördlichen Sphäre zu Täuschungsversuchen kam, im Rahmen des Ermessens oder sogar tatbestandlich ein Stück weit zu berücksichtigen wäre (§ 15 I 3 NJAG sieht dann ja z.B. kein Ermessen mehr vor).
Das halte ich für einen eher fernliebenden Gedanken. Ein "Versäumnis" wäre es, wenn ein hochrangiger Mitarbeiter des JPA die Lösungsskizze auf dem Klo vergessen hätte und die betreffenden Prüflinge über diese gestolpert wären. Hier handelt es sich indes um kriminelle Kollusion zwischen einem JPA-Angehörigen und den Prüflingen. Da kann m.E. nur die schärfste prüfungsrechtliche Maßnahme angemessen sein: das endgültige Nichtbestehen der EJP.
Das "Versäumnis" des JPA ist es aber, dass es einen solchen Mann beschäftigt hat und über Jahre hinweg nicht bemerkt wurde, was er da trieb. Im Übrigen legen die jüngsten Presseberichte nahe, dass L. über einen Mittelsmann gezielt an Kandidaten herantrat, die schon einmal durch das 2. Staatsexamen gefallen waren und die mithin unter außerordentlichem Druck standen (zumal sie gewärtigen mussten, dass die ganze Arbeit der vergangenen Jahre mehr oder weniger umsonst gewesen sein würde). Gezielt an diese Kandidaten herantreten konnte L., der anscheinend primär nicht für das 2. Staatsexamen verantwortlich war, wiederum offenkundig nur deshalb, weil er aufgrund seiner amtlichen Stellung über Namen, Ergebnisse und Adressen verfügte.

Ich finde schon, dass man diese Umstände berücksichtigen sollte und dass sie geeignet sind, die "kriminelle Kollusion" aufseiten der Prüflinge in einem etwas milderen Licht erscheinen zu lassen.

Zudem sieht das NJAG das endgültige Nichtbestehen als eigenständige Sanktion gar nicht vor (auch beim JAG NRW ist das nicht ohne weiteres der Fall). Bei Kandidaten, die nicht wiederholt haben, würde somit schon eine Rechtsgrundlage für diese Sanktion fehlen.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Zu den angesprochenen Hintergründen:
Das Justizministerium ist nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr stutzig geworden: "Wir haben einen Wiederholer gehabt, der eine Prüfungsleistung gebracht hat, die - wenn man sein erstes Ergebnis gesehen hat - eigentlich nicht plausibel war." Die Frage, wie der auffällige Notensprung zustande kam, konnte die zuständige Staatsanwaltschaft Verden zuerst nicht beantworten. Erst als der Tipp einer Referendarin kam, führte die Spur Anfang des Jahres zu dem Richter. Er war leitender Mitarbeiter im Prüfungsamt, kannte daher die Adressen der Wiederholer und konnte sie leicht ansprechen.
http://www.ndr.de/regional/niedersachse ... er453.html
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Swann »

Honigkuchenpferd hat geschrieben: Das "Versäumnis" des JPA ist es aber, dass es einen solchen Mann beschäftigt hat und über Jahre hinweg nicht bemerkt wurde, was er da trieb. Im Übrigen legen die jüngsten Presseberichte nahe, dass L. über einen Mittelsmann gezielt an Kandidaten herantrat, die schon einmal durch das 2. Staatsexamen gefallen waren und die mithin unter außerordentlichem Druck standen (zumal sie gewärtigen mussten, dass die ganze Arbeit der vergangenen Jahre mehr oder weniger umsonst gewesen sein würde). Gezielt an diese Kandidaten herantreten konnte L., der anscheinend primär nicht für das 2. Staatsexamen verantwortlich war, wiederum offenkundig nur deshalb, weil er aufgrund seiner amtlichen Stellung über Namen, Ergebnisse und Adressen verfügte.

