Swann hat geschrieben:Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Das "Versäumnis" des JPA ist es aber, dass es einen solchen Mann beschäftigt hat und über Jahre hinweg nicht bemerkt wurde, was er da trieb. Im Übrigen legen die jüngsten Presseberichte nahe, dass L. über einen Mittelsmann gezielt an Kandidaten herantrat, die schon einmal durch das 2. Staatsexamen gefallen waren und die mithin unter außerordentlichem Druck standen (zumal sie gewärtigen mussten, dass die ganze Arbeit der vergangenen Jahre mehr oder weniger umsonst gewesen sein würde). Gezielt an diese Kandidaten herantreten konnte L., der anscheinend primär nicht für das 2. Staatsexamen verantwortlich war, wiederum offenkundig nur deshalb, weil er aufgrund seiner amtlichen Stellung über Namen, Ergebnisse und Adressen verfügte.
Ich finde schon, dass man diese Umstände berücksichtigen sollte und dass sie geeignet sind, die "kriminelle Kollusion" aufseiten der Prüflinge in einem etwas milderen Licht erscheinen zu lassen.
Dass das JPA sich Versäumnisse vorzuwerfen hat, ist nicht belegt. Gegen kriminelle Umtriebe von Prüfern und Prüflinge kann man wenig machen. Und der Druck, denen die Täter hier ausgesetzt war, unterscheidet sich auch nicht von der Situation rechtschaffener Prüflinge, sondern ist in Prüfungen geradezu typisch. Anknüpfungspunkt für eine mildere prüfungsrechtliche Maßnahme kann ich darin also nicht erblicken. Ggf. kann man dies bei der Strafzumessung wegen Bestechung mildernd berücksichtigen.
Es ist bislang nicht belegt, dass man dem JPA tatsächlich ein "Verschulden" vorwerfen kann; dem Grunde nach handelt es sich doch aber sicher um ein "Versäumnis", wenn man einen solchen Mitarbeiter in seinen Reihen hat, er auf alles Zugriff hat (selbst wenn es nicht zu seinem Referat gehört) und Jahre lang nichts entdeckt wird, so dass er einfach weitermachen kann.
Im Übrigen wären diese Umstände doch wohl ganz sicher bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Plastisch: Hier tritt, wenn auch wohl auf Umwegen, ein Amtsträger mit Informationen, die er in amtlicher Eigenschaft erlangt hat, an Menschen heran, die er ebenfalls nur deshalb kennt, und bietet sie diesen Menschen zum Kauf an. Bei diesen Menschen handelt es sich wiederum um Personen, die sich vielfach in einer existenziellen Ausnahmesituation befinden und die diese Informationen als geradezu lebensnotwendig ansehen mögen. Und nur deshalb begehen diese Menschen schließlich die ihnen vorgeworfenen strafbaren Handlungen.
Schließlich kann man m.E. aber auch nicht sagen, dass es schlechthin keine Anknüpfungspunkte auch für mildere prüfungsrechtliche Maßnahmen gebe. Sowohl das JAG NRW als auch das NJAG gehen davon aus, dass nicht jeder Täuschungsversuch gleich schwer wiegt, und sie eröffnen ein abgestuftes Sanktionsinstrumentarium. Ausschlaggebend für die Schwere eines Falls ist nicht zuletzt der Grad an individueller Vorwerfbarkeit - und dann muss man sich schon fragen, ob das hier wirklich noch in die Kategorie "schwer" oder sogar "besonders schwer" fällt.
Es trifft sicher zu, dass Druck der Normalfall in einer Prüfung ist (und man läuft sicher auch Gefahr, redliche Prüflinge zu benachteiligen, wenn man allzu nachsichtig ist...), doch ist der Druck, der auf Wiederholern lastet, ebenso sicher besonders hoch. Jemandem, der Gefahr läuft, dass die vergangenen Jahre ganz umsonst gewesen sein könnte, wird es daher besonders schwer fallen, einem so verlockenden Angebot zu widerstehen. Und gerade dass hier gelockt wurde, halte ich für wichtig.
Ich hatte ja bereits mehrfach betont, dass ich selbst es nicht für wahrscheinlich halte, dass man auch insofern große Milde wird walten lassen; das kann man sich wohl schon wegen der öffentlichen Wirkung nicht leisten. Dennoch sehe ich hier sehr wohl gewisse normative Anknüpfungspunkte auch für prüfungsrechtliche Milde.
Wenn man hart sein will, sollte man m.E. eher darauf verweisen, dass Juristen ständig in Situationen geraten, in denen sie verlockt sein könnten und unbedingt standhalten müssen. Nur weil man Geld braucht, kann man z.B. nicht einfach das Anderkonto plündern - oder eben ggf. Dienstgeheimnisse verhökern.