Ich finde schon, dass man diese Umstände berücksichtigen sollte und dass sie geeignet sind, die "kriminelle Kollusion" aufseiten der Prüflinge in einem etwas milderen Licht erscheinen zu lassen.
Dass das JPA sich Versäumnisse vorzuwerfen hat, ist nicht belegt. Gegen kriminelle Umtriebe von Prüfern und Prüflinge kann man wenig machen. Und der Druck, denen die Täter hier ausgesetzt war, unterscheidet sich auch nicht von der Situation rechtschaffener Prüflinge, sondern ist in Prüfungen geradezu typisch. Anknüpfungspunkt für eine mildere prüfungsrechtliche Maßnahme kann ich darin also nicht erblicken. Ggf. kann man dies bei der Strafzumessung wegen Bestechung mildernd berücksichtigen.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Swann hat geschrieben:
Honigkuchenpferd hat geschrieben: Das "Versäumnis" des JPA ist es aber, dass es einen solchen Mann beschäftigt hat und über Jahre hinweg nicht bemerkt wurde, was er da trieb. Im Übrigen legen die jüngsten Presseberichte nahe, dass L. über einen Mittelsmann gezielt an Kandidaten herantrat, die schon einmal durch das 2. Staatsexamen gefallen waren und die mithin unter außerordentlichem Druck standen (zumal sie gewärtigen mussten, dass die ganze Arbeit der vergangenen Jahre mehr oder weniger umsonst gewesen sein würde). Gezielt an diese Kandidaten herantreten konnte L., der anscheinend primär nicht für das 2. Staatsexamen verantwortlich war, wiederum offenkundig nur deshalb, weil er aufgrund seiner amtlichen Stellung über Namen, Ergebnisse und Adressen verfügte.

Ich finde schon, dass man diese Umstände berücksichtigen sollte und dass sie geeignet sind, die "kriminelle Kollusion" aufseiten der Prüflinge in einem etwas milderen Licht erscheinen zu lassen.
Dass das JPA sich Versäumnisse vorzuwerfen hat, ist nicht belegt. Gegen kriminelle Umtriebe von Prüfern und Prüflinge kann man wenig machen. Und der Druck, denen die Täter hier ausgesetzt war, unterscheidet sich auch nicht von der Situation rechtschaffener Prüflinge, sondern ist in Prüfungen geradezu typisch. Anknüpfungspunkt für eine mildere prüfungsrechtliche Maßnahme kann ich darin also nicht erblicken. Ggf. kann man dies bei der Strafzumessung wegen Bestechung mildernd berücksichtigen.
Es ist bislang nicht belegt, dass man dem JPA tatsächlich ein "Verschulden" vorwerfen kann; dem Grunde nach handelt es sich doch aber sicher um ein "Versäumnis", wenn man einen solchen Mitarbeiter in seinen Reihen hat, er auf alles Zugriff hat (selbst wenn es nicht zu seinem Referat gehört) und Jahre lang nichts entdeckt wird, so dass er einfach weitermachen kann.

Im Übrigen wären diese Umstände doch wohl ganz sicher bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Plastisch: Hier tritt, wenn auch wohl auf Umwegen, ein Amtsträger mit Informationen, die er in amtlicher Eigenschaft erlangt hat, an Menschen heran, die er ebenfalls nur deshalb kennt, und bietet sie diesen Menschen zum Kauf an. Bei diesen Menschen handelt es sich wiederum um Personen, die sich vielfach in einer existenziellen Ausnahmesituation befinden und die diese Informationen als geradezu lebensnotwendig ansehen mögen. Und nur deshalb begehen diese Menschen schließlich die ihnen vorgeworfenen strafbaren Handlungen.

Schließlich kann man m.E. aber auch nicht sagen, dass es schlechthin keine Anknüpfungspunkte auch für mildere prüfungsrechtliche Maßnahmen gebe. Sowohl das JAG NRW als auch das NJAG gehen davon aus, dass nicht jeder Täuschungsversuch gleich schwer wiegt, und sie eröffnen ein abgestuftes Sanktionsinstrumentarium. Ausschlaggebend für die Schwere eines Falls ist nicht zuletzt der Grad an individueller Vorwerfbarkeit - und dann muss man sich schon fragen, ob das hier wirklich noch in die Kategorie "schwer" oder sogar "besonders schwer" fällt.

Es trifft sicher zu, dass Druck der Normalfall in einer Prüfung ist (und man läuft sicher auch Gefahr, redliche Prüflinge zu benachteiligen, wenn man allzu nachsichtig ist...), doch ist der Druck, der auf Wiederholern lastet, ebenso sicher besonders hoch. Jemandem, der Gefahr läuft, dass die vergangenen Jahre ganz umsonst gewesen sein könnte, wird es daher besonders schwer fallen, einem so verlockenden Angebot zu widerstehen. Und gerade dass hier gelockt wurde, halte ich für wichtig.

Ich hatte ja bereits mehrfach betont, dass ich selbst es nicht für wahrscheinlich halte, dass man auch insofern große Milde wird walten lassen; das kann man sich wohl schon wegen der öffentlichen Wirkung nicht leisten. Dennoch sehe ich hier sehr wohl gewisse normative Anknüpfungspunkte auch für prüfungsrechtliche Milde.

Wenn man hart sein will, sollte man m.E. eher darauf verweisen, dass Juristen ständig in Situationen geraten, in denen sie verlockt sein könnten und unbedingt standhalten müssen. Nur weil man Geld braucht, kann man z.B. nicht einfach das Anderkonto plündern - oder eben ggf. Dienstgeheimnisse verhökern.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Swann »

Honigkuchenpferd hat geschrieben: Schließlich kann man m.E. aber auch nicht sagen, dass es schlechthin keine Anknüpfungspunkte auch für mildere prüfungsrechtliche Maßnahmen gebe. Sowohl das JAG NRW als auch das NJAG gehen davon aus, dass nicht jeder Täuschungsversuch gleich schwer wiegt, und sie eröffnen ein abgestuftes Sanktionsinstrumentarium. Ausschlaggebend für die Schwere eines Falls ist nicht zuletzt der Grad an individueller Vorwerfbarkeit - und dann muss man sich schon fragen, ob das hier wirklich noch in die Kategorie "schwer" oder sogar "besonders schwer" fällt.

Es trifft sicher zu, dass Druck der Normalfall in einer Prüfung ist (und man läuft sicher auch Gefahr, redliche Prüflinge zu benachteiligen, wenn man allzu nachsichtig ist...), doch ist der Druck, der auf Wiederholern lastet, ebenso sicher besonders hoch. Jemandem, der Gefahr läuft, dass die vergangenen Jahre ganz umsonst gewesen sein könnte, wird es daher besonders schwer fallen, einem so verlockenden Angebot zu widerstehen. Und gerade dass hier gelockt wurde, halte ich für wichtig.
Ausgangspunkt der prüfungsrechtlichen Maßnahme ist zunächst die Schwere des Täuschungsversuchs. Und da ist kein schwerer Fall denkbar als die vollständige Kenntnis des Sachverhalts nebst Lösungsskizze. "Leichtere Verstöße" wie unzulässige Kommentierungen im Gesetz verblassen vor dem Ausmaß des dort betriebenen Unterschleifs. Die von dir vorgetragenen "mildernden Umstände", will man sie überhaupt anerkennen, können angesichts der Schwere des Täuschungsversuchs m.E. nicht mehr durchgreifen.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von julée »

Swann hat geschrieben:Dass das JPA sich Versäumnisse vorzuwerfen hat, ist nicht belegt. Gegen kriminelle Umtriebe von Prüfern und Prüflinge kann man wenig machen.
Sollte der Betreffende tatsächlich Zugriff auf die Prüfungsunterlagen als auch auf die Klarnamen der Wiederholer gehabt haben, würde ich durchaus auch ein Versäumnis des JPA sehen. Beide Bereiche kann und sollte man organisatorisch trennen. Derjenige, der die Prüfungsaufgaben entwirft und überprüft, benötigt für seine Tätigkeit zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf irgendwelche persönliche Daten der Prüflinge. Und fraglich wäre m. E. auch, ob ausreichende Sicherheitsvorkehrungen gegen das vorzeitige Abhandenkommen von Prüfungsaufgaben getroffen worden sind. Damit mag man kriminelle Machenschaften nicht zu 100 % ausschließen können, aber man muss es kriminell veranlagten Mitarbeitern auch nicht einfacher als unbedingt nötig machen.

In der Rechtsfolge würde ich angesichts der Schwere des Verstoßes der Prüflinge allerdings wenig Raum für Milde sehen - und allenfalls im Bereich des Möglichen für pragmatische Lösungen plädieren.
Zuletzt geändert von julée am Donnerstag 3. April 2014, 14:22, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Swann hat geschrieben:
Honigkuchenpferd hat geschrieben: Schließlich kann man m.E. aber auch nicht sagen, dass es schlechthin keine Anknüpfungspunkte auch für mildere prüfungsrechtliche Maßnahmen gebe. Sowohl das JAG NRW als auch das NJAG gehen davon aus, dass nicht jeder Täuschungsversuch gleich schwer wiegt, und sie eröffnen ein abgestuftes Sanktionsinstrumentarium. Ausschlaggebend für die Schwere eines Falls ist nicht zuletzt der Grad an individueller Vorwerfbarkeit - und dann muss man sich schon fragen, ob das hier wirklich noch in die Kategorie "schwer" oder sogar "besonders schwer" fällt.

Es trifft sicher zu, dass Druck der Normalfall in einer Prüfung ist (und man läuft sicher auch Gefahr, redliche Prüflinge zu benachteiligen, wenn man allzu nachsichtig ist...), doch ist der Druck, der auf Wiederholern lastet, ebenso sicher besonders hoch. Jemandem, der Gefahr läuft, dass die vergangenen Jahre ganz umsonst gewesen sein könnte, wird es daher besonders schwer fallen, einem so verlockenden Angebot zu widerstehen. Und gerade dass hier gelockt wurde, halte ich für wichtig.
Ausgangspunkt der prüfungsrechtlichen Maßnahme ist zunächst die Schwere des Täuschungsversuchs. Und da ist kein schwerer Fall denkbar als die vollständige Kenntnis des Sachverhalts nebst Lösungsskizze. "Leichtere Verstöße" wie unzulässige Kommentierungen im Gesetz verblassen vor dem Ausmaß des dort betriebenen Unterschleifs. Die von dir vorgetragenen "mildernden Umstände", will man sie überhaupt anerkennen, können angesichts der Schwere des Täuschungsversuchs m.E. nicht mehr durchgreifen.
Es spricht sicher einiges dafür, dass man hier auf das Nichtbestehen des entsprechenden Durchgangs erkennen sollte. Anerkennen muss man die vorgebrachten "mildernden Umstände" m.E. aber sehr wohl, so dass es eben doch eine Abwägungsfrage ist.

Und wenn einem - auf welchen Wegen auch immer - die Möglichkeit eröffnet sein sollte, sogar noch eine darüber hinausgehende Sanktion auszusprechen - wie etwa den Verlust eines Wiederholungsversuchs, der dem Prüfling andernfalls zustünde (vgl. § 22 I 1 Nr. 3 JAG NRW) -, hätte ich sogar größere Bedenken, ob das noch angemessen ist.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Im Übrigen sollte man auch die Art der Verschaffung nicht ganz außer Acht lassen. So hätte ein Prüfling sich die Musterlösung auch durch Erpressung oder mithilfe einer Ausspähaktion verschaffen können. Gegen Geld entgegenzunehmen, was einem aus heiterem Himmel angeboten wird, ist - zumindest insofern - nicht ganz so schlimm.
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Re: Korruption im Nds. Prüfungsamt

Beitrag von Parabellum »

julée hat geschrieben:
Swann hat geschrieben:Dass das JPA sich Versäumnisse vorzuwerfen hat, ist nicht belegt. Gegen kriminelle Umtriebe von Prüfern und Prüflinge kann man wenig machen.
Sollte der Betreffende tatsächlich Zugriff auf die Prüfungsunterlagen als auch auf die Klarnamen der Wiederholer gehabt haben, würde ich durchaus auch ein Versäumnis des JPA sehen. Beide Bereiche kann und sollte man organisatorisch trennen.
Hilft aber auch nicht, wenn der Vorgesetzte korrupt ist. Wie vermutlich hier, der hiesige Delinquent war ja Referatsleiter.

Zur Schwere der Verfehlungen und den Konsequenzen daraus stimme ich im übrigen Swann unterm Strich zu.
Zuletzt geändert von Parabellum am Donnerstag 3. April 2014, 14:47, insgesamt 1-mal geändert.
"Ich sage nicht, dass man sich hier zu siezen hätte oder ähnlichen Quatsch. Bei einem Forum von Juristen für Juristen ist meine Erwartungshaltung aber trotzdem nochmal eine andere als bei der Kneipe um die Ecke." OJ1988
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